BT-Drucksache 18/7735

Einziehung von Geld und Wertsachen (Sicherheitsleistungen) von Asylsuchenden

Vom 24. Februar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7735
18. Wahlperiode 24.02.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Harald Petzold (Havelland),
Martina Renner, Kersten Steinke, Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich
und der Fraktion DIE LINKE.

Einziehung von Geld und Wertsachen (Sicherheitsleistungen) von
Asylsuchenden

Die Behörden von Bund und Ländern können von Asylsuchenden Sicherheits-
leistungen einbehalten, um die Kosten von Abschiebungen (§ 66 Absatz 5 des
Aufenthaltsgesetzes – AufenthG) oder Leistungen nach dem Asylbewerberleis-
tungsgesetz (§ 7a AsylbLG) zu decken.
Aus Sicht der Fragesteller sind die gesetzlichen Regelungen unverhältnismäßig.
Zwar spricht nichts dagegen, dass die – mutmaßlich sehr wenigen – Wohlhaben-
deren unter den Flüchtlingen ihre Lebensführung in Deutschland selbst finanzie-
ren. Allerdings wird ihnen die Möglichkeit eigenbestimmter Lebensführung ge-
nommen, wenn ihnen die Barmittel oder Vermögenswerte von Anfang an abge-
nommen werden. Sie erhalten nicht die Chance, unabhängig von Sozialleistungen
zu leben, sondern durch diese Beschlagnahmungen („Sicherheitsleistungen“)
wird vielmehr ihre sofortige Hilfsbedürftigkeit hergestellt.
Auch die Kosten für etwaige Zurückführungen oder Abschiebungen können
schon zu einem Zeitpunkt als Sicherheitsleistung einbehalten werden, zu dem
überhaupt noch keine vollziehbare Ausreiseaufforderung vorliegt.
Nach – vorläufigen – Angaben der Bundesregierung hat die Bundespolizei im
Jahr 2015 Sicherheitsleistungen nach § 66 Absatz 5 AufenthG in Höhe von fast
350 000 Euro erhoben (Antwort auf die Mündliche Frage 13 der Abgeordneten
Ulla Jelpke vom 27. Januar 2016 auf Bundestagsdrucksache 18/7330).
Nach Angaben der Rechtsanwältin Gisela Seidler erhalten die Asylsuchenden
hierüber keine Abrechnung (Kölner Stadt-Anzeiger, 21. Januar 2016).
Diesbezüglich, wie auch im Hinblick auf die Rückzahlungs- und Verzinsungsmo-
dalitäten sehen die Fragesteller Klärungsbedarf. Zudem muss berücksichtigt wer-
den, dass Asylsuchende – anders als normale „Hartz-IV“-Bezieher – kaum Frei-
beträge behalten dürfen. Je nach Bundesland wird ihnen allenfalls ein dreistelliger
Betrag belassen, wohingegen im „Hartz-IV“-System lebensaltersabhängige Frei-
beträge gelten, die Erwachsenen mehrere Tausend Euro als Schonvermögen ein-
räumen.

Drucksache 18/7735 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Behörden in Bund und Ländern sind nach Kenntnis der Bundesre-

gierung zur Einbehaltung von Sicherheitsleistungen von Asylsuchenden be-
rechtigt, und auf welcher Grundlage (bitte ggf. nach AufenthG und AsylbLG
differenzieren)?

2. Welche Maßnahmen sind den jeweiligen Behörden gestattet, um das Vor-
handensein von Barmitteln oder Wertgegenstände festzustellen (bitte
Rechts- oder Ermächtigungsgrundlage benennen)?
Welche Anforderungen werden dabei an das zuständige Personal gestellt?

3. In welcher Höhe hat die Bundespolizei im Jahr 2015 Sicherheitsleistungen
erhoben (bitte nach Rechtsgrundlagen unterscheiden und differenzieren, in-
wiefern es sich um Wertgegenstände oder Barmittel handelte)?

4. Wer genau ist dazu berechtigt, die Einbehaltung einer Sicherheitsleistung
nach § 66 Absatz 5 AufenthG zur Deckung etwaiger Rückführungs-/Ab-
schiebekosten anzuordnen?
a) Zu welchem Zeitpunkt kann eine solche Einbehaltung frühestens vorge-

nommen werden?
b) Ist für die Einbehaltung eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit einer

späteren Rückführung bzw. Abschiebung notwendig, und wenn ja, auf
welcher Grundlage ist der mit der Einbehaltung beauftragte Beamte zu
einer solchen Prognose in der Lage?

c) Inwiefern sind Rechtsmittel gegen eine Beschlagnahmung möglich, und
wie oft wurden solche Rechtsmittel in den Jahren 2015, 2014 und 2013
eingelegt (bitte nach Jahren und ggf. Rechtsmitteln differenzieren)?

5. Wo und von wem genau werden die einbehaltenen Barmittel sowie Wertge-
genstände nach § 66 Absatz 5 AufenthG jeweils aufbewahrt?

6. Werden einbehaltene Barmittel in den Fällen, in denen die betreffenden Per-
sonen abgeschoben werden und nach Abzug der Abschiebekosten ein „Rest-
guthaben“ bleibt oder aber die Personen freiwillig auf eigene Kosten ausrei-
sen, vor Durchführung der Abschiebung ausbezahlt oder erst danach?
Falls letzteres, wie gestaltet sich diese Auszahlung konkret?
Wie häufig waren solche Fälle im Jahr 2015?

7. Inwiefern erhalten die betreffenden Personen bei Verwendung der Sicher-
heitsleistung für die Deckung der Abschiebungskosten eine vollständige
Kostenaufstellung?

