BT-Drucksache 18/7606

Unklare Rechtslage infolge verzögerter Asylantragstellungen

Vom 17. Februar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7606
18. Wahlperiode 17.02.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Jan Korte,
Harald Petzold (Havelland), Martina Renner, Kersten Steinke, Halina Wawzyniak
und der Fraktion DIE LINKE.

Unklare Rechtslage infolge verzögerter Asylantragstellungen

Bevor Asylsuchende einen formellen Asylantrag stellen können – und infolge-
dessen eine Aufenthaltsgestattung erhalten –, vergehen derzeit wegen organisa-
torischer und personeller Engpässe beim Bundesamt für Migration und Flücht-
linge (BAMF) oft Monate. In dieser Zeit verfügen die Asylsuchenden lediglich
über eine „Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender“ (BüMA); nach
Inkrafttreten des Datenaustauschverbesserungsgesetzes wird diese Bescheini-
gung nach der Meldung in der zuständigen Erstaufnahmeeinrichtung als „An-
kunftsnachweis“ erteilt. Trotz Kritik, etwa in der Sachverständigenanhörung zum
Gesetz (http://dbtg.tv/cvid/6375483), wurde jedoch nicht explizit geregelt, wel-
che Rechte mit dem Ankunftsnachweis verbunden sind, etwa in Bezug auf soziale
Leistungsansprüche, bzw. inwieweit die Zeit vor der förmlichen Asylantragstel-
lung beim BAMF zu berücksichtigen ist, wenn es zum Beispiel um die Berech-
nung der Fristen für den Zugang zu beruflicher Ausbildung und zu regulärer Er-
werbsarbeit, zu privatem Wohnraum, Reisefreiheit oder die Beantragung eines
dauerhaften humanitären Bleiberechts geht.
Auf Bundestagsdrucksache 18/4581 antwortete die Bundesregierung zu Frage 3
der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. nach Anwendungshinweisen des
BAMF für die Ausländerbehörden zur Klärung von Unsicherheiten im Umgang
mit Asylsuchenden, die noch keinen förmlichen Asylantrag stellen konnten, dass
es solcher Handreichungen nicht bedürfe, weil den Ausländerbehörden die
Rechtslage bekannt sei, wonach die Aufenthaltsgestattung grundsätzlich bereits
mit Äußerung eines Asylgesuchs entstehe. Zu Frage 8 nach den Konsequenzen
im Zusammenhang der Residenzpflicht, des Arbeitsmarktzugangs und des Zu-
gangs zu Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) er-
klärte die Bundesregierung, dass geprüft werde, „wie die Funktion der BüMA als
Nachweis für ein Asylgesuch und damit als ein Nachweis für den Beginn be-
stimmter Fristen in der Praxis verbessert werden kann“; dies konnte so verstanden
werden, dass die Fristen bereits mit der Ausstellung der BüMA zu laufen begin-
nen.
Einzelne Regelungen zu sozialen Rechten Asylsuchender knüpfen jedoch explizit
an den Besitz einer Aufenthaltsgestattung bzw. einen gestatteten Aufenthalt als
solchen an (vgl. § 1 Absatz 1 Nummer 1 AsylbLG, vgl. für den Zugang zu Be-
schäftigung § 32 Absatz 1, 4 und 5 der Beschäftigungsverordnung sowie § 61
Absatz 2 des Asylgesetzes – AsylG –, vgl. für den Zugang zu Integrationskursen
§ 44 Absatz 4 Nummer 1 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG –, vgl. zu Vo-
raufenthaltszeiten für ein humanitäres Bleiberecht die §§ 25a und 25b AufenthG).
Dies führt zu Rechtsunsicherheiten für Behörden und Betroffene, denn nach § 55

