BT-Drucksache 18/8394

Mit Beitragsgeldern der gesetzlich Versicherten sorgsam umgehen - Mehr Transparenz und bessere Aufsicht über die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen

Vom 11. Mai 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8394
18. Wahlperiode 11.05.2016
Antrag
der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Maria Klein-Schmeink, Kordula
Schulz-Asche, Elisabeth Scharfenberg, Katja Dörner, Dr. Franziska
Brantner, Kai Gehring, Ulle Schauws, Tabea Rößner, Doris Wagner,
Beate Walter-Rosenheimer, Britta Haßelmann und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mit Beitragsgeldern der gesetzlich Versicherten sorgsam umgehen – Mehr
Transparenz und bessere Aufsicht über die Selbstverwaltung im
Gesundheitswesen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat in den vergangenen Jahren ris-
kante Wertpapier- und Immobiliengeschäfte vorgenommen und einzelnen Beschäf-
tigten Versorgungsbezüge garantiert, die zu erheblichen finanziellen Verlusten bzw.
Vermögensgefährdungen geführt haben (Bundestagsdrucksachen 18/7464 und
18/7832; DER SPIEGEL, Heft 33/2015; LG Berlin, Urteil vom 21.01.2016, Az.: 67
O 60/15). Ursächlich dafür waren neben rechtswidrigem Verhalten und dem bewuss-
ten Umgehen von Kontrollstrukturen durch damalige KBV-Funktionäre auch unzu-
reichende gesetzliche Vorgaben für den Umgang mit KBV-Geldern.
Viele Vorkommnisse hätten vermieden werden können, wenn die Bundesregierung
der Selbstverwaltung mehr auf die Finger geschaut hätte und ihrer gesetzlichen Auf-
sichtspflicht nachgekommen wäre. Die Bundesregierung musste auf Nachfrage zu-
geben, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) jahrelang die nach § 274
Absatz 1 Satz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) vorgeschriebene
Prüfung der Geschäfts-, Rechnungs- und Betriebsführung unterlassen hatte (Bundes-
tagsdrucksache 18/7604).
Bei den in Rede stehenden Vermögensverlusten handelte es sich um Gelder, die ur-
sprünglich von den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern in der gesetzlichen
Krankenversicherung aufgebracht wurden und für die ärztliche Versorgung der Be-
völkerung gedacht waren. Gerade aus diesem Grund ist es notwendig, die gesetzli-
chen Vorgaben und aufsichtsrechtlichen Kontrollen in Haushalts- und Finanzfragen
so zu gestalten, dass Verluste und Veruntreuungen zukünftig vermieden werden.
Zudem ist eine transparente und vollständige Aufarbeitung der Vorgänge um die
KBV, einschließlich der Versäumnisse des BMG, unerlässlich. Dazu gehört auch die
Offenlegung aller entstandenen Verluste und zukünftigen Vermögensrisiken.

Drucksache 18/8394 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der
a) die Möglichkeiten zur Gründung, Beteiligung und Übernahme von privat-

rechtlichen Unternehmen für Selbstverwaltungskörperschaften des Gesund-
heitswesens einschränkt, die Genehmigungspflicht der Aufsichtsbehörde un-
terstellt und deren Aufsichtsrechte auch auf das Unternehmen ausweitet;

b) die Möglichkeiten der Vergabe von Darlehen an Personen des Privatrechts für
die KBV und die Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder beschränkt, von
der Gewährung ausreichender Sicherheiten abhängig macht und der Geneh-
migungspflicht der Aufsichtsbehörde unterstellt;

c) die Möglichkeit der Geldanlagen für die KBV und die Kassenärztlichen Ver-
einigungen der Länder so beschränkt, dass das nach § 80 SGB IV festge-
schriebene Gebot der Anlagensicherheit wirksam umgesetzt wird, sowie An-
lagen ab einem bestimmten Betrag der Genehmigungspflicht durch die Auf-
sichtsbehörde unterstellt; dazu gehört auch die Verpflichtung zur Verabschie-
dung sanktionsbewehrter Anlagerichtlinien;

