BT-Drucksache 18/762

EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug und Forderung nach umfassender Umsetzung des Grundsatzurteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. September 2012

Vom 10. März 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/762
18. Wahlperiode 10.03.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger,
Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Niema Movassat, Harald Petzold (Havelland),
Martina Renner und der Fraktion DIE LINKE.

EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen Sprachanforderungen beim
Ehegattennachzug und Forderung nach umfassender Umsetzung des
Grundsatzurteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. September 2012

An die Erstinitiantin dieser Kleinen Anfrage wenden sich immer wieder Bürge-
rinnen und Bürger, die infolge der Sprachanforderungen beim Ehegattennach-
zug für eine längere Zeitdauer von ihren ausländischen Ehepartnern getrennt
leben müssen. Die Fälle belegen, soweit deutsche Staatsangehörige betroffen
sind, die Kritik, wonach Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu
Härtefallprüfungen beim Ehegattennachzug zu Deutschen (Urteil vom 4. Sep-
tember 2012, 10 C 12.12) in der Praxis nicht wirksam umgesetzt werden
(vgl. Bundestagsdrucksache 17/14337). Über einen dieser Fälle berichtete die
„taz.die tageszeitung“ vom 29. Januar 2014 („Hochzeit mit Hindernissen“); die
betroffene Deutsche ist seit nunmehr eineinhalb Jahren von ihrem Ehemann ge-
trennt, weil es ihm in Nigeria trotz entsprechender Lernbemühungen und meh-
reren Tests nicht gelungen ist, Deutschkenntnisse auf dem Niveau A1 nachzu-
weisen.
In Randnummer (Rn.) 28 des oben genannten Urteils des BVerwG heißt es:
„Sind zumutbare Bemühungen zum Erwerb der Sprachkenntnisse ein Jahr lang
erfolglos geblieben, darf dem Visumbegehren des Ehegatten eines Deutschen
das Spracherfordernis nicht mehr entgegen gehalten werden“. Doch diese Jah-
resgrenze wird in der Praxis umgangen, indem Betroffenen vorgehalten wird, sie
hätten keine ausreichenden Bemühungen zum Spracherwerb unternommen bzw.
dies nicht nachgewiesen, so auch im oben genannten Fall. Obwohl der Spracher-
werb über ein Jahr hinweg erfolglos geblieben war und Bemühungen u. a. mit
Hilfe eines Privatlehrers nachgewiesen worden waren, obwohl die Prüfungs-
ergebnisse eine steigende Tendenz aufwiesen, obwohl ausreichende mündliche
Deutschkenntnisse nachgewiesen worden waren und obwohl kein Internet und
kein Sprachkursangebot in erreichbarer Nähe zur Verfügung standen – obwohl
also geradezu mustergültig alle Hinweise des BVerwG zur Annahme eines Här-
tefalls erfüllt waren –, wurde dem Nigerianer der Ehegattennachzug mit der Be-
gründung versagt, er habe nicht „ernsthaft und nachhaltig versucht, sich Grund-
kenntnisse der deutschen Sprache anzueignen“ (Bescheid des Generalkonsulats
in Lagos vom 10. Oktober 2013). Die damalige Staatsministerin im Auswärtigen
Amt Cornelia Pieper, an die sich die Abgeordnete Sevim Dağdelen in diesem
Fall zwei Mal mit der Bitte um Abhilfe gewandt hatte, mochte die Entscheidung
nach Rücksprache mit ihrem „Fachressort“ dennoch nicht korrigieren. Für die
Fragestellerinnen und Fragesteller ist dies ein Beleg dafür, dass die aus ihrer
Sicht mangelhafte Umsetzung des BVerwG-Urteils entweder auf Zustimmung