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Absatz 1 Satz 1 AsylG gilt zwar der Aufenthalt ab dem Zeitpunkt des Asylge-
suchs als gestattet – nach § 55 Absatz 1 Satz 3 AsylG soll dies jedoch nicht gelten
nach einer unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat, in diesen Fällen
soll die Aufenthaltsgestattung erst mit Stellung des Asylantrags erworben wer-
den. Der Tatbestand der unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat dürfte
bei Asylsuchenden zwar der Regelfall sein, aus den erteilten Aufenthaltsdoku-
menten (Warte- oder Umverteilungsbescheide der Landesaufnahmestellen,
BüMA, Ankunftsnachweis usw.) geht dieser Umstand jedoch nicht hervor, so
dass § 55 Absatz 1 AsylG in der behördlichen Anwendung problematisch ist.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Dr. Ole
Schröder, betonte bei der Anhörung des Innenausschusses des Bundestages zum
Entwurf des Datenaustauschverbesserungsgesetzes am 11. Januar 2016 (http://
dbtg.tv/cvid/6375483, ab 1 Stunde 27 Minuten), dass es nach einer Einreise über
einen sicheren Drittstaat auf die Asylantragstellung beim BAMF ankomme, damit
zum Beispiel die dreimonatige Wartefrist für den Arbeitsmarktzugang beginne.
Nach Ansicht der Fragestellerinnen und Fragesteller ist es jedoch höchst bedenk-
lich, die Wartefristen für die Gewährung bestimmter sozialer Teilhaberechte von
einer von den Asylsuchenden faktisch unmöglichen Handlung bzw. dem durch
sie nicht beeinflussbaren Termin zur förmlichen Asylantragstellung abhängig zu
machen, denn dass den Betroffenen nach einem ersten Asylgesuch bei einer Lan-
desaufnahmestelle keine unmittelbare Asylantragstellung beim BAMF ermög-
licht wird, liegt nicht in ihrem Verschulden, sondern an den begrenzten Kapazi-
täten bzw. Arbeitsabläufen des BAMF. Vor diesem Hintergrund werden klärende
Auskünfte der Bundesregierung erbeten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Aussage des Leiters der Berliner

Ausländerbehörde in der Anhörung des Bundestagsinnenausschusses zum
Entwurf des Datenaustauschverbesserungsgesetzes am 11. Januar 2016, dass
gemäß den §§ 63 und 63a AsylG für die Dauer des Asylverfahrens künftig
drei verschiedene Identitäts- und Aufenthaltsdokumente auszustellen sind,
nämlich erstens ein vom erstaufnehmenden Bundesland (z. B. Bayern) zu er-
stellender, im Gesetz nicht näher geregelter erster Aufnahme-, Umvertei-
lungs- bzw. Zuweisungsbescheid nach dem Königsteiner Schlüssel (bisher
„BüMA“), zweitens ein von der nach dem Königsteiner Schlüssel zuständi-
gen Landesaufnahmestelle ausgestellter „Ankunftsnachweis“ nach § 63a
AsylG und drittens, nach förmlicher Asylantragstellung, schließlich eine
Aufenthaltsgestattung nach § 63 AsylG, welche Schlussfolgerungen und
Konsequenzen zieht sie daraus, und inwieweit ist dies mit dem Ziel einer
Asylverfahrensbeschleunigung vereinbar?

2. Inwiefern teilt die Bundesregierung die in der schriftlichen Stellungnahme
des Flüchtlingsrates Berlin e. V. zur Anhörung des Bundestagsinnenaus-
schusses zum Entwurf des Datenaustauschverbesserungsgesetzes am 11. Ja-
nuar 2016 (Ausschussdrucksache 18(4)477) vorgelegte Dokumentation von
Bescheinigungen der Berliner Landesaufnahmestelle für Asylsuchende, das
Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) über die bis zu drei Mo-
nate andauernde Nichtabfertigung Asylsuchender, welche Schlussfolgerun-
gen und Konsequenzen zieht sie daraus, und welchen aufenthalts- und sozi-
alrechtlichen Status und welche Rechte haben die wochen- und monatelang
in Berliner Turnhallen und Flugzeughangars auf Abfertigung und Registe-
rung ihres Asylgesuchs durch das LAGeSo wartenden Asylsuchenden im
Hinblick auf nationale und europarechtliche Vorschriften (bitte so konkret
wie möglich ausführen)?

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3. Welche Wartezeiten bestehen nach Einschätzung fachkundiger Bediensteter
derzeit durchschnittlich vom Asylgesuch nach Ankunft in Deutschland bis
zur Zuweisung (Umverteilung) an die nach dem Königsteiner Schlüssel zu-
ständige Landesaufnahmebehörde bzw. bis zur Ankunft dort (bitte nach Bun-
desländern auflisten)?

