BT-Drucksache 18/8453

Urananreicherung in Gronau - Ausfuhren, radioaktive Abfälle und Verkauf der URENCO

Vom 11. Mai 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8453
18. Wahlperiode 11.05.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Caren Lay, Eva Bulling-Schröter,
Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Niema Movassat, Dr. Kirsten Tackmann,
Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Urananreicherung in Gronau – Ausfuhren, radioaktive Abfälle und Verkauf der
URENCO

Fünf Jahre nach Beginn der Reaktorkatastrophe von Fukushima und 30 Jahre
nach dem Super-GAU von Tschernobyl verfügt die bundesweit einzige Uranan-
reicherungsanlage der URENCO in Gronau weiterhin über eine unbefristete Be-
triebsgenehmigung und stellt Uranbrennstoff für Atomkraftwerke in aller Welt
her.
Über den weiteren Umgang mit den dabei anfallenden Reststoffen ist es nach dem
von der Bundesregierung vorgelegten „Nationalen Entsorgungsprogramm“
(NaPro) auch z. B. in der Kommission Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe
zu einer Diskussion gekommen.
Der Betreiber betrachtet das abgereicherte Uran als Wertstoff, während im NaPro
davon ausgegangen wird, dass diese Reststoffe als Atommüll in die künftigen
Planungen für ein zu findendes Endlager „vorsorglich“ einbezogen werden sol-
len.
Noch in diesem Jahr soll nach Information der Fragesteller in Gronau ein neues
Lager für die radioaktiven Reststoffe, die bei der Anreicherung anfallen, in
Betrieb genommen werden (vgl. Landtag Nordrhein-Westfalen Drucksache
16-11012). Das Lager soll für rund 60 000 Tonnen Uranoxid dienen. Laut Bun-
desregierung müsste bei normaler Produktion in Gronau ca. alle zehn Jahre ein
weiteres Uranlager dieser Größenordnung errichtet werden (Bundestagsdrucksa-
che 17/13598). Auch die Lagerung dieser Reststoffe soll demnach unbefristet er-
folgen.
Nach einem Medienbericht werden laut Angaben des Betreibers von Gronau aus
auch die umstrittenen Atomkraftwerke in Belgien mit Uran aus Gronau versorgt
(vgl. www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/westpol-kein-atomausstieg-nrw-100.
html). Die Brennelementefabrik Lingen beliefert zudem laut Bundesamt für
Strahlenschutz auch die Atomkraftwerke (AKW) Fessenheim 1 und Cattenom 1
(vgl. Bundestagsdrucksache 18/3771).
Die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit,
Dr. Barbara Hendricks, hat inzwischen die belgische Regierung gebeten, die be-
treffenden Atomkraftwerke in Tihange und Doel solange vom Netz zu nehmen,
bis sämtliche Sicherheitsfragen durch weitere Untersuchungen aufgeklärt sind.
Über die Aktivitäten in Gronau hinaus steht die URENCO mit ihren weiteren
Urananlagen in Capenhurst (Großbritannien), Almelo (Niederlande) und in den
USA zum Verkauf. Sowohl die britische und die niederländische Regierung als

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auch E.ON und RWE wollen ihre Anteile an der URENCO verkaufen. Angesichts
der technischen Möglichkeiten der Urananreicherung, bei der auch atomwaffen-
fähiges Uran hergestellt werden könnte, sind dazu seit längerem zwischen den
Regierungen Gespräche über die Rahmenbedingungen eines solchen Verkaufs im
Gange.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche aktuellen Informationen zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme des

Uranoxid-Dauerlagers in Gronau besitzt die Bundesregierung?
2. Wie viel Uran lagert nach Kenntnis der Bundesregierung in welcher Form

(Uranhexafluorid als Feed – zur Anreicherung –, Product – angereichertes
Uran – und Tail – abgereicherter Uranmüll) derzeit im Freilager auf dem Ge-
lände der Urananreicherungsanlage Gronau?

3. Wie viel abgereichertes Uranhexafluorid aus Gronau lagert derzeit in Frank-
reich?

4. Wie viel von diesem abgereicherten Uranhexafluorid wurde in Frankreich
bereits in Uranoxid umgewandelt?

5. Welche weiteren Lagerorte für abgereichertes Uran aus Gronau gibt es der-
zeit, und wie viel Uran lagert dort ggf. in welcher Form?

6. Gibt es, angesichts der auf zehn Betriebsjahre beschränkten Aufnahmekapa-
zität der neuen Uranoxid-Lagerhalle, bereits (Vor-)Anfragen seitens der
URENCO zum Bau einer zweiten Uranoxid-Lagerhalle in Gronau?

7. Gibt es zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen (NRW) und der Bundes-
regierung Gespräche, die Urantails künftig nicht mehr als Wertstoff, sondern
als Atommüll zu behandeln oder haben die Bundesregierung bzw. das Land
NRW vor, Gespräche mit diesem Ziel mit der URENCO zu führen?

8. Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung für die Uranoxid-Lagerhalle in
Gronau seit dem Jahr 2010 weitere Sicherheits- oder Sicherungsmaßnahmen
(u. a. Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter – SEWD) vorge-
nommen oder verfügt?
Wenn ja, welche Maßnahmen, und in welchem Rechtsrahmen?
Welche Maßnahmen sind aktuell geplant, ggf. aufgrund von aktuellen Ein-
schätzungen zur Terrorgefahr?

9. Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung für das Uran-Freilager in
Gronau seit dem Jahr 2010 weitere Sicherheits- oder Sicherungsmaßnahmen
(u. a. SEWD) veranlasst oder verfügt?
Wenn ja, welche Maßnahmen, und in welchem Rechtsrahmen?
Welche Maßnahmen sind aktuell geplant, ggf. aufgrund von aktuellen Ein-
schätzungen zur Terrorgefahr?

10. Hat es zwischen der Landesregierung NRW und der Bundesregierung in den
letzten drei Jahren Gespräche über die sichere Lagerung bzw. Entsorgung
der Urantails in Gronau gegeben?
Wenn ja, wann, auf welcher Ebene, und mit welchem Ergebnis?

11. Hat es zwischen der Landesregierung NRW und der Bundesregierung in den
letzten drei Jahren Gespräche über die Stilllegung der Urananreicherungsan-
lage in Gronau gegeben?
Wenn ja, wann, auf welcher Ebene, und mit welchem Ergebnis?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8453
 

12. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache,
dass nicht nur aus der Brennelementefabrik Lingen, sondern auch aus der
Urananreicherungsanlage Gronau Uranbrennstoff den umstrittenen Reakto-
ren in Belgien zum Einsatz kommt?

13. In welcher Weise überprüft die Bundesregierung den Endverbleib des ange-
reicherten Urans, bevor sie Ausfuhr- und Transportgenehmigungen erteilen
lässt?

14. Wurden seit dem Jahr 2011 Ausfuhrgenehmigungen für angereichertes Uran
aus Gronau versagt?
Wenn ja, wie viele, und warum konkret?

15. Welche Ausfuhrgenehmigungen für angereichertes Uran aus Gronau wurden
seit dem Jahr 2011 erteilt (bitte nach jeweiliger Ausfuhrgenehmigung, Zeit-
punkt der Genehmigung, Genehmigungsinhalt, Genehmigungsumfang auf-
schlüsseln sowie jeweilige Endkunden und mögliche Zwischenkunden –
z. B. zur Brennelementherstellung – von URENCO angeben)?

16. Hat die Bundesregierung geprüft oder wird sie prüfen, ob aufgrund der be-
stehenden Zweifel an der Sicherheit der belgischen Reaktoren Tihange 2 und
Doel 3 die Möglichkeit besteht, die Ausfuhrgenehmigungen für angereicher-
tes Uran von URENCO Gronau an die Betreiber der genannten AKWs zu
untersagen?
Wenn nein, warum wurde dies bislang nicht geprüft?

17. Inwieweit könnten aus Sicht der Bundesregierung Haftungsansprüche an die
Bundesrepublik Deutschland für den Fall entstehen, dass es mit aus Deutsch-
land geliefertem Uran in belgischen Atomkraftwerken zu einem schweren
Störfall mit Radioaktivitätsfreisetzung kommt?
Aus welchen Gründen kann die Bundesregierung derartige Haftungsansprü-
che ausschließen?

18. Wie hoch war seit dem Jahr 2010 jeweils die Auslastung der Urananreiche-
rungsanlage Gronau (bitte nach Jahr und jeweiligem Auslastungsgrad auf-
schlüsseln)?

19. Wie viel angereichertes Uran liefert die Urananreicherungsanlage Gronau
derzeit jährlich zur Brennelementefabrik Lingen (bitte nach Jahren seit dem
Jahr 2011 sowie nach aktuellen und bereits beantragten Transportgenehmi-
gungen aufschlüsseln)?

20. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil von URENCO
Ltd. auf dem Weltmarkt für angereichertes Uran jeweils seit dem Jahr 2010
bis heute?

21. Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung der aktuelle Stand bei den Vor-
bereitungen zum Verkauf von URENCO-Anteilen?

22. Welche Informationen hat die Bundesregierung über ein von der niederlän-
dischen Regierung geplantes Gesetz zum Verkauf der URENCO-Anteile,
und wann wird dieses nach Kenntnis der Bundesregierung dem dortigen Par-
lament zugeleitet?

23. Welche Ziele werden nach Kenntnis der Bundesregierung mit diesem Gesetz
verfolgt?

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24. Wird die Bundesregierung aus Anlass des geplanten Verkaufs der URENCO-
Anteile auch in Deutschland ein derartiges Gesetz wie in den Niederlanden
vorgesehen dem Deutschen Bundestag vorlegen?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, wann ist damit zu rechnen, und welche wesentlichen Inhalte wird
dieses Gesetz haben?

25. Wann haben seit Anfang des Jahres 2015 konkrete Gespräche zum mögli-
chen Verkauf von URENCO-Anteilen seitens der Almelo-Vertragsstaaten
sowie zwischen der Bundesregierung und den einzelnen URENCO-Anteils-
eignern stattgefunden (bitte nach Datum und jeweiligem Teilnehmerkreis
aufschlüsseln)?

26. Ist ein möglicher Börsengang für URENCO-Anteile aus Sicht der Bundesre-
gierung noch immer im Gespräch?

27. In welcher Weise gibt es zwischen der Bundesregierung und den Konzernen
RWE und E.ON aktuell Kontakte, um über die Zukunft der jeweiligen
URENCO-Beteiligungen (inkl. des bei der Urananreicherung anfallenden
Atommülls) zu sprechen?
Welche Ergebnisse gibt es dabei bislang?

28. Kann sich die Bundesregierung vorstellen, im Rahmen einer Stiftung oder
einer anderen öffentlichen Trägerschaft von den Privatkonzernen RWE und
E.ON letztlich die Verantwortung für das „deutsche“ Anteilsdrittel bei
URENCO zu übernehmen?

Berlin, den 10. Mai 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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