BT-Drucksache 18/7057

Genese sowie Kosten und Wirkung des Klimaschutzbeitrags der Stromwirtschaft bis zum Jahr 2020 (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/5861)

Vom 15. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7057
18. Wahlperiode 15.12.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, Kerstin Kassner,

Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Norbert Müller (Potsdam), Thomas Nord,

Dr. Kirsten Tackmann, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE.

Genese sowie Kosten und Wirkung des Klimaschutzbeitrags der
Stromwirtschaft bis zum Jahr 2020
(Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf
Bundestagsdrucksache 18/5861)

Die Bundesregierung hat am 26. August 2015 auf Bundestagsdrucksache 18/5861
auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. mit dem Titel „Genese sowie
Kosten und Wirkung des Klimaschutzbeitrags der Stromwirtschaft bis zum
Jahr 2020“ (Bundestagsdrucksache 18/5635) geantwortet. In der Antwort wird an
mehreren Stellen darauf verwiesen, dass Antworten auf entsprechende Fragen
nicht gegeben werden könnten, da bestimmte Prozesse noch nicht abgeschlossen
seien. So etwa bei der Antwort zu Frage 9 zur Bewertung der Effizienz und Preis-
günstigkeit der Klimareserve gegenüber dem vorher anvisierten Instrument einer
Klimaschutzabgabe − einschließlich von notwendigen Zusatzmaßnahmen zur Er-
füllung des ursprünglich der Stromwirtschaft vollständig zugeordneten 22-Milli-
onen-Tonnen-CO2-Einsparziels, oder auch zu Frage 35 zum Gesamtüberblick
über CO2-Minderungen und Kosten der verschiedenen Instrumente. Diese Be-
wertung sei abschließend nicht möglich, solange Gespräche mit den Betreibern
von Braunkohlekraftwerken in Deutschland zur konkreten Ausgestaltung der Ka-
pazitäts- und Klimareserve nicht beendet seien, so die Bundesregierung. Ähnliche
Formulierungen und Verweise auf noch nicht abgeschlossene Abstimmungen und
Festlegungen finden sich in Antworten der Bundesregierung zu weiteren in dieser
Kleinen Anfrage gestellten Fragen.

Nunmehr liegt der Kabinettsentwurf zum Strommarktgesetz vor, die Gespräche
zu Ausgestaltung der Klimareserve mit den Betreibern von Braunkohlekraftwer-
ken sind beendet. Die seinerzeit nicht beantworteten Fragen müssten nun beant-
wortet werden können und werden darum im Folgenden erneut gestellt, gegebe-
nenfalls angepasst und ergänzt, unter anderem weil für die vorläufige bzw. end-
gültige Stilllegung von Braunkohlekraftwerken nach § 13g des Kabinettsentwurfs
zum Strommarktgesetz, die laut Bundesregierung vorrangig aus Klimaschutz-
gründen stattfindet, inzwischen der Begriff „Klimareserve“ den bis zum Sommer
noch üblicherweise verwendeten Begriff „Kapazitätsreserve“ abgelöst hat. Letz-
terer wird nun von der Bundesregierung jenem brennstoffneutralen Reserveseg-
ment zugeordnet, das im neuen Strommarktdesign vorrangig die Versorgungssi-
cherheit gewährleiten soll.

Für zusätzliche Informationen über den jeweiligen Sinnzusammenhang wird auch
auf die ausführlichen Vorbemerkungen zur damaligen Kleinen Anfrage der Frak-
tion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksachen 18/5635 bzw. 18/5861 verwiesen.

