BT-Drucksache 18/8574

EU-Drohnen auf der "Weltraumdatenautobahn" von Airbus

Vom 27. Mai 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8574
18. Wahlperiode 27.05.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Frank Tempel, Christine Buchholz,
Annette Groth, Dr. André Hahn, Jan Korte, Dr. Alexander S. Neu, Dr. Petra Sitte,
Alexander Ulrich, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

EU-Drohnen auf der „Weltraumdatenautobahn“ von Airbus

Die Agenturen der Europäischen Union wollen in naher Zukunft Drohnen zur
Grenzüberwachung und Einhaltung des Umweltschutzes einsetzen. Zuerst beträfe
dies das Mittelmeer. So hat es der Direktor der Europäischen Agentur für die Si-
cherheit des Seeverkehrs (EMSA), Markku Mylly, in einem Interview bestätigt
(EurActiv vom 7. März 2016). Das Aufspüren von Geflüchteten sei einer der Be-
reiche, in denen Drohnen eingesetzt werden sollen. Möglich wäre auch, die Ein-
haltung von Treibhausgasstandards zu überwachen oder den Schwefelanteil im
Schiffstreibstoff zu ermitteln. Drohnen könnten mit Sensoren ausgestattet wer-
den, die über den ausgestoßenen Qualm eines Schiffes den verwendeten Kraft-
stoff bestimmen. In einer Mitteilung vom Dezember 2015 hatte die Europäische
Kommission bereits Details zu den Plänen erklärt (COM(2015) 667 final vom
15. Dezember 2015). Demnach ist die Aufrüstung mit Drohnen und Satelliten
Teil der Neustrukturierung jener drei EU-Agenturen, die mit Überwachungsauf-
gaben der Meere und Küsten betraut sind. Die Grenzschutzagentur FRONTEX,
die EMSA und die Europäische Fischereiaufsichtsagentur (EFCA) verschmelzen
dafür zu einer neuen Agentur. Sie soll vorrangig die „Kerntätigkeit“ von
FRONTEX erledigen.
Einzelheiten werden im Rahmen eines Pilotprojekts präzisiert. Ziel ist die mög-
lichst reibungslose Weiterverwendung bestehender Systeme sowie die Einfüh-
rung „neuer, moderner Technik“. Als „Mittel in der gesamten Überwachungs-
kette“ sollen Drohnen die Satellitenaufklärung, Schiffspositionsdaten und die
Überwachung durch Seeaufklärungsflugzeuge und Patrouillenboote ergänzen.
Drohnenflüge könnten gleichzeitig in vier Interessenbereichen erfolgen. Die Eu-
ropäische Kommission nennt hierfür die griechisch-türkische Seegrenze, das
zentrale Mittelmeer vor Libyen, die Straße von Gibraltar und das östliche Mittel-
meer um Zypern. Die Drohnen sollen von mobilen Einheiten geführt werden, die
„im Falle neu entstehender Schwerpunktgebiete“ an die jeweiligen Außengrenzen
verlegt werden können (Mitteilung der Europäischen Kommission vom 15. De-
zember 2015).
Die Nutzung unbemannter Luftfahrzeuge wird von der Europäischen Kommis-
sion als kostengünstigere Alternative zu bemannten Aufklärungsflugzeugen be-
zeichnet. Zur Übertragung von Daten zur Steuerung und Aufklärung sollen die
Drohnen die „Weltraumdatenautobahn“ des Rüstungskonzerns Airbus nutzen
(Bundestagsdrucksache 18/7754). Zwei Satelliten werden für dieses europäische
Datenrelaissystem (EDRS) in 36 000 Kilometer Höhe auf eine geostationäre Um-
laufbahn gebracht. Sie dienen als Zwischenstation der Funkverbindung von Droh-

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nen und ihren Bodenstationen. Das System beschleunigt die Übertragungsge-
schwindigkeit enorm und erreicht Nahe-Echtzeit. Auch der Einsatzradius der
Drohnen vergrößert sich deutlich. Die Daten werden per Laser übertragen und
kommen in verschiedenen Formaten, weshalb bei der FRONTEX weitere Ände-
rungen an Hard- und Software erforderlich sind. Die EMSA prüft derzeit die er-
forderlichen Maßnahmen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie bewertet die Bundesregierung die Fähigkeiten der EU-Mitgliedstaaten

zur seegestützten Überwachung ihrer Außengrenzen, und inwiefern ist es
notwendig, diese Fähigkeiten durch Einsatzmittel von Agenturen der Euro-
päischen Union zu erweitern?

2. In welchen prioritären Interessenbereichen sollten solche EU-Mittel einge-
setzt werden?

3. Für welche Zwecke könnten Drohnen als „Mittel in der gesamten Überwa-
chungskette“ aus Sicht der Bundesregierung zur Grenzüberwachung und
Einhaltung des Umweltschutzes eingesetzt werden (COM(2015) 667 final
vom 15. Dezember 2015)?