4. Ist es zutreffend, dass Asylsuchende im Regelfall ihren Asylantrag persön-
lich stellen müssen und dass sie aber erst dann zur förmlichen Asylantrag-
stellung beim BAMF vorsprechen dürfen, wenn ihnen durch die zuständige
Landesaufnahmebehörde ein Termin zur förmlichen Asylantragstellung bei
der zuständigen Außenstelle BAMF benannt worden ist, und wenn nein, wie
verhält es sich?
Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Praxis des
BAMF, Asylantragstellerinnen und -antragsteller abzuweisen, die eigenstän-
dig bei der Außenstelle des BAMF im zugewiesenen Bundesland ihren Asyl-
antrag stellen wollen, um so die Wartezeit zu verkürzen?

5. Ist es zutreffend, dass Asylsuchende, die durch die zuständige Landesauf-
nahmebehörde einen Termin beim BAMF zur förmlichen Asylantragstellung
erhalten haben, in vielen Fällen mehrfach beim BAMF vorsprechen müssen,
da ihnen von der zuständigen Außenstelle des BAMF immer wieder neue,
Wochen oder Monate später liegende Termine zur förmlichen Asylantrag-
stellung benannt werden, und wenn nein, wie verhält es sich?
Wie bewertet die Bundesregierung gegebenenfalls diese Vorgehensweise
des BAMF?

6. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Aussage des Leiters der Berliner
Ausländerbehörde in der Anhörung des Bundestagsinnenausschusses zum
Entwurf des Datenaustauschverbesserungsgesetzes am 11. Januar 2016, dass
im Land Berlin derzeit die durchschnittliche Wartefrist vom „Asylgesuch“
bei der zuständigen Landesbehörde bis zum förmlichen „Asylantrag“ beim
BAMF derzeit neun bis zehn Monate beträgt, und welche Schlussfolgerun-
gen und Konsequenzen zieht sie daraus?

7. Welche Wartezeiten bestehen nach Einschätzung fachkundiger Bediensteter
derzeit durchschnittlich vom Asylgesuch bei der nach dem Königsteiner
Schlüssel zuständigen Landesaufnahmebehörde bis zur förmlichen Asylan-
tragstellung bei der zuständigen Außenstelle des BAMF (bitte nach Bundes-
ländern auflisten)?

8. Welche Wartezeiten bestehen derzeit durchschnittlich vom förmlichen Asyl-
antrag bei der zuständigen Außenstelle des BAMF bis zur inhaltlichen Be-
fragung zu den Asylgründen (Asylinterview, bitte nach Bundesländern auf-
listen)?

9. Welche Wartezeiten bestehen derzeit durchschnittlich vom Asylinterview
bei der zuständigen Außenstelle des BAMF bis zur behördlichen Asylent-
scheidung (bitte nach Bundesländern auflisten)?

10. Sollen nach Auffassung der Bundesregierung Aufenthaltszeiten registrierter
Asylsuchender vor der förmlichen Asylantragstellung bzw. Zeiten, in denen
Asylsuchende über einen Umverteilungsbescheid oder eine Wartebescheini-
gung einer Landesbehörde, eine BüMA oder einen Ankunftsnachweis verfü-
gen (bitte differenzieren, soweit erforderlich), in Bezug auf abgeleitete sozi-
ale und sonstige Teilhaberechte eine rechtlich vergleichbare Wirkung haben
wie die Zeiten, in denen Asylsuchende über eine förmliche Aufenthaltsge-
stattung verfügen, bzw. inwieweit sollen diese Fälle nach Auffassung der
Bundesregierung gegebenenfalls mit welcher Begründung ungleich behan-
delt werden (bitte ausführlich und konkret erläutern)?

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11. Inwieweit ist es mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar, bestimmte Teilha-
berechte Asylsuchender (Arbeitsmarktzugang, Bewegungsfreiheit, Zugang
zu Wohnraum usw.) vom Termin der förmlichen Stellung eines Asylantrags
beim BAMF abhängig zu machen (bei unerlaubter Einreise aus einem siche-
ren Drittstaat, vgl. § 55 Absatz 1 Satz 3 AsylG), wenn es nicht im Verant-
wortungsbereich der Asylsuchenden – sondern allein des Staates – liegt,
wann sie einen solchen Asylantrag stellen dürfen, weil die entsprechenden
Termine zur Antragstellung vom BAMF nur entsprechend den begrenzten
Kapazitäten vergeben werden (bitte ausführlich begründen)?

