BT-Drucksache 18/8075

Bundesverkehrswegeplan 2030 zurückziehen - Klimaschutz- und sozialökologische Nachhaltigkeitsziele umsetzen

Vom 13. April 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8075
18. Wahlperiode 13.04.2016
Antrag
der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, Karin Binder,
Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Annette Groth, Ralph Lenkert, Michael
Leutert, Thomas Lutze, Birgit Menz, Hubertus Zdebel und der Fraktion
DIE LINKE.

Bundesverkehrswegeplan 2030 zurückziehen – Klimaschutz- und
sozialökologische Nachhaltigkeitsziele umsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Entwurf für den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 ist nicht darauf aus-
gelegt, die Klimaschutzziele der Bundesrepublik Deutschland zu erreichen. Auch
die Nachhaltigkeitsziele Ressourcenschutz und Begrenzung der Flächenversiege-
lung werden mit dem Entwurf konterkariert. Mit zahlreichen Neu- und Ausbaupro-
jekten zielt der Entwurf auf weiteres Wachstum des motorisierten Straßenverkehrs.
Die Verteilung der Investitionen auf die Verkehrsträger ist nicht dazu geeignet, die
dringend notwendige Verkehrsverlagerung zu bewerkstelligen. Daher ist der BVWP
2030 in der jetzt vorgestellten Form abzulehnen.
Im vorgelegten Entwurf sind auch die (Umwelt-)Kosteneinschätzung und die Ein-
stufungen der Projekte in die Bedarfsklassen nicht nachvollziehbar. Der BVWP un-
terstellt einen stetig weiter wachsenden Verkehr. Zu den vordringlichen Aufgaben
der Politik zählt jedoch, Voraussetzungen für eine notwendige Verkehrswende zu
schaffen, die die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen mit möglichst geringen Um-
welt- und Klimaauswirkungen befriedigt. Aus diesem Grund wird ein langfristiger
Plan zur Umgestaltung der Verkehrsinfrastruktur benötigt, um die Mobilität und die
Versorgung der Bevölkerung in Zukunft mit weniger Verkehr zu realisieren.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

den vorgelegten Entwurf für den BVWP 2030 zurückzuziehen und stattdessen den
Entwurf für einen alternativen Bundesmobilitätsplan – inklusive einer wirklichen,
frühzeitigen Bürgerbeteiligung – zu erarbeiten. Dieser muss die Klimaschutz- und
Nachhaltigkeitsziele der Bundesrepublik Deutschland zur Grundlage haben und die
Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung insbesondere durch einen Ausbau des öffent-
lichen Verkehrs befriedigen. Als übergeordnete Zielsetzung gelten ein Ende des Ver-
kehrswachstums und die deutliche Verkehrsverlagerung von der Straße und aus der
Luft auf die Schiene und auf Wasserstraßen.

Berlin, den 12. April 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Drucksache 18/8075 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Begründung

