BT-Drucksache 18/8657

Rechenschaftspflicht und entwicklungspolitisches Mandat der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft DEG stärken

Vom 2. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8657
18. Wahlperiode 02.06.2016
Antrag
der Abgeordneten Niema Movassat, Katja Kipping, Dr. Gesine Lötzsch,
Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz, Sevim Da delen,
Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko,
Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Stefan Liebich, Dr. Alexander S. Neu, Dr. Petra
Sitte, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Rechenschaftspflicht und entwicklungspolitisches Mandat der Deutschen
Investitions- und Entwicklungsgesellschaft DEG stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Bundestag stellt fest:

Die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH (DEG) ist mit einem
Portfolio von 7,979 Mrd. Euro (Geschäftsjahr 2015) einer der größten europäischen
Entwicklungsfinanzierer. Das 100-prozentige Tochterunternehmen der Kreditanstalt
für Wiederaufbau (KfW) hat den Auftrag, „unternehmerische Initiative in Entwick-
lungs- und Schwellenländern zu fördern, um zu nachhaltigem Wachstum und besse-
ren Lebensbedingungen der Menschen vor Ort beizutragen“ (zitiert von der Home-
page DEG). Die DEG fördert privatwirtschaftliche Projekte dabei entweder direkt –
indem die DEG sich an Unternehmen beteiligt oder diesen Darlehen gewährt – oder
indirekt über die Finanzierung von Finanzintermediären (z. B. Banken, Fonds).
Als Vertreterin einer „unternehmerischen EZ“ ist die DEG nach Auskunft der Bun-
desregierung eine wichtige Säule der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ)
(siehe Bundestagsdrucksache 18/1717). Dennoch ist in der deutschen Öffentlichkeit
bisher wenig über die Arbeit der DEG und deren Finanzierungen bekannt. Denn die
öffentliche Rechenschaftspflicht der DEG ist ebenso wie deren politische Regulie-
rung bisher nur schwach ausgeprägt. Dies ist auch die Folge der rechtlichen Kon-
struktion der DEG als Gesellschaft. Zwar sitzen vier Mitglieder der Bundesregierung
im Aufsichtsrat der DEG, dem ein Staatssekretär des BMZ sogar vorsitzt. Alleinige
Gesellschafterin ist aber die KfW, die von ihr im Gesellschaftsvertrag festgelegten
Vorgaben an die DEG bewegen sich allein auf der Ebene des Privatrechts.
Dies führt zu der paradoxen Situation, dass die DEG laut Bundesregierung zwar im
Rahmen deren entwicklungspolitischer Grundsätze und Maßnahmen arbeitet
(vgl. Bundestagsdrucksache 18/1717), sich gleichzeitig aber strikteren Kontrollen
oder Vorgaben durch Regierung oder Bundestag entzieht – abgesehen von den we-
nigen Fällen, in denen die DEG als Durchführungsorganisation der staatlichen EZ
agiert (z. B. im Rahmen von develoPPP). So gilt etwa der Menschenrechts-Leitfaden
des BMZ, den KfW und GIZ verpflichtend anwenden müssen, für die DEG nur als
„Richtschnur“, was erhebliche Interpretationsspielräume offen lässt.