12. Was sehen die EU-Asylregelungen vor, ab wann Asylsuchenden spätestens
eine Asylantragstellung ermöglicht und förmlich bescheinigt werden muss,
und inwieweit sind damit die Praxis und Rechtslage in Deutschland verein-
bar, etwa auch die in Frage 2 beschriebenen Wartebescheinigungen des Lan-
des Berlin (bitte ausführlich und differenziert antworten)?

13. Stimmt die Bundesregierung der Einschätzung zu, dass die Mehrheit aller
Asylsuchenden unter die Regelung des § 55 Absatz 1 Satz 3 AsylG fällt, weil
eine Einreise auf dem Landweg nur durch sichere Drittstaaten möglich ist
(wenn nein, bitte begründen), und was hat dies für Konsequenzen für die
generelle Regelung, dass ein Aufenthalt bereits ab dem ersten Asylgesuch
als gestattet gilt (bitte ausführen)?
Wie sollen Behörden bei der Klärung abgeleiteter Teilhaberechte Asylsu-
chender erkennen können, ob eine solche unerlaubte Einreise über einen si-
cheren Drittstaat im konkreten Fall vorliegt oder nicht, zumal dieser Umstand
auf keiner Bescheinigung rechtssicher dokumentiert wird (bitte ausführen)?

14. Was hat die Prüfung der Bundesregierung ergeben, „wie die Funktion der
BüMA als Nachweis für ein Asylgesuch und damit als ein Nachweis für den
Beginn bestimmter Fristen in der Praxis verbessert werden kann“ (Bundes-
tagsdrucksache 18/4581, Antwort zu Frage 8), und warum wurden gegebe-
nenfalls solche Klarstellungen nicht mit dem Datenaustauschverbesserungs-
gesetz vorgenommen, obwohl die Problematik bekannt war bzw. ist (bitte
ausführen)?

15. Ist die Antwort der Bundesregierung, sie prüfe, „wie die Funktion der BüMA
als Nachweis für ein Asylgesuch und damit als ein Nachweis für den Beginn
bestimmter Fristen in der Praxis verbessert werden kann“ (Bundestagsdruck-
sache 18/4581, Antwort zu Frage 8), so zu verstehen, dass die BüMA einen
solchen Nachweis für den Beginn bestimmter Fristen darstellt, und welche
„bestimmten Fristen“ genau sind hiermit gemeint (bitte ausführen)?

16. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Aussage des Leiters der Berliner
Ausländerbehörde in der Anhörung des Bundestagsinnenausschusses zum
Entwurf des Datenaustauschverbesserungsgesetzes am 11. Januar 2016, dass
die zuständigen Behörden künftig einen erheblichen zusätzlichen Personal-
aufwand haben, weil sie für jede Person, vom Säugling angefangen, einen
gesonderten „Ankunftsnachweis“ mit Foto ausstellen müssen, während in
die „Aufenthaltsgestattung“ Kinder unter 14 Jahren in das Dokument der El-
tern einfach mit eingetragen werden und kein eigenes Foto benötigen, und
ihm diesbezüglich trotz langjähriger Praxiserfahrungen auch keinerlei etwa-
ige Missbrauchsfälle bekannt seien, und welche Schlussfolgerungen und
Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus?

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17. Aus welchen Gründen wurde mit dem Datenaustauschverbesserungsgesetz
nicht einfach geregelt, dass – statt zeitweilig einen gesonderten „Ankunfts-
nachweis“ zu erteilen – über die gesamte Asylverfahrensdauer hinweg eine
formularmäßig einheitliche „Aufenthaltsgestattung“ ausgestellt und ggf. ver-
längert wird, zumal hiermit alle sozialrechtlichen und sonstigen Fragen ab-
geleiteter Rechte eindeutig geklärt wären und die zusätzliche, bürokratisch
extrem aufwändige Ausstellung und Verlängerung weiterer Dokumente mit
begrenzter Geltungsdauer hätten vermieden werden können (bitte ausführ-
lich begründen)?

