BT-Drucksache 18/7370

Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen verhindern

Vom 27. Januar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7370
18. Wahlperiode 27.01.2016
Antrag
der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Corinna Rüffer, Katja Keul,
Sven-Christian Kindler, Brigitte Pothmer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen verhindern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Wirtschaft und ihre Unternehmen benötigen Flexibilität. Insbesondere für klei-
nere und mittlere Betriebe sind Flexibilitätsvorteile unverzichtbar, denn sie benöti-
gen kurzfristig Personal, um Personalengpässe und Auftragsspitzen zu bewältigen.
Auch die Art des Wirtschaftens verändert sich permanent, denn die Unternehmen
konzentrieren sich vermehrt auf ihre Kernkompetenzen. Auf diese Weise sind in der
Vergangenheit ganz neue Branchen entstanden, wie beispielsweise die industriellen
Dienstleistungen. Das entspricht einer zukunftsfähigen und modernen Wirtschafts-
weise. Auch gibt es Personen, die bewusst ihre Arbeitsleistung für andere Unterneh-
men in Form von Werk- bzw. Dienstleistungsverträgen organisieren, um damit mehr
Unabhängigkeit und Flexibilität zu erhalten, als dies im Rahmen eines Angestellten-
verhältnisses möglich wäre. Diese Art der Dienst- und Werkverträge wollen wir mit
klaren Abgrenzungen rechtssicher stützen.
Aber es gibt auch Missbrauch der Leiharbeit und von Dienst- und Werkverträgen.
Wenn mit diesen Instrumenten ausschließlich Lohnkosten gesenkt werden, dann ist
dies ein klarer Missbrauch dieser Flexibilisierungsinstrumente. Die Leiharbeits-
kräfte und Beschäftigte von Werk- bzw. Dienstvertragsunternehmen verrichten häu-
fig die gleichen Tätigkeiten wie die Stammbeschäftigten, aber zu schlechteren Löh-
nen. Unternehmen verlagern damit das unternehmerische Risiko auf die Beschäftig-
ten, sparen auf diese Weise Lohnkosten sowie Sozialabgaben und entziehen sich
dem Kündigungsschutz. Das geht zulasten der Beschäftigten, aber auch der verant-
wortungsvollen Betriebe, denn mit dieser Konkurrenz laufen sie Gefahr, vom Markt
gedrängt zu werden.
Leiharbeit soll wieder zu einem sozialverträglichen Instrument für die Unternehmen
und die Beschäftigten gleichermaßen werden. Die Leiharbeitskräfte müssen fair und
gerecht entlohnt werden und mehr Planungssicherheit erhalten. Denn Leiharbeit ist
nur akzeptabel als ein Instrument für mehr Flexibilität. Heute profitieren die Unter-
nehmen von der Leiharbeit aber doppelt. Sie erhalten Flexibilität und billigere Ar-
beitskräfte. Durch die 2012 eingeführte Lohnuntergrenze für die Leiharbeit und
durch die von einigen Gewerkschaften verhandelten Branchenzuschläge haben sich
die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen zwar verbessert. Das reicht jedoch nicht
aus und wird auch der besonderen Flexibilität und dem Schutzbedürfnis der Leihar-

Drucksache 18/7370 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
beitskräfte nicht gerecht. Leiharbeitskräfte verdienen in den meisten Fällen noch im-
mer weniger als Stammbeschäftigte. Sie sind auch häufiger von Arbeitslosigkeit be-
droht. Das zeigen die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, nach denen mehr als die
Hälfte der Beschäftigungsverhältnisse in der Leiharbeit nach drei Monaten schon
wieder enden. Trotz guter Konjunkturlage entstehen so für zu viele Leiharbeitskräfte
Drehtüreffekte und teilweise versperrt die Leiharbeit sogar direkte Bewerbungsmög-
lichkeiten und damit den direkten Zugang in manche Unternehmen.
Klassische Werkverträge, mit denen fachfremde Arbeitsaufträge mit gelegentlichem
Charakter, Vorprodukte oder spezialisierte Tätigkeiten extern vergeben werden, sind
unbedenklich. Unter fairen Bedingungen entsprechen sie einer modernen Arbeits-
welt. Problematisch werden Werk- und Dienstverträge erst dann, wenn Stammbe-
legschaften durch Beschäftigte des Werk- bzw. Dienstvertragsunternehmens ersetzt,
dort in den Organisationsstrukturen nach Weisung des „Auftraggebers“ eingesetzt
werden und eine Konkurrenzsituation bei Löhnen und Arbeitsbedingungen entsteht.
Bei dieser Form von Werk- bzw. Dienstverträgen geht es nicht mehr klassisch um
ein „Werk“ oder „Ergebnis“ oder eine selbstständige Tätigkeit des Auftrag nehmen-
den Unternehmens, sondern um die Senkung von Personalkosten durch die Verlage-
rung von Betriebsteilen in tariffreie Bereiche oder billigere Tarifverträge. Bei vielen
dieser zweifelhaften Werk- bzw. Dienstvertragskonstruktionen handelt es sich um
Scheinwerk- bzw. -dienstverträge und damit um illegale Leiharbeit. Und wenn
Selbstständige mit Scheinwerk- bzw. -dienstverträgen eingesetzt werden, dann han-
delt es sich um abhängige Beschäftigung. Unternehmen, die derartige Werk- bzw.
Dienstverträge einsetzen, bewegen sich oft in einer rechtlichen Grauzone. Deshalb
besteht dringender Handlungsbedarf, eine eindeutige Abgrenzung zwischen Werk-
bzw. Dienstverträgen und Leiharbeit gesetzlich zu verankern. Das schafft rechtliche
Klarheit für die Unternehmen, vereinheitlicht gerichtliche Entscheidungen und för-
dert einen fairen Wettbewerb.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf zu Leiharbeit und Werk- bzw. Dienstverträgen vorzulegen, der
sich an folgenden Eckpunkten orientiert:
1) Die Leiharbeit wird mit dem Ziel reformiert, eine faire Balance zwischen den