d) die Selbstverwaltungskörperschaften des Gesundheitswesens auf Bundesebe-
ne verpflichtet, zukünftig ihre Haushaltspläne und Jahresrechnungen zu ver-
öffentlichen und zudem diese Haushaltspläne vorab der Aufsichtsbehörde zur
Prüfung vorzulegen;

e) Vorstandsmitglieder der Selbstverwaltungskörperschaften des Gesundheits-
wesens zukünftig verpflichtet, mögliche Interessenskonflikte bei Nebentätig-
keiten oder Beteiligungen offenzulegen, und der Aufsichtsbehörde die Mög-
lichkeit gibt, diese Tätigkeiten oder Beteiligungen im Zweifelsfall zu unter-
sagen;

f) die Selbstverwaltungskörperschaften des Gesundheitswesens verpflichtet,
Arbeitsverhältnisse für hauptamtlich Beschäftigte zukünftig nach den Vor-
schriften des öffentlichen Dienstes auszugestalten, und Abweichungen unter
den Genehmigungsvorhalt der Aufsichtsbehörde stellt;

g) die Selbstverwaltungskörperschaften des Gesundheitswesens verpflichtet, ei-
ne Innenrevision einzurichten, die ihre Befugnisse unabhängig ausübt;

h) bei Verstößen gegen gesetzliche Vorgaben oder Satzungsvorschriften die per-
sönliche Haftung für Vorstandsmitglieder der Selbstverwaltungskörperschaf-
ten des Gesundheitswesens konkretisiert;

2. die nach § 274 SGB V vorgeschriebenen Prüfungen der Geschäfts-, Rechnungs-
und Betriebsführung beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spit-
zenverband) und den Kassenärztlichen Vereinigungen zukünftig fristgerecht
durchzuführen;

3. eine unabhängige Ombudsperson zu berufen, bei der die rechts- oder zweckwid-
rige Verwendung von Finanzmitteln durch Selbstverwaltungskörperschaften des
Gesundheitswesens gemeldet werden kann;

4. zu allen strafrechtlich relevanten Sachverhalten im Zusammenhang mit den o. g.
Vorgängen (Immobilien- und Wertpapiergeschäfte, Versorgungsbezüge für ein-
zelne KBV-Beschäftigte) bei der KBV Strafanzeige gegen alle in Frage kom-
menden Beteiligten zu stellen;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8394
5. dem Bundestag bis zum 31.12.2016 einen schriftlichen Bericht über die Aufar-

beitung sämtlicher Vorkommnisse im Zusammenhang mit der KBV (Immobi-
lien- und Wertpapiergeschäfte, Versorgungsbezüge für einzelne KBV-Beschäf-
tigte, s. o.) einschließlich möglicher Versäumnisse seitens der Bundesregierung
und der daraus gezogenen Konsequenzen vorzulegen.

