BT-Drucksache 18/7469

VW-Skandal - Anforderungen an die Umrüstung der betroffenen Diesel-Pkw

Vom 29. Januar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7469
18. Wahlperiode 29.01.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Herbert Behrens, Sabine Leidig, Caren Lay, Karin Binder,
Ralph Lenkert und der Fraktion DIE LINKE.

VW-Skandal – Anforderungen an die Umrüstung der betroffenen Diesel-Pkw

In bislang drei Mitteilungen (29. September 2015, 3. November 2015 und 16. No-
vember 2015) hat die Volkswagen AG (VW) verschiedene Manipulationen oder
Verfehlungen bei der Typzulassung von Fahrzeugen eingestanden. Darin ging es
zunächst um unzulässige Abschalteinrichtungen, durch die gesundheitsgefähr-
dende Stickoxid-Emissionen im realen Fahrbetrieb erheblich über den zulässigen
Grenzwerten liegen. Die Grenzwerte wurden bei der Typzulassung durch die –
verbotene – Erkennung des Prüfzyklus NEFZ eingehalten. Später hat VW auch
eingestanden, die Testbedingungen bei der Typzulassung bei einigen (anderen)
Fahrzeugen auch bezüglich des Kohlendioxid-Ausstoßes manipuliert zu haben.
Für die drei Motortypen (1,2-, 1,6- und 2,0-Liter-Diesel-Motoren), bei denen VW
Manipualtionen mit unzulässigen Abschalteinrichtungen eingestanden hat,
musste VW an drei Terminen Lösungen vorstellen („Mission Testfahrt“, Süd-
deutsche Zeitung vom 14.11.2015).
Da die rechtliche Grundlage für die Typzulassung weiterhin der Prüfzyklus
„Neuer Europäischer Fahrzyklus“ (NEFZ) ist, bei dessen Anwendung die Mani-
pulationen bisher nicht erkannt wurden, stellt sich die Frage, wie die nachgerüs-
teten Fahrzeuge getestet werden, um die tatsächliche Einhaltung der Grenzwerte
zu gewährleisten und welche Konsequenzen die Maßnahmen, die VW zur Behe-
bung der Manipulationen durchführen muss, auf andere Fahrzeugparameter ha-
ben. In ihrer Antwort auf die Schriftliche Frage 57 der Abgeordneten Sabine Lei-
dig auf Bundestagsdrucksache 18/7115 vom 17. Dezember 2015 führt die Bun-
desregierung auf eine entsprechende Frage aus, dass die Volkswagen AG dazu
aufgefordert wurde „in den betroffenen Fahrzeugen die unzulässige Abschaltein-
richtung zu entfernen und die Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge herzustellen.“
VW schreibt am 16. Dezember 2015, dass das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA)
„[n]ach intensiven Prüfungen […] alle Maßnahmen vollumfänglich bestätigt“ hat
(http://info.volkswagen.de/de/de/home/news/article-18) und dass „mit der Um-
setzung gleich zu Beginn des Jahres 2016 begonnen“ werden soll. Das KBA hin-
gegen teilt am 27. Januar 2016 mit, dass es erst an diesem Tage die Freigabe für
die Umrüstung der Pkw mit 2,0-Liter-Motoren des Modells Amarok erteilt habe
und dass sich die Maßnahmen für die anderen Modelle noch in der Prüfung be-
finden (www.kba.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2016/Allgemein/pm03_16_
vw.html?nn=646300).

Drucksache 18/7469 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass VW bereits am 16. Dezember

2015 behauptet hat, das KBA hätte die von VW vorgestellten Maßnahmen
„vollumfänglich bestätigt“?

2. Wieso umfasst die endgültige Freigabe des KBA vom 27. Januar 2016 nicht
alle betroffenen Modelle mit 2,0-Liter-Motoren, und warum müssen die ver-
schiedenen Modelle mit diesen Motoren differenziert betrachtet werden?

3. Musste das von VW vorgestellte Konzept zur Umrüstung des Modells Ama-
rok verändert werden, und wenn ja wie und gegebenenfalls warum?

