BT-Drucksache 18/7933

Der EU-Beitrittskandidat Türkei und die Pressefreiheit

Vom 16. März 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7933
18. Wahlperiode 16.03.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,
Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Dr. Alexander S. Neu,
Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Der EU-Beitrittskandidat Türkei und die Pressefreiheit

Das Recht auf freie Meinungsäußerung in der Türkei wurde 2015 weiter unter-
graben, konstatiert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in ih-
rem Jahresbericht 2016 (www.amnesty.de/jahresbericht/2016/tuerkei/). Es habe
in der Türkei, mit der die EU über einen Beitritt verhandelt, „zahllose unfaire
Strafverfahren gegen politisch aktive Bürger, Journalisten und andere Regie-
rungskritiker“ gegeben. Dabei sei auch auf die Antiterrorgesetze und Gesetze zu
Beleidigungen zurückgegriffen worden. Häufig seien Bürger wegen Beiträgen in
sozialen Medien vor Gericht gestellt worden.
Laut Amnesty International übt die AKP-Regierung in Ankara „enormen Druck
auf die Medien aus“. Die Menschenrechtsorganisation spricht von einem geziel-
ten Vorgehen gegen Medienunternehmen und digitale Netzwerke. Kritische Jour-
nalisten würden bedroht und wurden häufig auch von unbekannten Tätern kör-
perlich angegriffen. „Journalisten, die für Massenmedien arbeiteten, wurden ent-
lassen, wenn sie regierungskritische Berichte veröffentlichten. Nachrichtenseiten
im Internet, darunter Dutzende kurdische Internetseiten, wurden von willfährigen
Justizorganen auf Grundlage vage formulierter behördlicher Anordnungen blo-
ckiert. Die Polizei schikanierte und attackierte Journalisten, die über den vorwie-
gend kurdisch besiedelten Südosten des Landes berichten wollten“, so Amnesty
International.
Die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler erklärte am 9. März 2016 im
„Deutschlandfunk“ zur Lage in der Türkei: „Was momentan in Sachen Ein-
schränkung der Meinungsfreiheit, der Pressevielfalt läuft, ist inakzeptabel“
(www.deutschlandfunk.de/eu-tuerkei-verhandlungen-es-darf-nicht-zum-ausverkauf.
694.de.html?dram:article_id=347820)
Der Ko-Vorsitzende der türkischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtas,
kritisierte nach dem EU-Türkei-Gipfel in Brüssel am 7. März 2016 das Schwei-
gen der Bundesregierung zu Menschenrechtsverletzungen und zum Druck auf die
Medien (dpa vom 7. März 2016).
Der Chefredakteur der regierungskritischen türkischen Zeitung „Cumhuriyet“,
Can Dündar, gegen den die türkischen Behörden nach der Veröffentlichung eines
Berichts über geheimdienstliche Unterstützung der Türkei für islamistische Ter-
rormilizen in Syrien auf persönliche Initiative von Präsident Recep Tayyip
Erdoğan wegen Landesverrats und Spionage ermitteln, kritisierte im Interview
mit der Hamburger Wochenzeitung „DIE ZEIT“ am 10. März 2016, die EU
ignoriere das autoritäre Gebaren der türkischen Regierung. „Damit die Türkei ihre
Grenzen schließt, verschließt die EU ihre Augen vor der autoritären Führung.

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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und andere Staats- und Regierungschefs der
EU stellten ihre Interessen über die historischen Maxime Europas. Der Preis für
eine Lösung dürfe jedoch nicht sein, „dass Europa die Meinungsfreiheit aufgibt“.
Laut Amnesty International hat der türkische Justizminister zwischen August
2014 und März 2015 in 105 Fällen die Einleitung eines Verfahrens wegen Belei-
digung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan nach Artikel 299 des Strafge-
setzbuchs genehmigt. Wie die Nachrichtenagentur „dpa“ am 9. März 2016 be-
richtete, wurden nach Angaben des Justizministeriums in Ankara mittlerweile
mehr als 1 800 Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung eröffnet.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie schätzt die Bundesregierung aktuell den Zustand der Pressefreiheit in

der Türkei ein?
2. Gegen wie viele Journalisten hat die türkische Justiz in der Amtszeit von

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan (März 2013 bis August 2014) und
seit dessen Amtsantritt als Staatspräsident (August 2014) nach Kenntnis der
Bundesregierung Verfahren wegen angeblicher Spionage und/oder Landes-
verrats eingeleitet (bitte nach Jahren auflisten)?

