BT-Drucksache 18/8012

Zusammenarbeit der Bundesregierung mit Eritrea zur Migrationskontrolle

Vom 29. März 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8012
18. Wahlperiode 29.03.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Heike Hänsel, Christine Buchholz,
Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Kathrin Vogler
und der Fraktion DIE LINKE.

Zusammenarbeit der Bundesregierung mit Eritrea zur Migrationskontrolle

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen fliehen jeden Monat rund 5 000 Eritreer
aus ihrem Land. Von dort stammen die meisten der afrikanischen Flüchtlinge, die
versuchen, nach Europa zu gelangen. In ihrem jüngsten Bericht hat die UN-Men-
schenrechtskommission dokumentiert, was die Menschen in die Flucht treibt.
Dort heißt es unter anderem, Eritreas Regierung verübe „umfassende grausame
Menschenrechtsverletzungen“. Es herrsche ein „totaler Mangel an Rechtsstaat-
lichkeit“, außergerichtliche Hinrichtungen und Folter seien weit verbreitet. Erit-
reer dürften sich nicht frei bewegen. Eritrea wird von Menschenrechtsorganisati-
onen auch als das „Nordkorea Afrikas“ bezeichnet.
In den Berichten der UN-Expertengruppe für Eritrea und Somalia (vor allem 2011
bis 2013) sowie im jüngsten Bericht des Sahan-Instituts im Auftrag des regiona-
len Staatenbundes IGAD (2016) und in einem Bericht der Universität Tilburg
(2013) sind etliche Belege und Indizien dafür festgehalten, dass hochrangige Ver-
treter des eritreischen Regimes und der Armee den Menschenschmuggel und
Menschenhandel selbst mitorganisieren. In der Summe ergibt sich der Eindruck,
dass eine derartige Massenflucht in einem zugleich militärisch engstens über-
wachten Land überhaupt nur unter Beteiligung führender Mitglieder von Armee
und Regierung organisiert werden kann. Die Berichte nennen auch konkrete Na-
men: General Teklai Kifle („Manjus“) wird in diesem Zusammenhang bereits
erstmals 2011 genannt. Er ist bis heute im Amt.
Ausgerechnet eine Regierung und Armee, die teilweise an der selbstverursachten
Fluchtbewegung auch noch auf verbrecherischste Weise Geld zu verdienen
scheint, will die Europäische Union nun dabei unterstützen, die „personellen und
institutionellen Kapazitäten […] beim Kampf gegen Menschenhandel und
-schmuggel zu stärken“. So steht es in einem Aktionsplan, den der Ausschuss
„Steering Committee of the EU – Horn Of Africa Migration Route Initiative“
2015 verabschiedet hat. Der Ausschuss wurde im Rahmen des sogenannten
Khartum-Prozesses gegründet, einer breit angelegten Kooperation zwischen
Europäischer Union und afrikanischen Staaten zur Migrationskontrolle auf dem
afrikanischen Kontinent. In dem Ausschuss sitzen von europäischer Seite
Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Malta, die Europäische Kom-
mission sowie der Europäische Auswärtige Dienst (EAD). Die afrikanischen Län-
der sind mit Ägypten, Äthiopien, Sudan, Südsudan und Eritrea nur durch Länder
vertreten, in denen die Menschenrechtssituation mehr als bedenklich ist.
Der Bundesminister des Innern Dr. Thomas de Maizière erklärte nach der Verab-
schiedung der Khartum-Erklärung in Rom Ende 2014: „Das Ziel ist, dass wir mit
Herkunftsländern arbeiten, um Fluchtursachen zu vermindern.“

Drucksache 18/8012 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

In einem Aktionsplan hat der genannte Ausschuss einige Maßnahmen der Koope-
ration mit der eritreischen Regierung festgehalten. Obwohl „die Menschenrechte
[…] im diktatorisch regierten Eritrea seit vielen Jahren systematisch verletzt“
werden (11. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik,
S. 225), soll sogar schon eine Zusammenarbeit mit den dortigen Sicherheitsbe-
hörden stattgefunden haben. Das erklärte Ziel ist es, die Regierung zu stärken und
Fluchthelfer gemeinsam zu bekämpfen.
Ende 2015 reiste der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung Dr. Gerd Müller nach Eritrea, um die zwischenzeitlich stark einge-
schränkte Zusammenarbeit wieder zu beleben, obwohl das Bundesministerium
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) selber festgestellt
hat, dass der „Hauptfluchtgrund für die meisten eritreischen Flüchtlinge […] der
faktisch unbegrenzte nationale Wehr- und Arbeitsdienst“ ist (Pressemittteilung
des BMZ, 14. Dezember 2015).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Sind der Bundesregierung die Vorwürfe der Vereinten Nationen und anderer

Institutionen bekannt, wonach führende Mitglieder der eritreischen Armee
und der eritreischen Regierung aktiv am Menschenschmuggel und Men-
schenhandel beteiligt sind?

