BT-Drucksache 18/7827

Mögliche Einflussnahme des Krankenkassen-Verbandes auf die Unabhängige Patientenberatung und Zusammenhang mit der später erfolgten Vergabe an einen privaten Anbieter

Vom 7. März 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7827
18. Wahlperiode 07.03.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann (Zwickau), Katja Kipping,
Azize Tank, Harald Weinberg, Birgit Wöllert, Pia Zimmermann und
der Fraktion DIE LINKE.

Mögliche Einflussnahme des Krankenkassen-Verbandes auf die Unabhängige
Patientenberatung und Zusammenhang mit der später erfolgten Vergabe an
einen privaten Anbieter

Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) gGmbH bot ab 2007 als
Modellprojekt und von 2011 bis 2015 als Regelangebot der gesetzlichen Kran-
kenversicherung allen Menschen eine qualitativ hochwertige Beratung an. Trä-
gerorganisationen der UPD waren nichtkommerzielle, gemeinnützige und tradi-
tionell patientenorientierte Organisationen, etwa Sozialverbände, Verbraucher-
zentralen und Patientenstellen. Neben der Beratung der Versicherten ist laut § 65b
des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) auch das Aufzeigen von Problem-
lagen im Gesundheitswesen Aufgabe der UPD gewesen. Die Berichte der UPD,
der jährlich erscheinende Monitor Patientenberatung, dokumentierten diese
Problemlagen, die sich aus den Beratungsgesprächen ergeben haben (www.
patientenberatung.de/dokumente/2015_upd_monitor_patientenberatung.pdf).
Nach den Anteilen der Gespräche, die auf Anfrage der Versicherten geführt wur-
den, gab es über die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) die meisten Beschwer-
den. Obwohl die UPD formell inhaltlich und institutionell unabhängig von der
GKV sein soll, entscheidet der GKV-Spitzenverband maßgeblich darüber, wer
die Patientenberatung anbieten darf und dafür Versichertengelder erhält. Im Jahr
2015 entschied der GKV-Spitzenverband mit Zustimmung des Patientenbeauf-
tragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, dass das Call Center-Unter-
nehmen Sanvartis GmbH die Patientenberatung ab 2016 übernimmt. Kritikerin-
nen und Kritiker vermuteten, dass „der Spitzenverband Bund der GKV sich die
lästigen, aber objektiven Kritiker der UPD vom Hals halten“ will, wie es der Prä-
sident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, ausdrückte
(www.aerzteblatt.de/nachrichten/64216).
Gerüchten zufolge gab es bereits im Jahr 2013 einen Brief des Vorstandes der
GKV-Spitzenverbandes, Gernot Kiefer, an den damaligen Patientenbeauftragten
der Bundesregierung, Wolfgang Zöller, in dem er die Art und Methodik, in der
die UPD Missstände im Patientenmonitor auch in Bezug auf den Umgang von
gesetzlichen Krankenkassen mit Versicherten darstellte, als tendenziös kritisierte.
Darin seien auch die Objektivität der Beratenden infrage gestellt und unzulässige
Rückschlüsse auf die Motivation der Krankenkassen moniert worden.
Der Brief betraf dem Vernehmen nach vor allem Fälle von Bezieherinnen und
Beziehern von Krankengeld, bei denen Krankenkassen aufgrund einer juristisch
interpretierbaren, aber tatsächlich nicht bestehenden Krankschreibungslücke die
Zahlung eingestellt hatten. Möglich machte diese politisch wohl nie gewollte

Drucksache 18/7827 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Folge eine ungeschickte Formulierung im Gesetzestext, die von Krankenkassen
herangezogen wurde, um die Fortzahlung des Krankengeldes (www.3sat.de/
page/?source=/ard/dokumentationen/178856/index.html, www.n-tv.de/ratgeber/
Tuecken-beim-Krankengeld-article10399096.html und andere?) und teils sogar
die Mitgliedschaft der bzw. des Versicherten zu beenden (www.swr.de/betrifft/
ein-recht-auf-heilbehandlung-der-verlorene-patient-wenn-die-krankenkasse-nicht-
zahlt/-/id=98466/did=10733144/nid=98466/182o2fx/index.html). Es gebe nach
diesen Recherchen sogar „Belege dafür, dass der Spitzenverband der Kranken-
kassen seinen Mitgliedern gezielt erklärt, wie man Patienten mit juristischen
Spitzfindigkeiten in eine ominöse ,Krankschreibungslücke‘ lockt“ (ebenda).
Dieser Missstand, der inzwischen durch eine gesetzliche Klarstellung weitgehend
beendet ist (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz 2015), wurde maßgeblich durch
die UPD-Berichte „Monitor Patientenberatung“ aufgedeckt (vgl. ebenda).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass Wolfgang Zöller in seiner frühe-