3. Welche konkreten Vorwürfe wurden den Journalisten gemacht?
4. Gegen wie viele Personen insgesamt hat die türkische Justiz seit Amtsantritt

von Präsident Recep Tayyip Erdoğan im August 2014 nach Kenntnis der
Bundesregierung Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung eingeleitet (bitte
nach Monaten auflisten)?

5. Gegen wie viele Journalisten hat die türkische Justiz seit dem Amtsantritt
von Präsident Recep Tayyip Erdoğan nach Kenntnis der Bundesregierung
Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung eingeleitet (bitte nach Monaten
auflisten)?

6. Wie viele Journalisten sitzen derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung in
der Türkei wegen Meinungsdelikten in Haft?

7. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über den Stand des Verfahrens
gegen den irakisch-kurdischen Journalisten Mohammed Rasool, der laut
Amnesty Report 2016 im August 2015 zusammen mit den britischen Jour-
nalisten Jake Hanrahan und Philip Pendlebury im internationalen Nachrich-
tenkanal „Vice News“ über Zusammenstöße zwischen der Arbeiterpartei
Kurdistans (PKK) und den türkischen Sicherheitskräften berichtet hatte, von
der Polizei verhört, wegen „Unterstützung einer terroristischen Organisa-
tion“ angeklagt und in Untersuchungshaft genommen wurde?

8. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über den Stand des Verfahrens
gegen Canan Coşkun, Reporterin der Zeitung „Cumhuriyet“, der laut Amne-
sty Report 2016 eine Haftstrafe von 23 Jahren und vier Monaten drohen we-
gen Beleidigung von zehn Staatsanwälten und Richtern, über die sie berichtet
hatte, dass diese aufgrund ihres Amtes Luxuswohnungen zu günstigen Prei-
sen erwerben konnten?

9. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, dass gegen
den Chefredakteur und den Hauptstadtkorrespondenten der Zeitung „Cum-
huriyet“, Can Dündar und Erdem Gül, wegen Spionage, Offenlegung von
Staatsgeheimnissen und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ein
Strafverfahren eingeleitet wurde, weil sie von der Pressefreiheit Gebrauch
gemacht und über eine Waffenlieferung des türkischen Geheimdienstes an
eine bewaffnete Gruppe in Syrien im Jahr 2014 berichtet haben?

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10. Welche über die in Frage 53, Bundestagsdrucksache 18/5341, hinausgehen-
den neuen Erkenntnisse (auch nachrichtendienstliche) hat die Bundesregie-
rung über die Stichhaltigkeit der vom damaligen Ministerpräsidenten Recep
Tayyip Erdoğan aufgestellten Behauptung, die betreffenden Lastwagen hät-
ten humanitäre Hilfsgüter transportiert?

11. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Einlassung
des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan am 4. März 2016 nach der
Freilassung der beiden Journalisten Can Dündar und Erdem Gül aus der Un-
tersuchungshaft, er erkenne das entsprechende Urteil des türkischen Verfas-
sungsgerichts nicht an, bezüglich der Unabhängigkeit der Justiz in der Türkei
(www.zeit.de/politik/ausland/2016-03/pressefreiheit-tuerkei-recep-tayyip-
erdogan-drohung-verfassungsgericht-journalisten)?

12. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über den Stand des Verfahrens
gegen Mehmet Baransu, Journalist der regierungskritischen Tageszeitung
„Taraf“, der laut Amnesty Report 2016 im März 2015 festgenommen wurde,
weil er geheime Staatsdokumente in seinen Besitz gebracht und 2010 darüber
berichtet haben soll, bevor er das Material an die Staatsanwaltschaft weiter-
geleitet habe?

13. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
nach der Verurteilung des türkischen Journalisten Barış İnce der linken Zei-
tung „Birgün“ („Ein Tag“), gegen den zunächst wegen eines Artikels ermit-
telt worden war, in dem er Präsident Recep Tayyip Erdoğan und dessen Sohn
Bilal Erdoğan indirekt Korruption vorgeworfen hatte, am 9. März 2016 zu
21 Monaten Haft (dpa vom 9. März 2016)?

14. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung davon, dass der türkische Journa-
list Barış İnce der linken Zeitung „Birgün“ („Ein Tag“) am 9. März 2016
tatsächlich zu 21 Monaten Haft verurteilt wurde wegen seiner schriftlichen
Verteidigung, in der die Anfangsbuchstaben der Zeilen die Aussage „Hirsiz
Erdoğan“ („Dieb Erdoğan“) ergeben hätten (dpa vom 9. März 2016)?

15. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung vom Stand des Strafverfahrens
gegen den türkischen Journalisten Onur Erem, Redakteur der regierungs-
kritischen linken Tageszeitung „Birgün“ („Ein Tag“), gegen den die türki-
schen Behörden wegen Präsidentenbeleidigung ermitteln, weil er in einem
Artikel darüber berichtet hatte, dass der Internetsuchdienst Google bei der
Eingabe der Suchbegriffe „hirsiz“ (“Dieb“) und „katil“ („Mörder“) in der
Suchmaske als Autovervollständigung „Erdoğan“ und „AKP“ als zusätzliche
Suchwörter vorschlägt (www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-prozess-
wegen-praesidentenbeleidigung-gegen-journalisten-a-1072527.html)?

16. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Stürmung der Redaktion der Tageszeitung „Zaman“, der mit
650 000 Exemplaren auflagenstärksten Zeitung des EU-Beitrittskandidaten
Türkei, am 4. März 2016 durch bewaffnete Polizeikräfte, die Kündigung
des bisherigen Chefredakteurs Abdulhamit Bilci und die Zwangsverwaltung
durch die türkischen Behörden, in deren Folge die Ausgabe vom 6. März
2016 mit ausschließlich regierungsfreundlichen Artikeln und einem von der
Titelseite lächelnden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan erschien (www.
sueddeutsche.de/politik/meinungsfreiheit-tuerkei-stellt-nachrichtenagentur-
cihan-unter-zwangsverwaltung-1.2896932)?

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17. Inwieweit hat die Bundesregierung Erkenntnisse davon (auch nachrichten-
dienstliche), dass es sich bei der Übernahme der Tageszeitung „Zaman“
durch die türkischen Behörden um einen Machtkampf mit der Hikmet-Be-
wegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen handelt, der seit 1999 im
Exil in den USA lebt und laut „AFP“ vom 8. März 2016 inzwischen zu den
erbittertsten Gegnern von Präsident Recep Tayyip Erdoğan zählt?

18. Inwieweit hat die Bundesregierung Erkenntnisse davon, ob seitens der türki-
schen Behörden „mit beispiellosen Schritten“ Medien, die der Bewegung des
Predigers Fethullah Gülen nahestehen, „zum Schweigen gebracht“ werden
sollen (Amnesty Report 2016)?

19. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem Vorgehen der Staatsanwaltschaft in Ankara gegen das private Me-
dienunternehmen Digiturk, in deren Folge im Oktober 2015 die Ausstrahlung
von sieben Fernsehkanälen untersagt wurde (Amnesty Report 2016)?

20. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Erstürmung der Sendezentrale des Medienkonzerns Koza İpek Hol-
ding vier Tage vor den Parlamentswahlen am 1. November 2015 durch die
Polizei in Begleitung eines gerichtlich eingesetzten Treuhänders und aus der
Abschaltung der Live-Übertragung der beiden Fernsehkanäle „Bugün“ und
„Kanaltürk“ (Amnesty Report 2016)?

21. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem Stopp des Drucks der zur selben Mediengruppe gehörenden Zeitun-
gen „Millet“ und „Bugün“ und aus der Tatsache, dass die zuvor dezidiert
regierungskritischen Medien Zeitungen und TV-Kanäle nach Wiedereröff-
nung auf Regierungskurs eingeschwenkt waren (Amnesty Report 2016)?

22. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Abschaltung von 13 Fernseh- und Radiosendern der Salmanyolu
Broadcasting Group im November 2015 durch den staatseigenen Satelliten-
und Kabelnetzbetreiber Türksat (Amnesty Report 2016)?

23. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Vorwürfe gegen den Vor-
standsvorsitzenden der Mediengruppe, Hidayet Karaca, der das gesamte Jahr
2015 in Untersuchungshaft verbringen musste (Amnesty Report 2016)?

