BT-Drucksache 18/8325

Nichtberücksichtigung der Alternative zum Autobahnneubau A 39 Lüneburg - Wolfsburg im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030

Vom 27. April 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8325
18. Wahlperiode 27.04.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Sven-Christian Kindler, Dr. Julia Verlinden,
Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), Tabea Rößner, Markus Tressel
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Nichtberücksichtigung der Alternative zum Autobahnneubau A 39 Lüneburg –
Wolfsburg im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030

Die Neubaupläne der A 39 von Lüneburg nach Wolfsburg sind seit Jahren um-
stritten. In der Diskussion stehen sowohl der gesamtwirtschaftliche und verkehr-
liche Nutzen als auch die hohen Kosten für Landwirtschaft, Natur und Umwelt.
Der Neubau würde nach Angaben des Bundesministeriums für Verkehr und digi-
tale Infrastruktur (BMVI) streng geschützte Natura-2000-Gebiete erheblich be-
einträchtigen und wichtige bisher unzerschnittene sowie verkehrsarme Räume
zerschneiden. Der voraussichtliche Schaden für die Umwelt (Umweltbetroffen-
heit) des mehr als 105 km langen Autobahnneubaus wird daher im Entwurf des
Bundesverkehrswegeplans (BVWP) mit der kritischen Bewertungsstufe versehen
(www.bvwp-projekte.de/strasse/A39-G10-NI/A39-G10-NI.html#). Seit vielen
Jahren gibt es aufgrund der Umweltzerstörung und der Flächeninanspruchnahme
Widerstand der Bürgerinnen und Bürger vor Ort gegen den Bau der neuen Auto-
bahn.
Die Kosten für das Großprojekt belaufen sich nach Angaben der zuständigen Auf-
tragsverwaltung des Landes Niedersachsen auf rund 1,1 Mrd. Euro (Bundestags-
drucksache 18/5016). Das Nutzen-Kosten-Verhältnis des geplanten Neubauvor-
habens ist laut BMVI von 1,9 auf nun 2,1 angestiegen (Bundestagsdruck-
sache 18/8020). Große Widersprüche gibt es bei der BMVI-eigenen Bewertung
der Raumwirksamkeit des Neubauprojektes: Im Projektdossier im Projektinfor-
mationssystem PRINS erhält das Projekt 13,15 Punkte und entspricht damit nach
der BMVI-eigenen Bewertung einer mittleren Raumwirksamkeit (> 10 bis
<= 20). Dennoch wird die raumordnerische Beurteilung des Projektes im BVWP-
Entwurf des BMVI mit „hoch“ angegeben (BVWP 2030 – Entwurf März, S. 115).
Im vorliegenden Entwurf des BVWP wird das Vorhaben ungeachtet der klar wi-
dersprüchlichen Angaben in den „Vordringlichen Bedarf“ eingestuft.
Im Rahmen der Aufstellung des neuen BVWP meldete das Land Niedersachsen
als Alternative den Ausbau der parallel verlaufenden Bundestraße 4 (B 4). Der
Ausbau kostet mit 303 Mio. Euro weniger als ein Drittel des Autobahnneubaus
und würde weit weniger Räume zerschneiden.
Das Nutzen-Kosten-Verhältnis der Alternative ist darüber hinaus mit 4,1 fast dop-
pelt so hoch, wie das des geplanten Autobahnneubaus und so laut BVWP-Bewer-
tungsmethodik die gesamtwirtschaftlich sinnvollere Alternative. Dennoch hat
sich das BMVI gegen die Alternativplanung des B4-Ausbaus entschieden. Eine