Berlin, den 10. Mai 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Durch eine Kleine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion (Bundestagsdrucksache 18/7464) wurde bekannt,
dass die KBV im Jahr 2010 eine Immobiliengesellschaft (APO Vermietungsgesellschaft mbH) übernommen
hatte, die zum damaligen Zeitpunkt schon fast überschuldet war und sich seitdem am Rand der Insolvenz be-
findet. Die APO Vermietungsgesellschaft war 2001 auf Betreiben der KBV gegründet worden, um den Bau der
neuen KBV-Geschäftsstelle in Berlin zu finanzieren. Mit den Jahren kamen – ebenfalls auf Betreiben des da-
maligen KBV-Vorstands – weitere Immobilienprojekte dazu. Durch diese Bauvorhaben geriet die APO Ver-
mietungsgesellschaft zunehmend in eine finanzielle Schieflage. Die KBV gewährte der Gesellschaft daraufhin
regelmäßig Darlehen – zunächst um die Grundstücks- und Baukosten abzusichern, aber später auch, um eine
Insolvenz der Gesellschaft zu vermeiden. Im Jahr 2015 belief sich das Darlehen der KBV mittlerweile auf rund
57 Millionen Euro. Der Großteil davon wird aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Lage der APO Vermie-
tungsgesellschaft derzeit nicht getilgt. Zudem hat die KBV einen Rangrücktritt für ihre Forderungen gegen die
Vermietungsgesellschaft erklärt, so dass diese erst nach den Forderungen anderer Darlehensgeber (Privatban-
ken) befriedigt werden; damit hat sie das eigene Verlustrisiko bewusst erheblich vergrößert. Die Haftung für
Verluste oder eine etwaige Insolvenz der Gesellschaft liegt letztendlich ebenfalls bei der KBV als Eigentümerin.
Weitere finanzielle Verluste erlitt die KBV durch Wertpapierkäufe (Bundestagsdrucksache 18/7832). Im
Jahr 2007 kaufte sie für fast 1,1 Millionen Euro Papiere der isländischen Glitnir-Banki, die im Zuge der Finanz-
marktkrise den Großteil ihres Wertes (rund 900.000 Euro) verloren. Auch auf diesem Schaden wird die KBV
nach Einschätzung der Bundesregierung weitgehend sitzen bleiben. In der Jahresrechnung der KBV wurden
diese Verluste zudem offensichtlich verschleiert und mit Gewinnen aus einem anderen Bereich direkt verrech-
net.
Das BMG als Aufsichtsbehörde hätte von diesen Missständen wissen können und müssen, ließ die Dinge aller-
dings jahrelang laufen. Ihm lagen bereits ab 2005 Hinweise beispielsweise auf eine mögliche Übernahme der
APO Vermietungsgesellschaft oder auf Gewährung eines Mieterdarlehens vor, denen es hätte nachgehen müs-
sen. Dies unterblieb. Der Pflicht, „mindestens alle fünf Jahre“ die Geschäfts-, Rechnungs- und Betriebsführung
der KBV zu prüfen (§ 274 Absatz 1 SGB V), ist das BMG seit 1996 nur einmal nachgekommen, nämlich im
Jahr 2010 (Bundestagsdrucksache 18/7604, Frage 25). Erst nachdem bei dieser Prüfung Ungereimtheiten of-
fenbar wurden, gab das BMG weitere Ermittlungen in Auftrag.
Bis auf Beratungsgespräche mit dem KBV-Vorstand blieben die festgestellten Verstöße aber bislang weitge-
hend folgenlos. Das BMG selbst hat nur in einer Angelegenheit (Zahlung ungerechtfertigter Mietzuschüsse)
Strafanzeige gegen einen früheren KBV-Vorstand gestellt, obwohl auch andere Sachverhalte dazu Anlass gä-
ben. Ihre frühere Behauptung, durch die Darlehensgewährung sei der KBV „kein wirtschaftlicher Schaden ent-
standen“, musste das BMG inzwischen allerdings relativieren (Bundestagsdrucksache 18/247, Frage 71).
Bei den in Rede stehenden Vermögensverlusten handelte es sich um Gelder, die ursprünglich von den Beitrags-
zahlerinnen und Beitragszahlern in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgebracht wurden und für die ärzt-
liche Versorgung der Bevölkerung gedacht waren. Die Vorgänge um die KBV haben deutlich gemacht, dass in
Haushalts- und Finanzfragen teilweise erhebliche gesetzliche Regelungslücken bestehen. Diese gilt es zu schlie-
ßen, um zukünftig riskante Vermögensgeschäfte und Selbstbedienung bei Versorgungsbezügen durch einzelne
Beschäftigte zu vermeiden. Dazu gehört auch die regelmäßige Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/074/1807464.pdf
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/078/1807832.pdf
Drucksache 18/8394 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Betriebsprüfungen durch die Aufsichtsbehörde. Zudem ist eine transparente Aufarbeitung sämtlicher Skandale
um die KBV einschließlich möglicher Versäumnisse durch das BMG unerlässlich.
Zu den Forderungen im Einzelnen:

Zu 1a):
Bislang gibt es keine Beschränkung für Selbstverwaltungskörperschaften des Gesundheitswesens, sich an pri-
vaten Unternehmen zu beteiligen oder diese zu gründen, obwohl die finanziellen Risiken auch für die Körper-
schaft selbst unter Umständen erheblich sind. Da für diese Unternehmen die gesetzlichen Vorgaben in Finanz-
und Vermögensfragen des SGB IV nicht gelten, sollte die Möglichkeit der Gründung, Beteiligung und Über-
nahme solcher Gesellschaften auf die Fälle beschränkt werden, wo es für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfül-
lung der Körperschaft unerlässlich und die Haftung der Körperschaft begrenzt ist. Zudem muss im Vorfeld die
Genehmigung der Aufsichtsbehörde vorliegen. Von diesen Körperschaften im gesetzlichen Auftrag zu grün-
dende Unternehmen oder im gesetzlichen Auftrag erfolgende Unternehmensbeteiligungen sind hiervon ausge-
nommen. Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass die Aufsichtsbehörde ihre Aufsichtsrechte auch gegen-
über der privaten Gesellschaft ausüben kann. Dies kann beispielsweise dadurch erfolgen, dass – analog bei-
spielsweise zu landesrechtlichen Regelungen des Kommunalrechts – satzungsrechtliche Vorgaben oder die Mit-
gliedschaft von Vertretern des BMG in Aufsichtsorganen der Gesellschaft einen solchen Einfluss sicherstellen.
§ 25 der Verordnung über das Haushaltswesen in der Sozialversicherung (SVHV) sieht diese Möglichkeit bis-
lang nicht vor.

Zu 1b):
Sozialversicherungsträger dürfen nach § 83 Absatz 1 Nummer 4b SGB IV nur dann Darlehen an Personen des
Privatrechts gewähren, wenn eine öffentlich-rechtliche Einrichtung die Gewährleistung für Rückzahlung und
Verzinsung übernimmt oder (bei Kreditinstituten) eine Sicherungseinrichtung der Kreditwirtschaft in die Ge-
währleistung eintritt. Diese Vorgaben sollen auf die KBV und die Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder
ausgeweitet werden. Zudem sollen diese Darlehensgewährungen zukünftig ebenfalls der Genehmigungspflicht
durch die Aufsichtsbehörde unterliegen.

Zu 1c):
Der Grundsatz der Anlagensicherheit nach § 80 SGB IV gilt auch für die KBV und die Kassenärztlichen Ver-
einigungen der Länder. Konkrete Vorgaben zur Umsetzung dieses Grundsatzes, so wie sie für Sozialversiche-
rungsträger in § 83 SGB IV vorliegen, gibt es allerdings nicht. Vielmehr verlässt sich die KBV in ihrer Ein-
schätzung offensichtlich weiterhin auf das Urteil von Ratingagenturen, deren Fehleinschätzung bereits in der
Vergangenheit zu den o. g. Verlusten mit isländischen Papieren geführt haben (vgl. Bundestagsdrucksa-
che 18/7832). Zur Konkretisierung des § 80 SGB IV auch für die KBV und die Kassenärztlichen Vereinigungen
muss der Geltungsbereich des § 83 SGB IV zukünftig auch auf diese Institutionen ausgeweitet werden. Zudem
muss die KBV verpflichtet werden, in ihren Anlagerichtlinien zu konkretisieren, welche haftungsrechtlichen
Folgen im Falle eines Verstoßes gegen diese Richtlinien eintreten. Darüber hinaus müssen Geldanlagen der
KBV und der Kassenärztlichen Vereinigungen zukünftig ab einer bestimmten Anlagehöhe (z. B. 100.000 Euro)
genehmigungspflichtig sein. Die Genehmigung erteilt das BMG als Aufsichtsbehörde. Um Umgehungen zu
vermeiden, bestimmt sich die Genehmigungspflicht nach dem Gesamtbetrag, der in eine bestimmte Anlage
investiert wird, unabhängig davon, ob die Investition im Gesamtbetrag oder gestückelt erfolgt.