2. Hat die Bundesregierung darüber hinaus eigene Erkenntnisse über Verstri-
ckungen eritreischer Armee oder Regierungsangehöriger in Menschen-
schmuggel oder Menschenhandel, bzw. inwiefern plant sie, diesen schwer-
wiegenden Vorwürfen nachzugehen?

3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang
über die Rolle von General Teklai Kifle?

4. Ist der Bundesregierung der Vorwurf bekannt, dass General Teklai Kifle so-
gar mit den Beduinen vom Volk der Rashaida kooperiert, die etliche Flücht-
linge, die ihre Zahlungen schuldig bleiben, in Foltercamps auf dem Sinai ver-
kaufen, und wenn ja, wie bewertet sie dies?

5. Sieht die Bundesregierung einen Widerspruch zwischen der angeblichen ge-
meinsamen Bekämpfung von Fluchtursachen in Eritrea und der Tatsache,
dass führende Armee- und Regierungsmitglieder selbst Menschenschmugg-
ler sein sollen, und wenn nein, warum nicht?

6. Sieht die Bundesregierung einen Widerspruch zwischen der eigenen Fest-
stellung, „Hauptfluchtgrund für die meisten eritreischen Flüchtlinge ist der
faktisch unbegrenzte nationale Wehr- und Arbeitsdienst“ und der Strategie,
die dafür verantwortliche Regierung mit ihren verbrecherischen Sicherheits-
behörden auch noch direkt zu stärken und zu unterstützen, und wenn nein,
warum nicht?

7. Hat der Bundesminister Dr. Gerd Müller die Notwendigkeit der sofortigen
Beendigung lebenslanger Zwangsdienste seitens der eritreischen Regierung
bei seinem Besuch in Eritrea Ende 2015 angesprochen, wenn ja mit welchem
Ergebnis, und wenn nein, warum nicht?

8. Wie kann aus Sicht der Bundesregierung ein Wiederaufleben der Entwick-
lungszusammenarbeit mit Eritrea gegen die Massenflucht aus dem ostafrika-
nischen Land wirksam werden, wenn gleichzeitig der aktive Menschen-
schmuggel durch Armeemitglieder weitergeht?

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9. Was genau kann aus Sicht der Bundesregierung ein Wiederaufleben der Ent-
wicklungszusammenarbeit mit Eritrea gegen die Massenflucht aus dem ost-
afrikanischen Land bewirken, wenn der faktisch lebenslange Nationaldienst
trotz anderslautender Versicherungen der eritreischen Regierung weitergeht?

10. Welche glaubhaften Versicherungen hat die Bundesregierung erhalten, dass
die eritreische Regierung den Nationaldienst, wie angeblich zugesagt, tat-
sächlich beschränken wird?

11. Was sind aus Sicht der Bundesregierung die erforderlichen Maßnahmen, um
die Massenflucht aus Eritrea zu beenden?

12. Welche finanziellen Mittel sind seit 2013 an den eritreischen Staat im Rah-
men der bilateralen technischen und finanziellen Entwicklungszusammenar-
beit geflossen, und wofür wurden sie eingesetzt (bitte nach Jahren und Pro-
jekten aufschlüsseln)?

13. Welche finanziellen Mittel sind im Rahmen des Khartum-Prozesses seit
2014 an Eritrea geflossen (bitte nach Jahren und Verwendung aufschlüs-
seln)?

14. Wie viel zusätzliches Geld hat der Bundesminister Dr. Gerd Müller bei sei-
ner Reise nach Eritrea Ende 2015 der eritreischen Regierung in Aussicht ge-
stellt, und wofür soll es eingesetzt werden (bitte aufschlüsseln)?

15. Wie viel Geld hat der Bundesminister Dr. Gerd Müller bei seiner Reise nach
Eritrea Ende 2015 der eritreischen Regierung fest zugesagt, und wofür soll
es eingesetzt werden (bitte aufschlüsseln)?

16. Gibt oder gab es seit 2014 eine Zusammenarbeit der Bundesregierung, ihr
unterstellter Behörden oder der EU mit den Sicherheitsbehörden Eritreas, der
Armee oder sonstigen zum Grenzschutz eingesetzten Einheiten, und wenn
ja, in welcher Form?

17. Wie viel Geld hat die Europäische Union der eritreischen Regierung im Rah-
men der angeblichen gemeinsamen Bekämpfung der Fluchtursachen zuge-
sagt, und wofür soll es eingesetzt werden (bitte aufschlüsseln)?

18. Mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung mit der eritreischen Regie-
rung einen „umfassenden Dialog“ über ein breit angelegtes außen-, entwick-
lungs- und sicherheitspolitisches Konzept geführt, um Konflikten, politisch
motivierter Gewalt, Menschenrechtsverletzungen, desolaten sozioökonomi-
schen Umständen und mangelnder Rechtsstaatlichkeit effektiv entgegenzu-
wirken und damit die Ursachen von Flucht und irregulärer Flucht effektiv zu
bekämpfen (vgl. die Antwort der Bundesregierung zu Frage 29 der Kleinen
Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/6450)?

Berlin, den 29. März 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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