BT-Drucksache 18/832

Nebentätigkeiten von Bundesrichterinnen und -richtern, Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften und Unabhängigkeit von Richterinnen und Richtern und Staatsanwaltschaften

Vom 17. März 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/832
18. Wahlperiode 17.03.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Ulla Jelpke, Petra Pau,
Harald Petzold (Havelland), Martina Renner, Kersten Steinke, Frank Tempel,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Nebentätigkeiten von Bundesrichterinnen und -richtern, Öffentlichkeitsarbeit
von Staatsanwaltschaften und Unabhängigkeit von Richterinnen und Richtern
und Staatsanwaltschaften

Die Unabhängigkeit der Justiz genießt aufgrund des Artikels 97 des Grundgeset-
zes Verfassungsrang und ist im Hinblick auf das Vertrauen in den Rechtsstaat
von erheblicher Bedeutung. Interessenverquickungen von Richterinnen und
Richtern und Staatsanwaltschaften führen zu Zweifeln an der Unabhängigkeit
der Justiz.
Der § 25 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) formuliert: „Der Richter ist
unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.“ In § 39 DRiG wird von einer/
einem Richterin/Richter erwartet, das sie/er sich innerhalb und außerhalb ihres/
seines Amtes so verhält, dass das Vertrauen in ihre/seine Unabhängigkeit nicht
gefährdet wird. Für die Rechtsverhältnisse von Richterinnen/Richtern im Bun-
desdienst gelten nach § 46 DRiG bis zu einer besonderen Regelung die Vor-
schriften für Bundesbeamte entsprechend. Das Bundesbeamtengesetz (BBG)
enthält in den §§ 97 ff. umfassende Regelungen zu Nebentätigkeiten. Der § 99
Absatz 2 BBG regelt im Detail, unter welchen Voraussetzungen eine Neben-
tätigkeit zu versagen ist. Nach § 99 Absatz 2 Nummer 4 BBG ist eine Neben-
tätigkeit zu versagen, die die Unparteilichkeit und Unbefangenheit der Beamtin-
nen/Beamten beeinflussen kann. Allerdings legt der § 100 Absatz 1 Nummer 2
BBG u. a. fest, dass eine Vortragstätigkeit keine genehmigungspflichtige
Nebenbeschäftigung ist. Dennoch können insbesondere bezahlte Vortragstätig-
keiten den Eindruck erwecken, dass die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit
von Richterinnen und Richtern nicht gegeben ist soweit es eine Überschneidung
mit von Richterinnen und Richtern zu entscheidenden Streitfällen gibt.
Der § 141 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) legt fest, das bei jedem
Gericht eine Staatsanwaltschaft bestehen soll. Die Beamten der Staatsanwalt-
schaft haben nach § 146 GVG den dienstlichen Anweisungen ihrer Vorgesetz-
ten nachzukommen. Der § 147 GVG legt im Einzelnen fest, wem die Aufsicht
und Leitung für die jeweiligen Staatsanwaltschaften zusteht, u. a. liegt nach
Nummer 1 die Aufsicht und Leitung hinsichtlich des Generalstaatsanwaltes und
der Bundesanwälte beim Bundesminister der Justiz. Das Magazin „DER SPIE-
GEL“ Nr. 9/2014 (vgl. https://magazin.spiegel.de/digital/index_SP.html#SP/
2014/9/125253335) hat sich mit dem Thema Unabhängigkeit der Staatsanwalt-
schaften beschäftigt und verschiedene Reformvorschläge zitiert, da es erheb-
liche Kritik an der Weisungsgebundenheit von Staatsanwaltschaften gibt.
Der § 153a Absatz 1 Nummer 2 der Strafprozessordnung (StPO) eröffnet die
Option der Verfahrenseinstellung soweit der Beschuldigte „einen Geldbetrag