24. Auf welcher Ebene und in welcher Form hat die Bundesregierung auf dem
EU-Türkei-Gipfel in Brüssel am 7. März 2016 das Vorgehen der türkischen
Behörden und des türkischen Präsidenten gegen kritische Journalisten und
oppositionelle Medien konkret thematisiert, und welche Reaktionen gab es
seitens der Gesprächspartner der türkischen Regierung?

25. Auf welcher Ebene und in welcher Form haben nach Kenntnis der Bundes-
regierung auf dem EU-Türkei-Gipfel in Brüssel am 7. März 2016 die anderen
Staats- und Regierungschefs der EU das Vorgehen der türkischen Behörden
und des türkischen Präsidenten gegen kritische Journalisten und oppositio-
nelle Medien thematisiert, und wie haben welche Gesprächspartner auf Sei-
ten der türkischen Regierung nach Kenntnis der Bundesregierung darauf re-
giert?

26. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Übernahme der türkischen Nachrichtenagentur „Cihan“ durch die
türkischen Behörden in der Nacht zum 8. März 2016, also unmittelbar nach
dem EU-Türkei-Gipfel (dpa vom 8. März 2016)?

27. Welche Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche) hat die Bundesregierung
über die gegen die regierungskritische Zeitung „Zaman“ erhobenen Vor-
würfe der Geldwäsche und der Verschwörung, die der türkische Premier
Ahmed Davutoglu am 8. März 2016 unmittelbar nach dem EU-Türkei-Gipfel
in Brüssel bekräftigt hat (AFP vom 8. März 2016)?

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28. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis über den Stand der Ermittlung
im Fall des im November 2015 während einer Pressekonferenz in Diyarbakır
erschossenen bekannten Menschenrechtsanwalts und Vorsitzenden der An-
waltskammer von Diyarbakır, Tahir Elçi (Amnesty Report 2016)?

29. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
daraus, dass der Menschenrechtsanwalt und Vorsitzende der Anwaltskam-
mer von Diyarbakır, Tahir Elçi, wegen „Propaganda für eine terroristische
Organisation“ unter Anklage gestellt und mit sieben Jahren Haft bedroht
wurde, weil er in einer Live-Sendung des Fernsehsenders CNN TÜRK er-
klärt hatte, die PKK sei „keine Terrororganisation, sondern eine bewaffnete
politische Bewegung mit erheblichem Rückhalt“?

30. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
daraus, dass gegen den Fernsehsender CNN TÜRK eine Geldbuße in Höhe
von 700 000 Türkischen Lira (rund 220 000 Euro) verhängt worden ist,
nachdem im Oktober 2015 der Menschenrechtsanwalt Tahir Elçi in einer
Live-Sendung erklärt hatte, die PKK sei „keine Terrororganisation, sondern
eine bewaffnete politische Bewegung mit erheblichem Rückhalt“ (Amnesty
Report 2016)?

31. Welche Erkenntnisse (auch nachrichtendienstliche) hat die Bundesregierung
über den Tod des syrischen Journalisten Naji Jerf, der eine Reihe von Doku-
mentarfilmen gedreht hatte über die Gräueltaten der Terrormiliz „Islamischer
Staat“ (IS) und der am 27. Dezember 2015 im türkischen Gaziantep auf of-
fener Straße erschossen wurde (https://en.rsf.org/turkey-syrian-journalist-
murdered-in-28-12-2015,48697.html)?

32. Welche Erkenntnisse (auch nachrichtendienstliche) hat die Bundesregierung
über die Enthauptung des syrischen Journalisten Ibrahim Abdul Kader und
seines Freundes Fares Hamadi in der südtürkischen Stadt Sanliurfa, die als
Mitglieder in der Dokumentargruppe „Raqa Is Being Slaughtered Silently“
(„Rakka wird lautlos abgeschlachtet“) Gräueltaten der Terrormiliz „Islami-
scher Staat“ enthüllt hatten (www.welt.de/politik/ausland/article148270250/
Anti-IS-Aktivisten-enthauptet-in-der-Tuerkei-gefunden.html und https://en.
rsf.org/turkey-syrian-citizen-journalist-murdered-30-10-2015,48496.html)?

