BT-Drucksache 18/8

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts

Vom 23. Oktober 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8

18. Wahlperiode 23.10.2013

Gesetzentwurf

der Abgeordneten Diana Golze, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie
Hein, Sigrid Hupach, Cornelia Möhring, Harald Petzold (Havelland), Jörn
Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung
für Personen gleichen Geschlechts

A. Problem

Gleichgeschlechtlichen Paaren ist bis heute die Ehe verwehrt, was eine konkrete
und symbolische Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identi-
tät darstellt. Angesichts des gesellschaftlichen Wandels und der damit verbunde-
nen Änderung des Eheverständnisses gibt es keine haltbaren Gründe, homo- und
heterosexuelle Paare unterschiedlich zu behandeln und am Ehehindernis der
Gleichgeschlechtlichkeit festzuhalten. Darüber hinaus sind gleichgeschlechtliche
Paare trotz Einführung des Instituts der Eingetragenen Lebenspartnerschaft im
Jahre 2001 in einer Reihe von Rechtsbereichen noch immer gegenüber der Ehe
benachteiligt. Dies betrifft in erster Linie das Steuerrecht und das gemeinsame
Adoptionsrecht.

B. Lösung

Es wird durch Ergänzung von § 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuchs klargestellt,
dass auch gleichgeschlechtliche Personen eine Ehe eingehen können. Die Rechte
der Kirchen und Religionsgemeinschaften bleiben von dieser gesetzlichen Neu-
regelung unberührt.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Die für gleichgeschlechtliche Paare vorgeschlagenen Regelungen werden zu
Steuermindereinnahmen führen. Diese sind jedoch nur in geringem Umfang zu
erwarten und sollten sich im zweistelligen Millionenbereich bewegen. Sichere
Schätzungen sind nicht möglich, da über die Sozialstruktur der künftigen gleich-
geschlechtlichen Ehen zu wenig bekannt ist. Allerdings ist zu erwarten, dass die
oben genannten Kosten auch ohne Einführung des Rechts auf Eheschließung für
Personen gleichen Geschlechts anfallen werden, was sich aus der bisherigen
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Artikel 3 Absatz 3 des
Grundgesetzes im Hinblick auf das Institut der Eingetragenen Lebenspartner-
schaft ergibt.

Drucksache 18/8 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung
für Personen gleichen Geschlechts

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

Das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42,
2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch … (BGBl. I S. …) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Dem § 1309 wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) Absatz 1 gilt nicht für Personen, die eine gleichgeschlechtliche Ehe eingehen wollen und deren
Heimatstaat die Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Ehe nicht vorsieht.“

2. § 1353 Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

„Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlos-
sen.“

Artikel 2

Änderung von weiteren Bundesgesetzen

(1) Das Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266), das zuletzt durch …
(BGBl. I S. …) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Nach Abschnitt 4 wird folgender Abschnitt 5 eingefügt:

„Abschnitt 5
Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe

§ 20a

Eine Lebenspartnerschaft wird in eine Ehe umgewandelt, wenn zwei Lebenspartnerinnen oder
Lebenspartner gegenseitig persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, miteinander eine
Ehe auf Lebenszeit führen zu wollen. Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder Zeit-
bestimmung abgegeben werden. Die Erklärungen werden wirksam, wenn sie vor dem Standesbeamten
abgegeben werden.“

2. Die bisherigen Abschnitte 5 und 6 werden die Abschnitte 6 und 7.

(2) Das Personenstandsgesetz vom 19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122), das zuletzt durch … (BGBl. I
S. …) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

a) Die Angabe zu Kapitel 4 wird wie folgt gefasst:

„Kapitel 4

Begründung der Lebenspartnerschaft und
Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe“.

b) In Kapitel 4 wird nach der Angabe zu § 17 folgende Angabe eingefügt:

„§ 17a Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe und ihre Beurkundung“.

Drucksache 18/8 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

2. Kapitel 4 erhält folgende Überschrift:

„Begründung der Lebenspartnerschaft und
Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe“.

3. Nach § 17 wird folgender § 17a eingefügt:

㤠17a

Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe und ihre Beurkundung

(1) Die Lebenspartner haben bei der Umwandlung ihrer Lebenspartnerschaft in eine Ehe das
Bestehen der Lebenspartnerschaft durch öffentliche Urkunden nachzuweisen.

