BT-Drucksache 18/8522

Die Verwicklungen der Weltbank in Steueroasen

Vom 12. Mai 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8522
18. Wahlperiode 12.05.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Heike Hänsel, Annette Groth, Andrej Hunko,
Ulla Jelpke, Susanna Karawanskij, Jan Korte, Katrin Kunert, Richard Pitterle,
Dr. Axel Troost, und der Fraktion DIE LINKE.

Die Verwicklungen der Weltbank in Steueroasen

Im Zuge des Skandals um die Panama Papers deckte die britische Entwick-
lungsorganisation Oxfam mit ihrem Bericht „The IFC and Tax Havens“ am
11. April 2016 auf, dass die, für die Entwicklung der Privatwirtschaft in Ent-
wicklungsländern zuständige Weltbank-Tochter International Finance Corpora-
tion, IFC, in großem Maße die Kreditvergabe an den Privatsektor über Steueroa-
sen abwickelt. Der Bericht zeigt auf, dass drei Viertel der untersuchten Unterneh-
men Verbindungen zu Steueroasen haben, die keinen Bezug zum Kerngeschäft
aufweisen. Diese Praxis der Entwicklungsbank ist in höchstem Maße fragwürdig,
da die Weltbank auf der einen Seite mit Investitionen in den Privatsektor die Ent-
wicklung in den Ländern des globalen Südens fördern will, aber auf der anderen
Seite zulässt, dass die Unternehmen, die das Geld erhalten, arme Länder um die
Steuereinnahmen prellen, welche diese für Bildung, Infrastruktur und Gesundheit
dringend benötigen. Außerdem handelt es sich hierbei um öffentliche Gelder, die
offiziell der Bekämpfung der Armut dienen sollen. Allein in Subsahara-Afrika,
einer der ärmsten Regionen weltweit, stieg der Wert an IFC-Investitionen zuguns-
ten multinationaler Unternehmen, die in wenigstens einer Steueroase ansässig
sind, von 1,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2010 auf 2,87 Milliarden US-Dollar
im Jahr 2015 (siehe: www.oxfam.de/ueber-uns/aktuelles/2016-04-11-weltbank-
gelder-fliessen-steueroasen).
Ein Sprecher der Weltbank bestätigte am 12. April 2016, dass die IFC Milliarden
für Entwicklungsprojekte über Zweckgesellschaften in Steueroasen abgewickelt
hat. Nach Recherchen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ genehmigte der
Vorstand der IFC allein im Jahr 2015 zehn Investitionen im Gesamtvolumen von
420 Millionen US-Dollar mit Hilfe von Projektgesellschaften über die Kaima-
ninseln. Seit mehr als 20 Jahren führt die IFC Geschäfte über die Kaimaninseln
durch. Auch die British Virgin Islands, Mauritius und Bermuda tauchen auf der
Projektliste auf. So wurde der Frontier Fund Ltd. in Bermuda, die erste Private-
Equity-Gesellschaft für Bangladesch von der Weltbank-Tochtergesellschaft ko-
finanziert (www.faz.net/aktuell/wirtschaft/panama-papers/die-weltbank-setzt-
im-grossen-stil-auf-steueroasen-14176409.html). Oft sind die Koinvestoren oder
die Empfänger von IFC-Krediten selbst Kapitalanlagegesellschaften in Steueroa-
sen. Auch die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH, DEG, mit
Sitz in Köln, eine Tochtergesellschaft der KfW Bankengruppe, ist an neun Unter-
nehmen in Steueroasen beteiligt (www.deginvest.de/DEG-Dokumente/Download-
Center/Jahresabschlussbericht_2015_D.pdf).

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Wenn die westlichen Regierungen im Zuge der Panama Papers neue Maßnahmen
ankündigen, um Steuerflucht international zu bekämpfen, ist es besorgniserre-
gend, dass die Weltbank selbst an Steuervermeidungspraktiken beteiligt ist. Die
IFC sollte sicherstellen, dass sie diese aus Sicht der Fragesteller schädigenden
Steuerpraktiken von multinationalen Konzernen nicht weiter mit Krediten unter-
stützt.
Die Bundesregierung trägt eine Mitverantwortung, sitzt sie doch im Steuerkreis
der Weltbank und ist der viertgrößte Anteilseigner der größten Entwicklungsbank
weltweit mit einem Volumen von 65 Milliarden Dollar jährlich. Die Enthüllungen
sind umso brisanter, hat doch der Weltbankpräsident selbst erklärt, dass Steuer-
vermeidung eine Form von Korruption darstellt, die den Armen schadet (www.
oxfam.de/blog/internationale-wirtschaftsregeln-massgeschneidert-superreiche).
Öffentliche Gelder sollten keinesfalls den Zyklus von aggressiven Steuerprakti-
ken von multinationalen Konzernen unterstützen.
Kürzlich kündigten die internationalen Organisationen, der Internationale Wäh-
rungsfonds (IWF), die Weltbank, die Vereinten Nationen (UN) und die OECD
an, dass sie eine engere Kooperation planten, um neue Steuersysteme für Ent-
wicklungsländer zu schaffen und Instrumente und Standards zur Besteuerung
multinationaler Unternehmen zu entwickeln. Um diese Ziele zu erreichen, habe
die internationalen Organisationen ein neues Gremium bzw. eine „Plattform“ ge-
gründet (siehe: „Der IWF will mehr Einfluss auf Steuerthemen“, 20. April 2016,
in: Handelsblatt, S. 8).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hält es die Bundesregierung für eine Entwicklungsbank für angemessen,

wenn sie ihre Kreditvergabe an den Privatsektor zu großen Teilen über Steu-
eroasen abwickelt, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht
sie aus dem Umstand, dass die IFC dies tut?