4. Welche konkreten Maßnahmen wird VW zur Umrüstung der Diesel-Pkw mit
2,0-Liter-Motoren des Modells Amarok durchführen, wie lange wird dies pro
Fahrzeug voraussichtlich dauern, und bis wann muss die Umrüstung aller
betroffenen Fahrzeuge abgeschlossen sein (bitte begründen)?

5. Wann wird die Prüfung der von VW vorgeschlagenen Maßnahmen zur Um-
rüstung der weiteren betroffenen Modelle abgeschlossen sein, und bis wann
wird voraussichtlich die endgültige Bestätigung erteilt werden können?

6. Hat das KBA VW bereits alle Adressen der betroffenen Fahrzeughalter zur
Verfügung gestellt?
Wenn ja, wann ist dies erfolgt?
Wenn nein, bis wann wird dies voraussichtlich erfolgt sein?

7. Hat VW nach Kenntnis der Bundesregierung bereits alle betroffenen Fahr-
zeughalter angeschrieben und sie darüber in Kenntnis gesetzt, dass für ihren
Pkw eine Rückrufmaßnahme vorgesehen ist?
Wenn nein, welche betroffenen Fahrzeughalter wurden noch nicht ange-
schrieben?

8. Wie definiert oder bestimmt die Bundesregierung die „Vorschriftsmäßigkeit
der Fahrzeuge“, vor dem Hintergrund, dass diese die Emissionswerte im
NEFZ bereits im manipulierten Zustand eingehalten haben?

9. Wie wurden und werden die von VW vorgeschlagenen Maßnahmen zur Be-
hebung der Manipulationen mit der unzulässigen Nutzung von Abschaltein-
richtungen konkret von der Bundesregierung bzw. dem KBA vor Erteilung
der endgültigen Bestätigung der Maßnahmen daraufhin überprüft, ob damit
„die Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge“ wieder hergestellt wird?
a) Wer hat diese Prüfungen durchgeführt bzw. führt sie durch?
b) Wurde und wird eine externe Überprüfung durchgeführt (bitte begrün-

den)?
c) Wurde und wird bei den Prüfungen auf dem Rollprüfstand ggf. (auch) auf

einem Vier-Rollen-Messstand und mit zumindest leichten Abweichungen
vom NEFZ gemessen, um die Wirkungsweise im realen Fahrbetrieb zu
erkennen?
Wenn nein, warum nicht?

d) Wurden und werden bei den Prüfungen die gleichen unterschiedlichen
Prüfverfahren angewendet wie bei den aktuell noch laufenden Nachprü-
fungen von über 50 Fahrzeugen (siehe Antwort der Bundesregierung zu
den Fragen 34 und 35 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE.
auf Bundestagsdrucksache 18/7174)?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7469
 

e) Welche Emissionswerte (insbesondere für NOx, Partikel und CO2) erge-
ben sich (soweit gemessen) jeweils für die drei Motorentypen auf dem
Rollprüfstand (bei verschiedenen Testverfahren, s. Fragen 9c und d, bitte
jeweils danach differenziert angeben)?

f) Wie weichen diese Werte jeweils von den Werten ab, die bei der Typzu-
lassung ermittelt wurden, und welche waren das jeweils?

g) Wenn auch im realen Fahrbetrieb gemessen wurde und wird, welche
Emissionswerte (insbesondere für NOx, Partikel und CO2) wurden dabei
(soweit gemessen) jeweils gemessen?

10. Wie wird die nachträgliche Prüfung der umgerüsteten Fahrzeuge durch das
KBA durchgeführt (siehe Antwort auf die Schriftliche Frage 54 auf Bundes-
tagsdrucksache 18/7115)?
a) Inwiefern unterscheidet sich diese von den „intensiven Prüfungen“ vor

Bestätigung dieser Maßnahmen?
b) Wird das KBA diese Prüfungen durchführen, welche anderen Behörden

werden daran beteiligt oder führen diese durch, und inwiefern werden da-
ran Externe beteiligt?
Wenn Externe oder andere Behörden beteiligt werden, welche sind das?

c) Wird bei den Prüfungen auf dem Rollprüfstand ggf. (auch) auf einem
Vier-Rollen-Messstand und mit zumindest leichten Abweichungen vom
NEFZ gemessen, um die Wirkungsweise im realen Fahrbetrieb zu erken-
nen?
Wenn nein, warum nicht?

d) Werden bei den Prüfungen die gleichen unterschiedlichen Prüfverfahren
angewendet wie bei den aktuell noch laufenden Nachprüfungen von über
50 Fahrzeugen (siehe Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 34 und
35 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestags-
drucksache 18/7174)?
Wenn nein, warum nicht?