(2) Für die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe gelten die §§ 11 und 12 Ab-
satz 1 und 2 Nummer 1 bis 3 sowie die §§ 14 bis 16 entsprechend.“

(3) § 7 Absatz 1 des Transsexuellengesetzes vom 10. September 1980 (BGBl. I S. 1654), das zuletzt
durch … (BGBl. I S. …) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In Nummer 2 wird das Wort „, oder“ durch einen Punkt ersetzt.

2. Nummer 3 wird aufgehoben.

(4) Artikel 17b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 21. September 1994 (BGBl. I S. 2494; 1997 I S. 1061), das zuletzt durch … (BGBl. I
S. …) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Die Überschrift wird wie folgt gefasst:

„Eingetragene Lebenspartnerschaft und gleichgeschlechtliche Ehe“.

2. Absatz 4 wird wie folgt gefasst:

„(4) Die Bestimmungen der Absätze 1 bis 3 gelten für die gleichgeschlechtlichen Ehen entspre-
chend.“

Artikel 3

Inkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt am ersten Tag des dritten auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft.

(2) Für Rechte und Pflichten der Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner bleibt nach der Umwand-
lung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft weiterhin maß-
gebend.

(3) Lebenspartnerschaften können ab Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht mehr begründet werden.

Berlin, den 23. Oktober 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8

Begründung

A. Allgemeines

Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) bestimmt: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen
Schutze der staatlichen Ordnung.“ Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wird
durch diese Vorschrift u. a. die Ehe als Institut garantiert. Der Gesetzgeber muss deshalb die wesentlichen,
das Institut der Ehe bestimmenden Strukturprinzipien beachten. Diese Strukturprinzipien hat das Bundes-
verfassungsgericht aus den vorgefundenen, überkommenen Lebensformen in Verbindung mit dem Frei-
heitscharakter des Artikels 6 Absatz 1 GG und anderen Verfassungsnormen hergeleitet. Allerdings wird die
Ehe durch Artikel 6 Absatz 1 GG nicht abstrakt gewährleistet, sondern in der verfassungsgeleiteten Ausge-
staltung, wie sie den herrschenden, in der gesetzlichen Regelung maßgeblich zum Ausdruck gelangenden
Anschauungen entspricht.

Danach schützt das Grundgesetz die Ehe – anders als die Weimarer Verfassung, die die Ehe als Grundlage
der Familie verstand und die Fortpflanzungsfunktion hervorhob, – als Beistand- und Verantwortungsge-
meinschaft, unabhängig von der Familie. Deshalb fällt unter den Schutz des Artikels 6 GG ebenso die kin-
derlose Ehe.

Nach dem traditionellen Eheverständnis kam der Gechlechtsverschiedenheit der Ehegatten prägende Bedeu-
tung zu. Ebenso galt sie lange Zeit als notwendige Voraussetzung der Ehe im Sinne des Artikels 6 Absatz 1
GG, so dass gleichgeschlechtlichen Partnerschaften vom Ehebegriff ausgeschlossen waren (BVerfG NJW
1993, 3058; BVerfGE 105, 313, 345f = NJW 2002, 2543; BVerwGE 100, 287, 294 = NVwZ 1997, 189).
Bei der Verabschiedung des Grundgesetzes galt Homosexualität als sittenwidrig und wurde in § 175 des
Strafgesetzbuchs (StGB) mit einem strafrechtlichen Verbot belegt. Eine Einbeziehung Homosexueller in
den Diskriminierungsschutz des Grundgesetzes oder gar die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare
waren zu dieser Zeit jenseits der Vorstellungswelt über alle Parteigrenzen hinweg. Erst im Zuge der Aufhe-
bung des strafrechtlichen Totalverbots von männlicher Homosexualität im Jahre 1969 änderte sich die recht-
liche Praxis und nahm schrittweise die gesellschaftliche Stigmatisierung ab.

In einem Kammerbeschluss von 1993 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass „hinreichende An-
haltspunkte für einen grundlegenden Wandel des Eheverständnisses in dem Sinne, dass der Geschlechtsver-
schiedenheit keine prägende Bedeutung mehr zukäme“, nicht vorgetragen worden seien (BVerfG, Beschluss
vom 4. Oktober 1993 – 1 BvR 640/93). Das Gericht lehnte es daher ab, die Ehe für Homosexuelle von Ver-
fassung wegen zu öffnen und überließ es dem Gesetzgeber, weitere Schritte zur rechtlichen Anerkennung
homosexueller Paare einzuleiten. Ein künftiger Wandel des Eheverständnisses, der eine Öffnung der Ehe für
gleichgeschlechtliche Partnerschaft zulässt, war damit für die Zukunft nicht ausgeschlossen.

