BT-Drucksache 18/7058

Aktivitäten von so genannten Bürgerwehren im Zusammenhang mit Neonazis und Flüchtlingsunterkünften

Vom 2. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7058
18. Wahlperiode 02.12.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martina Renner, Frank Tempel, Ulla Jelpke, Katrin Kunert,

Petra Pau, Harald Petzold (Havelland), Kersten Steinke, Halina Wawzyniak,

Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Aktivitäten von so genannten Bürgerwehren im Zusammenhang mit Neonazis
und Flüchtlingsunterkünften

Mitte Juli 2015 warnte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Landesverband
Thüringen vor der wachsenden Zahl von so genannten Bürgerwehren
(www.mdr.de/nachrichten/buergerwehren_gerstungen100_zc-e9a9d57e_zs-
6c4417e7.html). Mit dem angeblichen Ziel, Bürgerinnen und Bürger vor Strafta-
ten schützen zu wollen, richten sich die Bürgerwehren nach Auffassung der Fra-
gesteller jedoch vor allem und insbesondere gegen Flüchtlinge und deren Unter-
bringung. So laufen in Schwanewede (Niedersachen) u. a. Neonazis Streife,
um vermeintlich Schutz vor Geflohenen zu organisieren (vgl. u. a. „Bürgerwehr,
Blockade und Galgen“ in: „die tageszeitung“ vom 22. Oktober 2015,
www.taz.de/!5244630/). Aktivitäten von so genannten Bürgerwehren zählt eine
Recherche des „Bayerischen Rundfunks“ (BR) auch in Troisdorf bei Köln, in
Aachen, in Neulingen in Baden-Württemberg. Die Reportage warnt vor einer Un-
terwanderung oder Gründung dieser Gruppieren aus Kreisen der extremen Rech-
ten: „In Würzburg bildete sich die Gruppe ‚Lupus‘, verunsicherte aber durch mar-
tialisches Auftreten. Der Bürgerwehr Augsburg gehören vorwiegend Hooligans
an. Facebook ist voll mit selbst ernannten Sheriffs. Nicht wenige tragen Namen
wie ‚Abteilung Rechts‘“ (vgl. „Weniger Polizei, mehr Bürgerwehren“, Bayeri-
scher Rundfunk vom 17. Mai 2015, www.br.de/radio/b5-aktuell/sendungen/b5-
reportage/buergerwehren100.html). In Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern)
führte die Polizei im April 2015 eine Razzia gegen die dortige Bürgerwehr durch,
in der auch Neonazi organisiert waren (vgl. „Polizei nimmt ‚Bürgerwehr‘ in Güst-
row ins Visier“, NDR vom 7. April 2015, www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-
vorpommern/Selbsternannte-Buergerwehr-in-Guestrow-aktiv,guestrow158.html).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Bürgerwehren gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit
in Deutschland (bitte nach Ort, Name der Bürgerwehr, Bundesland, Anzahl
der Mitglieder, Gründungsdatum aufschlüsseln)?

2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu Ordnungswidrigkeiten und
Straftaten, die im Zusammenhang mit Bürgerwehren aufgetreten sind?

Drucksache 18/7058 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu Ermittlungsverfahren und
Straftaten von Mitgliedern von Bürgerwehren wegen Verstoß gegen das Uni-
formverbot, Amtsanmaßung, Verstoß gegen das Waffengesetz, Bedrohung,
Üble Nachrede, Körperverletzung und Freiheitsberaubung (bitte nach Ort
und Name der Bürgerwehr, Tatzeitdatum, Tatvorwurf und Stand des Ermitt-
lungsverfahrens aufschlüsseln)?

4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Gründung von so ge-
nannten Bürgerwehren durch Neonazis (bitte nach Ort, Name der Bürger-
wehr, Bundesland, Anzahl der Mitglieder, Gründungsdatum, Zugehörigkeit
zu rechtsextremen Gruppierungen aufschlüsseln)?

5. Inwieweit gehen Erkenntnisse zur Gründung von Bürgerwehren, für die auf-
grund ihrer Selbstäußerungen oder ihrer Gründer bzw. Mitglieder Anhalts-
punkte bestehen, dass sie sich vornehmlich gegen Flüchtlinge und ihre Un-
terbringung richten oder richten werden, in die Lagebilder vom Bundeskri-
minalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz im Bereich Agitation bzw.
Gewalt gegen Flüchtlinge ein?

6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über ein gezieltes Vorgehen
von organisierten Rechtsextremen (NPD, Die Rechte, Dritter Weg, Kame-
radschaften), eigene Mitglieder und Sympathisanten zur Gründung von
„Bürgerwehren“ anzuhalten und anzuleiten, und in welcher Form geschieht
das?

7. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Straftaten von Mitglie-
dern von Bürgerwehren gegen Asylsuchende (bitte nach Tatort, Name der
Bürgerwehr, Bundesland, Tatdatum, Stand des Ermittlungsverfahrens auf-
schlüsseln)?

8. In wie vielen Fällen geht die Bundesregierung davon aus, dass es sich bei
den jeweiligen Bürgerwehren um neonazistische Vorfeldorganisationen han-
delt (bitte nach Ort, Name der Bürgerwehr, Bundesland, Anzahl der Mitglie-
der, Gründungsdatum aufschlüsseln)?

9. Wie viele Bürgerwehren haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung ge-
gründet, nachdem in dem jeweiligen Ort bzw. Stadtteil die Unterbringung
von Flüchtlingen angekündigt worden war (bitte nach Ort, Name der Bürger-
wehr, Bundesland, Anzahl der Mitglieder, Gründungsdatum aufschlüsseln)?

10. Wie viele Bürgerwehren sind nach Kenntnis der Bundesregierung in der
Nachbarschaft bzw. Stadtteilen aktiv, in denen Flüchtlingsunterkünfte exis-
tieren (bitte nach Ort, Name der Bürgerwehr, Bundesland, Anzahl der Mit-
glieder, Gründungsdatum aufschlüsseln)?

11. In wie vielen Fällen haben Ordnungsämter, Polizeibehörden und/oder Innen-
ministerien Bürgerwehren mit Verbotsverfügungen aufgelöst und deren
Handeln unterbunden (bitte nach Ort, Name der Bürgerwehr, Bundesland,
Datum des Verbots aufschlüsseln)?

12. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur Beteiligung von Neonazis
und Personen, die in der Vergangenheit mit rechtsextremen Straftaten in Er-
scheinung getreten sind, an Bürgerwehren (bitte nach Ort und Namen der
Bürgerwehr sowie Hintergrund der beteiligten Neonazis/rechtsextremer
Straftäter auflisten)?

13. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Internetauftritte bzw.
Facebook-/Chatgruppen so genannter Bürgerwehren und deren Verbindun-
gen − sowohl personell als auch organisatorisch − zu Facebook- und Chat-
gruppen, die gegen Flüchtlingsunterkünfte mobil machen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7058

 

14. Inwieweit wurden aus Zusammenhängen von Bürgerwehren Straftaten ange-
zeigt, bei denen sich im Laufe der Ermittlungen herausstellte, dass die Taten
vorgetäuscht waren (bitte nach Name und Ort der Bürgerwehr, vorgetäuschte
Straftat auflisten)?

15. Inwieweit ist die wachsende Zahl von Bürgerwehren auf der Innenminister-
konferenz angesprochen worden?

Welches Umgehen empfiehlt die Innenministerkonferenz den Ländern und
Landespolizeien?

Berlin, den 1. Dezember 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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