2. Inwieweit sieht die Bundesregierung durch die Projektfinanzierung der IFC
über Steueroasen den entwicklungspolitischen Auftrag der Weltbank gefähr-
det?

3. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung im Bereich der Entwick-
lungsfinanzierung aus der Veröffentlichung der Panama Papers und der in
diesem Zusammenhang öffentlich gewordenen Handhabung der IFC, einen
Großteil der Kreditvergabe an den Privatsektor über Steueroasen abzuwi-
ckeln?

4. Mit welchen konkreten Maßnahmen wird sich die Bundesregierung als viert-
größte Anteilseignerin der Weltbank dafür einsetzen, dass die Weltbank si-
cherstellt, dass Unternehmen, die von der IFC Geld erhalten, ihre Gewinne
nicht in Steueroasen, sondern in den jeweiligen Projektländern des Globalen
Südens versteuern?

5. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass multinationale Kon-
zerne dazu verpflichtet werden, offenzulegen, in welcher Höhe sie in wel-
chen Ländern Steuern zahlen?

6. Wird sich die Bundesregierung als viertgrößte Anteilseignerin der Weltbank
dafür einsetzen, dass zukünftig die Kreditvergabe an den Privatsektor nicht
mehr über Steueroasen abgewickelt wird, sondern die Kreditvergabe an Un-
ternehmen in den Projektländern direkt erfolgt?

7. Inwiefern setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass in der aktuellen
Konsultation der Weltbank zu Safeguards ein besonderes Augenmerk auf die
ordnungsgemäße Besteuerung von Unternehmensgewinnen gelegt wird?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8522
 

8. Welche konkreten Vorschläge hat die Bundesregierung innerhalb der Kon-
sultation bisher eingebracht, eine ordnungsgemäße Gewinnbesteuerung zu
fördern und Steuervermeidung via Briefkastenfirmen in Steueroasen einzu-
dämmen?

9. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass Unternehmen, die mit
IFC-Geldern unterstützt werden, künftig ihre Gewinne direkt in den Projekt-
ländern und nicht mehr in Steueroasen versteuern?

10. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die von der Weltbank,
OECD, dem IWF und den UN neu gegründete Plattform als Gremium zur
Schaffung neuer Steuersysteme für Entwicklungsländer?

11. In welcher Form ist die Bundesregierung an diesem Gremium beteiligt?
12. Liegen der Bundesregierung konkrete Ziele und ein Zeitplan für die Umset-

zung von Maßnahmen dieses Gremiums vor?
13. Wie setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass die IFC die Bemühungen

der Weltbankengruppe für wirksamere Steuersysteme in Entwicklungslän-
dern unterstützt, obwohl die IFC nur über begrenzte Regelungen von Off-
shore-Finanzzentren verfügt und diese zudem viele Steueroasen nicht er-
fasst?

14. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die IFC ein Werkzeug ent-
wickeln sollte, mithilfe dessen sichergestellt wird, dass die Kunden der IFC
nicht nur die Steuergesetzgebungen einhalten, sondern auch das Gesetz in
Übereinstimmung mit den OECD-Richtlinien für verantwortungsvolles Ge-
schäftsverhalten für multinationale Unternehmen?

15. Inwiefern unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag des SPD-Frakti-
onsvorsitzenden Thomas Oppermann, Banken, die an Steuerhinterziehung
beteiligt sind, die Lizenz zu entziehen (www.noz.de/deutschland-welt/
politik/artikel/694459/steueroasen-die-schmutzige-seite-des-kapitals), und
inwieweit hat dies Auswirkungen auf die aktuelle Politik der Bundesregie-
rung in Sachen Weltbank?

16. Welche Ergebnisse konnte der Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang
Schäuble, bei der Frühjahrstagung der Weltbank, bei der er sich für eine glo-
bale Initiative gegen Steuerflucht einsetzen wollte, erzielen?

17. Wie positioniert sich die Bundesregierung zum Vorstoß vom Bundesminister
für Wirtschaft und Energie Sigmar Gabriel und Bundesminister für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dr. Gerd Müller, Briefkasten-
firmen in Steueroasen gänzlich zu verbieten (www.sueddeutsche.de/
wirtschaft/panama-papers-panama-papers-von-den-reichen-sparen-lernen-
1.2937601)?

18. Erwägt die Bundesregierung, ihre Ablehnung des Vorschlags der G77 in
Addis Abeba zur Aufwertung des UN-Expertengremiums zu einer internati-
onalen Steuerorganisation unter dem Dach der UN, mit dem die G77-Staaten
unter anderem einen effektiveren Kampf gegen die Steuervermeidungsstra-
tegien internationaler Unternehmen ermöglichen wollten, vor dem Hinter-
grund der neuen Enthüllungen zu überprüfen?

19. Wie begründet die Bundesregierung ihre Ablehnung des Kompromissvor-
schlags der G77 in Addis Abeba, eine Errichtung eines solchen zwischen-
staatlichen UN-Steuergremiums auch nur zu prüfen?

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20. Wie will die Bundesregierung stattdessen die gleichberechtigte Mitsprache
von Entwicklungsländern in Steuerfragen sicherstellen, nachdem – anders
als in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksa-
che 18/6411 konstatiert – die aktuelle institutionelle Ausgestaltung der Steu-
erregularien angesichts der aktuellen Enthüllungen zur Steuerflucht von in-
ternationalen Konzernen nach Einschätzung der Fragesteller nicht mehr an-
gemessen erscheint?

Berlin, den 11. Mai 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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