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zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse“ zahlt. In
Nummer 93.4. der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren
(RiStBV) wird explizit darauf verwiesen, dass neben spezialpräventiven Erwä-
gungen insbesondere Einrichtungen der Opferhilfe, Kinder- und Jugendhilfe,
Straffälligen- und Bewährungshilfe, Gesundheits- und Suchthilfe sowie Einrich-
tungen zur Förderung von Sanktionsalternativen und Vermeidung von Ersatz-
freiheitsstrafen in angemessenem Umfang zu berücksichtigen sind. Medien-
berichten zufolge (vgl. Report Mainz vom 4. März 2014 und www.focus.de/
politik/deutschland/20-000-euro-dank-vetternwirtschaft-richter-schanzt-
reitverein-der-tochter-bussgelder-zu_id_3660578.html) soll es dennoch zu
„Vetternwirtschaft“ gekommen sein. Dies führt zu Misstrauen gegenüber der
Unabhängigkeit der Justiz. Die Praxis der Verteilung der nach § 153a Absatz 1
Nummer 2 StPO zu verteilenden Bußgelder ist soweit ersichtlich in den Bundes-
ländern unterschiedlich (vgl. „Transparenz der Vergabe von Geldbußen an
gemeinnützige Organisationen − Eine Dokumentation anhand der Praxis der
Bundesländer“, Wolfgang Stückemann) geregelt.
In den §§ 474 ff. StPO werden die Akteneinsichtsrechte und die Voraussetzun-
gen der Erteilung von Auskünften geregelt. Es findet sich allerdings keine Re-
gelung zu Fragen der aktiven Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften,
obwohl das Bekanntwerden eines Ermittlungsverfahrens mit Beeinträchtigun-
gen der Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten verbunden ist. Die Nummer 4a
RiStBV legt fest, dass die Staatsanwaltschaft alles zu vermeiden hat, was zu
einer nicht durch den Zweck des Ermittlungsverfahrens bedingten Bloßstellung
des Beschuldigten führen kann, enthält aber keine weiteren Vorschriften hin-
sichtlich erlaubter aktiver Öffentlichkeitsarbeit. Weitere Regelungen zur Öffent-
lichkeitsarbeit enthält die RiStBV nicht.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Richterinnen und Richter im Bundesdienst üben eine Nebentätig-

keit aus?
2. Wer genehmigt und versagt Nebentätigkeiten von Richterinnen und Richtern

im Bundesdienst?
3. Wie wird sichergestellt, dass im Fall einer Nebentätigkeit von Richterinnen

und Richtern im Bundesdienst diese Nebentätigkeit nicht die Unparteilich-
keit und Unbefangenheit der Richterinnen und Richter gefährdet, mithin kein
Verstoß gegen § 99 Absatz 2 BBG vorliegt?

4. Sieht die Bundesregierung im Hinblick auf die Regelung in § 100 Absatz 1
Nummer 2 BBG, der u. a. eine Vortragstätigkeit als nicht genehmigungs-
pflichtige Nebenbeschäftigung definiert, Reformbedarf, um ggf. sicherzu-
stellen, dass die Unabhängigkeit von Richterinnen und Richtern im Bundes-
dienst nicht infrage gestellt wird?

5. Wie steht die Bundesregierung zur Idee, zur Sicherung der Unabhängigkeit
der Justiz, die Bildung von Landesjustizräten und deren Aufgaben ent-
sprechend den §§ 21d und 21k des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE.
aus der 17. Wahlperiode (vgl. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/117/
1711703.pdf) sowie eines Bundesjustizrates in § 21l des benannten Gesetz-
entwurfs im GVG zu verankern?

6. Sieht die Bundesregierung eine Notwendigkeit, das GVG und die StPO zu
reformieren, um das Weisungsrecht gegenüber den Staatsanwaltschaften
abzuschaffen?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, gibt es Präferenzen für sich in der Debatte befindliche Vorschläge?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/832
7. Sieht die Bundesregierung gesetzgeberischen Klarstellungsbedarf hinsicht-
lich der Verteilung der nach § 153a Absatz 1 Nummer 2 StPO zu zahlenden
Bußgelder?
Wenn nein, warum nicht?

8. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, Voraussetzungen und Grenzen
der Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaften im Rahmen von Ermitt-
lungsverfahren gesetzgeberisch zu normieren?
Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 14. März 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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