BT-Drucksache 18/745

Begleitschreiben zum Zuwendungsbescheid im Rahmen der Bundesprogramme zur Extremismusprävention

Vom 10. März 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/745
18. Wahlperiode 10.03.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Diana Golze, Kerstin Kassner, Harald Petzold
(Havelland), Martina Renner, Dr. Petra Sitte, Halina Wawzyniak und der Fraktion
DIE LINKE.

Begleitschreiben zum Zuwendungsbescheid im Rahmen der Bundesprogramme
zur Extremismusprävention

Die „Demokratie-“ bzw. „Extremismuserklärung“, wie sie von der damali-
gen Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Kristina
Schröder, eingeführt wurde, hat zu heftigen politischen Diskussionen und auch
juristischen Auseinandersetzungen geführt. Mit dieser Erklärung wurden Pro-
jekte aus den Bundesprogrammen „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“,
„Initiative Demokratie stärken“ und „Zusammenhalt durch Teilhabe“ dazu ver-
pflichtet, sich zur „freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepu-
blik Deutschland“ zu bekennen und dafür Sorge zu tragen, dass durch die Wahl
von Projektpartnern „nicht der Anschein erweckt werden darf, dass eine Unter-
stützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller oder
immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird“ (erste und bis zum Jahr 2012
gültige Fassung der „Demokratieerklärung“). Vor allem der zweite, sich auf
mögliche Partner beziehende Teil der Erklärung, wurde von den Demokratiepro-
jekten als Aufforderung zur Ausspähung ihrer Kooperationspartner gewertet.
Nach einer juristischen Prüfung wurde dieser Teil im Jahr 2012 vom Bundes-
ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) neu gefasst.
Die Kritik an der Erklärung bezog sich vor allem auf das darin enthaltene Miss-
trauen gegenüber Projekten, die sich in häufig schwierigen Lagen für Demo-
kratie und gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus einsetzen,
denen aber ein potenzielle Nähe zu „Extremisten“ unterstellt wurde, womit sie
nach ihrer eigenen Einschätzung in ein politisches Zwielicht gerückt wurden.
Die neue Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig trat ihr Amt u. a. mit der
Ankündigung an, die Extremismuserklärung abzuschaffen (vgl. www.spiegel-
online.de vom 21. Dezember 2013 „Familienministerium: Schwesig will Extre-
mismusklausel abschaffen“). Tatsächlich wurde die Erklärung im Januar 2014
zugunsten einer entsprechenden Ausführung im Zuwendungsbescheid an die
Projekte kassiert. Inhaltlich bleibt es jedoch bei der kritisierten Aufforderung an
die Projekte, Gewähr für die demokratiepolitische Unbedenklichkeit ihrer Pro-
jektpartnerinnen und -partner zu übernehmen. Damit bleibt auch nach Ansicht
der betroffenen Projekte „ein Misstrauen gegenüber den Projektträgern und de-
ren Partnern […] bestehen“ (http://demokratiebrauchtuns.de/blog/extremismus-
klausel-heist-jetzt-begleitschreiben/#more-813).

Drucksache 18/745 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche inhaltlichen Veränderungen jenseits der geforderten Unterschrift

ergeben sich nach Auffassung der Bundesregierung bei der Ersetzung der
Demokratieerklärung zum entsprechenden Passus im Begleitschreiben zum
Zuwendungsbescheid?

2. Werden die Projekte im Rahmen der Bundesprogramme „Toleranz fördern –
Kompetenz stärken“, „Initiative Demokratie stärken“ und „Zusammenhalt
durch Teilhabe“ dafür Gewähr übernehmen müssen, dass keine Mittel an
Personen oder Organisationen gehen dürfen, bei denen nach Einschätzung
des Bundesamtes für Verfassungsschutz oder der Bundesregierung die
Möglichkeit einer Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grund-
ordnung besteht, und wie unterscheidet sich diese Verpflichtung von der bis-
herigen inhaltlichen Praxis der Demokratieerklärung?

3. Sieht die Bundesregierung das Begleitschreiben als rechtlich verbindlich für
das Handeln der Projekte an, und wo liegt nach Ansicht der Bundesregie-
rung der Unterschied zur Unterschrift unter der Demokratieerklärung?

4. Kann sich nach Rechtsauffassung der Bundesregierung eine Pflicht zur
Rückzahlung von Fördermitteln ergeben, wenn der Projektträger mit Perso-
nen oder Gruppen kooperiert, die nach Einschätzung der Bundesregierung
„extremistisch“ sind?

5. Auf welchen Quellen beruht die Einschätzung der Bundesregierung, welche
Personen oder Gruppen „extremistisch“ sind?

6. Welche Maßnahmen soll der Träger nach Ansicht der Bundesregierung
ergreifen, um zu ermitteln, ob die von ihm ausgewählten Partner nach
Auffassung der Bundesregierung „extremistisch“ oder „Verdachtsfälle“
sind?

7. Wie begegnet die Bundesregierung der Einschätzung, dass mit dem Zuwen-
dungsbescheid gegenüber den Projekten das gleiche demokratiepolitische
Misstrauen zum Ausdruck gebracht wird, wie es der Demokratieerklärung
zu Eigen war?

8. Welche konkreten Kenntnisse hat die Bundesregierung von Unterwande-
rungsversuchen der Projekte durch vermeintliche Extremisten, und auf wel-
chen Erfahrungen beruht der Satz im Zuwendungsbescheid: „Unterwande-
rungsversuche von geförderten Initiativen durch solche Personen oder
Gruppen muss wirksam begegnet werden“ (Zuwendungsbescheid des
BMFSFJ vom 31. Januar 2014)?

9. Welche konkreten Unterwanderungsversuche von vermeintlichen Extremis-
ten gab es nach Kenntnissen der Bundesregierung im Rahmen der Bundes-
programme „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“, „Initiative Demo-
kratie stärken“ und „Zusammenhalt durch Teilhabe“ (bitte alle Fälle unter
Nennung des geförderten Projekts nach Jahren auflisten)?

10. Auf welche Fälle bezieht sich der Satz im Zuwendungsbescheid: „In der
Vergangenheit kam es zu entsprechenden Konsequenzen z. B. dergestalt,
dass Mittel, die Trägern mit extremistischem Hintergrund zugewendet wor-
den waren, zurückgefordert wurden.“ (Zuwendungsbescheid des BMFSFJ
vom 31. Januar 2014, bitte alle Fälle von finanziellen Rückforderungen aus
diesem Grund geordnet nach Projekten und Jahr aufführen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/745
11. Welche anderen Modellprojekte des Bundes außerhalb der Programme
„Toleranz fördern – Kompetenz stärken“, „Initiative Demokratie stärken“
und „Zusammenhalt durch Teilhabe“ werden zu einer demokratiepolitischen
Prüfung ihrer Projektpartner im Sinne des angeführten Zuwendungsbe-
scheids aufgefordert (bitte alle in Frage kommenden Modellprojekte des
Bundes mit der entsprechenden Formulierung aus dem Zuwendungsbe-
scheid auflisten)?

12. Haben bereits Projektträger Widerspruch gegen die neuen Zuwendungsbe-
scheide eingelegt, der mit der Ablehnung der genannten Hinweise begrün-
det wurde, und wenn ja, wie viele, und wie wurde über die Widersprüche
entschieden?

Berlin, den 10. März 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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