Zu 1d):
Mit der Regelung wird eine Pflicht zur Veröffentlichung der Jahresrechnungen und Haushaltspläne der Selbst-
verwaltungskörperschaften im Gesundheitswesen geschaffen. Nach Auskunft der Bundesregierung (Bundes-
tagsdrucksache 18/724) existiert bislang weder eine explizite Vorschrift, die die genannten Körperschaften zu
einer derartigen Veröffentlichung verpflichtet, noch eine, die eine solche Veröffentlichung ausdrücklich unter-
sagt. Da die genannten Körperschaften von sich aus bislang weder Haushaltsberichte noch Jahresrechnungen
der Öffentlichkeit allgemein zugänglich gemacht haben, ist eine gesetzliche Verpflichtung notwendig. Zudem
werden Selbstverwaltungskörperschaften des Gesundheitswesens auf Bundesebene (Gemeinsamer Bundesaus-
schuss, GKV-Spitzenverband, KBV, Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung) zukünftig verpflichtet, ihre
Haushaltspläne vorab dem BMG als Aufsichtsbehörde zur Prüfung vorzulegen. Insoweit ist § 112 Absatz 1
Satz 2 und 3 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) anzupassen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8394
Zu 1e):
Ähnlich wie bei anderen Einrichtungen im Gesundheitswesen (bspw. der Ständigen Impfkommission oder der
Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft) werden Vorstandsmitglieder der Selbstverwaltungskör-
perschaften des Gesundheitswesens zukünftig verpflichtet, mögliche Interessenskonflikte, die aus privaten Ne-
bentätigkeiten oder Beteiligungen entstehen könnten, offenzulegen. Die Aufsichtsbehörde erhält die Möglich-
keit, diese Nebentätigkeiten oder Beteiligungen im Zweifelsfall zu untersagen, wenn diese im Konflikt zum
gesetzlichen Auftrag der Körperschaft stehen können. Dabei hat sie einen Einschätzungsspielraum. Die Not-
wendigkeit einer solchen Regelung zeigt sich auch durch die Vorgänge um die APO Vermietungsgesellschaft:
Damals hatte ein früherer KBV-Vorstand den Kauf eines Grundstücks in Auftrag gegeben, um dort anschlie-
ßend durch eine Aktiengesellschaft ein Ärztehaus errichten und den Aufbau einer Kette medizinischer Versor-
gungszentren betreiben zu lassen; an der Aktiengesellschaft war er über Umwege als Privatperson beteiligt. Die
Kosten für das Projekt wurden mit KBV-Geldern abgesichert (vgl. Bundestagsdrucksache 18/7464). Das Pro-
jekt scheiterte später allerdings aus anderen Gründen. Nach Angaben der Bundesregierung existieren gesetzli-
che Vorschriften zur Ausübung privater Nebentätigkeiten durch KBV-Vorstandsmitglieder bislang nicht. Laut
Satzung der KBV sind Regelungen zum Umfang der Zulässigkeit von Nebentätigkeiten der KBV-Vorstands-
mitglieder sowie das Verfahren der Genehmigung im jeweiligen Dienstvertrag zu regeln.

Zu 1f):
Die Selbstverwaltungskörperschaften im Gesundheitswesen sind bei der Ausgestaltung von Arbeitsverhältnis-
sen mit ihren Beschäftigten bislang nicht an die Vorschriften des öffentlichen Dienstes gebunden; diese haben
lediglich Indizwirkung (BSG vom 29.02.1984, Az.: 8 RK 27/82). Die Versorgungsregelungen für Beamte kön-
nen dabei als anerkannter Bewertungsmaßstab gelten (BSG vom 28.06.2000, Az. B 6 KA 64/98). Unmittelbar
bindend sind sie allerdings nicht. Auch wenn sich Versorgungszusagen an Beschäftigte im Rahmen des öffent-
lichen Haushaltsrechts befinden müssen, führt nicht jeder Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit
und Sparsamkeit (§ 69 Absatz 2 SGB IV) automatisch zu einer Nichtigkeit der Vereinbarung. Vielmehr ist dies
erst dann der Fall, wenn es sich um eine grobe Missachtung dieses Grundsatzes handelt (OVG Lüneburg, Be-
schluss vom 30.04.2010, Az.: 10 ME 186/09).
Die KBV befindet sich derzeit in mehreren rechtlichen Auseinandersetzungen mit früheren Beschäftigten, in
denen es um die Zulässigkeit und mögliche Rückerstattung von unverhältnismäßig hohen Versorgungsansprü-
chen geht, die im Widerspruch zu geltendem Versorgungsrecht für Beamte stehen. Um mögliche Rechtsunsi-
cherheit und missbräuchliche Vereinbarungen zukünftig zu vermeiden und dem Grundsatz der Wirtschaftlich-
keit und Sparsamkeit angemessen Rechnung zu tragen, wird festgelegt, dass die Arbeitsverhältnisse für haupt-
amtlich Beschäftigte von Selbstverwaltungskörperschaften im Gesundheitswesen zukünftig nach den Vor-
schriften des öffentlichen Dienstes auszugestalten sind. Abweichungen von den Vorgaben werden unter den
Genehmigungsvorhalt der Aufsichtsbehörde gestellt; liegt eine Genehmigung nicht vor, so ist die Vereinbarung
nichtig.