8. Wie häufig hat die Bundespolizei im Jahr 2015 Wertgegenstände einbehal-
ten?
a) Um welche Art Wertgegenstände handelte es sich dabei (bitte soweit

möglich vollständig angeben, falls das nicht möglich sein sollte, summa-
risch angeben)?

b) Wie gestaltet sich die allfällige Verwertung einbehaltener Wertgegen-
stände?
Inwiefern hat der Eigentümer die Möglichkeit, die Wertgegenstände ge-
gen die Zahlung einer entsprechenden Geldsumme auszulösen?

c) In welchem Umfang (Erlös) wurden im Jahr 2015 Wertgegenstände ver-
wertet, und in welchem Jahr wurden diese als Sicherheitsleistung einbe-
halten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7735
 

d) Was geschieht, wenn die Verwertung von Wertgegenständen nach Ver-
rechnung mit allfälligen Kosten ein „Restguthaben“ ergibt?
Inwiefern wird dieses ausbezahlt oder den betroffenen Personen in ihre
Heimatländer überwiesen, und was geschieht, wenn sie dort nicht erreich-
bar sind?

9. Wer bzw. welche Behörde oder welches Gremium legt fest, welche Wertge-
genstände aufgrund welcher genauen Kriterien einbehalten werden dürfen?
a) Gibt es Wertgegenstände, deren Einbehaltung untersagt ist, und wenn ja,

welche, und auf welcher Rechtsgrundlage?
b) Gehören Mobiltelefone und Laptops zu den nicht einzubehaltenden Wert-

gegenständen, um den Betroffenen die Möglichkeit zu belassen, mit An-
gehörigen zu kommunizieren, und wenn nein, warum nicht?

c) Inwieweit und aufgrund welcher Definitionen und Kriterien gehören Ehe-
ringe, Familienerbstücke oder traditioneller Hochzeitsschmuck dazu?

10. In welcher Höhe haben die Behörden der Länder im Jahr 2015 nach Kenntnis
der Bundesregierung Sicherheitsleistungen von Asylsuchenden einbehalten
(bitte soweit möglich nach Rechtsgrundlagen differenzieren)?

11. In welchem Umfang haben die Behörden der Länder im Jahr 2015 nach
Kenntnis der Bundesregierung Wertgegenstände einbehalten, und um welche
Art Wertgegenstände handelte es sich dabei (bitte soweit möglich vollständig
angeben, falls das nicht möglich sein sollte, summarisch angeben)?

12. Wie gestaltet sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Umgang mit Si-
cherheitsleistungen, die von den Behörden eines Bundeslandes erhoben wur-
den, wenn der Asylsuchende vor dem „Aufbrauchen“ der einbehaltenen Mit-
tel in ein anderes Bundesland verlegt wird?

13. Was geschieht nach Kenntnis der Bundesregierung mit Asylsuchenden, die
sich einer Leibesvisitation zum Zweck der Feststellung etwaiger Barmittel
oder sonstiger Vermögenswerte verweigern?
Inwiefern haben sie mit Anwendung von Gewalt, Zwang oder mit negativen
Folgen für ihr Asylverfahren zu rechnen (bitte ggf. nach Bundesländern dif-
ferenzieren)?

14. Erhalten die betroffenen Asylsuchenden eine Quittung über die einbehalte-
nen Barmittel oder Vermögenswerte, und wenn ja, durch welche Behörde?

15. Auf welcher Grundlagen entscheidet das durchführende Personal, ob Wert-
gegenstände zu beschlagnahmen sind?
Inwiefern sind sie darin geschult, etwa zu erkennen, ob es sich bei Schmuck-
stücken um wertvolle Juwelen oder um Modeschmuck handelt?

16. Welche Regelungen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung hinsichtlich
der Beschlagnahmung von Schmuck, der – insbesondere bei Eheringen
usw. – von hoher symbolischer Bedeutung für die Besitzer sein kann?

17. Inwiefern ist es aus Sicht der Bundesregierung sinnvoll, den – mutmaßlich
wenigen – Wohlhabenderen unter den Flüchtlingen so gut wie alle Barmittel
und Wertgegenstände abzunehmen und sie dadurch erst in den Stand der Be-
dürftigkeit zu versetzen, anstatt ihnen zu ermöglichen, solange wie möglich
auf den Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG zu verzichten und ihren
Lebensunterhalt selbst zu bestreiten (bitte begründen)?

Drucksache 18/7735 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

18. Welchen Selbstbehalt setzt die Bundespolizei bei der Erhebung von Sicher-
heitsleistungen nach § 66 Absatz 5 AufenthG an, und auf welcher Grund-
lage?
Inwiefern gibt es diesbezüglich entsprechende Rechts- oder Verwaltungsvor-
schriften?

19. Inwiefern legen die Länder nach Kenntnis der Bundesregierung den Asylsu-
chenden, denen Barmittel oder Wertgegenstände nach § 7a AsylbLG abge-
nommen wurden, vollständige Abrechnungen über die erbrachten Leistun-
gen vor?
Inwiefern haben die Betroffenen die Möglichkeit, einen Verzicht auf be-
stimmte Leistungen zu erklären (etwa zur Verfügung gestellte Lebensmittel),
um den entsprechenden Barwert zu behalten und sich selbst zu versorgen?

20. Inwiefern werden zurückzuzahlende (nicht aufgebrauchte) Barmittel oder
Wertgegenstände verzinst?

21. Welche Bundesländer verzichten nach Kenntnis der Bundesregierung auf die
Einbehaltung von Sicherheitsleistungen nach § 7a AsylbLG und frieren statt-
dessen lediglich die Auszahlung des sog. Taschengeldes ein, bis das Vermö-
gen der Asylsuchenden aufgebraucht ist bzw. den Selbstbehalt erreicht hat?

Berlin, den 23. Februar 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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