Flexibilitätsinteressen der Unternehmen und dem Schutzbedürfnis der Leihar-
beitskräfte herzustellen:
a) Im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) wird der Grundsatz „gleicher

Lohn für gleiche Arbeit“ ab dem ersten Tag festgeschrieben.
b) Leiharbeitskräfte erhalten eine Flexibilitätsprämie in Höhe von 10 Prozent

des Bruttolohns als Ausgleich für höhere Flexibilitätsanforderungen.
c) Auf eine Höchstüberlassungsdauer wird verzichtet. Sie verursacht unnö-

tige Bürokratie und sie ist auch nicht notwendig, wenn der Grundsatz
„gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ konsequent durchgesetzt wird.

d) Leiharbeitskräfte dürfen nicht in bestreikten Betrieben eingesetzt werden.
e) Gerichtlich festgestellte nicht „vorübergehende“ Leiharbeit gilt als illegale

Leiharbeit mit allen entsprechenden rechtlichen Konsequenzen.
2) Es werden Maßnahmen ergriffen, um den Missbrauch von Werk- bzw. Dienst-

verträgen einfacher zu identifizieren und konsequenter zu verhindern:
a) Im AÜG wird eine eindeutige und praxistaugliche Abgrenzung für den

drittbezogenen Fremdpersonaleinsatz zwischen verdeckter Leiharbeit und
zulässigen Werk- bzw. Dienstverträgen aufgenommen. Entscheidend ist
nicht der Vertragsinhalt, sondern die tatsächliche Durchführung des Ver-
trags im Betrieb.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7370

Bei einem als Werkvertrag bezeichneten Vertrag wird verdeckte Leihar-
beit vermutet, wenn kein konkret bestimmtes Ergebnis/Werk vereinbart
wurde bzw. die Abrechnung nach Zeiteinheiten und nicht ergebnisbezo-
gen erfolgt.
Liegen bei Dienst- bzw. Werkverträgen mindestens zwei der folgenden
Prüfkriterien vor, wird verdeckte Leiharbeit vermutet:
− es besteht keine eigenverantwortliche Organisation des Werk- bzw.

Dienstvertragsunternehmens (die Beschäftigten sind in die Arbeitsab-
läufe des Bestellbetriebs eingegliedert, Zeiteinteilung erfolgt durch den
Besteller der Leistung, hohe Einflussnahme des Bestellers auf Anzahl
und Qualifikation der eingesetzten Beschäftigten);

− die Leistungen werden bzw. das Werk wird nicht mit eigenem, sondern
im Wesentlichen mit dem Material und Werkzeug des Bestellunterneh-
mens erbracht;

− es besteht ein umfängliches Weisungsrecht (fachlich, örtlich, zeitlich)
des Bestellers gegenüber den im Betrieb tätigen Beschäftigten des
Werk- bzw. Dienstvertragsunternehmens, eine freie Gestaltung der Be-
triebsabläufe ist nicht möglich;

− das Werk- bzw. Dienstvertragsunternehmen trägt nicht das unterneh-
merische Risiko, insbesondere muss es nicht für Mängel oder schlechte
Leistung haften;

− die Beschäftigten des Werk- bzw. Dienstvertragsunternehmens ver-
richten die gleichen Tätigkeiten wie die Beschäftigten des Bestellers.