18. Was entgegnet die Bundesregierung der Vermutung der Fragestellerinnen
und Fragesteller, dass die frühzeitige Erteilung einer Aufenthaltsgestattung
statt eines Ankunftsnachweises vor allem deshalb nicht gesetzlich geregelt
wurde, weil hierdurch offenkundig würde, wie lange die Asylverfahren in
Deutschland in der Realität tatsächlich dauern (bitte Position detailliert dar-
legen und begründen)?

19. Inwieweit ist mit einem Ankunftsnachweis eine Zulassung zum Integrations-
kurs bei Asylsuchenden aus dem Iran, dem Irak, Syrien und Eritrea möglich
(vgl. § 44 Absatz 4 AufenthG) (bitte begründen und darstellen, inwieweit der
Umstand einer unerlaubten Einreise über einen sicheren Drittstaat hierbei
rechtlich oder tatsächlich von Bedeutung ist)?

20. Inwieweit ist eine Umverteilung zur Familienzusammenführung oder bei
fachärztlich attestierter Pflegebedürftigkeit mit einem Ankunftsnachweis
möglich (bitte begründen und darstellen, inwieweit der Umstand einer uner-
laubten Einreise über einen sicheren Drittstaat hierbei rechtlich oder tatsäch-
lich von Bedeutung ist)?

21. Inwieweit beginnen die im Dublin-Verfahren vorgesehenen Fristen (für die
Stellung eines Rückübernahmeersuchens usw.) bereits mit Erteilung eines
Ankunftsnachweises bzw. erst mit Erteilung einer Aufenthaltsgestattung
(bitte begründen und darstellen, inwieweit der Umstand einer unerlaubten
Einreise über einen sicheren Drittstaat hierbei rechtlich oder tatsächlich von
Bedeutung ist)?

22. Welche Auswirkungen hat die Asylantragstellung mehrere Monate nach ei-
ner unerlaubten Einreise infolge der organisatorischen Engpässe beim
BAMF in Bezug auf die Regelung nach Artikel 31 Absatz 1 der Genfer
Flüchtlingskonvention, wonach wegen der unerlaubten Einreise oder des
Aufenthalts keine Strafen gegen Flüchtlinge verhängt werden dürfen, wenn
sie sich „unverzüglich“ bei den Behörden melden und entsprechende Gründe
für die unerlaubte Einreise darlegen (bitte begründen)?

23. Inwieweit haben Asylsuchende mit einem Ankunftsnachweis Ansprüche auf
Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) (§ 23 Ab-
satz 1 SGB XII stellt allein auf den tatsächlichen Aufenthalt ab), da die Vo-
raussetzungen des § 1 AsylbLG, insbesondere nach § 1 Absatz 1 Nummer 1
AsylbLG („eine Aufenthaltsgestattung besitzen“) und damit ein Ausschluss
von der Sozialhilfe gemäß § 23 Absatz 2 SGB XII wegen vorrangiger An-
wendung des AsylbLG offenkundig nicht vorliegt (bitte begründen und dar-
stellen, inwieweit der Umstand einer unerlaubten Einreise über einen siche-
ren Drittstaat rechtlich oder tatsächlich von Bedeutung ist), und falls die Bun-
desregierung in diesem Zusammenhang den Ankunftsnachweis einer Auf-
enthaltsgestattung gleichstellt, wie werden gegebenenfalls dementgegen un-
terschiedliche Behandlungen in anderen rechtlichen Zusammenhängen be-
gründet?

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24. Inwieweit muss die Zeit des Besitzes eines Ankunftsnachweises berücksich-
tigt werden (bitte im Folgenden jeweils einzeln begründen und jeweils dar-
stellen, inwieweit der Umstand einer unerlaubten Einreise über einen siche-
ren Drittstaat rechtlich oder tatsächlich von Bedeutung ist; bitte generell so
konkret wie möglich antworten) bei
a) der Geltungsdauer der Residenzpflicht (Beschränkung der Bewegungs-

freiheit; § 59a Absatz 1 AsylG),
b) der Berechnung der Frist des Arbeitsverbots bzw. des nachrangigen Ar-

beitsmarktzugangs bzw. einer zustimmungsfreien Arbeitsaufnahme (bitte
differenzieren; vgl. § 32 der Beschäftigungsverordnung bzw. § 61 Ab-
satz 2 AsylG),