Zu 1g):
Um zukünftig Vorgängen wie den oben dargestellten frühzeitig entgegenzuwirken, werden die Selbstverwal-
tungskörperschaften des Gesundheitswesens verpflichtet, eine Innenrevision einzurichten, die ihre Befugnisse
unabhängig ausübt. Diese erhält die Befugnis, finanzielle und organisatorische Vorhaben und Entscheidungen
innerhalb der Körperschaft umfassend zu prüfen und die Leitungsebene im Hinblick auf eine ordnungsgemäße
Erfüllung ihrer Aufgaben zu beraten. Die Empfehlungen des Bundesministeriums des Innern für interne Revi-
sionen in der Bundesverwaltung sind dabei entsprechend umzusetzen.

Zu 1h):
Die persönliche Haftung von Vorständen für Verstöße gegen Gesetzes- und Satzungsrecht sind über die allge-
meinen Regeln hinaus zu konkretisieren. Dazu ist eine Regelung entsprechend § 93 Absatz 2 des Aktiengesetzes
einzuführen, wonach Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, der Körperschaft zum Ersatz des daraus
entstehenden Schadens verpflichtet sind. Die Körperschaft muss dabei nur darlegen und beweisen, dass das
Verhalten des Vorstandsmitglieds möglicherweise pflichtwidrig war, ein bestimmter Schaden eingetreten ist
und eine Kausalität zwischen dem Verhalten des Vorstandsmitglieds und dem Schaden besteht. Das Vorstands-
mitglied hat danach darzulegen und zu beweisen, dass es nicht pflichtwidrig gehandelt hat oder dass ihn im
Falle eines pflichtwidrigen Handelns kein Verschulden trifft. Ist also streitig, ob ein Vorstand seine Sorgfalts-
pflichten verletzt hat, trifft ihn die Beweislast (BGH, NJW 2003, 358). Dies mindert das Prozessrisiko der Kör-
perschaft erheblich. Schließt die Körperschaft eine Versicherung zur Absicherung eines Vorstandsmitglieds

https://portal1.dbtg.de/,DanaInfo=beck-online.beck.de,SSL+?typ=reference&y=300&b=2003&s=358&z=NJW
Drucksache 18/8394 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
gegen Risiken aus dessen beruflicher Tätigkeit für die Institution ab, ist darüber hinaus ein Selbstbehalt für das
Vorstandsmitglied vorzusehen.

Zu 2.:
Im Zuge der Aufklärung der Immobilien- und Wertpapierskandale um die KBV musste die Bundesregierung
zugeben, dass das BMG die gesetzlich vorgeschriebene regelmäßige Prüfung der Geschäfts-, Rechnungs- und
Betriebsführung der KBV mehrfach versäumt hat (Bundestagsdrucksache 18/7604, Frage 25). Diese Prüfung
hat gemäß § 274 Absatz 1 Satz 3 SGB V die Aufgabe, die Gesetzmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Ge-
schäftsbetriebs der KBV zu kontrollieren. Nach § 274 Absatz 1 Satz 2 SGB V ist das BMG verpflichtet, diese
Prüfung mindestens alle fünf Jahre durchzuführen. Dies ist nicht geschehen. Vielmehr hat das BMG nach 1996
nur im Jahr 2010 eine solche Prüfung durchführen lassen. Seitdem ist ebenfalls keine weitere Prüfung erfolgt.