Am 16. März 2016 hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt den Entwurf für einen neuen Bundesver-
kehrswegeplan (BVWP) vorgestellt, der Investitionen von mehr als 260 Milliarden Euro für über 1 000 Projekte
vorsieht – die meisten davon für den Straßenverkehr. Momentan befindet sich dieser Plan in der „Beteiligungs-
phase“, während der die Öffentlichkeit sechs Wochen lang (bis Anfang Mai 2016) die Möglichkeit hat, dazu
Stellung zu nehmen. Es handelt sich jedoch nur um eine Scheinbeteiligung, denn die grundsätzliche Orientie-
rung des BVWP als auf von beständigem wachsendem Verkehr ausgehendes Ausbauprogramm für die Ver-
kehrsinfrastruktur steht dabei nicht zur Debatte. Der Plan sieht einen erheblichen weiteren Neu- und Ausbau
von Straßen und Autobahnen vor, auch wenn der Bedarf selbst nach den zugrunde gelegten Maßstäben gering
ist, die negativen Umwelt- und Klimaauswirkungen jedoch enorm sein werden. Jede neue Investition in die
Straßeninfrastruktur induziert jedoch weiteren Straßenverkehr (F.C. Englmann, G. Haag & Th. Pischner: Be-
rechnung und Bewertung des induzierten Verkehrs im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung, 18. Verkehrs-
wissenschaftliche Tage in Dresden, 2001).
Diese Kritik wird ebenso von den großen Umweltverbänden Deutsche Naturschutzring (DNR), Naturschutz-
bund Deutschland (NABU), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie Verkehrsclub
Deutschland (VCD) vorgebracht, die den BVWP als „unausgereift“ und „grundlegend überarbeitungsbedürftig“
bewerten und viele methodische Mängel insbesondere bei der Bewertung der Umwelt- und Klimafolgen auf-
führen. Sie bemängeln, dass von den 50 eingebrachten Alternativvorschlägen der Verbände zu Projekten kein
einziger im Entwurf des BVWP berücksichtigt worden sei. Die Verbände fordern daher ein grundsätzliches
Umsteuern in der Verkehrspolitik und einen Stopp des BVWP-Entwurfs (gemeinsame Pressemitteilung von
DNR, NABU, BUND und VCD vom 31.3.2016, www.vcd.org/service/presse/pressemitteilungen/verkehrs-
wende-nicht-verbauen/). Fahrgastverbände schließen sich dieser Kritik ebenfalls an und kritisieren insbeson-
dere die geplante Bürgerbeteiligung als unzureichend (Pressemitteilung der Pro-Bahn-Landesverbände Ber-
lin/Brandenburg und Hessen vom 1.4.2016, http://pro-bahn-hessen.de/?p=3169).
Der Bundesrechnungshof (BRH) beanstandet die Bewertung der Projekte grundlegend im Hinblick sowohl auf
fehlende realistische Kostenschätzungen als auch auf eine mangelhafte Vergleichbarkeit der einzelnen Projekte
untereinander. Das Bundesministerium habe willkürlich mitten im Verfahren neue Grenzwerte festgelegt, „da-
mit nicht zu viele Straßenbauprojekte aus dem Plan herausfallen“ (www.tagesschau.de am 5.4.2016, „Kosten
schöngerechnet“). Der BRH fordert daher eine komplette Überprüfung aller Planungen für den Ausbau von
Autobahnen und Bundesstraßen auf Plausibilität, zumal für viele Projekte überhaupt keine Daten vorgelegen
hätten. Medien äußerten daher den Verdacht, dass Projekte „schöngerechnet“ worden seien (ebd.).
Der BVWP wird im Falle seiner Verabschiedung die Verkehrsinvestitionspolitik für die nächsten ca. 15 Jahre
maßgeblich steuern und damit die Infrastruktur des Landes für viele Jahrzehnte entscheidend beeinflussen. Da-
her ist es unumgänglich, dass ein solcher Plan nicht nur realistisch durchgerechnet, sondern auch zukunftsfähig
und mit den Nachhaltigkeitszielen vereinbar ist. Der vorgelegte Entwurf steht jedoch im Gegensatz zu mehreren
Zielen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie:
1. Die Klimaziele können nicht erreicht werden, da das nicht in Frage gestellte Verkehrswachstum einen

weiteren Mehrausstoß klimaschädlicher Gase bedeutet. Dieses Wachstum kann durch Effizienzmaßnah-
men nur zu einem geringen Teil ausgeglichen werden. Schon in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass
der Verkehrssektor vor allem aufgrund seines ungebremsten Wachstums als einziger Sektor seinen Aus-
stoß klimaschädlicher Gase nicht wie beabsichtigt senken konnte.

2. Das Ziel des Ressourcenschutzes kann nicht erreicht werden, da zum ersten die Bauprojekte selbst massive
Energie- und Rohstoffressourcen verschlingen, zum zweiten aber auch der dadurch induzierte Verkehr.

3. Weiterer Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche: Die Neubauprojekte, insbesondere von Autobahnen,
verursachen einen massiven weiteren Flächenverbrauch, obwohl dieser eigentlich auf null gesenkt werden
soll, also jeder Neubau durch einen Rückbau an anderer Stelle ausgeglichen werden müsste.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8075
4. Außerdem haben sowohl die Baumaßnahmen als auch der induzierte Verkehr massive negative Auswir-

kungen auf die Gesundheit der Bevölkerung – durch die Emissionen von Lärm, Luftschadstoffen und durch
Unfälle. Im Gesundheitswesen fallen schon jetzt jährlich rund 55 Milliarden Euro externe Kosten an, die
durch den motorisierten Straßenverkehr entstehen.

Die Fraktion DIE LINKE. hat bereits in ihrem Antrag aus dem Jahr 2010 auf Bundestagsdrucksache 17/1971
eine grundlegende Neuausrichtung der Bundesverkehrswegeplanung gefordert. Ein Plan, der Nachhaltigkeit
wirklich ernst nimmt, muss sowohl die Verkehrsvermeidung als auch die Verkehrsverlagerung von der Straße
und aus der Luft auf den öffentlichen Verkehr als zentrale Ziele beinhalten.

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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