11. Welche Abweichungen von den zulässigen Grenzwerten (NOx, Partikel)
bzw. bei der Typzulassung ermittelten Werten (CO2) werden für die umge-
rüsteten Fahrzeuge im realen Fahrbetrieb grundsätzlich als zulässig erachtet
(bitte begründen)?

12. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass trotz Nachrüstung in den Fahr-
zeugen weiter Abschalteinrichtungen in unzulässiger Weise verwendet wer-
den (bitte begründen), und wird es bei diesen Pkw weiter Abschalteinrich-
tungen, die ja in bestimmtem Fällen zulässig sind, geben, oder werden diese
ganz entfallen?

13. Muss VW als Beleg für das Außerkraftsetzen der Abschalteinrichtungen die
neue Fahrzeugsoftware ganz oder in Teilen offenlegen?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, inwiefern?

14. Sind alle insgesamt betroffenen Fahrzeuge (1,2-, 1,6 und 2,0-Liter-Motoren)
mit SCR (selektive katalytische Reduktion) ausgestattet?
Wenn nein, wie viele Fahrzeuge jeweils nicht (bitte absolut und in Prozent
sowie aufgeschlüsselt nach Euro-Norm angeben) und wie wird gewährleis-
tet, dass diese Fahrzeuge zukünftig die Emissionsgrenzwerte einhalten?

Drucksache 18/7469 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

15. Wie wirkt sich nach Angaben von VW und nach Kenntnis der Bundesregie-
rung die Umrüstung der Fahrzeuge auf die Kunden aus, bei den Fahrzeugen
mit SCR insbesondere bezüglich des zukünftig erforderlichen (häufigeren)
Nachfüllens von AdBlue?
a) Wie oft, also durchschnittlich nach wie vielen gefahrenen Kilometern,

muss zukünftig AdBlue nachgefüllt werden?
b) Welche jährlichen Mehrkosten sind dabei durchschnittlich zu erwarten?
c) Erhöht sich der Dieselverbrauch der Fahrzeuge?

Wenn ja, durchschnittlich um wie viel?
d) Wirkt sich ein evtl. höherer Verbrauch über die CO2-Emissionen auf die

Eingruppierung in eine höhere Steuerklasse aus?
e) Wie werden die Kunden über a bis d von VW informiert?
f) Welche Möglichkeiten haben Verbraucherinnen und Verbraucher nach

der Umrüstung ihrer Fahrzeuge sicher zu gehen und kontrollieren zu kön-
nen, ob diese infolge der Umrüstung nicht an Motorleistung verloren ha-
ben oder der Kraftstoffverbrauch sich erhöht hat?

16. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, wenn VW der Forderung
des Bundesministers der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas, vom
VW-Skandal betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher gleichberechtigt
wie die US-amerikanischen Kunden zu entschädigen (www.derwesten.de/
wirtschaft/deutschland-und-eu-fordern-hoehere-entschaedigungen-von-vw-
id11481942.html), nicht nachkommt?

17. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über das Vorgehen der Regie-
rung und/oder der Staatsanwaltschaft Frankreichs gegen Renault bezüglich
der Grenzüberschreitung bei Abgaswerten?
a) Kann die Bundesregierung bestätigen, dass das Vorgehen der Regierung

und/oder der Staatsanwaltschaft Frankreichs nur darin begründet liegt,
dass die Diesel-Modelle von Renault die Normen für CO2 und Stickoxid
unter echten Fahrbedingungen im Test überschritten haben?

b) Wenn ja, wie erklärt sich die Bundesregierung das Vorgehen der Regie-
rung Frankreichs gegen Renault, wenn sie selber solche Überschreitungen
von Grenzwerten im realen Fahrbetrieb als rechtlich nicht angreifbar an-
sieht und offenbar hinzunehmen gewillt ist (siehe Antwort der Bundesre-
gierung zu den Fragen 1 bis 3 auf die Kleine Anfrage der Fraktion
DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/7174)?

c) Steht die Bundesregierung bezüglich möglicher Parallelen zwischen den
Vorgängen bei VW und Renault im Dialog mit der Regierung Frankreichs,
bzw. ist ein solcher konkret geplant?