c) der Berechnung der Fristen, die Asylsuchende in einer Aufnahmeeinrich-
tung zu wohnen haben (vgl. § 47 Absatz 1 AsylG, bitte auch nach Min-
dest- und Höchstdauer von sechs Wochen bzw. sechs Monaten differen-
zieren) und nach deren Ablauf Asylsuchende ggf. eine normale Wohnung
beziehen können,

d) der Berechnung der Frist nach § 2 Absatz 1 und 3 AsylbLG,
e) der Gewährung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungs-

gesetz (BAflöG) bzw. der Bundesausbildungsbeihilfe, die von einer Min-
destaufenthaltsdauer abhängig gemacht werden (vgl. z. B. § 8 Absatz 2
und 2a BAföG),

f) der Berechnung der geforderten Mindestaufenthaltsdauer im Rahmen der
humanitären Bleiberechtsregelungen für gut integrierte junge Ausländer
nach § 25a AufenthG,

g) der Berechnung der geforderten Mindestaufenthaltsdauer im Rahmen der
humanitären Bleiberechtsregelung für gut integrierte Ausländer nach
§ 25b AufenthG,

h) der Berechnung der Fristen für die Erteilung einer Niederlassungserlaub-
nis nach § 26 Absatz 4 AufenthG?

25. Inwieweit wird in einzelnen Bundesländern der Schulzugang asylsuchender
Kinder bzw. von Kindern Asylsuchender explizit vom Besitz einer Aufent-
haltsgestattung abhängig gemacht, bzw. inwieweit muss nach Auffassung
der Bundesregierung in diesem Zusammenhang der Besitz eines Ankunfts-
nachweises dem Besitz einer Aufenthaltsgestattung gleichgestellt werden
(bitte begründen)?

26. Bei welchen sonstigen Rechtsfragen ist die Erteilung eines Ankunftsnach-
weises statt einer Aufenthaltsgestattung in den Folgewirkungen rechtlich von
Bedeutung (etwa im Einbürgerungsrecht usw.), und was gilt diesbezüglich
jeweils?

27. Was plant die Bundesregierung oder hat sie bereits unternommen, um die in
den obigen Fragen zum Ausdruck kommende unklare Rechtslage bzw. um-
strittene Rechtsfragen sowohl für direkt Betroffene als auch für die mit der
Rechtsanwendung befassten Behörden verbindlich und nachvollziehbar zu
klären?

28. Was ist die Regelungsintention des im Entwurf eines Gesetzes zur Einfüh-
rung beschleunigter Asylverfahren vorgesehenen § 11 Absatz 2a Satz 5
Nummer 1, und was genau werden die Wirkungen dieser Neuregelung sein,
und soll die Regelung insbesondere die in der Vorbemerkung beschriebene
Rechtsunsicherheit im Zusammenhang des Zusammenwirkens von § 55 Ab-
satz 1 Satz 1 und 3 AsylG beseitigen (bitte so konkret wie möglich ausfüh-
ren)?

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29. Vor dem Hintergrund, dass nach Erfahrungen der Fragestellerinnen und Fra-
gesteller in der Praxis bei der Rechtsanwendung der Neuregelung des § 1a
Absatz 4 AsylbLG erhebliche Unsicherheiten und Unklarheiten bestehen,
welche Personengruppe genau soll diese Kürzungsvorschrift erfassen, und
ist es insbesondere zulässig, Leistungen auf der Grundlage dieser Vorschrift
bereits dann zu kürzen, wenn eine unerlaubte Einreise über einen sicheren
Drittstaat vorliegt und/oder ein Dublin-Verfahren zur Feststellung der Zu-
ständigkeit gegebenenfalls eines anderen EU-Mitgliedstaates läuft, und ab
wann sind welche Leistungskürzungen zulässig, wenn die Zuständigkeit ei-
nes anderen Mitgliedstaates festgestellt wurde, und inwieweit spielen dies-
bezüglich anhängige Rechtsschutzmittel bzw. die Frage eine Rolle, ob die
Durchführbarkeit einer zulässigen Überstellung im Verantwortungsbereich
der Asylsuchenden oder der beteiligten Mitgliedstaaten liegt (bitte so diffe-
renziert, begründet und detailliert wie möglich antworten)?

Berlin, den 18. Februar 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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