BT-Drucksache 18/7122

Entschließung im Europäischen Parlament zum Europawahlrecht und Haltung der Bundesregierung im Rat

Vom 17. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7122
18. Wahlperiode 17.12.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Frank Tempel, Annette Groth, Inge Höger,

Ulla Jelpke, Jan Korte, Katrin Kunert, Harald Petzold (Havelland), Dr. Petra Sitte,

Kersten Steinke, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Entschließung im Europäischen Parlament zum Europawahlrecht und Haltung der
Bundesregierung im Rat

Am 11. November 2015 hat das Europäische Parlament eine Entschließung zur
Reform des Wahlrechtes der Europäischen Union angenommen. Das Gesetzge-
bungsverfahren richtet sich nach Artikel 223 des Vertrages über die Arbeitsweise
der Europäischen Union (AEUV). Demnach erstellt das Europäische Parlament
einen Entwurf und erlässt der Rat die erforderlichen Bestimmungen einstimmig
gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren und nach der Zustimmung des
Europäischen Parlaments. Die Bestimmungen treten nach Zustimmung der Mit-
gliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschrif-
ten in Kraft.

Nach der Entschließung des Europäischen Parlaments soll unter anderem eine
verbindlich vereinbarte Schwelle zwischen 3 Prozent und 5 Prozent für die Ver-
teilung der Sitze in Mitgliedstaaten mit nur einem Wahlkreis und in Wahlkreisen
eingeführt werden, in denen eine Listenwahl stattfindet und es mehr als 26 Sitze
gibt. Davon betroffen wäre unter anderem Deutschland. Das Bundesverfassungs-
gericht hat in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a., 2 BvR
2220/13 u. a.) festgestellt, dass der „mit der Drei-Prozent-Sperrklausel im Euro-
pawahlrecht verbundene schwerwiegende Eingriff in die Grundsätze der Wahl-
rechtsgleichheit und Chancengleichheit der politischen Parteien [...] unter den ge-
gebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse nicht zu rechtfertigen“ ist.
Eine abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung könne sich nach Auffas-
sung des Bundesverfassungsgerichtes ergeben, wenn sich die Verhältnisse we-
sentlich ändern.

Darüber hinaus enthält der Vorschlag des Europäischen Parlaments unter ande-
rem Bestimmungen zur Einführung einer einheitlichen Zwölf-Wochen-Frist für
die Erstellung der Bewerberlisten auf nationaler Ebene, zur Sicherung der Gleich-
stellung von Männern und Frauen, zur Verbesserung des Bekanntheitsgrades eu-
ropäischer politischer Parteien, zur Einführung einer Frist für die Nominierung
der Spitzenkandidaten der europäischen politischen Parteien und zur Einführung
des aktiven Wahlrechts für Unionsbürger mit Wohnsitz oder einer Arbeitsstelle
in einem Drittstaat. Lediglich Empfehlungen an die Mitgliedsländer sprach das
Europäische Parlament, u. a. im Hinblick auf das passive Wahlalter 16, die Be-
grenzung der Wahlkampfkosten und Maßnahmen, um zu verhindern, dass Wäh-
lerinnen und Wähler in zwei Mitgliedstaaten jeweils eine Stimme abgeben, aus.

Die Entschließung des Europäischen Parlaments verzichtet bedauerlicherweise
auf einen Vorschlag zur Schaffung transnationaler Listen und die Errichtung ei-
nes EU-weiten Wahlkreises, wie im sog. Duff-Bericht noch vorgesehen.

Drucksache 18/7122 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wird sich die Bundesregierung im Rat – insbesondere vor dem Hintergrund
der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 26. Februar 2014 –
gegen die vereinbarte verbindliche Schwelle zwischen 3 Prozent und 5 Pro-
zent aussprechen?

Wenn nein, warum nicht?

2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung aus der Entschließung des Euro-
päischen Parlaments, die verbindliche Schwelle sei eine wichtige Maßnahme
für die Sicherung der ordnungsgemäßen Arbeitsweise des Europäischen Par-
laments, da so eine weitere Fragmentierung verhindert werden könne?

a) Wenn ja, worin sieht die Bundesregierung die tatsächliche Änderung im
Hinblick auf die Arbeitsweise des Europäischen Parlaments zum Zeit-
punkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 26. Februar
2014 (insbesondere in Bezug auf die Ausführungen in den Randnummern
75 bis 80)?

b) Wenn ja, worin sieht die Bundesregierung die tatsächliche Änderung im
Hinblick auf eine Fragmentierung im Europäischen Parlament zum Zeit-
punkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 26. Februar
2014 (insbesondere in Bezug auf die Ausführungen in den Randnummern
75 bis 80 des Urteils vom 26. Februar 2014)?

c) Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass von den
sieben Abgeordneten kleinerer Parteien aus Deutschland fünf in Fraktio-
nen im Europäischen Parlament arbeiten?

3. Wird sich die Bundesregierung im Sinne einer weiteren europäischen Eini-
gung dafür einsetzen, dass der in der Entschließung des Europäischen Parla-
ments enthaltene Vorschlag einer Schaffung eines EU-weiten Wahlkreises
erhalten bleibt?

a) Wenn ja, wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass in diesem
EU-weiten Wahlkreis Kandidaten auf transnationalen Listen antreten
können?

b) Wenn nein, warum nicht?

4. Wie wird sich die Bundesregierung im Rat zur Einführung einer einheitli-
chen Zwölf-Wochen-Frist für die Erstellung der Bewerberlisten auf nationa-
ler Ebene verhalten?

5. Wie wird sich die Bundesregierung zur Forderung des Europäischen Parla-
ments verhalten, sich auf einen einheitlichen Wahltag zur Wahl des Europä-
ischen Parlaments zu einigen?

6. Wie wird sich die Bundesregierung im Rat zum Vorschlag verhalten, die
Gleichstellung von Männern und Frauen zu sichern?

7. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag, Regelungen für ein ausge-
wogenes Geschlechterverhältnis zu schaffen?

8. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag, Namen und Logo der euro-
päischen politischen Parteien auf den Wahlzettel zu drucken, um ihren Be-
kanntheitsgrad zu verbessern?

Wenn nein, warum nicht?

9. Setzt sich die Bundesregierung im Rat dafür ein, dass es beim aktiven Wahl-
recht für Unionsbürger mit Wohnsitz oder einer Arbeitsstelle in einem Dritt-
staat bleibt?

Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7122

 

10. Wird die Bundesregierung im Rat darauf hinwirken, dass es zur Senkung des
passiven Wahlalters auf 16 Jahre kommt?

Wenn nein, plant die Bundesregierung, die Empfehlung des Europäischen
Parlamentes in nationales Recht umzusetzen?

11. Wird sich die Bundesregierung im Rat dafür einsetzen, dass es zu einheitli-
chen Fristen für die Festlegung des Wählerverzeichnisses und dem zwischen-
staatlichen Austausch entsprechender Informationen über Unionsbürger,
z. B. mit doppelter Staatsangehörigkeit etc., kommt?

Wenn nein, wie will die Bundesregierung verhindern, dass es zu doppelten
Stimmabgaben kommt?

12. Wie wird sich die Bundesregierung zum Vorschlag einer europäischen Wahl-
behörde im Rat verhalten?

13. Wann ist nach Auffassung der Bundesregierung mit einer Einigung zwischen
dem Rat und dem Europäischen Parlament zum Europawahlrecht zu rech-
nen?

Berlin, den 16. Dezember 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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