Drucksache 18/7057 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie steht die Bundesregierung zu den Vorwürfen, die Klimareserve, ein-
schließlich der Zusatzmaßnahmen zur Kompensation der im Konzept der
Klimareserve im Vergleich zur Klimaabgabe bis 2020 nicht von Braunkoh-
lekraftwerken zu erbringenden CO2-Minderungen, sei im Vergleich zur Kli-
maschutzabgabe von Kohlekraftwerken die ineffizientere und teurere Lö-
sung, wie sie etwa von der Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks oder
vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e. V. (DIW) erhoben wur-
den, und wie verträgt sich die Entscheidung der Bundesregierung für eine
Klimareserve, deren Kosten über die Netzentgelte abgegolten werden sollen,
mit dem Leitziel der Bundesregierung einer für Verbraucher bezahlbaren
Energiewende (www.bmwi.de „Die Energiewende gemeinsam zum Erfolg
führen“)?

2. Was sind die wichtigsten Ergebnisse des vom Bundesministerium für Wirt-
schaft und Energie (BMWi) vorgenommenen Kostenvergleichs von Klima-
schutzabgabe und Klimareserve, einschließlich der Zusatzmaßnahmen zur
Kompensation der im Konzept der Klimareserve im Vergleich zur Klimaab-
gabe bis 2020 nicht von Braunkohlekraftwerken zu erbringenden CO2-Min-
derungen, über das in der Presse berichtet wurde (zuletzt in der ARD-Sen-
dung Monitor vom 3. Dezember 2015), und wie stellt sich dieser Vergleich
nach der Konkretisierung der Klimareserve durch die Verabschiedung des
Kabinettsentwurfs für ein Strommarktgesetz dar?

3. Mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung in Bezug auf Entschädi-
gungszahlungen für Kraftwerksbetreiber für die Sicherheitsbereitschaft von
Kraftwerksblöcken in die Klimareserve jährlich und insgesamt bis zum Jahr
2020 bzw. darüber hinaus, und wie teilen sich diese Kosten jährlich und ins-
gesamt auf die jeweiligen Blöcke auf?

4. Über welchen Weg sollen die Kosten für Entschädigungszahlungen auf die
Stromkunden umgelegt werden, und in welchem Umfang soll sich die ener-
gieintensive Industrie an diesen Kosten beteiligen?

Sind hier neue Ermäßigungen vorgesehen oder ergeben sich diese aus dem
Weg der Umlage infolge bereits „eingebauter“ Industrieprivilegien, etwa bei
Netzentgelten?

5. Ist es vorgesehen, dass ein Teil der Entschädigungszahlungen aus dem Bun-
des-etat finanziert wird, um Stromkunden weniger stark zusätzlich zu belas-
ten?

6. Hat die Bundesregierung eigene Berechnungen zur Ermittlung der Kosten
für die „Sicherheitsbereitschaft“ der Braunkohlekraftwerksblöcke durchge-
führt, die in die Klimareserve überführt werden sollen, oder hat sie sich dabei
auf die Berechnungen der Kohlewirtschaft gestützt, wie angesichts der Ant-
wort des Geschäftsführer der MIBRAG mbH, Heinz Junge, in der ARD-Sen-
dung „Monitor“ vom 3. Dezember 2015 auf die Frage nach der Berechnungs-
grundlage für die Kostenerstattung für Braunkohlekraftwerke zumindest ver-
mutetet werden könnte: „Wir [konnten] den Kollegen im Bundeswirtschafts-
ministerium deutlich machen […] welche Kosten für die Sicherheitsbereit-
schaft entstehen.“?

Falls die Bundesregierung eigene Berechnungen durchgeführt hat, auf der
Grundlage welcher Zahlen wurden diese Berechnungen durchgeführt?

Wenn keine eigenen Berechnungen durchgeführt wurden, warum nicht?

 

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7507

 

7. Wurde ein unabhängiges wissenschaftliches Institut oder eine andere von der
Kohlewirtschaft unabhängige Stelle mit der Berechnung der Kostenerstat-
tung für die Klimareserve beauftragt?

Wenn nein, warum nicht?