4. Was ist der Bundesregierung über den Zeitplan der Europäischen Agentur
für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) zum Beginn des Einsatzes von
Drohnen über dem Mittelmeer bekannt (Bundestagsdrucksache 18/8531)?

5. Was ist der Bundesregierung über die Gründe der EMSA bekannt, die Droh-
nen nicht durch die neue „Agentur für die Grenzschutz- und Küstenwache“
zu kaufen, sondern ihren Betrieb an einen anderen Dienstleister auszulagern?
a) Wo sollte die von der EMSA beschriebene zentrale Anlaufstelle, bei der

die Aufklärungsdaten der Drohnen verarbeitet werden, aus Sicht der Bun-
desregierung angesiedelt werden?

b) Was ist der Bundesregierung über Pläne bekannt, die Drohnen in mobilen
Einheiten zu führen, die „im Falle neu entstehender Schwerpunktgebiete“
an die jeweiligen Außengrenzen verlegt werden können, und wo wären
diese Einheiten angesiedelt?

6. Inwiefern hält die Bundesregierung die von der Europäischen Kommission
bzw. dem European RPAS Steering Group veröffentlichte Roadmap zur In-
tegration zivil genutzter Drohnen in den allgemeinen Luftraum für realis-
tisch, wonach die gleichberechtigte Teilnahme ab dem Jahr 2024 eingeführt
werden kann, und welche eigenen Anstrengungen unternimmt sie hierzu
(http://ec.europa.eu/growth/sectors/aeronautics/rpas/index_en.htm)?

7. An welchen der Kommissionsmitteilung COM(2014) 207 final vom
8. April 2014 bezeichneten Arbeitsbereichen
a) Steuerung und Kontrolle, einschließlich Frequenzzuweisung und -verwal-

tung;
b) Erkennungs- und Ausweichtechnologien;
c) Gefahrenabwehr in Bezug auf physische, elektronische oder Cyber-An-

griffe;
d) transparente harmonisierte Notfallverfahren;
e) Entscheidungskapazitäten zur Gewährleistung eines standardisierten bzw.

berechenbaren Verhaltens in allen Flugphasen;

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f) den Faktor Mensch betreffende Fragen wie die Pilotentätigkeit
sind deutsche Behörden, Institute oder Unternehmen nach Kenntnis der Bun-
desregierung beteiligt?

8. Welche EU-Forschungsprojekte zur Erprobung der Integration unbemannter
Drohnen in den zivilen, nicht segregierten Luftraum sind der Bundesregie-
rung bekannt, und wer führt diese durch?
a) Wann und wo sollen diese Projekte in Flugversuchen getestet werden, und

welche Drohnen oder „Optionally Piloted Vehicles“ (OPV) kommen da-
bei zum Einsatz?

b) Inwiefern treffen Berichte zu, dass sich deutsche Behörden (hier: die Bun-
deswehr) für OPV des Typs Q01 vom deutsch-katarischen Herstellerun-
ternehmen REINER STEMME Utility Air-Systems GmbH (RS-UAS) in-
teressiert (Pressemitteilung RS-UAS vom 20. März 2016)?

9. In welchem Zusammenhang wurden oder werden Anlagen des von den drei
verbliebenen Nutzernationen Griechenland, Niederlande und Deutschland
betriebenen NATO Missile Firing Installation (NAMFI) Users Committee
auf Kreta für Trainings oder Vorführungen von Drohnen genutzt (Bundes-
tagsdrucksache 18/8357)?
a) Inwiefern hat das NAMFI Users Committee dem EU-Drohnen-Projekt

SUNNY die „Zustimmung für firmenseitige Demonstrationsflüge“ erteilt,
wann sollen diese erfolgen, und welche Drohnen werden getestet?

b) Inwiefern treffen die Angaben des Projektes zu, wonach unter anderem
die deutschen Teilnehmer des NAMFI Users Committee großes Interesse
an den Drohnen gezeigt hätten und das Projekt bzw. die Testflüge so gut
es geht unterstützen würden („feedback and interest was strong and
SUNNY will be supported as much as possible during the DEMO activity“;
www.sunnyproject.
eu/news.aspx)?

10. Welche „speziellen Anomalie-Algorithmen und Prognosetools“ welcher
Hersteller werden nach Kenntnis der Bundesregierung von der EU-Grenz-
schutzagentur FRONTEX genutzt, um Auskunft über die bisherigen, gegen-
wärtigen und „möglichen künftigen Bewegungen“ von Schiffen geben zu
können (Bundestagsdrucksache 18/8357)?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die Wirksamkeit und Fehleranfälligkeit
der Technologie, deren „vorgegebene Anomalie-Parameter“ auch in jenen
Seegebieten zum Einsatz kommen, in denen die Bundespolizei zur Bekämp-
fung unerwünschter Migration im Einsatz ist (z. B. Einsatzgebiete der
FRONTEX-Operationen Poseidon Sea und Triton; Bundestagsdrucksa-
che 18/8357)?