Bei dieser Vermutung handelt es sich um eine widerlegbare Vermutung.
Kann die Vermutung nicht widerlegt werden, dann ist von Leiharbeit aus-
zugehen. Im Zweifelsfall muss der Auftrag gebende Betrieb das Vorliegen
eines legitimen Werk- bzw. Dienstvertrags nachweisen.

b) Scheinwerk- oder Scheindienstverträge fallen nicht mehr unter den Schutz
einer vorhandenen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Alle im AÜG
vorgesehenen Rechtsfolgen bei illegaler Leiharbeit kommen in vollem
Umfang zum Tragen.

3) Es werden Maßnahmen ergriffen, um die Abgrenzung zwischen selbstständiger
Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung eindeutig und praxistauglich zu regeln,
um Scheinselbstständigkeit zu verhindern und gleichermaßen die Statusfest-
stellung von Selbstständigen in einer modernen Arbeitswelt zu erleichtern:
a) Die in der Rechtsprechung entwickelten Indizien für eine abhängige Be-

schäftigung müssen vereinfacht und gesetzlich festgeschrieben werden.
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sprechen beispielsweise folgende
Indizien für Scheinselbstständigkeit:
− die Person beschäftigt regelmäßig keine sozialversicherungspflichti-

gen Beschäftigten;
− die Person ist auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftrag-

geber tätig;
− der Auftraggeber oder vergleichbare Auftraggeber lässt entsprechende

Tätigkeiten regelmäßig durch von ihm angestellte Beschäftigte ver-
richten;

− die Person ist in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingeglie-
dert und lässt keine typischen Merkmale unternehmerischen Handelns
erkennen.

b) Die gesetzlich formulierten Abgrenzungskriterien müssen im Sozial-, Ar-
beits- und Steuerrecht vereinheitlicht werden, um mögliche Doppel- bzw.
Dreifachprüfungen zu vermeiden.

Drucksache 18/7370 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4) Die Beschäftigten werden bei Missbrauch von Leiharbeit und Werk- bzw.

Dienstverträgen gestärkt:
a) Bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) wird eine Beschwerdestelle

eingerichtet, an die sich Beschäftigte unbürokratisch wenden können,
wenn sie berechtigte Hinweise auf zweifelhafte Werk- und Dienstvertrags-
konstruktionen und nicht vorübergehende Leiharbeit vorlegen können.
Zudem wird die FKS personell und finanziell angemessen ausgestattet,
damit sie einen besonderen Fokus auf die Ermittlung von Scheinwerk- und
-dienstverträgen und verdeckter Leiharbeit legen kann.

b) Die im Betrieb zuständige Gewerkschaft erhält ein Verbandsklagerecht
bei Missbrauch von Werk- und Dienstverträgen und Leiharbeit.

5) Betriebsräte erhalten mehr Informations- und Mitbestimmungsmöglichkeiten
hinsichtlich des Einsatzes von Leiharbeit und Werk- bzw. Dienstverträgen:
a) Die nach geltender Rechtslage bereits bestehende Verpflichtung der Ar-

beitgebenden, den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben recht-
zeitig und umfassend auch dann zu unterrichten, wenn es um den beab-
sichtigten Einsatz von Leiharbeitskräften und Werk- bzw. Dienstvertrags-
beschäftigten geht, wird zur Verdeutlichung nunmehr gesetzlich klarge-
stellt.

b) Das Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats wird analog zur
Leiharbeit auf den Einsatz von Fremdpersonal, das aufgrund von Werk-
und Dienstverträgen länger als einen Monat auf dem Betriebsgelände ein-
gesetzt wird, erweitert.

c) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bezüglich Arbeitsschutz wird
analog zur Leiharbeit auf die bislang faktisch schutzlosen Werk- bzw.
Dienstvertragsbeschäftigten erweitert.

d) Leiharbeitskräfte sind bei den betrieblichen, für die Wahlordnungen und
die Unternehmensmitbestimmung geltenden Schwellenwerten mitzuzäh-
len.

Berlin, den 26. Januar 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Zu 1: Mit der Möglichkeit, Leiharbeitskräfte einzusetzen, haben Unternehmen mehr Flexibilität erhalten, um
auf Auftragsspitzen adäquat reagieren und personelle Engpässe besser bewältigen zu können. Heute profitieren
die Unternehmen von Leiharbeit aber doppelt. Sie erhalten Flexibilität und können Leiharbeit nutzen, um die
Personalkosten zu senken. Diese Fehlentwicklung soll beendet und ein fairer Ausgleich zwischen dem Flexibi-
litätsanliegen der Unternehmen einerseits und dem berechtigten Sicherheitsbedürfnis der Beschäftigten ande-
rerseits geschaffen werden. Die Leiharbeitskräfte brauchen neben einem angemessenen Lohn auch mehr Si-
cherheit für ihre Lebensplanung, denn Leiharbeitskräfte sind besonders von Arbeitslosigkeit betroffen. Das zei-
gen die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Mehr als 50 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse in der Leih-
arbeitsbranche enden bereits nach drei Monaten und viele Leiharbeitskräfte werden wieder arbeitslos. Gleich-
zeitig vermittelt die Bundesagentur für Arbeit mit mehr als 30 Prozent überdurchschnittlich häufig in die Leih-
arbeitsbranche. Es gibt also Drehtüreffekte zulasten der Leiharbeitskräfte. Bedenklich ist auch der Trend, dass
in einigen großen Unternehmen mit konzerneigenen Leiharbeitsfirmen kaum noch ein direkter Zugang in die
Stammbelegschaften besteht. Leiharbeit wird hier als kostengünstige und verlängerte Probezeit genutzt. Neben