Drucksache 18/8657 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Der Öffentlichkeit gewährt die DEG nur sehr beschränkten Einblick in die eigene
Arbeit. Zwar veröffentlicht die DEG seit 2015 einige Basisdaten zu ihren Neuge-
schäften, allerdings unter dem Vorbehalt, dass die finanzierten Unternehmen dieser
Veröffentlichung zustimmen. Zudem sind die Ergebnisse der Umwelt- und Sozialri-
sikoprüfungen, die den Finanzierungen vorausgehen, weiterhin nicht einsehbar, was
eine kritische öffentliche Begleitung der Arbeit der DEG erschwert.
Genau diese tut aber dringend Not. Denn in den letzten Jahren sind – durch Zufall
oder durch aufwendige Recherchen – Informationen zu mehreren von der DEG fi-
nanzierten Projekten publik geworden, die nicht nur starken Zweifel am entwick-
lungspolitischen Nutzen dieser, sondern sogar negative Konsequenzen für lokale Be-
völkerungsgruppen – wie Vertreibung, Landgrabbing, Verlust von Beschäftigungs-
möglichkeiten etc. – belegen (vgl. Bundestagsdrucksachen 18/1717, 18/6025,
18/7162). Dies betrifft insbesondere Projekte im Bereich Landwirtschaft und ländli-
che Entwicklung, wo die DEG ihren im Gesellschaftsvertrag festgelegten Vorgaben,
besonders kleine und mittlere Unternehmen zu fördern, nicht nachzukommen
scheint.
Für den Fall, dass bei DEG-finanzierten Projekten Konflikte auftauchen, hat die
DEG im Jahr 2014 einen Beschwerdemechanismus eingerichtet. Neben den vielen
Mängeln dieses Mechanismus – etwa hinsichtlich Legitimität, Transparenz, gleich-
berechtigten Zugangsmöglichkeiten aller betroffenen Akteure – existiert hierbei aber
noch ein weiteres grundlegendes Problem: Es ist sehr schwierig, einmal durch die
Projekte entstandene Schäden (Umweltschäden, Landverlust etc.) rückgängig zu
machen. Daher ist es zentral, dass die DEG schon vor Projektstart mögliche Prob-
leme und Konflikte ausschließt (Vorsorgeprinzip), indem sie etwa transparente Kon-
sultationsprozesse mit der lokalen Bevölkerung garantiert oder prüft, inwiefern an-
visierte Projekte dabei helfen, das Recht auf Nahrung im jeweiligen Land umzuset-
zen, bzw. diese Umsetzung gefährden. Ob dies bereits jetzt in ausreichender Form
geschieht, können aber weder Bundestag noch Zivilgesellschaft beurteilen, solange
die DEG ihre Sozial- und Umweltrisikoprüfungen unter Verschluss hält.
Gemäß ihres Gesellschaftsvertrags dient die DEG ausschließlich und unmittelbar
dem gemeinnützigen Zweck der Förderung der Entwicklungszusammenarbeit. Um
sicherzustellen, dass die Förderpraxis der DEG auch tatsächlich dem Allgemeinwohl
zugutekommt, ist eine stärkere politische Regulierung der DEG notwendig. Diese
muss insbesondere drei Ziele verfolgen:
• Verankerung einer öffentlichen Rechenschaftspflicht der DEG;
• Stärkung des entwicklungspolitischen Auftrags der DEG;
• Aufwertung der von DEG-Finanzierung betroffenen Bevölkerungsgruppen bei

Planung, Durchführung und Anfechtung von Projekten.
Auch wenn viele der sich aus diesen Zielen ableitenden und unter II. aufgelisteten
Forderungen durch eine Veränderung des Gesellschaftsvertrags erreicht werden
können, sind zentrale Punkte (wie II. 1, 2a, b und 3a) in einem revidierten KfW-
Gesetz festzuschreiben, wobei sichergestellt sein muss, dass diese rechtlichen Vor-
gaben nicht durch Gründung einer Tochtergesellschaft umgangen werden können.
Verbesserungen auf Ebene des Gesellschaftsvertrags sind zwar begrüßenswert und
notwendig, können von der Gesellschafterin KfW jedoch jederzeit verändert und
rückgängig gemacht werden. Um die erhobenen Forderungen auch längerfristig
durchzusetzen und abzusichern, muss daher der gesetzliche Rahmen, in dem die
DEG agiert, spezifiziert und gestärkt werden.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8657
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die öffentliche Rechenschaftspflicht der DEG zu stärken, indem sie
a. die DEG dazu verpflichtet, nur Unternehmen und Finanzintermediäre zu fi-

nanzieren, die der Veröffentlichung einiger genau definierter Informationen
der von der DEG direkt oder indirekt finanzierten Projekte (Projekt- und Fi-
nanzierungsvolumen, Laufzeit, Risikoklasse, Ziel und zu erwartender ent-
wicklungspolitischer Mehrwert der Förderung unter Berücksichtigung der
Folgen für marginalisierte und besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen,
sowie der unter 2c und 3a genannten Aspekte) zustimmen;

b. die DEG dazu verpflichtet, alle Finanzierungsvorhaben mitsamt der Umwelt-
und Sozialrisikoprüfungen 60 Tage (bei Projekten der Risikogruppe A) bzw.
30 Tage (bei Projekten anderer Risikogruppen) vor Vertragsabschluss zu ver-
öffentlichen, um damit Kritikern aus der Zivilgesellschaft die Möglichkeit zu
geben, ihre Bedenken zu Projekten zu äußern und gemeinsam mit Betroffenen
nach Lösungen für mögliche Probleme zu suchen;

c. der DEG einen parlamentarischen Beirat zur Seite stellt, der uneingeschränkte
und fortlaufende Einsichtsrechte in die Geschäftsunterlagen der DEG und der
im Gesellschaftsvertrag unter §7 genannten Berichte genießt, zumindest halb-
jährlich tagt und dem zumindest ein Abgeordneter jeder Bundestagsfraktion
angehört;

