BT-Drucksache 18/7948

Internationale Trainings von Gendarmerien und Polizeien aus der Europäischen Union und Drittstaaten in Nordrhein-Westfalen

Vom 16. März 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7948
18. Wahlperiode 16.03.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Annette Groth, Inge Höger,
Ulla Jelpke, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Internationale Trainings von Gendarmerien und Polizeien aus der
Europäischen Union und Drittstaaten in Nordrhein-Westfalen

Unter dem Namen „European Union Police Services Training“ (EUPST) plant
die Europäische Union bis 2018 eine weitere Staffel internationaler Übungen von
Polizei- und Gendarmerietruppen (Plenarprotokoll 18/132, Bundestagsdrucksa-
chen 18/7282, 18/7466). 2008 starteten die internationalen Übungen zunächst als
„European Police Force Trainings“ (EUPFT) (Bundestagsdrucksache 17/3316).
Fast alle großen EU-Mitgliedstaaten nahmen daran teil, außerdem mit den „Ber-
kiut“-Gendarmen aus der Ukraine (Bundestagsdrucksache 17/2748) auch jene uk-
rainischen Spezialeinheiten, die bei den Aufständen 2013 und 2014 schwere Men-
schenrechtsverletzungen vorgenommen haben sollen. Auf Bildern ist zu sehen,
wie sie vor deutschen Wasserwerfern posieren (https://pbs.twimg.com/me-
dia/B7ZS1ZPCMAIOYsq.jpg:large).
Vor der ersten Staffel der EUPST im Jahr 2011 trug der Europäische Auswärtige
Dienst (EAD) die Ergebnisse eines gemeinsamen Auswertungsseminars zusam-
men („Lessons and best practices for CSDP from the European Union Police
Force Training 2008 – 2010“, www.statewatch.org/news/2012/feb/eu-eeas-csdp-
police-training-2008-2010-18536-11.pdf). Unter anderem wurden Verfahren zur
„crowd and riot control“ analysiert. Problematisiert wurden verschiedene Kom-
mandostrukturen der Einsätze, aber auch eine nicht einheitliche Schwelle des Ein-
satzes polizeilicher Gewalt.
Während die EUPFT mit 2,4 Mio. Euro finanziert wurden, kostete das EUPST
mit 5,6 Mio. Euro bereits mehr als das Doppelte. Mit dem EUPST steht die Zu-
sammenarbeit mit afrikanischen Staaten im Fokus. An der ersten Staffel des
EUPST nahmen Spezialeinheiten aus Kenia, Kamerun Ruanda, Uganda und dem
Sudan teil. Die neuen Trainings der zweiten Staffel sind bereits fertig geplant, mit
ihrer Umsetzung soll im ersten Halbjahr 2016 begonnen werden. Für die vorbe-
reitenden Treffen ist ein Steuerungskomitee zuständig. Die Federführung des
Steuerungskomitees sowie der Übungen obliegt der niederländischen Gendarme-
rie (Königliche Marechaussee). Im Rahmen des EUPST II führte die Bundespo-
lizei vom 11. bis 15. Januar 2016 ein fünftägiges Seminar „Monitoring, Mento-
ring, Advising und Training“ in der Bundespolizeiakademie in Lübeck durch
(Bundestagsdrucksache 18/7466). 20 „nationale/internationale Teilnehmer“ wur-
den dabei „geschult“. Ein gleichlautendes Modul ist für Mai 2016 an der Bundes-
polizeiakademie in Lübeck geplant.
Laut der Webseite des EUPST II (www.eupst.eu) gehören 14 „Partner“ zum Kon-
sortium: Bulgarien, Zypern, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien,
Polen, Portugal, Rumänien, Spanien, die Niederlande, Großbritannien sowie
die EU-Polizeiakademie CEPOL. Auch die Europäische Gendarmerietruppe