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einer Ausbildung existiert in diesen Fällen für die Beschäftigten nur der monatelange Weg über die Leiharbeit
ohne jede Garantie, übernommen zu werden. Aber auch für die Betriebe, die grundsätzlich auf Stammbeleg-
schaften setzen, sind die derzeitigen Regelungen von Nachteil. Sie stehen in direkter Konkurrenz zu den Be-
trieben, die ihre Lohnkosten durch Leiharbeit senken, und laufen deshalb Gefahr, vom Markt gedrängt zu wer-
den. Notwendig ist also eine unbürokratische Reform zum Vorteil der Leiharbeitskräfte wie auch der verant-
wortlichen Betriebe.

Zu 1a und b: Eine konsequente und unbürokratische Reform der Leiharbeit geht nur über den Preis, denn dann
ist der Einsatz von Leiharbeit betriebswirtschaftlich nur „vorübergehend“ bei Auftragsspitzen und personellen
Engpässen für Entleihunternehmen sinnvoll. Deshalb muss das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ kon-
sequent umgesetzt werden, indem der Tarifvorbehalt im AÜG gestrichen wird. So wird sichergestellt, dass der
Gleichbehandlungsgrundsatz von Leiharbeitskräften und Stammbeschäftigten während der Verleihzeiten gilt.
Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer erhalten unmittelbar ab dem ersten Tag den gleichen Lohn, alle Zu-
lagen, Sonderzahlungen (beispielsweise Weihnachts- und Urlaubsgeld), die gleichen Urlaubsansprüche und Ar-
beitsbedingungen, die auch vergleichbaren Beschäftigten im Entleihbetrieb entsprechend den geltenden Tarif-
verträgen oder nichttariflichen Entlohnungsstrukturen zustehen. Darüber hinaus sollen Leiharbeitskräfte eine
Flexibilitätsprämie in Höhe von 10 Prozent des Bruttolohns erhalten. Eine ähnliche Prämie gibt es bereits in
Frankreich als Ausgleich für das höhere Risiko und die erhöhten Flexibilitätsanforderungen, die Leiharbeits-
kräfte erfüllen müssen.

Zu 1c: Auf eine Höchstüberlassungsdauer wird verzichtet. Sie verursacht unnötige Bürokratie und sie ist auch
nicht notwendig, wenn der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ konsequent durchgesetzt wird. Zu den
Lohnkosten kommt für den Entleiher noch eine Marge der Verleihunternehmen hinzu. Wenn Leiharbeitskräfte
teurer sind als Stammbeschäftigte, dann entfällt der finanzielle Anreiz, Leiharbeitskräfte unbegrenzt und länger
als nötig im Unternehmen einzusetzen. Vor allem wirkt eine Höchstüberlassungsdauer, die sich an der Beschäf-
tigungsdauer der Leiharbeitskräfte orientiert, kontraproduktiv. Denn so entstehen neue Drehtüreffekte. Leihar-
beitskräfte werden vor dem Erreichen der Höchstüberlassungsdauer einfach ausgetauscht. Das schützt weder
die Leiharbeitskräfte, noch entsteht dadurch ein Anreiz, die Leiharbeitskräfte zu übernehmen. Eine Höchstüber-
lassungsdauer macht auch deshalb keinen Sinn, weil Auftragsspitzen je nach Branche unterschiedlich lange
andauern und deshalb auch nicht pauschal festgelegt werden können.

Zu 1d: Unternehmen, die Leiharbeitskräfte in bestreikten Betrieben einsetzen, beeinträchtigen die Funktions-
weise der Tarifautonomie, weil sie so empfindlich in das Machtverhältnis zwischen Arbeitgeberseite und Ge-
werkschaften eingreifen. Ein Beispiel dafür ist die Deutsche Post AG, die versucht hat, den Streik von ver.di
durch Leiharbeitskräfte zu neutralisieren. Deswegen wird der Einsatz von Leiharbeitskräften in bestreikten Be-
trieben untersagt.