2. den entwicklungspolitischen Auftrag der DEG zu stärken und zu spezifizieren,
indem sie die DEG dazu verpflichtet,
a. entwicklungspolitische Vorgaben des BMZ wie den „Leitfaden zur Berück-

sichtigung von menschenrechtlichen Standards und Prinzipien, einschließlich
Gender, bei der Erstellung von Programmvorschlägen der deutschen staatli-
chen technischen und finanziellen Zusammenarbeit“ zwingend anzuwenden;

b. die freiwilligen Leitlinien zu Landnutzungsrechten bei ihren Geschäftstätig-
keiten zwingend umzusetzen;

c. im Agrar- und Ernährungssektor den im Gesellschaftsvertrag formulierten
Vorgaben, vor allem Klein- und Mittelbetriebe zu unterstützen, auch tatsäch-
lich zu erfüllen:

d. bei Umwelt- und Sozialrisikoprüfungen aller im Landwirtschafts- und Ernäh-
rungsbereich geplanten Projekte zu analysieren,
i. inwiefern die anvisierten Projekte dabei helfen würden, das Recht auf

Nahrung im jeweiligen Land/in der jeweiligen Region umzusetzen, oder
diese Umsetzung gefährden;

ii. inwiefern die anvisierten Projekte die Bodenfruchtbarkeit in dem Projekt-
gebiet fördern oder zumindest zu keiner weiteren Bodendegradation bei-
tragen würden;

iii. welchen Beitrag die anvisierten Projekte für den Erhalt der Biodiversität
bzw. den Erhalt oder Aufbau intakter Ökosysteme leisten würden, die für
die ländliche Bevölkerung eine wichtige Lebensgrundlage darstellen;

iv. welche Folgen die anvisierten Projekte für die Landkonzentration in der
betreffenden Region hätten;

v. welche Arbeitsplätze durch die anvisierten Projekte geschaffen würden,
welche Arbeitsplätze dabei aber gleichzeitig auch verloren zu gehen dro-
hen;

Drucksache 18/8657 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

e. die Ausschlussliste der DEG, in der festgelegt ist, welche Projekte die DEG
keinesfalls finanziert, um zumindest folgende Punkte zu erweitern:
i. Projekte, die eine Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge voran-

treiben (z. B. private Krankenhäuser oder Universitäten);
ii. Kohle- und Atomkraftwerke;
iii. Agrartreibstoff- und Palmölproduktion sowie Futtermittelproduktion,

insbesondere, wenn sie für den Export bestimmt sind;
iv. Großunternehmen im Agrar- und Ernährungssektor;

f. bei der Finanzierung von Finanzintermediären ihre Einflussmöglichkeiten
(z. B. im Rahmen ihrer Aufsichtsratstätigkeit) geltend zu machen, dass diese
Institute die unter Punkt 2 genannten Anforderungen analog anwenden;

3. die Position der von DEG-Finanzierungen betroffenen Bevölkerungsgruppen zu
stärken, indem
a. vor Finanzierungszusagen verbindliche und transparente Konsultationsme-

chanismen mit der lokalen Bevölkerung etabliert werden, die deren legiti-
mierten Vertretungsorganen auch ein Vetorecht zugestehen;

b. der DEG-Beschwerdemechanismus dahingehend reformiert wird,
i. dass die Liste der Standards, deren Einhaltung im Rahmen des Beschwer-

deverfahrens überprüft werden können, um die unter 2a, b genannten
Richtlinien erweitert wird;

ii. dass die Verjährungsfrist von einem Jahr für das Einbringen von Be-
schwerden gestrichen wird;

iii. dass Beschwerden auf jeden Fall auch dann zulässig sind, wenn zuvor
keine Aktionen oder Konsultationen mit anderen Parteien und auf ande-
ren Ebenen durchgeführt wurden;

iv. dass die Einbringung einer gleichlautenden Beschwerde an einen anderen
Entwicklungsfinanzierer keinen Ausschließungsgrund für die Einleitung
eines Beschwerdeverfahrens bei der DEG darstellt;

v. dass von der DEG finanzierte Unternehmen dazu verpflichtet werden, den
Beschwerdemechanismus auf ihrer Homepage öffentlich zu machen.

Berlin, den 1. Juni 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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