ren Funktion als Patientenbeauftragter der Bundesregierung für die Belange
der Patientinnen und Patienten im Jahr 2013 einen Brief des GKV-Spitzen-
verbands erhalten hat, in dem Unzufriedenheit über den Monitor Patienten-
beratung der UPD zum Ausdruck gebracht wurde?

2. Wer hat nach Kenntnis der Bundesregierung noch von dem Brief Kenntnis
erhalten?

3. Was war der genaue Inhalt des Briefes (nach Möglichkeit bitte Kopie beifü-
gen)?

4. Wie haben der Patientenbeauftragte oder die Bundesregierung auf den Brief
reagiert (Kopie der Antwort bitte nach Möglichkeit beifügen)?

5. Hat der Patientenbeauftragte der Bundesregierung in seiner Funktion als Lei-
ter des wissenschaftlichen Beirats der UPD die vom GKV-Spitzenverband
beanstandeten Punkte im Beirat thematisiert?

6. Wie haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Vertreterinnen und Ver-
treter der Wissenschaft und der Patientenverbände im Beirat die methodische
Kritik des GKV-Spitzenverbands eingeschätzt?

7. Wie hat sich der Patientenbeauftragte selbst im Beirat inhaltlich zu den Vor-
würfen positioniert?

8. Inwiefern hat der Bundesbeauftragte den GKV-Spitzenverband auf eine ge-
gebenenfalls beobachtete unzulässige Einflussnahme auf die UPD hingewie-
sen?

9. Inwiefern betrachtet die Bundesregierung den Brief als Druckmittel gegen
die UPD und inwiefern ist dies nach Ansicht der Bundesregierung mit der
gesetzlich geforderten Nichteinmischung des GKV-Spitzenverbandes in die
Tätigkeit der UPD unvereinbar?

10. Inwiefern kann die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die im Vortext
zitierte Interpretation des Präsidenten der Bundesärztekammer nachvollzie-
hen, der GKV-Spitzenverband wolle sich mit der Vergabe an ein Wirt-
schaftsunternehmen ab 2016 einen unbequemen Kritiker vom Hals schaffen?

11. Inwiefern stimmt die Bundesregierung mit der in dem Brief dargestellten
Kritik des GKV-Spitzenverbandes überein?

12. Inwiefern hält die Bundesregierung die von der Unabhängigen Patientenbe-
ratung Deutschland verfassten Jahresberichte „Monitor Patientenberatung“
für tendenziös und/oder methodisch unsauber?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7827

13. Inwiefern erwartet die Bundesregierung, dass die künftigen Berichte der San-

vartis-Patientenberatung in Bezug auf die geäußerten Kritikpunkte des GKV-
Spitzenverbandes anders ausfallen als die der Unabhängigen Patientenbera-
tung Deutschland?

14. Inwiefern ist es nach Ansicht der Bundesregierung zulässig, wünschenswert
oder sogar erforderlich, dass die Patientenberatung in ihrer Beratungs- wie
auch in ihrer Berichtstätigkeit ein anwaltliches Verhältnis zu den Ratsuchen-
den hat und bewusst ihre Perspektive gerade bei Konflikten mit Kostenträ-
gern und/oder Leistungsträgern einnimmt?

15. Inwiefern stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass die Berichter-
stattung der UPD maßgeblich dazu beigetragen hat, das Problem der „Krank-
schreibungslücke“ beim Krankengeldbezug aufzudecken und zu identifizie-
ren und dass dies letztlich zu einer Rechtsänderung geführt hat, die die Stel-
lung der Versicherten in dieser Frage verbesserte?

16. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass in der nunmehr von Sanvartis
betriebenen Patientenberatung auch Beraterinnen und Berater tätig werden,
die zuvor in einem Call Center des Unternehmens im Auftrag von Kranken-
kassen im so genannten Krankengeldmanagement tätig waren und dabei Ver-
sicherte in die Krankschreibungslücke getrieben haben?

Berlin, den 7. März 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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