Seit einiger Zeit gibt es nun hinreichende Anhaltspunkte für einen grundlegenden Wandel des traditionellen
Eheverständnisses, die angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers die Einführung des Rechts auf
Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts verfassungsrechtlich zulassen. Die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts lässt einen Bedeutungswandel zu, wenn entweder neue, von der gesetzlichen
Regelung nicht erfasste Tatbestände auftauchen oder sich Tatbestände durch Einordnung in die Gesamtent-
wicklung verändert haben (BVerfGE 2, 380, 401 = NJW 1953, 1137; BVerfGE 45, 1, 33 = NJW 1977,
1387). Im Ergebnis kann sich die Bedeutung einer Verfassungsrechtsnorm ohne Veränderung ihres Textes
ändern. Die Grenze liegt allerdings in Sinn und Zweck der Verfassungsnorm, was im Falle des Artikels 6
Absatz 1 GG einen erheblichen Wertewandel zulässt.

Erstens erfolgte der grundlegende Wandel des Eheverständnisses in Folge der Einführung des Rechtsinsti-
tuts der Lebenspartnerschaft. In der Bevölkerung wird heute nicht mehr zwischen Ehe und Lebenspartner-
schaft unterschieden. Die Eingehung einer Ehe und die Begründung einer Lebenspartnerschaft werden un-
terschiedslos als „heiraten“ bezeichnet. Man macht auch keinen Unterschied mehr zwischen „verheiratet“
und „verpartnert“, sondern spricht unterschiedslos bei Ehegatten und bei Lebenspartnern davon, dass sie
„verheiratet“ sind. Die Bevölkerung geht zudem wie selbstverständlich davon aus, dass Ehegatten und Le-
benspartner dieselben Pflichten und Rechte haben, obwohl das tatsächlich nur für die Pflichten zutrifft.

In einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung („Die Abwertung der Anderen“, 2011) stimmten 60,3 Prozent
der Befragten der These „Es ist eine gute Sache, Ehen zwischen zwei Frauen bzw. zwei Männern zu erlau-
ben.“ voll und ganz bzw. eher zu. Lediglich die Minderheit von 39,8 Prozent stimmte der These eher nicht
bzw. überhaupt nicht zu. Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage von Ende Februar 2013 wünschen sich

Drucksache 18/8 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

74 Prozent der Bevölkerung eine Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften gegenüber Ehen,
lediglich 23 Prozent sind dagegen. Diese Zahlen sind ein deutlicher Beweis dafür, dass die ursprüngliche
Voraussetzung der Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehegatten von der Bevölkerung heute nicht mehr als
prägend für die Ehe verstanden wird. Gefördert wird dieser Wandel des Eheverständnisses durch die Struk-
turgleichheit beider Rechtsinstitute, die von der Rechtsprechung des BVerfG und des Europäischen Ge-
richtshofs bestätigt wurde.

Die durch das Lebenspartnerschaftsgesetz beabsichtigte rechtliche Gleichstellung von eingetragenen Le-
benspartnerschaften mit Ehepaaren ist auch in weiten Teilen des Rechts nachvollzogen worden. Weiterhin
bestehende Ungleichbehandlungen sind dennoch mehrfach erst durch das Bundesverfassungsgericht bean-
standet worden.

So hat das Bundesverfassungsgericht am 19. Februar 2013 die Nichtzulassung der sukzessiven Adoption
angenommener Kinder eingetragener Lebenspartner durch den anderen Lebenspartner für unvereinbar mit
dem Grundgesetz erklärt (1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09). Diese Entscheidung reiht sich ein in die Entschei-
dungen des Bundesverfassungsgerichts, mit denen gesetzliche Regelungen beanstandet worden sind, die
eine Ungleichbehandlung von eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe enthalten (vgl. BVerfG, Be-
schluss vom 7. Juli. 2009, 1 BvR 1164/07 zur Hinterbliebenenversorgung, BVerfG, Beschluss vom 21. Juli
2010, 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 zur Erbschafts- und Schenkungssteuer, BVerfG, Beschluss vom
19. Juni 2012, 2 BvR 1397/09 zum beamtenrechtlichen Familienzuschlag, BVerfG, Beschluss vom 18. Juli
2012, 1 BvL 16/11 zur Grunderwerbssteuer).