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der Führung des Bundesministeriums stößt, oder aber, dass das „Fachressort“
die Leitlinien der Politik des Hauses bestimmt.
Der neue Bundesminister des Auswärtigen, Frank-Walter Steinmeier (SPD), ist
Mitglied einer Partei, die die Regelung der Sprachanforderungen mit beschlos-
sen, in der Opposition dann aber die Rücknahme dieser Beschränkung des Ehe-
gattennachzugs gefordert hat. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und
SPD findet sich hierzu nichts. Umso mehr kann vom Außenminister nach An-
sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller erwartet werden, dass er in seiner
Zuständigkeit zumindest für eine korrekte Umsetzung der höchstrichterlichen
Rechtsprechungsvorgaben sorgt, was unter anderem eine grundlegende Neufor-
mulierung und Klarstellung der entsprechenden Weisung des Auswärtigen Amts
vom 6. Dezember 2012 erfordert (vgl. hierzu Bundestagsdrucksache 17/14337).
Allerdings wird sich der Bundesminister dabei nicht auf die Staatsministerin
beim Bundesminister des Auswärtigen Dr. Maria Böhmer stützen können, von
der als langjähriger Verteidigerin dieser Regelung nach Auffassung der Frage-
steller keine selbstkritische Korrektur zu erwarten ist (vgl. Vorbemerkung der
Fragesteller auf Bundestagsdrucksache 16/8175 und die Fragen 9 bis 12).
In einem weiteren Beschluss vom 3. September 2013 (10 B 14.13) erklärt das
BVerwG, sprachlich eindeutiger als noch im Grundsatzurteil, im Zusammen-
hang des Spracherfordernisses beim Ehegattennachzug zu Deutschen unmiss-
verständlich, dass „eine Nachzugsverzögerung von einem Jahr die Grenze der
Zumutbarkeit markiert“ (Rn. 14). Ab spätestens diesem Zeitpunkt überwiegen
die persönlichen Belange der Eheleute an einem gemeinsamen Zusammenleben
in Deutschland etwaige öffentliche Interessen an einem Nachweis der Sprach-
kenntnisse bereits im Ausland.
Die oben geschilderte Praxis mangelnder Härtefallprüfungen ist von besonderer
Bedeutung, weil die Bundesrepublik Deutschland im laufenden Vertragsverlet-
zungsverfahren nach Auffassung der Fragesteller gegenüber der Europäischen
Kommission den Eindruck zu erwecken versuchte, dass gesetzliche Ausnahme-
regelungen und Vorgaben der Rechtsprechung im Ergebnis wie eine allgemeine
Härtefallregelung wirken würden und deshalb allen denkbaren Einzelfallum-
ständen Rechnung getragen werden könne (Mitteilung der Bundesregierung
vom 30. Juli 2013 an die Kommission). Doch wenn schon beim Nachzug zu
deutschen Staatsangehörigen die diesbezüglichen Härtefallvorgaben des
BVerwG weitgehend ins Leere laufen, ist davon auszugehen, dass dies beim
Nachzug zu Drittstaatsangehörigen umso mehr der Fall ist. Denn die diesbezüg-
liche Entscheidung des BVerwG vom 30. März 2010, die nach Ansicht der
Fragestellerinnen und Fragesteller mit EU-Recht unvereinbar ist (vgl. Bundes-
tagsdrucksache 17/2816, dort insbesondere die Vorbemerkung der Fragesteller
und die Antwort der Bundesregierung auf die Fragen 24 ff.), stellt derart hohe
Anforderungen, dass sie in der Praxis faktisch kaum zu erfüllen sind. Dies bele-
gen auch Daten zu Aufenthaltserlaubniserteilungen nach § 16 Absatz 5 des Auf-
enthaltsgesetzes (AufenthG), die nach Ansicht des BVerwG zur Regelung von
Härtefällen genutzt werden sollten: Ihre Zahl hat sich infolge der Entscheidung
des BVerwG in keiner Weise verändert (vgl. Bundestagsdrucksache 17/12780,
Antwort zu Frage 20); die Bundesregierung erklärte darüber hinaus, dass das
Urteil des BVerwG nur besondere Ausnahmefälle unverhältnismäßiger Be-
lastungen betreffe, deshalb auch keinen Anstieg der Zahlen zu § 16 Absatz 5
AufenthG zur Folge haben müsse (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14337, Ant-
wort zu Frage 26).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Ist der Bundesminister des Auswärtigen, Frank-Walter Steinmeier, dazu be-

reit, auch vor dem Hintergrund des neuerlichen Beschlusses des BVerwG
vom 3. September 2013 (10 B 14.13), die Weisung des Auswärtigen Amts