Zu 1e: „Vorübergehend" bedeutet „auf Zeit" für besondere Situationen und Auftragslagen. Diese Definition ist
ausreichend, damit Betriebsräte und Gerichte bei einem Missbrauch tätig werden können. Wird „nicht vorüber-
gehende" Leiharbeit gerichtlich festgestellt, handelt es sich in Zukunft um illegale Leiharbeit mit allen heute
schon geltenden rechtlichen Konsequenzen.

Zu 2: Das Problem der Abgrenzung von Werk- bzw. Dienstverträgen zu anderen Beschäftigungsformen ist
keineswegs ein neues Rechtsproblem. Ansätze von Vorschriften zur Unterscheidung, was genau den Charakter
von Werk- bzw. Dienstverträgen einerseits und Arbeitsverträgen andererseits ausmacht, finden sich bereits in
alten Rechtsquellen. Bereits Titel XI, § 906 des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 machte Unter-
schiede zwischen echten Werkverträgen und Verträgen, die zwar auch auf Werke Bezug nahmen, in denen es
aber real nicht um Werke, sondern um Arbeitsleistungen ging. Dieses Abgrenzungsproblem besteht heute ak-
tuell zwischen Leiharbeit und Dienst- oder Werkverträgen in den Fällen, in denen Beschäftigte werk- oder
dienstvertraglich in der Weise eingesetzt werden, dass ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer in den Betrieb eines anderen Arbeitgebers entsendet.
Die Regulierung der Leiharbeitsbranche hatte nach dem Schlecker-Skandal 2011 positive Auswirkungen auf
die Löhne der Leiharbeitskräfte. In der Folge weichen manche Unternehmen aus Kostengründen auf Werk-
bzw. Dienstverträge aus. Um die Lohnkosten ähnlich niedrig wie vor der Regulierung der Leiharbeit zu halten,
haben manche Unternehmen in zahlreichen Branchen zweifelhafte Werk- oder Dienstvertragskonstruktionen
entwickelt. Extreme Beispiele finden sich in der Fleischbranche, in der erhebliche Teile der Wertschöpfungs-
kette an Werk- bzw. Dienstvertragsunternehmen, vornehmlich aus Osteuropa, ausgegliedert wurden. Die Werk-

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vertragsunternehmen stellen das notwendige Personal, das in der Regel auf dem Werksgelände des Bestellbe-
triebs arbeitet und dies häufig zu niedrigen Löhnen und nicht selten unter menschenunwürdigen Arbeitsbedin-
gungen. Dies führte zu einem heftigen Wettbewerbsdruck auf dem europäischen Binnenmarkt. Frankreich legte
in der Folge eine Beschwerde bei der EU-Kommission ein mit dem Vorwurf, die Bundesrepublik Deutschland
betreibe in der Fleischbranche Lohndumping. Mittlerweile gibt es solche dubiosen Werk- und Dienstvertrags-
konstruktionen auch in vielen anderen Branchen. Der Werkvertrag wird systematisch missbraucht, um tarifliche
und arbeitsrechtliche Standards zu umgehen. Häufig erweisen sich solche Konstruktionen jedoch als Schein-
werk- oder -dienstverträge und damit als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung. Es besteht Handlungsbedarf zum
Schutz der Beschäftigten und auch der Betriebe, die solche Scheinverträge nicht vergeben.

Zu 2a: Die Rechtsprechung hat, auch für die Fälle des Fremdpersonaleinsatzes in anderen Betrieben, bereits
Kriterien für das Vorliegen eines Werk- bzw. Dienstvertrags nach § 631 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entwi-
ckelt. In der Praxis verursachen diese Kriterien jedoch immer noch Abgrenzungsprobleme und in der Folge
uneinheitliche gerichtliche Entscheidungen. Grauzonen und Unklarheiten müssen daher durch den Gesetzgeber
klargestellt werden. Das führt auch zu mehr Rechtsklarheit für die betroffenen Unternehmen. Aus diesem Grund
müssen diese Kriterien als eindeutige Abgrenzung zwischen Leiharbeit und Dienst- oder Werkverträgen in das
AÜG aufgenommen werden. Eine Regelung im BGB, welche die Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von
einem werk- oder dienstvertraglichen Verhältnis vorsähe, würde die Konstellation der verdeckten Arbeitneh-
merüberlassung, bei der ein Arbeitgeber sein Personal im Rahmen eines Scheinwerk- oder -dienstvertrags einem
anderen Arbeitgeber zur Verfügung stellt, höchstens mittelbar abdecken. Daher bedarf es hierfür einer konkre-
ten Regelung im AÜG. Werden zwei Kriterien aus dem Abgrenzungskatalog erfüllt, indiziert dies die wider-
legliche Vermutung, dass verdeckte Leiharbeit vorliegt. In der Folge muss der Auftrag gebende Betrieb nach-
weisen, dass ein echter Werk- oder Dienstvertrag vorliegt, wenn beispielsweise Beschäftigte durch eine Fest-
stellungsklage klären lassen, ob wegen verdeckter Leiharbeit ein Arbeitsverhältnis nach § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1
AÜG als zu Stande gekommen gilt. Bei der Beurteilung, ob ein Dienst- oder Werkvertrag oder ein Leiharbeits-
verhältnis vorliegt, ist nicht der Vertragsinhalt zwischen Werkvertrags- oder Dienstvertragsunternehmen und
Besteller entscheidend, sondern die tatsächliche Durchführung des Vertrags im Betrieb.

