BT-Drucksache 18/7123

Integration von Flüchtlingen mit Hilfe von Islamverbänden

Vom 17. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7123
18. Wahlperiode 17.12.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Annette Groth,

Andrej Hunko, Harald Petzold (Havelland) und der Fraktion DIE LINKE.

Integration von Flüchtlingen mit Hilfe von Islamverbänden

Moscheegemeinden und Islamverbände beteiligen sich in Deutschland an der Un-
terstützung und Versorgung von Flüchtlingen. So kündigte die Islamische Ge-
meinschaft Milli Görüs e. V. (IGMG) im September 2015 an, etwa 4 000 Flücht-
linge in ihren Moscheen und Einrichtungen aufzunehmen. Neben Unterkunft und
Verpflegung will der Verband Flüchtlinge „in allen Lebenslagen unterstützen und
ihre Eingliederung in ihr neues Umfeld fördern, etwa bei Antragstellungen,
Behördengängen, Wohnungsbesichtigungen, der Arbeitsplatzsuche oder Ein-
schulung von Kindern“. Geplant sei eine Art „erweiterte und langfristige Fami-
lienpatenschaft“ (www.igmg.org/nachrichten/artikel/2015/09/10/igmg-schnuert-
massnahmenpaket-fuer-fluechtlinge.html). Auch Mitglieder der Türkisch-Islami-
schen Union (DITIB) und des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD)
e. V. sind nach eigenen Angaben als Dolmetscher, Seelsorger und Integrations-
lotsen aktiv. Gebetsräume würden als Schlafstätten für Flüchtlinge umfunktio-
niert, erklärte der ZMD-Vorsitzende Aiman A. Mazyek. Man helfe mit Imamen
aus, spende Gebetstep-piche, Korane und Halal-Essen (www.welt.de/regionales/
nrw/article146502655/Moscheegemeinden-engagieren-sich-fuer-Fluechtlinge.html).

Auf der Deutschen Islam Konferenz erklärte der Bundesminister des Innern,
Dr. Thomas de Maizière, er würde sich wünschen, „dass die muslimischen Ver-
bände Brückenbauer sind für diejenigen Flüchtlinge, die neu zu uns kommen. Sie
können Vorbild sein.“ Hintergrund sei, dass rund 70 Prozent der Flüchtlinge, die
im ersten Halbjahr 2015 Deutschland erreichten, Muslime seien. Nun plant die
Bundesregierung, den Bundesfreiwilligendienst um weitere 10 000 Stellen vor al-
lem für die Flüchtlingsarbeit aufzustocken, die zum Teil mit Angehörigen aus
Moscheegemeinden besetzt werden sollen. Diese könnten als „Kulturdolmet-
scher“ fungieren, erklärte die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend, Manuela Schwesig. „Wir brauchen die Muslime, um die Integration vo-
ranzubringen.“ Die Bundesministerin plant die Aufnahme von Islamverbänden in
die staatlichen Förderprogramme und denkt darüber hinaus an Workshops und
Beratungsangebote, mit denen die muslimischen Verbände beim Aufbau ihrer
Hilfeeinrichtungen unterstützt werden sollen (www.dw.com/de/deutsche-
muslime-sollen-fl%C3%BCchtlinge-integrieren/a-18841708).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf welche Weise und in welchem Umfang beteiligen sich nach Kenntnis
der Bundesregierung welche Islamverbände und Moscheegemeinden im Ein-
zelnen in welchen Bundesländern an welchen konkreten Formen der Flücht-
lingshilfe und Flüchtlingsintegration?

Drucksache 18/7123 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

2. Welche bisherigen positiven wie negativen Erfahrungen gibt es nach Kennt-
nis der Bundesregierung mit dem Engagement welcher Islamverbände und
Moscheegemeinden bei der Flüchtlingshilfe und Flüchtlingsintegration?

3. Inwieweit kommt den Islamverbänden in der Bundesrepublik Deutschland
nach Auffassung der Bundesregierung eine besondere Verantwortung bei der
Integration von Flüchtlingen zu, und wie könnten diese Verbände dabei ge-
gebenenfalls von Seiten der Bundesregierung unterstützt werden?

4. Welche konkreten Bitten, Aufforderungen und Anträge um Hilfeleistung der
Islamverbände an den Bund – und nach Kenntnis der Bundesregierung an die
Länder – bezüglich seiner/ihrer Einbeziehung in die Flüchtlingsbetreuung
und Flüchtlingsintegration sind der Bundesregierung bekannt, und inwieweit
wurde diesen bislang entsprochen oder ggf. aus welchen Gründen nicht ent-
sprochen?