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/762
vom 6. Dezember 2012 (Gz.: 508-03-516.00 SB 4) zur Umsetzung des Ur-
teils des BVerwG vom 4. September 2012 zu überprüfen bzw. abzuändern,
weil diese mit zu der in der Vorbemerkung der Fragesteller geschilderten
Praxis geführt hat, etwa wenn darin verlangt wird, dass „ernsthafte und nach-
haltige Lernanstrengungen plausibel und nachvollziehbar dargelegt werden“
müssen, aber auch, weil in der Weisung die eindeutige Vorgabe des BVerwG-
Urteils fehlt, wonach in bestimmten Fällen die Jahresfrist nicht abgewartet
und sofort ein Visum erteilt werden muss, wenn von vornherein absehbar ist,
dass der Spracherwerb in diesem Zeitraum in zumutbarer Weise nicht ge-
lingen wird (vgl. Vorbemerkung der Fragesteller auf Bundestagsdrucksache
17/14337); wenn nein, warum nicht, und wenn ja, wann ist mit welchen Kor-
rekturen zu rechnen?

2. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es (spätestens) nach
dem Beschluss des BVerwG vom 3. September 2013 (10 B 14.13, Rn. 14) un-
zulässig ist, den Nachzug zu einem deutschen Ehepartner nach Ablauf eines
Jahres (noch) mit der Begründung fehlender Sprachnachweise zu verwei-
gern, da mit diesem Beschluss unmissverständlich klargestellt wird, dass in
diesen Fällen „eine Nachzugsverzögerung von einem Jahr die Grenze der Zu-
mutbarkeit markiert“, zumal nach Ablauf dieser Frist am Spracherfordernis
durch nachzuweisende Lernbemühungen im Inland festgehalten werden kann
(bitte ausführlich antworten)?

3. Ab wann beginnt nach Ansicht der Bundesregierung die Einjahresfrist zu lau-
fen (z. B. Tag der Heirat, getrennte Wohnsitze durch Rückkehr eines Partners
nach Deutschland, Beginn des Spracherwerbs, Datum des Visumantrags),
und stimmt die Bundesregierung darin überein, dass die Einjahresfrist eine
Maximalfrist ist, d. h., dass in Fällen, in denen öffentliche Interessen weniger
ins Gewicht fallen (z. B. wenn aufgrund der Einzelfallumstände offenkundig
ist, dass keine Zwangsverheiratung vorliegt, oder wenn der Lebensunterhalt
gesichert ist), bereits (deutlich) vor Ablauf der Einjahresfrist die Einreise er-
möglicht werden muss (wenn auch alle weiteren Voraussetzungen erfüllt
sind, bitte begründen)?

4. Stimmt die Bundesregierung darin überein, dass, wenn Ehegatten Deutscher
im Visumverfahren vortragen, dass der geforderte Spracherwerb innerhalb
eines Jahres in zumutbarer Weise im Einzelfall nicht zu schaffen ist, die Visa-
stellen prüfen müssen, ob dies der Fall ist und gegebenenfalls bei Vorliegen
auch der übrigen Voraussetzungen ein Visum zur Familienzusammenführung
sofort und ohne Verweis auf einen zunächst einjährigen Spracherwerb erteilen
und anderenfalls eine ablehnende Entscheidung schriftlich und rechtsmittel-
fähig begründen müssen (Wiederholung der Frage 16 auf Bundestagsdruck-
sache 17/14337, weil die letzte Teilfrage, ob anderenfalls eine ablehnende
Entscheidung schriftlich und rechtsmittelfähig begründet werden muss, nicht
beantwortet wurde), und wenn nein, warum nicht?