8. In welchem Zeitraum muss ein Reservekraftwerk üblicherweise dem
Stromsystem in welchem Status zur Verfügung stehen, um sinnvoll seine
Funktion bei Erzeugungsengpässen etc. ausfüllen zu können, und wie sind
hierbei die im Entwurf des Strommarktgesetzes § 13g Absatz 3 vorgesehenen
Fristen für die Klimareserve zu bewerten (die stillzulegenden Anlagen müs-
sen erstens bei einer Vorwarnung durch den zuständigen Betreiber eines
Übertragungsnetzes innerhalb von 240 Stunden betriebsbereit sein, und
zweitens nach Herstellung ihrer Betriebsbereitschaft ab Anforderung durch
den zuständigen Betreiber eines Übertragungsnetzes innerhalb von elf Stun-
den auf Mindestteilleistung und innerhalb von weiteren 13 Stunden auf Net-
tonennleistung angefahren werden können)?

9. Wie schätzt die Bundesregierung die Flexibilität von Braunkohlekraftwerken
hinsichtlich des Einsatzes in einer Klimareserve ein, und wie bewertet sie
diesbezüglich die inzwischen vorgenommene Auswahl der für die Klimare-
serve vorgesehenen Blöcke?

10. Mit welchen Einsatzzeiten während des vierjährigen Reservezeitraums rech-
net die Bundesregierung für die ausgewählten Blöcke der Klimareserve?

11. Welche beihilferechtlichen Probleme sieht die Bundesregierung im Falle ei-
ner Überführung von Braunkohlekraftwerken in die Klimareserve?

Stoßen insbesondere

a) die Vergabe der Entschädigungen an Betreiber ohne brennstoffneutrale
Ausschreibung und

b) die Entschädigungszahlungen auch an Kraftwerksblöcke, die von den Be-
treibern offensichtlich ohnehin zur Stilllegung innerhalb des vierjährigen
Reservezeitraums vorgesehen waren (so Niederaußem F, siehe Kraft-
werksliste Bundesnetzagentur zum erwarteten Zu- und Rückbau 2015 bis
2019, Stand: 10. November 2015, Zeile 59)

bei der Europäischen Kommission auf Kritik, und welche Argumente hat die
Bundesregierung gegebenenfalls zur Entgegnung?

12. Inwiefern wurde für die Klimareserve und die entsprechenden Zusatzmaß-
nahmen zum Erreichen des zusätzlichen Einsparziels von 22 Millionen t CO2
bis zum Jahr 2020 eine Modellierung des Strompreiseffekts (Großhandels-
preis, Endkundenpreis bei Angabe der angenommenen Verteilung von zu-
sätzlichen Umlagen bzw. Abgaben auf die Endkundengruppen) sowie der
Zusatzbelastungen der öffentlichen Haushalte vorgenommen, und mit wel-
chem Ergebnis?

13. Über welche Maßnahmen will nach Kenntnis der Bundesregierung die
Braunkohlewirtschaft ihre Zusage erfüllen, jenseits der Klimareserve ab dem
Jahr 2018 eine zusätzliche Einsparung in Höhe von 1,5 Millionen t CO2 zu
realisieren, und welche Sanktionsmittel hat sie, um diese Zusage gegebenen-
falls einfordern zu können oder deren Nichterfüllung zu ahnden?

14. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, durch welche konkreten Maß-
nahmen, die nicht schon im Nationalen Aktionsplan für Energieeffizienz
(NAPE) enthalten sind, sondern über die Maßnahmen des NAPE hinausge-
hen, die DB AG die von der Bundesregierung angestrebten zusätzlichen Ein-
sparungen bei der DB AG (1,0 Millionen t CO2) erreichen will?