In der Entscheidung stellt das Gericht auch klar, dass gleichgeschlechtliche Paare die dauerhaft mit einem
Kind in einer faktischen Eltern-Kind-Beziehung leben, eine Familie sind und unter dem Schutz des Artikels
6. Absatz 1 GG stehen. „Wo ein gleichgeschlechtliches Paar dauerhaft mit einem Kind in einer faktischen
Eltern-Kind-Beziehung zusammenlebt, lässt sich das Bestehen einer Familie tatsächlich nicht in Abrede
stellen. Ihr den Schutz des Familiengrundrechts zu verweigern, widerspräche dem Sinn des auf den Schutz
der sozialen Familiengemeinschaft gerichteten Familiengrundrechts.“ (1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, Rn. 65).
Und: „Die sozial-familiäre Gemeinschaft aus eingetragenen Lebenspartnern und dem leiblichen oder ange-
nommenen Kind eines Lebenspartners bildet eine durch Art. 6 Absatz 1 GG geschützte Familie; auf den
Schutz des Familiengrundrechts können sich alle Beteiligten jeweils eigenständig berufen.“ (Rn. 60).

Zu dem Wandel des Eheverständnisses hat auch der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Änderung des
Transsexuellengesetzes vom 19. Juni 2009 mit beigetragen. Durch dieses Gesetz ist § 8 Absatz 1 Nummer 2
des Transsexuellengesetzes ersatzlos gestrichen worden, weil das Bundesverfassungsgericht die Vorschrift
für nichtig erklärt hatte (BVerfGE 121, 175). Sie ließ die rechtliche Änderung des Personenstands bei einem
verheirateten Transsexuellen nur zu, wenn dieser sich zuvor hatte scheiden lassen. Auf das Urteil des Bun-
desverfassungsgerichts hätte der Gesetzgeber auch anders reagieren können. Das Bundesverfassungsgericht
hatte ihm ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt zu bestimmen, dass das als „Ehe“ begründete Rechts-
verhältnis zwar mit gleichen Rechten und Pflichten, aber unter anderem Etikett weitergeführt wird. Damit
sollte es dem Gesetzgeber ermöglicht werden, die strikte Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe zu verteidi-
gen. Diesem Gesichtspunkt hat der Gesetzgeber keine entscheidende Bedeutung beigemessen und durch die
Streichung des § 8 Absatz 1 Nummer 2 des Transsexuellengesetzes gleichgeschlechtliche Ehen zugelassen.
Es gibt infolgedessen in Deutschland schon jetzt legale gleichgeschlechtliche Ehen.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverfassungsgericht auch allgemein den gesellschaft-
lichen Wandel bei der Auslegung des Artikels 6 GG durchaus rezipiert und zur Kenntnis nimmt. So hat es
eine Vorlage des Amtsgerichtes Schweinfurt für unzulässig erklärt (BVerfG, Beschluss vom 10. August
2009 – 1 BvL 15/09 –), in welcher dieses Gericht im Kern behauptete, Eltern im Sinne des Artikels 6 Ab-
satz 2 Satz 1 könnten nicht gleichgeschlechtliche Lebenspartner sein, weil diese Bestimmung von einem
„natürlichen“ Recht der Eltern spreche, welches nach Auffassung des Gerichtes offenbar homosexuellen
Personen nicht zustehen sollte. Hierzu führt das Bundesverfassungsgericht kurz aus: „Abgesehen davon,
dass das Gericht weder auf die Entstehungsgeschichte von Artikel 6 GG und eventuelle Rückschlüsse da-
raus auf die Trägerschaft des Elternrechts eingegangen ist noch auf einen möglichen, auf die Interpretation
von Artikel 6 GG Einfluss nehmenden Wandel des Rechtsverständnisses von Elternschaft, hat es sich nur
ungenügend mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der in der Literatur vertretenen
Auffassungen zu der Frage, wer Träger des Elternrechts sein kann, auseinandergesetzt.“ Im Übrigen weist
das Bundesverfassungsgericht sodann auf seine Rechtsprechung hin, nach der die leibliche Elternschaft
gegenüber der rechtlichen und sozial-familiären Elternschaft keinen Vorrang hat. Auch dieses zeigt, wie der

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/8

soziale Wandel – einschließlich vom Gesetzgeber getroffener Entscheidungen – auf die Auslegung des Ar-
tikels 6 einwirkt. Was hier beim Familien- und Elternschaftsbegriff möglich war, sollte auch bei der Ehe
möglich sein. Hätte das Amtsgericht Schweinfurt im 19. Jahrhundert für seine Auslegung sicher noch An-
hänger gefunden, so ist dies heute nicht mehr der Fall.

