BT-Drucksache 18/7412

Integration der Geflüchteten in das Bildungssystem

Vom 27. Januar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7412
18. Wahlperiode 27.01.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Dörner, Kai Gehring, Özcan Mutlu,
Beate Walter-Rosenheimer, Dr. Franziska Brantner, Volker Beck (Köln),
Luise Amtsberg, Ulle Schauws, Corinna Rüffer und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Integration der Geflüchteten in das Bildungssystem

Sehr viele Menschen haben 2015 in Deutschland Schutz vor Krieg und Gewalt
gesucht. Im Sommer 2015 hat die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel gesagt:
„Wir schaffen das“. Seitdem ist viel passiert. Mit Unterstützung vieler ehrenamt-
licher Helferinnen und Helfer konnte die Erstversorgung bei der Aufnahme von
Schutzsuchenden weitgehend gewährleistet werden. Nun ist es aber an der Zeit,
den Menschen eine neue Perspektive in Deutschland zu eröffnen. Hierbei kommt
den Bildungsinstitutionen eine besondere Aufgabe zu.
Die Hälfte der Geflüchteten ist unter 25 Jahre alt. Ihnen allen einen Platz in un-
serem Bildungssystem zu schaffen, stellt eine große gesamtgesellschaftliche Her-
ausforderung dar. Angesichts des Investitionsstaus im Bildungsbereich ist diese
Herausforderung aber gleichzeitig auch eine Chance, unser Bildungssystem be-
reit zu machen für die Einwanderungsgesellschaft, indem vor allem mehr indivi-
duelle Förderung für alle Kinder und Jugendlichen möglich wird. Davon profitie-
ren alle.
Auch wenn die Gestaltung der Bildungslandschaft größtenteils in die Kultusho-
heit der Länder fällt und die Ausgestaltung vor Ort bei den Kommunen liegt, darf
das Gelingen von Integration nicht vom geografischen Zufall abhängen. Der
Bund hat aus Sicht der Fragesteller den verfassungsmäßigen Auftrag, die Länder
und Kommunen bei dieser Herausforderung zu unterstützen. Dies umso mehr, als
die große Zahl der Kinder und Jugendlichen alle Planungen der Länder und Kom-
munen bei weitem übertrifft. Die Bundesrepublik Deutschland ist außerdem Ver-
tragspartei der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) und daher zur Umset-
zung ihrer Vorgaben verpflichtet.

Daher fragen wir die Bundesregierung:
1. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie viele der Geflüchteten Kin-

der sind, die das erste Lebensjahr vollendet haben und noch nicht schul-
pflichtig sind und damit einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Tages-
einrichtung nach § 24 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) ha-
ben?
Wenn ja, bitte nach Bundesländern, Geschlecht und Aufenthaltsstatus auf-
schlüsseln. Wenn nein, wie und bis wann plant die Bundesregierung, diese
Zahlen zu erheben?

Drucksache 18/7412 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

2. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie viele dieser Kinder bereits
eine Kita besuchen?
Wenn ja, bitte nach Bundesländern, Geschlecht und Aufenthaltsstatus auf-
schlüsseln. Wenn nein, wie und bis wann plant die Bundesregierung, diese
Zahlen zu erheben?

3. Mit welchen Maßnahmen setzt die Bundesregierung die Vereinbarung von
Artikel 28 der UN-Kinderrechtskonvention (Recht auf Bildung; Schule; Be-
rufsausbildung) für geflüchtete Kinder um?
Unterstützt die Bundesregierung die Länder bei dieser Aufgabe?
Falls ja, wie und in welchem finanziellen Umfang?

4. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie viele der Geflüchteten nach
Artikel 28 der UN-Kinderrechtskonvention ein Recht auf Bildung, Schule
und Berufsausbildung haben?
Wenn ja, bitte nach Bundesländern, Geschlecht und Aufenthaltsstatus auf-
schlüsseln. Wenn nein, wie und bis wann plant die Bundesregierung, diese
Zahlen zu erheben?

5. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie viele schulpflichtige Kinder
bereits eine Schule in Deutschland besuchen?
Wenn ja, bitte nach Bundesländern, Geschlecht und Aufenthaltsstatus auf-
schlüsseln. Wenn nein, wie und bis wann plant die Bundesregierung, diese
Zahlen zu erheben?

6. Mit welchen Maßnahmen wird die Bundesregierung die in Artikel 28 der
UN-Kinderechtskonventionen geforderten regemäßigen Schulbesuche von
geflüchteten Kindern unterstützen, um so einen Schulabschluss für alle Kin-
der zu sichern?
Unterstützt die Bundesregierung die Länder bei dieser Aufgabe?
Falls ja, wie und in welchem finanziellen Umfang?

7. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie viele der Geflüchteten in
Deutschland eine Ausbildung begonnen haben?
Wenn ja, bitte nach Bundesländern, Geschlecht und Aufenthaltsstatus auf-
schlüsseln. Wenn nein, wie und bis wann plant die Bundesregierung, diese
Zahlen zu erheben?

8. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie viele der Geflüchteten be-
reits an Maßnahmen zur Berufsorientierung bzw. -vorbereitung teilgenom-
men haben?
Wenn ja, bitte nach Bundesländern und Geschlecht aufschlüsseln, und wenn
nein, bis wann plant die Bundesregierung, diese Daten zu erheben?