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(EUROGENDFOR) ist als „associated partner“ am EUPST II beteiligt (Bundes-
tagsdrucksache 18/7282). Sitz der EUROGENDFOR ist das italienische Vicenza,
wo mit dem „Centre of Excellence for Stability Police Units“ zudem eine Poli-
zeiakademie betrieben wird. Vor drei Jahren hatte der EAD alle EU-Mitgliedstaa-
ten angeschrieben und abgefragt, welche zivilen Kapazitäten diese für militäri-
sche EU-Missionen beisteuern können (Ratsdok. 9973/13). Von Interesse sind die
„Integrated Police Units“ (IPU) und „Formed Police Units“ (FPU). Als IPU gel-
ten Gendarmerien, die für Einsätze in Bürgerkriegsszenarien besonders geeignet
sind. FPU sind Einheiten der Bereitschaftspolizei, die einem zivilen Kommando
unterstehen müssen und erst nach einer Befriedung kriegerischer Auseinanderset-
zungen in Krisengebieten eingesetzt werden. Deutschland unterhält mit seiner
Auslandshundertschaft der Bundespolizei ebenfalls eine FPU. Die Bundespolizei
ist auch Mitglied im Konsortium des EUPST II, die Polizeien der Länder Nord-
rhein-Westfalen und Baden-Württemberg „sowie deren angeschlossene Trai-
ningsbereiche“ nehmen an einzelnen Trainings teil.
Vom 4. bis 15. April 2016 soll in Weeze/Nordrhein-Westfalen auf der privat be-
triebenen „Training Base Weeze GmbH & Co. KG“, einer ehemaligen Royal Air
Force Base, eine realistische Übung durchgeführt werden. Beworben als „multi-
disziplinärer Trainingscampus“ für Behörden mit Sicherheitsaufgaben handele es
sich bei der Anlage laut der Betreiber um das „größte Übungszentrum seiner Art
in Europa“ (www.tb-weeze.com). Unter anderem für Trainings zur Bekämpfung
von Unruhen werden Ortskampfanlagen genutzt, darunter neben einer Schule und
einem Freibad ein 200 m langer Autobahnabschnitt, drei Gleisabschnitte, eine
Tankstelle mit Tankwagen, ein Kraftwerk, ein „Flugzeugdummy“ sowie eine
komplette Wohnsiedlung mit mehr als 100 Häusern. Zu den in Weeze angebote-
nen Übungsszenarien heißt es vom Betreiber der Anlage, diese eigne sich insbe-
sondere für den Einsatz von Hundertschaften sowie „Formationstraining[s] wäh-
rend Großeinsätzen auch mit anderen Abteilungen der Polizei“.
Nach dem Training in Weeze sollen zukünftige Planungen von Aktivitäten des
EUPST II auf einer Konferenz vom 20. bis 22. April 2016 in Lissabon/Portugal
festgelegt werden. In einem weiteren Projekt „Europe’s New Training Initiative for
Civilian Crisis Management“ (ENTRi) werden in seiner zweiten Projektphase
(ENTRi II) bis Ende Mai 2016 ebenfalls Angehörige von Sicherheitsbehörden aus-
gebildet. 20 Prozent der Teilnehmenden sind Polizisten, auch „Nichteuropäer“ neh-
men an den Aktivitäten teil (Bundestagsdrucksache 18/7282). ENTRi und EUPST
arbeiten der Bundesregierung zufolge bei einigen Aktivitäten „eng zusammen“. Die
Bundesregierung bewertet ihren bisherigen Beitrag an internationalen Polizeimis-
sionen im Rahmen der Vereinten Nationen und der EU als „angemessen“ (Bundes-
tagsdrucksache 18/3768) und beabsichtigt, sich künftig „schwerpunktmäßig im ost-
europäischen und nordafrikanischen Bereich mit Polizistinnen und Polizisten zu
engagieren“.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, worin die Beteiligung bzw.