5. Wie erklärt sich die Bundesregierung vor dem Hintergrund ihrer Antwort zu
Frage 16 auf Bundestagsdrucksache 17/14337, dass der Erstinitiantin dieser
Kleinen Anfrage immer wieder Einzelfälle bekannt werden, in denen Betrof-
fene nicht zur Vorsprache vorgelassen werden und/oder keinen schriftlichen
Bescheid erhalten, wenn sie vorbringen, dass der Spracherwerb innerhalb
eines Jahres nicht zuzumuten und ein Visum deshalb sofort zu erteilen ist,
und was unternimmt sie, um diese rechtswidrige Praxis wirksam zu unter-
binden?

Drucksache 18/762 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
6. Kann die Bundesregierung beispielhaft fünf Fälle benennen (bitte die
20 wichtigsten deutschen Visastellen abfragen), in denen (jenseits der
gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen und jenseits der Sonderregelung für
syrische Staatsangehörige) beim Ehegattennachzug zu Deutschen von vorn-
herein auf ein einjähriges Bemühen um den Spracherwerb abgesehen
wurde, weil die Visastelle im Einzelfall zu dem Ergebnis kam, dass die
geforderten Sprachkenntnisse in zumutbarer Weise nicht innerhalb eines
Jahres zu erreichen waren, und um welche Einzelfallkonstellationen in wel-
chen Ländern handelte es sich dabei?

7. Welche Einschätzungen haben die 20 wichtigsten deutschen Visastellen
dazu, in welchem Umfang die Einreise zu deutschen Ehegatten infolge des
BVerwG-Urteils vom 4. September 2012 auch ohne A1-Zertifikat ermög-
licht wird (bitte so differenziert wie möglich darlegen)?

8. Wie ist es zu erklären, dass einer deutschen Ehegattin, deren Mann seit
einem Jahr mit Lehrbuch und CD Deutsch gelernt hatte und trotz eines
guten Gefühls beim Sprachtest durchgefallen war, durch die Visastelle der
deutschen Botschaft in Kingston/Jamaika per E-Mail im Juli 2013 (liegt der
Erstinitiantin dieser Kleinen Anfrage vor) fälschlich mitgeteilt wurde „Wir
möchten darauf verweisen, dass ein Deutschtest mit positivem Abschluss
unabdingbar ist und wir hier eben keinen Spielraum haben, sondern uns an
die geltenden Gesetze und Vorschriften halten“, statt auf die Ausnahme-
regelung beim Nachzug zu Deutschen infolge des BVerwG-Urteils vom
4. September 2012 hinzuweisen und diese anzuwenden?

9. Wie ist das genaue Zuständigkeits-, Entscheidungs- und Verantwortungs-
verhältnis bzw. wie verläuft die konkrete Zusammenarbeit zwischen Visa-
stellen und Ausländerbehörden bei der Prüfung der Erteilung von Visa im
Rahmen des Ehegattennachzugs (bitte so konkret und detailliert wie mög-
lich darstellen, sowohl hinsichtlich der Rechtsgrundlagen als auch hinsicht-
lich des Abstimmungsverfahrens und Ablaufs in der Praxis), da der Erst-
initiantin dieser Kleinen Anfrage immer wieder Fälle bekannt werden, in
denen Ausländerbehörden auf die letztliche Zuständigkeit der Visastellen
und diese wiederum auf die letztliche Zuständigkeit der Ausländerbehörden
verweisen, so dass für die Betroffenen nicht mehr nachzuvollziehen ist,
welche Behörde letztlich entscheiden wird bzw. an welche Behörde sie sich
in ihrer Angelegenheit wenden müssen?

10. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
daraus, dass nach den Erfahrungen der Erstinitiantin dieser Kleinen Anfrage
viele deutsche Ehegatten bis heute nichts von dem Urteil des BVerwG vom
4. September 2012 und den daraus folgenden begünstigenden Regelungen
wissen, und inwieweit lässt sich dies unter anderem damit erklären, dass es
nirgendwo detailliertere Auskünfte der Bundesregierung für Betroffene
dazu gibt, was der genaue Inhalt des Urteils des BVerwG vom 4. September
2012 ist und welche konkreten Ausnahmen nach Ansicht der Bundesregie-
rung hieraus folgen?

11. Ist die Bundesregierung tatsächlich der Auffassung, dass es der Realität
eines Visumverfahrens entspricht, dass „die von der Rechtsprechung ent-
wickelten Ausnahmetatbestände […] von den zuständigen Konsularbeamten
[…] von Amts wegen geprüft und angewandt und mit dem Antragsteller, so-
fern erforderlich, erörtert“ werden (siehe die Antwort zu Frage 17 auf Bun-
destagsdrucksache 17/14337), mit welcher konkreten Anweisung wird eine
solche Prüfung etwaiger Ausnahmetatbestände infolge der Rechtsprechung
von Amts wegen vorgegeben (bitte mit Datum nennen und im Wortlaut
zitieren), und wie ist diese Aussage damit zu vereinbaren, dass nach den
Erfahrungen der Erstinitiantin dieser Kleinen Anfrage eine Prüfung von

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/762
Ausnahmetatbeständen nach der Rechtsprechung häufig nicht einmal dann
erfolgt, wenn diese ausdrücklich beantragt wird?

12. Inwieweit hält die Bundesregierung die von den Generalkonsulaten ver-
wandten Merkblätter zu Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug für
ausreichend bzw. verbesserungsbedürftig bzw. weshalb macht sie keine ver-
einheitlichenden Vorgaben hierzu, wenn zum Beispiel in dem Merkblatt des
Generalkonsulats in Istanbul zwar wenige Ausnahmeregelungen benannt
werden, nicht aber die Härtefallregelung infolge des BVerwG-Urteils vom
4. September 2012, und wenn in dem Merkblatt des Generalkonsulats in
Moskau keine einzige, auch keine gesetzliche, Ausnahmeregelung genannt
wird (vielmehr heißt es dort „Deshalb muss seit dem 28.08.2007 jeder An-
tragsteller, der zum Zweck der Eheschließung oder der Familienzusammen-
führung zum Ehepartner nach Deutschland reisen möchte, Grundkenntnisse
der deutschen Sprache nachweisen“ –; bitte ausführen)?

13. Gibt es neben dem von den deutschen Auslandsvertretungen in China ver-
wandten Merkblatt (Stand November 2013) weltweit noch weitere, die aus-
drücklich auf das Urteil des BVerwG vom 4. September 2012 und daraus
folgende Ausnahmen hinweisen, wenn ja, welche, und wenn nein, warum
nicht?

14. Wieso wird möglicherweise weder in weiteren Merkblättern der General-
konsulate zu Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug noch im Infor-
mationsflyer des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zum
Spracherfordernis beim Ehegattennachzug auf die Ausnahmen, die sich aus
dem Urteil des BVerwG vom 30. März 2010 bezüglich des Ehegattennach-
zugs zu Drittstaatsangehörigen ergeben, hingewiesen (bitte begründen)?

15. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass gesetzliche Ausnahmerege-
lungen und Vorgaben der Rechtsprechung zu Härtefallentscheidungen im
Rahmen von § 16 Absatz 5 AufenthG beim Ehegattennachzug zu Dritt-
staatsangehörigen im Ergebnis wie eine allgemeine Härtefallregelung wir-
ken und deshalb allen denkbaren Einzelfallumständen auch im Sinne des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Sinne der EU-Familienzusammen-
führungsrichtlinie und der EU-Grundrechtecharta Rechnung getragen wer-
den kann (bitte begründen), und wenn ja, wie ist dies damit zu vereinbaren,
dass sie auf Bundestagsdrucksache 17/14337 in ihrer Antwort zu Frage 26
nach der unverändert gleichgebliebenen Zahl entsprechender Aufenthaltser-
teilungen nach § 16 Absatz 5 AufenthG erklärt hat, dass sich aus dem Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 2010 kein Anstieg von zum
Spracherwerb in Deutschland erteilten Aufenthaltserlaubnissen nach § 15
Absatz 5 AufenthG ergeben müsse?
Ist die Bundesregierung also beispielsweise der Auffassung, dass relevante
Ausnahmefälle quantitativ nur in sehr geringer Größenordnung auftreten,
oder wie erklärt sich der nach Auffassung der Fragesteller bestehende
Widerspruch (bitte darlegen)?