Zu 3.:
Ergänzend zu den Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen nach den §§ 81a,
197a SGB V wird eine unabhängige Ombudsperson berufen, bei der die rechts- oder zweckwidrige Verwen-
dung von Finanzmitteln durch Selbstverwaltungskörperschaften des Gesundheitswesens gemeldet werden kann.
Da diese Stellen nach §§ 81a, 197a SGB V bislang bei den Selbstverwaltungskörperschaften selbst angesiedelt
sind (Krankenkassen und ihre Verbände, GKV-Spitzenverband, Kassenärztliche Vereinigungen, KBV), ist mo-
mentan nicht auszuschließen, dass Informationsträger aus den Selbstverwaltungskörperschaften sich trotz
Kenntnis von Missständen nicht äußern, weil sie innerhalb ihrer Organisation (berufliche) Sanktionen fürchten.
Die Benennung einer unabhängigen Ombudsperson, die beispielsweise beim Patientenbeauftragten der Bun-
desregierung angesiedelt sein kann, soll es potentiellen Informationsträgern erleichtern, auch über Fehlverhalten
und Mittelverschwendung innerhalb der Selbstverwaltungskörperschaften selbst zu berichten.

Zu 4.:
Bei vielen der in Rede stehenden Sachverhalte im Zusammenhang mit den KBV-Skandalen wurden von den
handelnden Akteuren bewusst gesetzliche Vorgaben umgangen und vorgeschriebene Entscheidungswege nicht
eingehalten. Dies betraf insbesondere den Erwerb der APO Vermietungsgesellschaft, die Gewährung von
Mieterdarlehen für nicht KBV-unmittelbare Immobilienprojekte, aber auch die Gewährung von stattlichen Ver-
sorgungsbezügen an ehemalige Bedienstete der KBV, die mittlerweile Gegenstand von Gerichtsprozessen sind
oder waren (DER SPIEGEL 33/2015; LG Berlin, Urteil vom 21.01.2016, Az.: 67 O 60/15; Arbeitsgericht Köln,
Urteil vom 10.02.2015, 14 Ca 10386/13). Bei den meisten dieser Sachverhalte hat das BMG als Aufsichtsbe-
hörde bislang keine Strafanzeige gestellt, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre. Die Gründe für diese Zu-
rückhaltung sind nicht nachvollziehbar. Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, auch zur Vorbeugung
einer möglichen Verjährung Strafanzeige gegen alle in Frage kommenden Beteiligten (insbesondere ehemalige
KBV-Vorstände und -Beschäftigte) zu stellen.

Zu 5.:
Die Aufarbeitung der Skandale um die KBV ist bislang von Seiten der Bundesregierung nur zögerlich und
wenig transparent betrieben worden. Ein Gutachten zu den finanziellen Auswirkungen der Vorgänge um die
APO Vermietungsgesellschaft und möglichen Lösungen hält sie beispielsweise seit Dezember 2015 unter Ver-
schluss. Die Erarbeitung von Lösungsvorschlägen überlässt sie weitgehend der KBV selbst (vgl. Bundestags-
drucksache 18/7464). Gerade bei der missbräuchlichen Verschwendung von Versichertengeldern, die ursprüng-
lich für die ambulante ärztliche Versorgung der Bevölkerung gedacht waren, hat die Öffentlichkeit aber einen
Anspruch auf transparente und umfassende Aufklärung aller Vorwürfe. Die Bundesregierung wird daher auf-
gefordert, dem Bundestag bis zum 31.12.2016 einen schriftlichen Bericht über die Aufarbeitung sämtlicher
Vorgänge einschließlich möglicher Versäumnisse seitens der Bundesregierung und der daraus gezogenen Kon-
sequenzen vorzulegen.

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