Verantwortung der Europäischen Kommission und des Europäischen Aus-
wärtige Dienstes bezüglich der neuen Staffel von „European Union Police
Services Training II“ (EUPST II) besteht?

2. Aus welchen Finanzmitteln wird das EUPST II (auch anteilig) finanziert, und
welche Kosten entstehen dabei im Einzelnen?

3. Welche der 14 „Partner“ Bulgarien, Zypern, Estland, Finnland, Frankreich,
Deutschland, Italien, Polen, Portugal, Rumänien, Spanien, die Niederlande,
Großbritannien sowie die EU-Polizeiakademie CEPOL übernehmen welche
Aufgaben bei der Vorbereitung und Durchführung des EUPST II?

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4. Welche Aufgaben werden von dem Steuerungskomitee des EUPST II über-
nommen, und inwiefern sind auch deutsche Polizeibehörden daran beteiligt?

5. Worin besteht die Mitarbeit der Europäischen Gendarmerietruppe
(EUROGENDFOR) als „associated partner“ am EUPST II?

6. Welche weiteren „associated partner“ sind der Bundesregierung bekannt?
7. Welche Behörden oder sonstigen Einrichtungen nahmen im Rahmen des

EUPST II an dem Seminar „Monitoring, Mentoring, Advising und Training“
in der Bundespolizeiakademie in Lübeck teil (bitte, soweit möglich, diffe-
renzieren, ob es sich dabei um Polizeien oder Gendarmerien handelte)?
a) Welche einzelnen Module wurden in dem Seminar behandelt?
b) Welche weiteren Module sollen auf dem Seminar im Mai 2016 in Lübeck

behandelt werden?
8. Welche Trainings mit welchen teilnehmenden Behörden oder sonstigen Ein-

richtungen haben Behörden der Bundesregierung bislang auf der privat be-
triebenen „Training Base Weeze GmbH & Co. KG“ in Weeze/Nordrhein-
Westfalen durchgeführt?

9. Welche Rolle übernehmen EU-Ratsarbeitsgruppen für die Vorbereitung der
Trainings des EUPST II?

10. Welche Behörden welcher Länder bzw. Einrichtungen oder Einzelpersonen
beobachteten die Trainings des EUPST II?

11. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche Behörden welcher
Länder bzw. sonstigen Institutionen an dem EUPST II in Weeze teilnehmen
bzw. dieses beobachten wollen?
a) Inwiefern und durch Abgeordnete welcher Parlamente wird das EUPST II

parlamentarisch beobachtet?
b) Sofern die Bundesregierung hierzu keine Kenntnis hat, inwiefern hält sie

eine parlamentarische Beobachtung für wünschenswert?
12. Welche Länder und Regionen werden von dem EUPST II nach Kenntnis der

Bundesregierung besonders adressiert?
13. Inwiefern sollen nach Kenntnis der Bundesregierung an dem Training in

Weeze auch ukrainische Berkut-Einheiten teilnehmen?
14. Worin besteht der Trainingsplan für das Training in Weeze, und welche Mo-

dule sind hierfür bislang vorgesehen?
15. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern auch Formations-

trainings während Großeinsätzen oder in Hundertschaften geübt werden soll?
16. Welche Aufgaben werden nach Kenntnis der Bundesregierung von den Lan-

despolizeien Nordrhein-Westfalens und Baden-Württembergs sowie der
Bundespolizei an der Vorbereitung des Trainings in Weeze übernommen?

17. Wann und wo werden nach Kenntnis der Bundesregierung weitere, noch
nicht auf einschlägigen Bundestagsdrucksachen mitgeteilte Übungen bzw.
Konferenzen, Seminare oder andere Ausbildungsformen hinsichtlich des
EUPST II abgehalten?

18. Was ist der Bundesregierung über Organisatoren und Beteiligte eines Trai-
nings von Polizeihundertschaften im März 2016 in Gelsenkirchen-Hassel be-
kannt (WAZ vom 9. März 2016)?
a) Welche „neue[n] Einsatztaktiken“ wurden dort geübt?
b) Welche „neue Software“ wurde bei der Übung getestet?

