BT-Drucksache 18/7228

Verfolgung sogenannter ausländischer terroristischer Vereinigungen aus der Türkei

Vom 17. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7228
18. Wahlperiode 17.12.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,

Annette Groth, Andrej Hunko, Niema Movassat, Kathrin Vogler, Jörn Wunderlich

und der Fraktion DIE LINKE.

Verfolgung sogenannter ausländischer terroristischer Vereinigungen aus der
Türkei

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA wurde in der Bun-
desrepublik Deutschland der neue §129b des Strafgesetzbuches (StGB) einge-
führt, mit dem die bereits bestehenden § 129 („Bildung einer kriminellen Verei-
nigung“) und § 129a StGB („Bildung einer terroristischen Vereinigung“) ausge-
weitet werden, um im Ausland agierende terroristische und kriminelle Vereini-
gungen auch im Inland strafrechtlich zu verfolgen. Außer gegen islamistische
Vereinigungen kann der § 129b StGB auch gegen linksgerichtete Vereinigungen
sowie nationale Befreiungsbewegungen zur Anwendung kommen, wenn diese
die Merkmale einer terroristischen Vereinigung aufweisen.

Ein Schwerpunkt der Verfolgung scheint dabei – so der Eindruck der Fragestel-
ler – auf Vereinigungen aus der Türkei zu liegen. So wurden oder werden ent-
sprechende Verfahren in Deutschland gegen mutmaßliche Mitglieder der Arbei-
terpartei Kurdistans (PKK), der Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front
(DHKP-C) und der Kommunistischen Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch
(TKP/ML) geführt.

Bei Ermittlungsverfahren nach § 129b StGB gegen außereuropäische terroristi-
sche Vereinigungen im Ausland muss grundsätzlich das Bundesministerium der
Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) – nach Abstimmung mit anderen Re-
gierungsstellen – seine Ermächtigung geben. Nach Auffassung der Fragesteller,
aber auch von Juristen- und Bürgerrechtsvereinigungen, handelt es sich dabei um
eine rechtsstaatlichen Prinzipien widersprechende Politisierung der Justiz.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Gegen Mitglieder welcher in der Türkei aktiven bzw. aus der Türkei stam-
menden Vereinigungen wurde aufgrund des § 129b StGB seit Einführung
dieses Strafrechtsparagraphen ermittelt (bitte benennen, ob es sich um links-
oder rechtsextreme, islamistische, prokurdische oder etwaige sonstige Ver-
einigungen handelt)?

2. Gegen wie viele Mitglieder welcher der in Frage 1 erfragten Vereinigungen
wurden bislang wie viele Strafverfahren nach § 129b StGB mit welchem Er-
gebnis jeweils geführt?

3. Wie viele Mitglieder welcher der in Frage 1 erfragten Vereinigungen befin-
den sich seit wann in der Bundesrepublik Deutschland in Untersuchungs-
haft?

Drucksache 18/7228 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

4. Wie viele Mitglieder welcher der in Frage 1 erfragten Vereinigungen befin-
den sich seit wann in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund welcher
Verurteilung zu welcher Strafe in Strafhaft?

5. Bezüglich welcher in der Türkei aktiven bzw. aus der Türkei stammenden
Vereinigungen bzw. von einzelnen, auch unbekannten Mitgliedern oder Un-
terstützern dieser Vereinigungen, läuft derzeit nach Kenntnis der Bundesre-
gierung von Seiten der Generalbundesanwaltschaft (GBA) ein Prüfvorgang
zur Prüfung eines Anfangsverdachts aufgrund von § 129b StGB?

a) Wieweit ist nach Kenntnis der Bundesregierung ein auf Bundestagsdruck-
sache 18/5777 genannter Prüfvortrag bezüglich eines Anfangsverdachts
gegen unbekannte Mitglieder oder Unterstützerinnen und Unterstützer der
Marxistisch-Leninistisch-Kommunistischen Partei der Türkei (MLKP)
gemäß § 129b StGB fortgeschritten?

b) Wurde zwischenzeitlich bezüglich der MLKP oder ihre Teilorganisatio-
nen bzw. einzelner ihrer Mitglieder oder Unterstützerinnen und Unterstüt-
zer eine Strafverfolgungsermächtigung nach § 129b StGB beim BMJV
beantragt, und wenn ja, wie wurde diese beschieden?