Zu 2b: Falls gerichtlich festgestellt wird, dass kein Dienst- oder Werkvertrag, sondern verdeckte Arbeitnehmer-
überlassung vorliegt, greifen erhebliche Rechtsfolgen. Das AÜG bestimmt, dass der Scheinwerk- bzw. Schein-
dienstvertrag nichtig ist und die illegal überlassenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Beschäftigte des
Entleihers mit allen daraus resultierenden Ansprüchen werden (§ 10 Abs. 1 AÜG). Zusätzlich greifen Ord-
nungswidrigkeitstatbestände für den Verleiher und den Entleiher (§ 16 Abs. 1 u. 1b usw. AÜG). In der Praxis
kommt insbesondere bei Billiglöhnen die Strafbarkeit wegen Beitragshinterziehung gemäß § 266a StGB hinzu.
Diese Rechtsfolgen wirken abschreckend und sollen Lohndumping verhindern. Vor diesen Rechtsfolgen kön-
nen sich die Auftrag Gebenden von Werk- oder Dienstverträgen bislang schützen, indem sie Verträge nur an
Fremdfirmen mit einer Verleiherlaubnis vergeben. Diese Regelungslücke wirkt wie ein „Rettungsschirm“ und
schützt Unternehmen, die Löhne mittels Scheinwerk- bzw. Scheindienstverträgen absenken. Deshalb soll in § 9
Nr. 1 AÜG die Ergänzung aufgenommen werden, dass die Erlaubnis für Leiharbeit nur gilt, wenn die Überlas-
sung vorher kenntlich gemacht wird. Damit schützt eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nicht mehr vor
den Rechtsfolgen bei verdeckter Leiharbeit. Diese neue Gesetzeslage erzielt eine abschreckende Wirkung zum
Vorteil der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Zu 3: Missbrauch von Werk- und Dienstverträgen gibt es auch, wenn diese nicht mit einem Unternehmen,
sondern nur mit einer Person abgeschlossen werden. Dabei handelt es sich um Scheinselbstständigkeit, die häu-
figer beispielsweise im Baugewerbe, im Logistikbereich oder auch im Fleischgewerbe zu finden ist. Wenn ein
Auftrag gebender Betrieb Tätigkeiten an Soloselbstständige vergibt, dann liegt der Vorteil darin, dass er sich
allen sozialen Verpflichtungen entziehen kann. In der Folge sind die Schein-Selbstständigen für ihre soziale
Absicherung allein verantwortlich, obwohl sie wirtschaftlich vom Auftraggeber abhängig sind. Sie haben bei-
spielsweise kein Anrecht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Absicherung bei Schwangerschaft oder Kün-
digungsschutz. Auch dieser Missbrauch muss verhindert werden. Gleichzeitig nehmen Selbstständige und deren
Verbände die Statusfeststellungsverfahren zunehmend als Problem wahr. Sie klagen über unzeitgemäße Ab-
grenzungskriterien, langwierige Statusfeststellungsverfahren, hohe Bürokratie und über widersprüchliche Ge-
richtsurteile. Das führt zu Verunsicherung bei den Selbstständigen und Auftrag Gebenden gleichermaßen. Not-
wendig sind deshalb klare, an eine moderne Arbeitswelt angepasste Kriterien, die gezielt Missbrauch verhin-
dern, aber die echten Selbstständigen in ihrer Tätigkeit nicht beeinträchtigen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/7370
Zu 3a: Die Rechtsprechung hat die im Gesetz festgeschriebenen Anhaltspunkte für eine Beschäftigung (Wei-
sungsgebundenheit und Eingliederung in die Arbeitsorganisation) gemäß § 7 SGB IV in den letzten Jahren um
weitere Indizien konkretisiert. So gelten auch die schon einmal gesetzlich normierten Abgrenzungskriterien
gemäß § 7a SGB IV in der Rechtsprechung weiterhin als Indizien. Diese Kriterien müssen jedoch angepasst
und gesetzlich festgeschrieben werden, um im Rahmen einer Gesamtbetrachtung gezielt den Missbrauch durch
Scheinselbstständigkeit verhindern zu können.

