BT-Drucksache 18/7144

Grenzschutz durch die Bundespolizei an der deutsch-tschechischen Grenze

Vom 18. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7144
18. Wahlperiode 18.12.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Jan van Aken, Christine Buchholz,

Annette Groth, Dr. André Hahn, Inge Höger, Andrej Hunko, Katrin Kunert,

Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Grenzschutz durch die Bundespolizei an der deutsch-tschechischen Grenze

Seit September 2015 werden Einheiten der Bundespolizei zu Grenzschutzzwe-
cken an der deutsch-tschechischen Grenze eingesetzt (www.n-tv.de/ticker/
Bundespolizei-kontrolliert-Grenze-zu-Tschechien-article15951636.html). Nach
Kenntnis der Fragesteller kam es dabei in mehreren Fällen nicht nur zu Kontrol-
len, sondern auch zu direkten Zurückweisungen Asylsuchender an der Grenze
durch Beamte der Bundespolizei.

Bereits zu diesem Zeitpunkt war die Situation für Flüchtlinge und Schutzsu-
chende in Tschechien katastrophal und dies durch mediale Berichterstattung be-
kannt. Auch die Vereinten Nationen (VN) erhoben schwere Vorwürfe ge-
gen Tschechien, Inhaftierungen von Flüchtlingen und Schutzsuchenden, auch
von Kindern, würden „systematisch“ und „menschenunwürdig“ erfolgen
(www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/inhaftierung-von-fluechtlingen-in-
tschechien-menschenunwuerdig-13870454.html). Mitglieder von Hilfsorganisati-
onen beschreiben die Situation in den Flüchtlingslagern als „unerträglich“
(www.deutschlandfunk.de/angst-vor-fluechtlingen-tschechien-ein-weisser-fleck-
auf.1773.de.html?dram:article_id=334786), das Essen sei „miserabel“, die Unter-
künfte seien „schmutzig und völlig überbelegt“. Es gebe kaum eine ärztliche Ver-
sorgung. Für ihre wochenlange Haft müssten die Betroffenen sogar noch bezah-
len, rund 10 Euro am Tag.

Nach Kenntnis der Fragesteller werden viele Asylsuchende in Tschechien zudem
nicht in ein reguläres Asylverfahren überführt, sondern im Anschluss an die Haft
aufgefordert, innerhalb weniger Tage das Land zu verlassen. Zum Teil sollen sie
nach Prag verbracht und dort mit finanziellen Mitteln entsprechend den Kosten
einer Zugfahrkarte nach Dresden ausgestattet worden sein.

Mögliche Zurückweisungen an der deutsch-tschechischen Grenze und die man-
gelnde Bereitschaft Tschechiens, die Schutzsuchenden in ein ordentliches Asyl-
verfahren zu überführen und ihre Rechte zu wahren, bedeuten für die betroffenen
Personen eine massive Einschränkung ihres Rechts auf Asyl.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung solche Zurückweisungen an den
Landesaußengrenzen Deutschlands, auf welche Rechtsgrundlage werden sie
gestützt, und welche Dienstanweisungen von welchen Stellen liegen hierzu
vor (bitte genau bezeichnen und den Inhalt ausführlich benennen)?

Drucksache 18/7144 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

2. In welchen Fällen und unter welchen Bedingungen dürfen Zurückweisungen
von Schutzsuchenden durch die Bundespolizei an den Landesaußengrenzen
Deutschlands erfolgen, und wie genau erfolgt eine Prüfung der entsprechen-
den Bedingungen durch die Beamten vor Ort?

3. Inwiefern und durch wen findet vor der Zurückweisung eine Einzelfallprü-
fung hinsichtlich der Asylgründe der betroffenen Schutzsuchenden statt?

4. Nach welchen Kriterien wird nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen
Schutzsuchenden mit Asylbegehren und Personen ohne Asylbegehren unter-
schieden, bzw. unter welchen Bedingungen wird das Vorliegen eines Asylbe-
gehrens positiv angenommen bzw. ausgeschlossen?

5. Inwieweit ist eine Zurückweisung von Schutzsuchenden zulässig, ohne zu-
vor geprüft zu haben, welcher Mitgliedstaat nach der Dublin-III-Verordnung
zuständig ist (vgl. Hofmann/Hoffmann (Hrsg.): Handkommentar Ausländer-
recht, 1. Aufl. 2008, § 18 AsylVfG, Rn. 14, 21 und BVerfGE 94, 49 (86) und
Beschluss vom 30. Juli 2003 – 2 BvR 1880/00, juris Rn. 16 f.)?

6. Welches genaue Verhalten (wie zum Beispiel die Durchführung erkennungs-
dienstlicher Maßnahmen, sonstige Datenabfragen und Überprüfungen, Inge-
wahrsamnahme, Beschlagnahme von Gegenständen usw.) ist von der
Rechtsgrundlage zur Zurückweisung gedeckt?

7. Wie viele Schutzsuchende oder unerlaubt eingereiste Personen wurden von
Beamten der Bundespolizei seit Einsatzbeginn an der deutsch-tschechischen
Grenze aufgegriffen bzw. im Hinblick auf deren mögliche Zurückweisung
überprüft?

a) Wie viele der aufgegriffenen bzw. überprüften Schutzsuchenden oder un-
erlaubt eingereisten Personen wurden im Anschluss als Asylsuchende in
Deutschland registriert?

b) In wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung an der
deutsch-tschechischen Grenze zu Zurückweisungen von Schutzsuchen-
den durch Beamten der Bundespolizei?

c) Auf welche konkreten Gründe und Rechtsgrundlagen wurde sich bei den
vorgenommenen Zurückweisungen berufen?

d) Wurden im Zuge dessen Gegenstände usw. sichergestellt oder beschlag-
nahmt, und wenn ja, aufgrund welcher Rechtsgrundlage und mit welcher
Begründung, und wie wurde damit weiter verfahren?

e) Bestand hinsichtlich der Zurückweisung eine Kooperation oder Zusam-
menarbeit mit tschechischen Beamten oder Behörden, und wie gestaltete
sich diese konkret?

8. Gibt es an anderen deutschen Landesaußengrenzen Zurückweisungen von
Schutzsuchenden, welche die Grenze überqueren wollen?

Wenn ja, an welchen Grenzen, unter welchen Bedingungen, in wie vielen
Fällen (bitte gesondert für das Jahr 2015 angeben) und aufgrund welcher
Rechtsgrundlage?

9. Inwiefern trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass tschechische
Behörden Flüchtlinge nach Prag verbringen oder verbracht haben und ihnen
dort Finanzmittel in Höhe einer Zugfahrkarte nach Dresden aushändigen
oder ausgehändigt haben?

10. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass Flüchtlinge für die In-
haftierung in Tschechien bis zu 10 Euro am Tag bezahlen müssen, und was
geschieht, wenn sie nicht über diese Finanzmittel verfügen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7144

 

11. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den ihr vorliegen-
den Erkenntnissen über den Umgang der tschechischen Behörden mit Flücht-
lingen, insbesondere hinsichtlich der Frage etwaiger Zurückweisungen nach
Tschechien?

Berlin, den 18. Dezember 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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