16. Ist die Bundesregierung der Auffassung, bei den im Rahmen des Ehegatten-
nachzugs verlangten Sprachnachweisen handele es sich um äußerst niedrige
Anforderungen, die auch im Selbststudium gut zu bewältigen seien (bitte
begründen), und wenn ja, wie ist dies damit zu vereinbaren, dass etwa ein
Drittel aller Prüfungsteilnehmenden (unter Umständen auch trotz mehrma-
ligen Versuchs) den Test im Ausland nicht besteht (vgl. Bundestagsdruck-
sache 17/14337, Tabellen zu den Fragen 27 und 28, selbst ein Viertel der
Teilnehmer entsprechender Deutschkurse der Goethe-Institute besteht den
Test nicht), und ist diese Auffassung auch in Hinblick auf die Gruppe der
primären Analphabeten aufrechtzuerhalten, bei denen die Bundesregierung
selbst festgestellt hat, dass diese sich die geforderten Sprachkenntnisse

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nicht im Selbststudium aneignen können (vgl. Bundestagsdrucksache 16/
11997, Antwort der Bundesregierung zu Frage 8e; bitte ausführen)?

17. Ist es zutreffend, dass das BVerwG-Urteil vom 30. März 2010 einen Härte-
fall bzw. Ausnahmefall beim Ehegattennachzug zu Drittstaatsangehörigen
nur dann vorsieht, wenn nicht nur der Spracherwerb im Ausland unzumut-
bar ist, sondern zudem eine Ausreise des hier lebenden Stammberechtigten
bzw. die Führung der Ehe im Ausland unzumutbar ist (was im konkret vom
BVerwG entschiedenen Fall trotz langjährigen Aufenthalts, unbefristeter
Aufenthaltserlaubnis und stabiler Existenzsicherung verneint wurde), und
wie ist dies damit vereinbar, dass die EU-Familienzusammenführungsricht-
linie (bei Vorliegen aller Voraussetzungen) einen subjektiven Rechtsan-
spruch auf Einreise vermittelt und einen solchen Verweis auf die Führung
der Ehegemeinschaft im Ausland nicht vorsieht (bitte ausführen)?

18. Wie viele Aufenthaltserlaubnisse nach § 16 Absatz 5 AufenthG wurden im
Jahr 2013 an visumpflichtige Staatsangehörige erteilt (bitte auch nach den
20 wichtigsten Herkunftsländern differenzieren und die jeweiligen Vorjah-
reswerte nennen), und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht
die Bundesregierung aus diesen Zahlen insbesondere in Hinblick darauf,
dass es nach Auffassung der Fragesteller nach dem Urteil des BVerwG vom
4. September 2012 zur Aufenthaltserteilung nach § 16 Absatz 5 AufenthG
zur Ermöglichung des Ehegattennachzugs zu Deutschen in Härtefällen
einen Anstieg gegeben haben müsste (bitte nachvollziehbar begründen)?

19. Welche weiteren Urteile oder Beschlüsse sind nach Kenntnis der Bundes-
regierung zur Thematik der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug
seit der Antwort der Bundesregierung zu Frage 22 auf Bundestagsdruck-
sache 17/14337 ergangen (bitte mit Datum, Aktenzeichen und Kurzinhalt
benennen)?

20. Wie ist der genaue Stand des von der Europäischen Kommission wegen der
deutschen Regelung der Sprachanforderungen im Ausland beim Ehegatten-
nachzug eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens (Nummer 2013/2009),
was plant nach Kenntnis der Bundesregierung die Europäische Kommis-
sion als nächsten Schritt, und was wird die Bundesregierung weiter unter-
nehmen?

21. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der genaue Stand des Verfah-
rens des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Dogan“ (C-138/
13), und was werden die nächsten Schritte sein?

22. Hat es weitere Treffen, Besprechungen, Vereinbarungen der Arbeitsgruppe
aus Vertretern der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten im
Rahmen der Grünbuch-Evaluierung der EU-Familienzusammenführungs-
richtlinie gegeben, und wenn ja, wann, welchen Inhalts und mit welchem
Ziel bringt sich die Bundesregierung hier ein, und wie sind die weiteren in-
haltlichen und verfahrenstechnischen Planungen bezüglich dieser Arbeits-
gruppe (Nachfrage zu Frage 30 auf Bundestagsdrucksache 17/14337)?

23. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der aktuelle Stand der Erarbei-
tung von Leitlinien zur Auslegung der EU-Familienzusammenführungs-
richtlinie durch die Europäische Kommission, und was ist der Bundesregie-
rung über etwaige Inhalte und nächste Verfahrensschritte bekannt?

24. Welche neuen Informationen hat die Bundesregierung zu der Frage, inwie-
weit im Inland zur Integrationskursteilnahme verpflichtete Personen dieser
Pflicht aus ihnen vorwerfbaren Gründen nicht nachkommen (bitte so genau
wie möglich darlegen), und wenn die Bundesregierung weiterhin keine ge-
naueren Angaben hierzu machen kann, wie ist dies damit zu vereinbaren,
dass der Abgeordnete Reinhard Grindel (CDU) im Rahmen einer dies-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/762
bezüglichen Gesetzesänderung im Jahr 2011 im Plenum des Deutschen
Bundestages erklärte, dass „wir“ durch die Neuregelung „erstmals das be-
kommen, was Sie immer anmahnen: belastbare Zahlen über Integrations-
verweigerer. […] Wir werden zum ersten Mal flächendeckend für ganz
Deutschland sehr genau wissen, wie viele Personen dieser Pflicht [zur Inte-
grationskursteilnahme] nicht nachgekommen sind“ (Plenarprotokoll 17/96,
Seite 10989)?

25. Wie ist die Antwort der Bundesregierung zu Frage 33 auf Bundestagsdruck-
sache 17/14337 zu verstehen, „die Vorschrift des § 8 Absatz 3 Satz 6
AufenthG“ beinhalte, dass „eine Aufenthaltserlaubnis bei Verletzung der
Teilnahmepflicht“ nur um ein Jahr verlängert werden solle, obwohl es nach
Auffassung der Fragesteller bei dieser Vorschrift nicht um Verletzungen der
Teilnahmepflicht, sondern um den Abschluss des Integrationskurses auf
dem Sprachniveau B1 GER geht (bitte ausführen)?

26. Wenn die Bundesregierung zu Frage 33 auf Bundestagsdrucksache 17/
14337 antwortet, dass nach einer „Abfrage bei den Bundesländern“ von der
Regelung des § 8 Absatz 3 Satz 6 AufenthG „in hohem Maße Gebrauch ge-
macht“ wird, auf welche Abfrage bezieht sie sich dabei, und was genau hat
diese erbracht?

27. Wie viele Visa zum Ehegattennachzug wurden an syrische Ehegatten erteilt,
seitdem von diesen auf einfache Sprachnachweise verzichtet wird, wie viele
syrische Personen reisten seitdem im Rahmen des Ehegattennachzugs ein
(bitte nach Jahren differenzieren), wie vielen wurde eine Aufenthaltserlaub-
nis im Rahmen des Familiennachzugs erteilt, und welche Erkenntnisse oder
Hinweise liegen der Bundesregierung dazu vor, dass diese Ehegatten nach
ihrer Einreise selbstverschuldet nicht an einem Integrationskurs in Deutsch-
land teilgenommen haben?
Wenn ihr keine solchen Informationen über einen verweigerten Spracher-
werb nach der Einreise vorliegen, mit welcher Begründung soll dann die
Anforderung des Sprachnachweises im Ausland generell aufrechterhalten
werden, obwohl der Spracherwerb im Inland einen weitaus weniger schwe-
ren Eingriff in das grundrechtlich geschützte Ehe- und Familienleben dar-
stellt und alle Grundrechtseingriffe einer besonderen Begründung bedürfen
(bitte ausführen)?