12. Auf welche Weise sollen die deutschen zivilen und militärischen Behörden,
die Aufgaben der Küstenwache übernehmen, mit der derzeit geplanten neuen
„Agentur für die Grenzschutz- und Küstenwache“ zusammenarbeiten, und
welche rechtlichen oder organisatorischen Regelungen müssen hierfür ge-
troffen werden?
a) Mit welchen Behörden und in welchen Projekten nahm oder nimmt die

Bundesregierung am Aufbau eines „gemeinsamen Informationsraums“
(CISE) teil?

b) Inwiefern würden auch Daten deutscher militärischer Patrouillenschiffe
und -flugzeuge in den CISE eingespeist?

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13. Was ist der Bundesregierung über Teilnehmende einer „Task Force” der Eu-
ropäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) bekannt, die das Risiko von
Zusammenstößen von Drohnen mit Flugzeugen untersuchen soll (Mitteilung
auf dem Internetauftritt der EASA vom 4. Mai 2016)?
a) Welche Vorfälle, Studien oder sonstige Untersuchungen haben deutsche

Luftfahrtbehörden der EASA hierfür gemeldet bzw. übermittelt?
b) Welche eigenen Forschungen oder Untersuchungen stellen Behörden der

Bundesregierung hierzu an, und wer nimmt daran teil?
14. Was ist der Bundesregierung über einen kostenlosen Datendienst mit Satel-

litenempfängern bekannt, mit dem die EMSA in Zusammenarbeit mit der
Europäischen Weltraumorganisation die Ortung von Schiffspositionsdaten
(AIS) zur Verfügung stellt, und bis wann wird dieser Dienst angeboten?

15. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche Änderungen an Hard-
und Software bei FRONTEX vorgenommen werden müssen, damit die auf
der „Weltraumdatenautobahn“ übermittelten Datenstrukturen über techni-
sche Schnittstellen verarbeitet werden können?
a) Wie hoch sind die entsprechenden Investitionen, die von der Europäi-

schen Kommission zunächst nur als „erheblicher Kostenfaktor“ beziffert
werden?

b) Aus welchen Programmen werden diese Kosten finanziert, und inwiefern
könnten diese aus dem europäischen Datenrelaissystem übernommen
werden?

c) Welche Pilotprojekte zur Entwicklung entsprechender Fähigkeiten zur
Verarbeitung der Daten bei FRONTEX oder dem Europäischen Grenz-
kontrollsystem (EUROSUR) sind der Bundesregierung bekannt, und wer
nimmt daran teil?

16. Welche weiteren Details zu einem „hohen Interesse“ aus Japan, Frankreich
und den Vereinigten Staaten an der Technologie von Laserkommunikations-
terminals der „Weltraumdatenautobahn“ kann die Bundesregierung erläutern
(Bundestagsdrucksache 18/7754), und woher ist ihr diese Nachfrage be-
kannt?

17. Was ist der Bundesregierung über die Einhaltung des Zeitplans zum operati-
onellen Betrieb der „Weltraumdatenautobahn“ bekannt, der ab Mitte 2016
aufgenommen werden sollte (Bundestagsdrucksache 18/7754)?

18. Für welche einzelnen Anwendungen von Satellitenfernerkundung der Coper-
nicus-Programme „Emergency Management Service“ und „Copernicus
Security Service“ soll die Nahe-Echtzeit-Nutzung der „Weltraumdatenauto-
bahn“ nach Kenntnis der Bundesregierung durch Notfallorganisationen, Mi-
litär- und Grenzbehörden genutzt werden?

19. Wann sollen die „User Ground Stations“ von Airbus Defence and Space in
Neustrelitz und Matera nach Kenntnis der Bundesregierung fertiggestellt
sein, und welche Aufgaben würden dann vom derzeit genutzten „Mission
Operation Center“ in Weilheim übernommen?

20. Was ist der Bundesregierung über Zusatzkosten der „Weltraumdatenauto-
bahn“ bekannt, die bei den bisherigen Kosten von rund 520 Mio. Euro nicht
enthalten sind (Bundestagsdrucksache 18/7754)?

21. Auf welche Weise wird die Nutzung der „Weltraumdatenautobahn“ zum
Nahe-Echtzeit-Empfang von Satellitendaten nach Kenntnis der Bundesregie-
rung durch die EMSA im Rahmen von Copernicus geprüft, und wer führt
diese Prüfung durch?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8574
 

22. Welche Details sind der Bundesregierung zu einem geplanten Abkommen
mit dem European Union Satellite Center (SatCen) bekannt, wonach auch
dort Dienste der „Weltraumdatenautobahn“ genutzt werden könnten (Bun-
destagsdrucksache 18/7754)?

Berlin, den 27. Mai 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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