6. Wann genau wurde jeweils von der GBA beim BMJV eine Verfolgungser-
mächtigung in welchem Rahmen nach § 129b StGB für Mitglieder der in
Frage 1 erfragten Vereinigungen bzw. in ihnen nach Auffassung der GBA
bestehende terroristische Vereinigungen beantragt?

a) Zu welchem Zeitpunkt wurden diese Ermächtigungen jeweils für die Ver-
folgung welcher möglichen Taten welches möglichen Täterkreises in wel-
chem zeitlichen und räumlichen Wirkungskreis erteilt?

b) Zu welchem Zeitpunkt und aus welchem Anlass wurden diese Ermächti-
gungen jeweils verändert, neugefasst, teilweise oder ganz zurückgenom-
men?

c) In welchen Fällen und aus welchen Gründen bezüglich welcher Vereini-
gungen wurden Verfolgungsermächtigungen nicht oder nicht im von der
GBA beantragten Rahmen erteilt?

7. Aus welchen Quellen im Einzelnen stammt jeweils das für die Erteilung ei-
ner Verfolgungsermächtigung nach § 129b StGB notwendige Wissen des
BMJV bezüglich der in Frage 1 erfragten Vereinigungen, und inwieweit
greift das BMJV dabei auf Informationen türkischer Sicherheitsbehörden
und Nachrichtendienste zurück?

8. Bezüglich welcher in Frage 1 erfragten Vereinigungen fanden wann und in
welchem Zusammenhang und mit welchem Ergebnis Gespräche welcher
deutscher und türkischer Behörden oder Erörterungen internationaler Gre-
mien etwa auf EU- oder NATO-Ebene statt?

9. Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung zu irgendeinem Zeitpunkt
schriftliche oder mündliche Ersuchen oder Bitten von Seiten türkischer Be-
hörden oder Regierungsstellen gegenüber der Bundesregierung oder bundes-
deutschen Behörden bezüglich einer strafrechtlichen Verfolgung der in
Frage 1 erfragten Vereinigungen oder einzelner ihrer Mitglieder?

a) Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt, von welchen türkischen Behörden und
mit welchem genauen Inhalt erfolgten diese Ersuchen oder bitten welchen
deutschen Behörden gegenüber?

b) Wenn nein, aufgrund welcher Ereignisse oder Überlegungen oder Ersu-
chen anderer, auch internationaler Stellen oder Gremien (bitte benennen),
wurden nach Kenntnis der Bundesregierung von der GBA Ermittlungs-
verfahren gegen Mitglieder welche der in Frage 1 erfragten Vereinigun-
gen eingeleitet?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7228

 

10. Welche der in Frage 1 erfragten Vereinigungen werden nach Kenntnis der
Bundesregierung seit wann auf welchen Terrorlisten von der EU, den USA
oder Vereinten Nationen gelistet?

11. Welche der in Frage 1 erfragten Vereinigungen sind in der Bundesrepublik
Deutschland seit wann mit vereinsrechtlichen Betätigungsverboten belegt?

12. Gegen welche der in Frage 1 erfragten Vereinigungen wurden oder werden
nach Kenntnis der Bundesregierung seit wann in welchen anderen EU-Mit-
gliedstaaten Verfahren aufgrund von mit den deutschen §§ 129, 129a und
129b StGB vergleichbarer oder sonstiger einschlägiger Straftatbeständen ge-
führt, und wie endeten diese Verfahren jeweils?

13. Gegen welche der in Frage 1 erfragten Vereinigungen wurden oder werden
nach Kenntnis der Bundesregierung seit wann in der Türkei Verfahren auf-
grund von mit den deutschen §§ 129, 129a und 129b StGB vergleichbarer
oder sonstiger einschlägiger Straftatbeständen geführt?

14. Inwieweit war die mögliche Verfolgung von in Frage 1 erfragten Vereini-
gungen Thema der jüngsten, vor allem die Flüchtlingsthematik betreffenden
Gespräche zwischen der Bundesregierung und der türkischen Regierung?

Berlin, den 16. Dezember 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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