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19. Welche Trainings, Seminare oder sonstigen Veranstaltungen haben nach
Kenntnis der Bundesregierung in der zweiten Staffel der „Europe’s New Trai-
ning Initiative for Civilian Crisis Management“ (ENTRi II) stattgefunden?
a) Welche Behörden oder sonstigen Einrichtungen aus welchen Ländern

nahmen daran teil (bitte soweit möglich, differenzieren, ob es sich dabei
um Polizeien oder Gendarmerien handelte)?

b) Welche weiteren Trainings im Rahmen des ENTRi II sind geplant, und
welche Angehörigen von Sicherheitsbehörden werden ausgebildet (bitte,
soweit möglich, differenzieren, ob es sich dabei um Polizeien oder Gen-
darmerien handelte)?

c) Auf welche Weise und im Rahmen welcher Aktivitäten (außer der beson-
deren Evaluierung von Trainings) arbeiten das ENTRi und das EUPST
„eng zusammen“?

20. In welchen Zusammenarbeitsformen haben welche deutschen Behörden
nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2015 mit ausländischen Gendar-
merieeinheiten trainiert oder geübt?

21. Da die Bundesregierung keine Kenntnisse darüber hat, ob ihre eigenen Be-
hörden an der im Juli 2015 in Estland abgehaltenen internationalen Anti-Ter-
rorismus-Übung „Allied Terrorism Hindering Operation Simulation“
(ATHOS) teilnahmen (Bundestagsdrucksache 18/7466), inwiefern ist die Er-
klärung des estnischen Innenministeriums vom 7. Oktober 2015 über eine
Teilnahme „Deutschlands“ (also der Bundespolizei bzw. von deren Spezial-
kräften) womöglich unrichtig?

22. Was ist der Bundesregierung über konkrete Details der vermittelten „Maß-
nahmen zur Verhinderung von Gewalt im Allgemeinen“ („Antieskalations-
techniken“) im Rahmen eines vierwöchigen Trainings bekannt, das die ru-
mänische Gendarmerie unter Federführung des EAD und der EU-Unterstüt-
zungsmission für die Ukraine zusammen mit der paramilitärischen Europäi-
schen Gendarmerietruppe EUROGENDFOR und Einheiten aus Spanien,
Frankreich und Portugal durchführte (Pressemitteilung EUAM Ukraine vom
11. Februar 2016, Plenarprotokoll 18/154, bitte die Frage nach den Techni-
ken/Modulen beantworten)?
a) Welche weiteren, ähnlichen Trainingskurse haben der EAD oder die Eu-

ropäische Kommission in Kooperation in den Jahren 2015 und 2016 mit
der paramilitärischen Europäischen Gendarmerietruppe EUROGENDFOR
durchgeführt, und wer nahm daran teil?

b) Welche weiteren, ähnlichen Trainings sind für die Zukunft geplant?
23. Welche Defizite existieren aus Sicht der Bundesregierung hinsichtlich der

Sicherheitszusammenarbeit des EAD mit der EUROGENDFOR, und inwie-
fern könnten diese mit einem erneuerten Kooperationsabkommen überbrückt
werden (Bundestagsdrucksache 18/7282)?

24. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern die
EUROGENDFOR stärker in die EU-Lagezentren zur Krisenreaktion und den
Militärstab der Europäischen Union einbezogen werden sollte?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7948
 

25. Was ist der Bundesregierung mittlerweile darüber bekannt, inwiefern Regie-
rungen der EU-Mitgliedstaaten oder auch EU-Strukturen nach den Anschlä-
gen von Paris oder neuen Migrationsbewegungen die Aktivierung der Soli-
daritätsklausel nach Artikel 222 des Vertrags über die Arbeitsweise der Eu-
ropäischen Union erwogen haben?

Berlin, den 16. März 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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