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Begründung für diese Entscheidung durch das BMVI liegt im Projektinformati-
onssystem PRINS nicht vor (www.bvwp-projekte.de/strasse/B4-G10-NI/B4-G10-
NI.html).
Im Projektdossier des Autobahnvorhabens ist die mögliche Alternativplanung
nicht aufgeführt. Die notwendige Transparenz zur direkten Gegenüberstellung
der beiden Alternativen ist damit für die Bürgerinnen und Bürger nicht gegeben
und Stellungnahmen im Rahmen der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung
zu den Umweltauswirkungen des Gesamtplans somit maßgeblich erschwert.
Aus Sicht der Fragesteller bestätigt die Nichtberücksichtigung der besser bewer-
teten Alternative zum Neubau der Autobahn Lüneburg – Wolfsburg den Ver-
dacht, dass der vorgelegte Entwurf zum BVWP 2030 in vielen Fällen Neubau-
vorhaben gegenüber Ausbauvorhaben bevorteilt und Ausbaualternativen im Ge-
gensatz zu den Anforderungen nicht ergebnisoffen bewertet wurden. Damit
würde das BMVI die eigenen Vorgaben der Grundkonzeption für den neuen Bun-
desverkehrswegeplan (Grundkonzeption für den BVWP 2015, S. 58 f.) verfehlen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wieso wurde die von dem Land Niedersachsen angemeldete Alternative zum

A-39-Neubau im Zuge der B 4 (Lüneburg – Region Braunschweig) im
BVWP-Entwurf nicht berücksichtigt, obwohl das berechnete Nutzen-Kos-
ten-Verhältnis mit 4,1 deutlich höher liegt, als das des A-39-Neubaus (2,1),
die städtebauliche Bedeutung im Gegensatz zu der des Neubauvorhabens re-
levant ist (Ergebnis „mittel“) und die Umweltbetroffenheit in Bezug auf die
Zerschneidungseffekte laut Projektdossier geringer ist als beim Autobahn-
neubau?

2. Wieso findet sich im Projektdossier zum A-39-Neubau kein Hinweis auf die
Bewertung bzw. die Bewertungsergebnisse der von Niedersachsen angemel-
deten Alternative zum Neubau der A 39 im Zuge der B 4?

3. a) Hat die festgestellte hohe Umweltbetroffenheit des Neubauvorhabens
A 39 Lüneburg – Wolfsburg Auswirkungen auf die Dringlichkeitseinstu-
fung für den Entwurf des neuen BVWP?

b) Wenn ja, welche?
c) Wenn nein, warum nicht?

4. Welche konkreten Auswirkungen erwartet die Bundesregierung auf die dem
Natura-2000-Netzwerk zugehörigen Schutzgebiete entlang der geplanten
Neubaustrecke (bitte nach einzelnen Schutzgebieten aufschlüsseln und Aus-
wirkungen benennen)?

5. Inwiefern ist die raumordnerische Beurteilung des Neubauvorhabens A 39
Lünbeurg – Wolfsburg „hoch“, obwohl in der Bewertung laut Projektdossier
im Projektinformationssystem PRINS zum Entwurf des BVWP 2030 nur ein
Wert von 13,15 Punkten erreicht wurde, diese also im unteren Bereich einer
mittleren Bewertung liegt?

6. Wie ist aus Sicht der Bundesregierung zu begründen, dass die raumordneri-
sche Beurteilung für den Neubau der A 39 Lüneburg – Wolfsburg als rele-
vant gilt, während dieses Bewertungskriterium für den Ausbaus der parallel
dazu verlaufenden B 4 laut Projektdossier im Projektinformationssystem
zum Entwurf des BVWP 2030 aus Sicht der Prüfer nicht relevant sein soll?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8325
7. a) Haben neben den vier relevanten Bewertungskriterien (Nutzen-Kosten-
Analyse, Umwelt- und Naturschutzfachliche Beurteilung, Raumordneri-
sche Beurteilung und Städtebauliche Beurteilung) zusätzliche Faktoren
bei der Abwägung zwischen dem Autobahnneubau und der Ausbaualter-
native die Entscheidung beeinflusst?