Zu 3b: Problematisch ist auch, dass die unterschiedlichen Statusfeststellungsverfahren im Sozial-, Arbeits- und
Steuerrecht unabhängig voneinander durchgeführt werden. So müssen sich etwa die Finanzämter nicht an die
sozialversicherungsrechtliche Beurteilung halten und kommen somit ggf. zu abweichenden Einschätzungen.
Das führt zu Parallelprüfungen und zu unnötiger Bürokratie. Zukünftig müssen daher gleich lautende Kriterien
für alle Feststellungsverfahren abgestimmt Anwendung finden. Das würde die Planungssicherheit der Selbst-
ständigen, aber auch der Auftraggeber erhöhen und erheblich zur Vereinfachung beitragen.

Zu 4a: Häufig werden Scheinwerk- bzw. Scheindienstverträge erst durch Hinweise von Beschäftigten oder Be-
triebsräten bekannt. Eine bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) angesiedelte Beschwerdestelle, an die
sich die Beschäftigten unbürokratisch wenden können, ist eine einfache und effiziente Möglichkeit, um Miss-
brauch aufzudecken. Voraussetzung dafür muss aber sein, dass die Beschäftigten bzw. Betriebsräte berechtigte
Hinweise auf zweifelhafte Werk- bzw. Dienstvertragskonstruktionen und illegale Leiharbeit vorlegen können.
Eine wesentliche Grundbedingung für effektive Kontrollen ist eine angemessene Personaldecke. Deshalb muss
die FKS personell besser ausgestattet werden.

Zu 4b: Vor allem Beschäftigte in Betrieben ohne Betriebsräte können sich nur schwer gegen den Missbrauch
von Werk- bzw. Dienstverträgen und nicht vorübergehender Leiharbeit wehren. Sie kennen häufig nicht die
rechtlichen Grundlagen und ebenso wenig die Möglichkeiten, wie sie dagegen vorgehen können. Zudem haben
sie in der Regel die berechtigte Sorge, dass sie benachteiligt oder gar entlassen werden, wenn sie zweifelhafte
Werk- bzw. Dienstvertragskonstruktionen problematisieren. Deshalb ist ein Verbandsklagerecht für die im Be-
trieb zuständige Gewerkschaft notwendig, um den Missbrauch von Werk- bzw. Dienstverträgen aufzudecken
und dagegen vorgehen zu können.

Zu 5: Betriebsräte müssen mehr Informations- und Mitbestimmungsmöglichkeiten hinsichtlich des Einsatzes
von Leiharbeit und Werk- bzw. Dienstverträgen erhalten. So kann häufig bereits vor dem Einsatz von Leiharbeit
bzw. vor der Vergabe von Werk- bzw. Dienstverträgen Missbrauch festgestellt und in der Folge können lang-
wierige und teure gerichtliche Verfahren verhindert werden. Die hier genannten Forderungen basieren auf ei-
nem vom Bundesrat beschlossenen Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 18/14).

Zu 5a: Arbeitgebende müssen Betriebsräte bereits heute über den Einsatz von Werk- bzw. Dienstverträgen und
Leiharbeit unterrichten. Diese Unterrichtungspflicht wird aber nur unzureichend umgesetzt. Deswegen ist eine
rechtliche Klarstellung notwendig. In § 80 Absatz 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) wird
eingefügt, dass die Arbeitgebenden dem Betriebsrat alle notwendigen Unterlagen über Personen vorlegen müs-
sen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zu den Arbeitgebenden stehen und länger als einen Monat auf dem
Betriebsgelände tätig sind. Zudem wird in § 92 Absatz 1 BetrVG ergänzt, dass sich die Unterrichtungspflicht
auch auf den geplanten Einsatz von Beschäftigten einer Fremdfirma bezieht, die länger als einen Monat auf dem
Betriebsgelände eingesetzt werden. Der Betriebsrat muss die Chance haben zu beurteilen, ob es sich bei dem
Einsatz von Fremdpersonal um einen „legitimen“ Werk- bzw. Dienstvertrag handelt oder um Leiharbeit. Er
muss sein Unterrichtungsrecht auch laufend geltend machen können. Nur so ist zu beurteilen, ob sich durch eine
nachträgliche Veränderung der Arbeitsabläufe aus einem Werk- bzw. Dienstvertragsverhältnis eine Arbeitneh-
merüberlassung entwickeln könnte oder bereits entwickelt hat. Ebenfalls kann auch nur so eine nicht vorüber-
gehende Leiharbeit identifiziert werden. Der Aufwand für Unternehmen und Betriebsräte wird jedoch begrenzt.
Personen oder Betriebe, die nur kurze Zeit auf dem Betriebsgelände tätig sind, werden durch eine Frist von
einem Monat von der Unterrichtungspflicht der Arbeitgebenden ausgenommen.