28. Inwieweit und mit welchem Ergebnis hat sich die Bundesregierung mit der
französischen Regierung über deren Regelung zu Sprachanforderungen
beim Ehegattennachzug ausgetauscht, die nach Information der Fragesteller
nicht nur klare Zeitvorgaben für ein möglichst zügiges Verfahren beinhaltet,
sondern auch, dass der französische Staat den Drittstaatsangehörigen im
Ausland die nach einer Eingangsprüfung für notwendig erachteten Lern-
maßnahmen kostenfrei anbietet (die aber auch nur dann bereits im Ausland
in Anspruch genommen werden müssen, wenn sie für die Betroffenen zu-
mutbar sind, andernfalls erfolgt dies im Inland), und die vorsieht, dass die
Einreise der Ehegatten nach einer zweiten Sprachprüfung unabhängig vom
Ergebnis erlaubt werden muss, um den Betroffenen den weiteren Spracher-
werb im Inland zu ermöglichen, und warum nimmt sich die Bundesregie-
rung nicht dieses – in jedem Fall für die Betroffenen weniger belastende –
Modell Frankreichs als Vorbild, wenn sie schon an so genannten Vorinte-
grationsmaßnahmen im Ausland festhalten will (bitte begründen)?

29. Wie viele Aufenthaltserlaubnisse wurden im Jahr 2013 erstmalig im Rah-
men des Ehegattennachzugs erteilt (bitte auch nach den 20 wichtigsten Her-
kunftsländern differenzieren)?

Drucksache 18/762 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
30. Wie viele Visa zum Ehegattennachzug wurden im Jahr 2013 erteilt (bitte
auch nach den 20 wichtigsten Herkunftsländern differenzieren und zudem
die jeweiligen prozentualen Veränderungen gegenüber dem Vorjahr benen-
nen)?
a) Wie lautet die gesonderte Statistik des Auswärtigen Amts zum Sprach-

nachweis beim Ehegattennachzug für die zehn Hauptherkunftsländer für
das Jahr 2013?

b) Wie hoch war der Anteil „Externer“ bei Sprachprüfungen „Start
Deutsch 1“ der Goethe-Institute weltweit im Jahr 2013 bzw. zum letzten
verfügbaren Stand (bitte auch nach den 20 wichtigsten Herkunftsländern
differenzieren)?

c) Wie hoch waren die Bestehensquoten bei Sprachprüfungen „Start
Deutsch 1“ der Goethe-Institute weltweit im Jahr 2013 bzw. zum letzten
verfügbaren Stand (bitte auch nach externen und internen Prüfungs-
teilnehmenden sowie nach den 20 wichtigsten Herkunftsländern diffe-
renzieren und zudem die jeweils 15 Länder mit den höchsten bzw. nied-
rigsten Quoten mit einer Teilnehmendenzahl von über 100 angeben)?

d) Ist inzwischen die vom Goethe-Institut Anfang 2009 begonnene Soft-
wareentwicklung abgeschlossen bzw. die entsprechende Software im
Einsatz, mit der die Erfolgsquoten bei Sprachprüfungen im Ausland dif-
ferenziert nach erster bzw. wiederholter Teilnahme erfasst werden sollen
(vgl. die Antwort der Bundesregierung zu Frage 5 auf Bundestagsdruck-
sache 17/194), und wenn nein, warum nicht, und welche Schlussfolge-
rungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus, und wenn
ja, wie lauten die entsprechend differenzierten Daten?

Berlin, den 10. März 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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