b) Wenn ja, welche?
c) Wenn nein, wie ist die Entscheidung aufgrund der vier Bewertungsmo-

dule zu begründen?
8. a) Welche konkreten Faktoren bzw. Informationen haben bei der Neubau-

planung A 39 Lüneburg – Wolfsburg dazu geführt, dass die im BVWP-
Entwurf eingerechneten Gesamtkosten von 1 083,1 Mio. Euro rund
23 Mio. Euro unter den von der Auftragsverwaltung Niedersachsen ur-
sprünglich an das BMVI übersendeten Gesamtkosten von 1 106,2 Mio.
Euro liegen (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Planungstand der Bundesau-
tobahn 39 Lüneburg-Wolfsburg“ auf Bundestagsdrucksache 18/5016)?

b) Woher stammen die neuen Kosteninformationen?
c) Gab es im Rahmen des im Zuge der BVWP-Aufstellung durchgeführten

und vom Bundesrechnungshof stark kritisierten Verfahrens zur Plausibi-
lisierung der Investitionskosten Unstimmigkeiten in Bezug auf das Pro-
jekt A 39 Lüneburg – Wolfsburg?

d) Hat die Plausibilisierung der Kosten des Vorhabens A 39 Lüneburg –
Wolfsburg vor oder nach Absenkung der Kostenuntergrenze im Plausibi-
lisierungsvorgang stattgefunden (vgl. Bericht nach § 88 Abs. 2 BHO über
die Plausibilisierung der Investitionskosten von Straßenbauprojekten zur
Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans 2030)?

9. Hat das Land Niedersachsen einen sechsspurigen Neubau eines Teilbereichs
des Abschnitts 1 nachträglich zur Prüfung im Rahmen der BVWP-Aufstel-
lung angemeldet?
Wenn ja, für welchen Bereich, und mit welchen Kosten?
Aus welchen Gründen wurde dieser sechsspurige Teilbereich ergänzt?

10. Inwiefern ist bei einem teilweise sechsspurigen Neubau des Abschnitts 1 aus
Sicht der Bundesregierung mit weiteren Kostensteigerungen gegenüber dem
bisher veranschlagten vierspurigen Ausbau zu rechnen?

11. a) Würde ein teilweise sechsspuriger Bau des Abschnitts 1 bei Lüneburg aus
Sicht der Bundesregierung zusätzlichen Lärmschutzmaßnahmen notwen-
dig machen?

b) Wenn ja, welche, und mit welchen zusätzlichen Kosten?
c) Wenn ja, welche Auswirkungen hätten diese auf das bereits berechnete

Nutzen-Kosten-Verhältnis?
d) Wenn nein, wieso nicht?

12. Gilt die im BVWP-Entwurf vorgeschlagene Bedarfseinstufung für den
durchgängig vierspurigen Neubau der A 39 auch für Planungen, die einen
sechsspurigen Teilabschnitt vorsehen?

13. Würde eine Querschnittserweiterung auf sechs Fahrstreifen des Teilbereichs
im Abschnitt 1 bei Lüneburg eine Neubewertung des Gesamtprojektes im
Zuge der BVWP-Aufstellung notwendig machen, und wenn ja inwiefern,
und wenn nein, aus welchen Gründen nicht?

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14. Haben bereits Gespräche zwischen dem BMVI und der niedersächsischen

Landesregierung bezüglich eines A-39-Neubaus mit einem sechsstreifigen
Teilabschnitt stattgefunden?
Wenn ja, wann, und mit welchem Ergebnis?

15. Hat das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr
dem BMVI konkrete Angaben für einen sechsspurigen Neubau eines Teilab-
schnittes nachgereicht, um diesen im Zuge der BVWP-Aufstellung auf sei-
nen gesamtwirtschaftlichen Nutzen zu überprüfen?

16. Ab Projektveränderungen welchen Ausmaßes werden Neubewertungen von
BVWP-Verkehrsprojekten auf welcher Rechtsgrundlage in welchem Zeit-
raum erfolgen?

17. Beabsichtigt die Bundesregierung eine Nachkalkulation des Vorhabens mit
Berücksichtigung eines sechsstreifigen Abschnittes?

Berlin, den 27. April 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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