9. Sind der Bundesregierung Problemanzeigen bekannt, dass die Aufnahme ei-
ner Berufsausbildung wegen bestehender aufenthalts- und sozialrechtlicher
Beschränkungen für Asylsuchende und Geduldete erschwert wird?
Wenn ja, welche?

10. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie viele der Geflüchteten über
eine Hochschulzugangsberechtigung verfügen?
Wenn ja, bitte nach Bundesländern, Geschlecht und Aufenthaltsstatus auf-
schlüsseln. Wenn nein, wie und bis wann plant die Bundesregierung, diese
Zahlen zu erheben?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7412
 

11. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie viele der Geflüchteten an
einer deutschen Universität oder Hochschule eine Studienvorbereitung oder
ein Studium begonnen haben bzw. fortsetzen?
Wenn ja, bitte nach Bundesländern, Geschlecht und Aufenthaltsstatus auf-
schlüsseln. Wenn nein, wie und bis wann plant die Bundesregierung, diese
Zahlen zu erheben?

12. Wie hoch beziffert die Bundesregierung auf Grundlage dieser Zahlen den
zusätzlichen Bedarf an Kitaplätzen, Schulplätzen, Ausbildungs- und Stu-
dienplätzen?

13. Wie hoch beziffert die Bundesregierung auf Grundlage dieser Zahlen den
zusätzlichen Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern, Lehrerinnen und Leh-
rern, Schulsozialarbeiterinnen und -sozialarbeitern und Hochschullehren-
den?

14. Mit welchen Kosten für den notwendigen Ausbau der Bildungsinfrastruktur
rechnet die Bundesregierung auf Grundlage dieser Zahlen?
Bitte aufschlüsseln nach Bildungsbereich.

15. Mit welchen Kosten für das zusätzliche Personal rechnet die Bundesregie-
rung auf Grundlage dieser Zahlen (bitte aufschlüsseln nach Bildungsbe-
reich)?

16. Wie unterstützt die Bundesregierung die Länder und Kommunen bei dem
Ausbau der Infrastruktur und der Ausbildung und Bezahlung der benötigten
Fachkräfte?
Wenn die Länder und Kommunen finanziell unterstützt werden, bitte auffüh-
ren, in welcher Höhe, auf welchem Weg und in welchem Zeitraum?
Wenn nicht, warum nicht?

17. Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung den Forderungen der
UN-Kinderechtskonvention gerecht werden, allen geflüchteten Kindern ent-
sprechend ihrer Potentiale den Zugang zum universitären Bildungsbereich zu
ermöglichen?
Unterstützt die Bundesregierung die Länder bei dieser Aufgabe?
Falls ja, wie und in welchem finanziellen Umfang?

18. Plant die Bundesregierung eigene Maßnahmen, um allen Kindern entspre-
chend der UN-Kinderrechtskonvention „Bildungs- und Berufsberatung […]
verfügbar und zugänglich zu machen“?
Wenn nein, welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Länder
bei der Umsetzung von Artikel 28 Buchstabe d der UN-KRK zu unterstüt-
zen?

19. Sieht die Bundesregierung angesichts dieser Zahlen einen gesteigerten Be-
darf an zusätzlicher Qualifizierung der Fachkräfte im Bildungssystem hin-
sichtlich der Sprachförderung/Sprachbildung?
Wenn nein, wie sieht die Bundesregierung den Bedarf gedeckt?
Wenn ja, was plant die Bundesregierung, um die Bundesländer bei dieser
Qualifizierung zu unterstützen, bitte aufschlüsseln nach Bildungsstufe?

20. Arbeitet die Bundesregierung an Bildungskonzepten, um Kinder, denen auf-
grund ihres Geschlechts in ihren Heimatländern der Zugang zu Bildung ver-
wehrt wurde, in das deutsche Bildungssystem zu integrieren?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, bitte erläutern.

Drucksache 18/7412 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

21. Was unternimmt die Bundesregierung, um für Geflüchtete einen schnellen
Einstieg in das Bildungssystem zu gewährleisten, um die Sprach- und Wer-
tevermittlung zu erleichtern?

22. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Integration der Geflüch-
teten besser durch den Bund koordiniert und befördert werden kann, wenn
das Kooperationsverbot abgeschafft wird?
Wenn nein, warum nicht?

23. Plant die Bundesregierung, die Arbeit der Bundeszentrale für politische Bil-
dung (bpb) zu stärken, damit sie mit zielgerichteten politischen Bildungsan-
geboten eine bessere Integration der Zugezogenen ermöglicht?
Wenn ja, wie?
Wenn nein, warum nicht?

24. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass auch nichtformale Bildung
einen entscheidenden Beitrag für die Integration leistet?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, welche nichtschulischen Angebote der politischen Bildung will die
Bundesregierung über die der bpb hinaus in welchem Umfang ausbauen oder
neu schaffen?

25. Sieht die Bundesregierung einen finanziellen Mehrbedarf bei der Jugendar-
beit nach § 11 SGB VIII und Jugendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, wie und in welcher Höhe wird die Bundesregierung die Mittel hier-
für aufstocken?

Berlin, den 26. Januar 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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