5. In welchen Bereichen genau und auf welche konkrete Weise können nach
Einschätzung der Bundesregierung welche konkreten muslimischen Ver-
bände – wie vom Bundesinnenminister auf der Deutschen Islam Konferenz
erklärt – „Vorbild“ und „Brückenbauer“ für Flüchtlinge sein?

6. Was genau meint die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig mit ihrer
Aussage, Angehörige von Moscheegemeinden könnten als „Kulturdolmet-
scher“ bei der Integration von Flüchtlingen helfen (www.dw.com/de/
deutsche-muslime-sollen-fl%C3%BCchtlinge-integrieren/a-18841708)?

a) Welche Moscheegemeinden genau meint die Bundesfamilienministerin?

b) Wie definiert die Bundesregierung hier „Kultur“, und zwischen welchen
Kulturen im Einzelnen sollen die Angehörigen dieser Moscheegemeinden
konkret dolmetschen und vermitteln?

7. Inwieweit hält die Bundesregierung die Religion von Flüchtlingen und nicht
beispielsweise die Sprache oder die Kultur des Herkunftslandes, Bildung
oder berufliche Ausbildung der Geflüchteten für das prägende Identitäts-
merkmal, auf das bei ihrer Integration in der Bundesrepublik Deutschland
besondere Rücksicht genommen werden muss?

8. Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung – und nach
Kenntnis der Bundesregierung die Länder –, um welche Islamverbände im
Einzelnen in welche konkreten Aufgaben der Flüchtlingsbetreuung und
Flüchtlingsintegration einzubeziehen?

a) Wann sollen diese Maßnahmen beginnen, und über welchen Zeitraum sol-
len sie sich erstrecken?

b) Welche Kosten werden für diese Maßnahmen voraussichtlich anfallen,
und aus welchen Budgets sollen diese finanziert werden?

c) Welche genaue Aufstockung um welche Art von Stellen bezüglich der
Flüchtlingsarbeit sind beim Bundesfreiwilligendienst geplant, und wie
viele davon sollen mit Mitgliedern welcher Moscheegemeinden im Ein-
zelnen besetzt werden?

9. Welche weiteren religiösen Verbände und Gemeinden von Migrantinnen und
Migranten neben den Islamverbänden sind der Bundesregierung bekannt, die
eine Rolle bei der Betreuung und Integration von Flüchtlingen in der Bun-
desrepublik Deutschland spielen könnten?

a) Inwieweit können solche Vereinigungen und Gemeinden nach Auffas-
sung der Bundesregierung eine positive Rolle bei der Integration von
Flüchtlingen in der Bundesrepublik Deutschland spielen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7123

b) Inwieweit sind welche dieser Vereinigungen und Gemeinden nach Kennt-
nis der Bundesregierung bereits in der Flüchtlingsbetreuung tätig, und
welche positiven und negativen Erfahrungen gibt es damit?

c) Inwieweit haben welche dieser Vereinigungen und Gemeinden welche
Unterstützung vom Bund oder nach Kenntnis der Bundesregierung von
den Ländern für welches Engagement bei der Betreuung von Flüchtlingen
erbeten, und wie wurde diesen Ersuchen jeweils entsprochen?

10. Welche sich nicht explizit als religiös verstehenden, nach ethnischer oder ge-
meinsamer landsmannschaftlicher Herkunft organisierten Verbände und Ge-
meinden von Migrantinnen und Migranten sind der Bundesregierung be-
kannt, die eine Rolle bei der Betreuung und Integration von Flüchtlingen in
der Bundesrepublik Deutschland spielen könnten?

a) Inwieweit können solche Vereinigungen und Gemeinden nach Auffas-
sung der Bundesregierung eine positive Rolle bei der Integration von
Flüchtlingen in der Bundesrepublik Deutschland spielen?

b) Inwieweit sind welche dieser Vereinigungen und Gemeinden nach Kennt-
nis der Bundesregierung bereits in der Flüchtlingsbetreuung tätig, und
welche positiven und negativen Erfahrungen gibt es damit?

c) Inwieweit haben welche dieser Vereinigungen und Gemeinden welche
Unterstützung vom Bund oder nach Kenntnis der Bundesregierung von
den Ländern für welches Engagement bei der Betreuung von Flüchtlingen
erbeten, und wie wurde diesen Ersuchen jeweils entsprochen?

Berlin, den 16. Dezember 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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