Schließlich bieten die Rechtsordnungen anderer Länder weitere Anhaltspunkte dafür, dass das Konzept der
Geschlechtsverschiedenheit der Ehegatten überholt ist. So wurde in den Ländern Belgien, Niederlande,
Kanada, Südafrika, Spanien, Norwegen, Schweden, Portugal, Island, Dänemark und Argentinien, neun
Bundesstaaten der USA (Massachusetts, Connecticut, Iowa, Vermont, New Hampshire, New York, Maine,
Maryland, Washington) und dem District of Columbia, sowie in Mexiko-Stadt die Zivilehe für Personen
gleichen Geschlechts eingeführt. Auch die jüngsten Entscheidungen des britischen und des französischen
Parlaments verdeutlichen den Wandel des Eheverständnisses.

Zudem haben Verfassungsgerichte aus einigen den o. g. US-Bundesstaaten, kanadischen Provinzen sowie
aus Südafrika sogar gegen Entscheidungen des dortigen Gesetzgebers eine Öffnung der Ehe für gleichge-
schlechtliche Paare erzwungen, um Diskriminierungen zu vermeiden. Auch diese Gerichte nahmen dabei
den Gedanken – der sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes findet – durchaus zur
Kenntnis, dass der Ehe historisch in allen westlichen Staaten eine gemischtgeschlechtliche Konzeption zu
Grunde lag. Dennoch kamen sie zum Ergebnis, dass der Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare von der
Ehe mit den verfassungsrechtlichen Prinzipien des Respekts vor der Privatautonomie und der Gleichheit vor
dem Gesetz unvereinbar sei. Schließlich wies beispielsweise das Massachusetts Supreme Judicial Court
darauf hin, dass über Jahrzehnte und Jahrhunderte in Teilen der USA auch keine gesetzliche Ehe zwischen
weißen und schwarzen Amerikanern möglich gewesen sei und zog eine Parallele zu dieser Konstellation, da
es in beiden Konstellationen keine sachlichen Gründe für die Differenzierung gäbe.

Auch in europäischen Staaten wurden bei der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ähnliche
Gegenargumente erhoben. Ehe sei eine Verbindung von Mann und Frau, es war so und es soll so bleiben.
Darauf betonten die Befürworter, dass Ehe – wie Familie – dynamische gesellschaftliche Kategorien dar-
stellen und erinnerten, dass in der Vergangenheit beispielsweise Ehen zwischen Katholiken und Protestan-
ten ebenso verboten waren wie die Unauflösbarkeit zu den Strukturprinzipien der Ehe gehörte.

Abgesehen von den theoretischen Bedenken bezüglich Einhaltung der Strukturprinzipien eines sich wan-
delndes familienrechtlichen Instituts kann eine einfachgesetzliche Einführung des Rechts auf Eheschließung
für Personen gleichen Geschlechts die im Artikel 6 Absatz 1 GG verankerte Institutionsgarantie nicht antas-
ten. Es gibt keine Dimension dieses Grundrechts, die damit verletzt wird. Mit der Öffnung der Ehe für
gleichgeschlechtliche Paare entfällt der Bedarf, das Rechtsinstitut der eingetragenen Lebenspartnerschaft
weiter für Neueintragungen offen zu halten – auch angesichts dessen, dass es bislang zwar die gleichen
Pflichten wie die Ehe beinhaltet, nicht aber die vollen Rechte (z. B. im Steuerrecht). Deshalb wird die Neu-
eintragung der Lebenspartnerschaft nicht mehr möglich sein. Die schon eingetragen Lebenspartnerschaften
werden hingegen weiter bestehen, es sei denn die Lebenspartner/-innen werden sie in eine Ehe umwandeln.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs)

Zu Nummer 1

Da die meisten Staaten keine gleichgeschlechtliche Ehe kennen und schon beim Institut der eingetragenen
Lebenspartnerschaft häufig kein Ehefähigkeitszeugnis ausstellen, wird im Falle der gleichgeschlechtlichen
Ehe eine Ausnahme gemacht. Nichtdestotrotz müssen Eheschließende nach § 12 Absatz 2 Nummer 1 des
Personenstandsgesetzes ihren Personenstand und damit ihre Ledigkeit durch öffentliche Urkunden nachwei-
sen.