18. Trifft es zu, dass die EG-FGV (Verordnung über die EG-Genehmigung für
Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbst-
ständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge), in der laut Antwort der
Bundesregierung die Sanktionen gegen Hersteller bei Verstößen gegen die
EG-Typgenehmigung geregelt sind (siehe Antwort der Bundesregierung
auf die Schriftliche Frage 56 vom 17. Dezember 2015 auf Bundestagsdruck-
sache 18/7115), solche Verstöße ausschließlich den Tatbestand einer Ord-
nungswidrigkeit bedeuten (§ 37 EG-FGV) (bitte begründen)?
a) Wenn nein, welche weiteren Strafen sieht die EG-FGV oder eine andere

gesetzliche Bestimmung für Hersteller bei Verstößen gegen die EG-Typ-
genehmigung vor?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7469
 

b) Welche Geldbußen wären höchstens bei einem Verstoß gegen die EG-
Typgenehmigungsvorschriften möglich?

c) Wurde § 7 Absatz 2 Satz 3 EG-FGV, der teilweise oder gänzliche Wider-
ruf bzw. die Zurücknahme einer erteilten EG-Typgenehmigung, vom
KBA bereits angewendet?
Wenn ja, in welchen Fällen?

19. Erlauben es die europäischen Vorschriften, vor dem Hintergrund, dass diese
„keine grundsätzliche Offenlegung der Fahrzeugsoftware“ vorsehen (siehe
Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 4 bis 6 auf die Kleine Anfrage
der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/7174), dies im Aus-
nahmefall zu verlangen (bitte begründen)?
Wenn nein, wo ist dies konkret ausgeschlossen?
Wenn ja, sieht die Bundesregierung mit dem VW-Skandal keinen solchen
Ausnahmetatbestand (bitte begründen)?

20. Wie genau definiert die Bundesregierung „nicht plausible Auffälligkeiten“
(siehe Antwort der Bundesregierung zu Frage 36 auf die Kleine Anfrage der
Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/7174), und bei welchen
genauen Tatbeständen (bspw. große Abweichung der Emissionen zwischen
NEFZ und modifiziertem NEFZ, Überschreitung der Grenzwerte bei den
RDE-Messungen um den Faktor X) liegt für die Bundesregierung eine solche
vor?

21. Bei wie vielen Fahrzeugen (von bislang wie vielen untersuchten) ergaben
sich nach den ersten Messungen bislang solche nicht plausiblen Auffällig-
keiten?

22. Wieso ist der Abschlussbericht des FE-Projekts Nr. 86.0066/2009, obwohl
die eigentlichen Überprüfungen bereits am 31. März 2011 beendet waren,
dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) erst
am 4. Februar 2015 übermittelt worden (siehe Antwort der Bundesregierung
zu den Fragen 48 bis 51 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE.
auf Bundestagsdrucksache 18/7174)?

23. Wieso ist dieser Abschlussbericht, fast ein Jahr nach seiner Übersendung an
das BMVI, noch immer nicht veröffentlicht worden?

24. Kann die Bundesregierung zusichern, dass der Abschlussbericht der Unter-
suchungskommission zur Aufklärung des VW-Abgasskandals noch im
1. Halbjahr 2016 vorgelegt werden wird?

25. Wird der Abschlussbericht eine genaue Auflistung der überprüften Modelle
und die gemessenen Abgaswerte enthalten?
Wenn nein, warum nicht?
Bis wann und wie sollen die am 25. Januar 2016 öffentlich bekannt gemach-
ten ersten Empfehlungen dieser Untersuchungskommission („Technische
Prüfdienste sollen rotieren“, FAZ vom 26. Januar 2016) jeweils umgesetzt
werden?

Berlin, den 29. Januar 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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