Zu 5b: Der Missbrauch von Werk- bzw. Dienstverträgen und Leiharbeit muss verhindert werden, um die Rechte
des Fremdpersonals zu schützen. Gleichzeitig muss die unternehmerische Freiheit der Unternehmen, strategi-
sche betriebliche Entscheidungen zu treffen, gewahrt bleiben. Gesetzliche Regulierung darf nicht dazu führen,
dass die Vergabe von Werk- bzw. Dienstverträgen per se als Absicht gedeutet wird, Arbeitnehmerrechte zu
umgehen. Deshalb ist ein einschränkendes grundsätzliches Mitbestimmungsrecht nicht angemessen. Dennoch
sollten die Erfahrungen und das Wissen des Betriebsrats über die Abläufe im Betrieb frühzeitig genutzt werden,

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Drucksache 18/7370 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
um missbräuchliche Werk- bzw. Dienstvertragsgestaltungen und nicht vorübergehende Leiharbeit zu verhin-
dern. Dies hat für alle Beteiligten den Vorteil, dass langwierige und teure Verfahren vermieden werden. Deshalb
soll der Betriebsrat ein Zustimmungsverweigerungsrecht erhalten, indem die schon heute geltenden Zustim-
mungsverweigerungsgründe in § 99 Absatz 2 Nummer 1, 3 und 6 BetrVG zum Schutz der bereits im Betrieb
Beschäftigten analog zur Leiharbeit auch auf den Einsatz von Fremdpersonal, das aufgrund von Werk- und
Dienstverträgen länger als einen Monat auf dem Gelände des Betriebes tätig ist, mit einem neuen § 99a ausge-
dehnt werden. In Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Beschäftigten kann der Betriebsrat seine Zu-
stimmung verweigern, wenn der Einsatz von Fremdpersonal gegen gesetzliche oder sonstige Vorschriften ver-
stößt, Nachteile für die Stammbelegschaft oder eine Störung des Betriebsfriedens drohen. Kleine Betriebe sind
davon nicht betroffen, weil das Zustimmungsverweigerungsrecht nur in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten
greift. Zudem gilt es auch nicht bei Werk- bzw. Dienstverträgen, die nur für einen Zeitraum von weniger als
einem Monat vergeben werden. Auf diese Weise wird der Betriebsrat bei der Bewältigung seiner Aufgaben
gestärkt. Die unternehmerische Entscheidungsfreiheit in der Frage, wie und mit welchen Mitteln die Arbeitge-
benden ihre unternehmerischen Zwecke verfolgen wollen, wird dadurch nicht unverhältnismäßig eingeschränkt.

Zu 5c: Nach geltender Rechtslage ist der Betriebsrat des entsendenden Werk- bzw. Dienstvertragsunternehmens
für die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, und hier konkret für den Arbeitsschutz, zuständig. Diese
Regelung läuft aber ins Leere, wenn das Werk- bzw. Dienstvertragsunternehmen auf dem Gelände des Bestell-
unternehmens tätig wird. Deshalb muss das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats des Bestellunternehmens
beim Arbeitsschutz analog zur Leiharbeit auf die bislang faktisch schutzlosen Werk- bzw. Dienstvertragsbe-
schäftigten erweitert werden. In § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG wird ergänzt, dass die Unfallverhütungsvorschriften
für alle auf dem Betriebsgelände tätigen Personen gelten. Durch die neue Regelung werden die Rechte des
Betriebsrats des Werk- bzw. Dienstvertragsunternehmens weder geschmälert noch beeinträchtigt, sondern er-
gänzt. Werk- bzw. Dienstvertragsbeschäftigte erhalten dort eine Sicherung und Ergänzung, wo dieser Schutz
ansonsten wegen der Umstände des Einzelfalls ins Leere liefe. Notwendig ist dies auch, weil sich ein unvoll-
ständiger Arbeitsschutz der Werk- bzw. Dienstvertragsbeschäftigten auch negativ auf die anderen Beschäftigten
des Bestellbetriebes auswirken und die Unfallgefahr erhöhen kann. Deshalb müssen die Unfallverhütung und
der Arbeitsschutz auch bei Werk- und Dienstverträgen arbeitsplatz- und betriebsbezogen geregelt werden.

Zu 5d: Leiharbeitskräfte werden zukünftig bei den betrieblichen, für die Wahlordnungen und den für die Un-
ternehmensmitbestimmung geltenden Schwellenwerten mitgezählt. In Betrieben mit einem hohen Anteil an
Leiharbeitskräften muss das Fremdpersonal bei den Schwellenwerten berücksichtigt werden, da die Zahl der
Beschäftigten die Größe der Interessenvertretungen bestimmt. Das ist notwendig, weil die Betriebsräte den Ar-
beitsschutz auch für das Fremdpersonal gewährleisten und dafür ausreichende personelle Ressourcen und Zeit
zur Verfügung stehen müssen.

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