33. Welche Erkenntnisse (auch nachrichtendienstliche) hat die Bundesregierung
über die Todesumstände der Reporterin des iranischen Fernsenders PressTV,
Serena Shim, die nach Recherchen über Aktivitäten der Terrormiliz „Islami-
scher Staat“ im türkisch-syrischen Grenzgebiet nach eigenen Angaben vom
türkischen Geheimdienst als Spionin beschuldigt wurde und die am 19. Ok-
tober 2014 in Suruc bei einem Unfall mit einem Betonmischer getötet wurde
(www.tagesanzeiger.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/Was-passierte-mit-
Serena-Shim/story/13569971 und www.heise.de/tp/news/Tuerkei-Journalistin-
unter-mysterioesen-Umstaenden-gestorben-2430533.html)?

34. Welche Erkenntnisse (auch nachrichtendienstliche) hat die Bundesregierung
über die Todesumstände der ehemaligen BBC-Journalistin und Mitarbeiterin
der Vereinten Nationen, Jacqueline Sutton, die in der Nacht zum 18. Oktober
2015 am Atatürk-Flughafen in Istanbul unter mysteriösen Umständen ums
Leben gekommen ist (www.focus.de/panorama/welt/sie-war-auf-dem-weg-
in-den-irak-britin-wird-tot-auf-istanbuler-flughafentoilette-gefunden_id_
5023494.html)?

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35. Welche Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche) hat die Bundesregierung
über die Misshandlung des Kameramanns Refik Tekin vom Sender imc tv in
der Stadt Cizre, der am 20. Januar 2016 filmte, wie Polizisten aus einem Pan-
zerfahrzeug das Feuer auf eine Gruppe von Menschen eröffneten, die wäh-
rend einer Ausgangssperre mit einer weißen Fahne in der Hand Tote und
Verletzte von der Straße bergen wollten, und der, nachdem er selbst von einer
Kugel getroffen worden war, zu Boden stürzte und weiterfilmte, beim Trans-
port ins Krankenhaus von Polizisten geschlagen, im Krankenhaus in Ge-
wahrsam genommen und schließlich als Terrorverdächtiger verhört wurde,
und welche Konsequenzen und Schlussfolgerungen zieht die Bundes-
regierung daraus für die weitere Zusammenarbeit mit der türkischen Polizei
(www.zeit.de/politik/ausland/2016-02/pressefreiheit-tuerkei-diyarbakir-
kurdische-gebiete-repression-journalisten)?

36. Inwieweit sieht die Bundesregierung einen Widerspruch zwischen der Ver-
letzung der Presse- und Meinungsfreiheit durch die türkischen Behörden in
ihrem Land und Kapitel 10 des Acquis communautaire („Gemeinschaftlicher
Besitzstand“) der EU, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen
zieht die Bundesregierung daraus?

37. Inwieweit sieht die Bundesregierung einen Widerspruch zwischen der Ver-
letzung der Presse- und Meinungsfreiheit durch die türkischen Behörden und
ihren Verpflichtungen aus Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskon-
vention, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bun-
desregierung daraus?

38. Inwieweit sieht die Bundesregierung eine weitere Verschlechterung im Be-
reich der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei seit Verabschiedung des
Türkei-Fortschrittsberichts 2015 der Europäischen Kommission, in dem es
heißt, die Verabschiedung wichtiger Gesetze in den Bereichen Rechtsstaat-
lichkeit und Meinungs- und Versammlungsfreiheit in der Türkei liefen den
europäischen Standards zuwider (SWD(2015) 216 final)?

39. Inwieweit sieht die Bundesregierung eine weitere Unterminierung des
Grundsatzes der Gewaltentrennung in der Türkei seit Verabschiedung des
Türkei-Fortschrittsberichts 2015 der EU-Kommission, in dem es heißt, Rich-
ter und Staatsanwälte stünden weiter „unter starkem politischen Druck“,
zahlreiche Richter seien „gegen ihren Willen versetzt“ worden und Vertreter
sowohl der Exekutive als auch der Legislative hätten zu laufenden Gerichts-
verfahren Stellung genommen“ (SWD(2015) 216 final)?

40. Inwieweit schätzt die Bundesregierung das Vorgehen der türkischen Behör-
den gegen kritische Journalisten und Medienhäuser in der Türkei als Vorstoß
gegen die Kopenhagener Kriterien ein, die von einem offiziellen Beitritts-
kandidaten erfüllt werden müssen, um Vollmitglied der Europäischen Union
zu werden?

Berlin, den 15. März 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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