Zu Nummer 2

Es wird durch Einfügung der Worte „von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts“ in
§ 1353 Absatz 1 Satz 1 BGB klargestellt, dass auch gleichgeschlechtliche Personen eine Ehe eingehen kön-
nen.

Drucksache 18/8 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Zu Artikel 2 (Änderung von weiteren Bundesgesetzen)

Zu Absatz 1 (Lebenspartnerschaftsgesetz)

Durch Einführung eines neuen Abschnitts soll den bereits eingetragenen Lebenspartnerinnen und Lebens-
partnern ermöglicht werden, eine Ehe zu schließen, ohne dass sie zum einjährigen Getrenntleben und zur
darauf folgenden Aufhebung der Lebenspartnerschaft gezwungen werden, was eine unbillige Härte darstel-
len würde.

Zu Absatz 2 (Personenstandsgesetz)

Zu den Nummern 1 und 2

Die neue Überschrift des Kapitels 4 entspricht dessen um den § 17a (Umwandlung einer Lebenspartner-
schaft in eine Ehe und ihre Beurkundung) ergänzten Inhalt.

Zu Nummer 3

Absatz 1 bestimmt, dass die Lebenspartnerinnen und Lebenspartner das Bestehen ihrer Lebenspartnerschaft
durch öffentliche Urkunden nachweisen müssen, um die Umwandlung ihrer Lebenspartnerschaft in eine Ehe
anzumelden. Absatz 2 schreibt ferner vor, dass für das Verfahren die Bestimmungen des
Personenstandsgesetzes zur Eheschließung (Kapitel 3 Abschnitt 1) mit wenigen Ausnahmen entsprechend
gelten. Zu den Ausnahmen zählen der Verzicht auf die Prüfung der Ehevoraussetzungen nach § 13, sowie
der Verzicht auf den Nachweis der Auflösung bisheriger Ehen und Lebenspartnerschaften, die bereits vor
der Begründung der Lebenspartnerschaft erfolgten.

Zu Absatz 3 (Transsexuellengesetz)

In § 7 Absatz 1 Nummer 3 TSG wird bestimmt, dass bei Transsexuellen, die nach erfolgter Vornamensän-
derung eine Ehe eingehen, die Vornamensänderung automatisch unwirksam wird. Mit dieser Regelung soll-
te der Anschein einer gleichgeschlechtlichen Ehe verhindert werden. Mit der Öffnung der Ehe für gleichge-
schlechtliche Paare ist der gesetzgeberische Grund für diese Regelung entfallen, so dass auch § 7 Absatz 1
Nummer 3 TSG ersatzlos zu streichen ist.

Zu Absatz 4 (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche)

Mit der Streichung des bisherigen Artikels 17b Absatz 4 entfällt die nicht mehr erforderliche Kappungsrege-
lung für die im Ausland eingetragenen Lebenspartnerschaften. Mit der neuen Überschrift wie der Neufas-
sung des Artikels 17b Absatz 4 werden die Kollisionsvorschriften für Lebenspartnerschaften auf gleichge-
schlechtliche Ehen entsprechend angewandt.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Zu Absatz 1

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Im Hinblick auf nötige Vorarbeiten bei den Standesäm-
tern soll es für den ersten Tag des dritten auf die Verkündung folgenden Monats bestimmt werden.

Zu Absatz 2

Nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe haben die Lebenspartnerinnen oder Lebens-
partner die gleichen Rechte und Pflichten, als ob sie am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft gehei-
ratet hätten. Damit wird die bestehende Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartner/-innen mit Ehe-
gatten, auf die bereits mehrmals sowohl europäische als auch deutsche Gerichte (EuGH Rs. Maruko – C-
267/06; EuGH Rs. Römer – C-147/08; BVerfGE 124, 199; BVerfG 1 BvR 611 u. 2464/07 und zuletzt
BVerfGE vom 19. Februar 2013) hingewiesen und sie als europarechts- und verfassungsrechtswidrig bewer-
tet haben, rückwirkend beseitigt. Dies bedeutet, dass bestimmte sozial- und steuerrechtliche Entscheidungen
neu getroffen werden müssen.

Zu Absatz 3

Da mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare der Bedarf entfällt, das Rechtsinstitut der einge-
tragenen Lebenspartnerschaft weiter für Neueintragungen offen zu halten, wird die Neueintragung nicht
mehr möglich sein.

r.berger
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