Drucksache 18/7057 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

15. Welche Angaben kann die Bundesregierung jeweils machen zur Wirkung des
ersten Regelungsvorschlag einer Klimaschutzabgabe, des zweiten Rege-
lungsvorschlag einer Klimaschutzabgabe und der Klimareserve, alles ein-
schließlich der jeweiligen Zusatzmaßnahmen zur Kompensation der im Kon-
zept der Klimareserve im Vergleich zur Klimaabgabe bis zum Jahr 2020
nicht von Braunkohlekraftwerken zu erbringenden CO2-Minderungen, in
Hinsicht auf

a) zusätzliche CO2-Einsparung der Kraftwerkswirtschaft (ohne Kraft–
Wärme–Kopplung – KWK) bis zum Jahr 2020 in Deutschland jährlich
und insgesamt,

b) zusätzliche CO2-Einsparung durch KWK bis zum Jahr 2020 in Deutsch-
land jährlich und insgesamt,

c) zusätzliche Gesamteinsparung CO2 im gesamten Kraftwerksbereich bis
zum Jahr 2020 in Deutschland jährlich und insgesamt,

d) Verlagerung von CO2-Emissionen im Kraftwerksbereich ins Ausland bis
zum Jahr 2020 über Effekte des Europäischen Emissionshandelssystems
jährlich und insgesamt,

e) induzierte Netto-Einsparung an CO2 in der Europäischen Union bis zum
Jahr 2020 im Kraftwerksbereich jährlich und insgesamt,

f) zusätzliche CO2-Einsparung durch Maßnahmenpaket Energieeffizienz bis
zum Jahr 2020 jährlich und insgesamt,

g) Gesamteinsparung von CO2 in Deutschland bis zum Jahr 2020 jährlich
und insgesamt,

h) Strompreiseffekt (Merit-Order-Effekt) im Großhandelspreis (in Cent je
kWh und Mio. Euro/a und insgesamt bis zum Jahr 2020),

i) Zusatzkosten bei der KWK-Umlage (in Cent je kWh und Mio. Euro/a und
insgesamt bis zum Jahr 2020),

j) Zusatzkosten bei den Netzentgelten durch Umlegung von Entschädi-
gungszahlungen an Kraftwerksbetreiber (in Cent je kWh und Mio. Euro/a
und insgesamt bis zum Jahr 2020),

k) Zusatzkosten gesamt bei privaten Endkunden unter Berücksichtigung der
dämpfenden Wirkung auf die EEG-Umlage (in Cent je kWh und Mio.
Euro/a und insgesamt bis zum Jahr 2020),

l) Zusatzkosten gesamt bei energieintensiven Unternehmen unter Berück-
sichtigung der dämpfenden Wirkung auf die EEG-Umlage (in Cent je
kWh und Mio. Euro/a und insgesamt bis zum Jahr 2020),

m) Zusatzkosten für Stromkunden insgesamt (in Mio. Euro/a und insgesamt
bis zum Jahr 2020),

n) Zusatzkosten der öffentlichen Haushalte, insbesondere infolge von Zu-
satzmaßnahmen zur Kompensation der im Konzept der Klimareserve im
Vergleich zur Klimaabgabe bis 2020 nicht von Braunkohlekraftwerken zu
erbringenden CO2-Minderungen (in Mio. Euro/a und insgesamt bis zum
Jahr 2020),

o) Zusatzkosten insgesamt (in Mio. Euro/a und insgesamt bis zum Jahr
2020),

p) direkte und indirekte Beschäftigungswirkung (jährlich und insgesamt bis
zum Jahr 2020)

(bitte in tabellarischer Darstellung)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7507

 

16. Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung über den Zeitraum und den
Ablauf eines beschleunigten bundesweiten Kohleausstiegs, wie ihn die Bun-
desministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit,
Dr. Barbara Hendricks, u. a. im Dezember am Rande der UN-Klimakonfe-
renz in Paris angedeutet hat (siehe Artikel „Hendricks: Kohleausstieg muss
kommen“ auf www.klimaretter.info vom 9. Dezember 2015), und wie steht
sie insbesondere zum Vorstoß der Bundesministerin, innerhalb von 20 bis 25
Jahren die Kohleverstromung in der Bundesrepublik Deutschland zu been-
den?

Berlin, den 15. Dezember 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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