BT-Drucksache 18/7056

Abkommen zur Erleichterung der Abschiebung Ausreisepflichtiger

Vom 7. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7056
18. Wahlperiode 07.12.2015

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Wolfgang Gehrcke,

Jan van Aken, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, Annette Groth, Inge Höger,
Jan Korte, Katrin Kunert, Niema Movassat, Petra Pau, Dr. Petra Sitte,

Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Abkommen zur Erleichterung der Abschiebung Ausreisepflichtiger

Rückführungsabkommen, auch Rückübernahmeabkommen oder Rücknahmeab-
kommen genannt, sind völkerrechtliche Verträge zwischen Ländern, welche die
Rückführung, also die Abschiebung von abgelehnten Flüchtlingen und/oder un-
erlaubt eingereisten Migrantinnen und Migranten zwischen den Vertragsparteien
regeln.

Deutschland hat eine Vielzahl solcher Verträge in Form bi- oder multilateraler Ab-
kommen abgeschlossen, unter anderem auch mit Staaten, in denen abgeschobenen
Personen nach Auffassung der Fragesteller unter Umständen massive menschen-
rechtliche Verletzungen drohen, wie in Pakistan, der Türkei und Sri Lanka. Eine
aktuelle Auflistung sämtlicher Abkommen (Stand: April 2015) findet sich unter:
www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/MigrationIntegration/
AsylZuwanderung/RueckkehrFluechtlinge.pdf?__blob=publicationFile.

Daneben gibt es vermehrt Rückübernahmeabkommen der Europäischen Union
(EU) mit Drittstaaten, weil der EU als Staatengemeinschaft eine stärkere Ver-
handlungsmacht zur Durchsetzung der Interessen der EU-Mitgliedstaaten gegen-
über den Vertragspartnern beigemessen wird. Derzeit befindet sich die EU in
Verhandlungen mit Afghanistan über ein Abkommen zur Rückführung von ab-
gelehnten Asylsuchenden (www.n-tv.de/politik/Wie-Deutschland-Afghanen-
loswerden-will-article16282116.html).

Des Weiteren gibt es Verhandlungen mit der Türkei darüber, dass die Umsetzung
des Rücknahmeabkommens zwischen der EU und der Türkei im Hinblick auf
Drittstaatenangehörige und Staatenlose bereits vor dem Jahr 2017 erfolgen soll
(www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.aktionsplan-fuer-fluechtlinge-eu-stellt-
tuerkei-milliarden-in-aussicht.7d1d3bb7-dbd1-42ed-a290-8441353833b8.html;
Bundestagsdrucksache 18/6698, Antwort zu Frage 12). Dies sei Teil einer Stra-
tegie zum Umgang mit der sogenannten „Flüchtlingskrise“, welche im Detail
auf einem Gipfel voraussichtlich Ende November, Anfang Dezember 2015 be-
sprochen werden solle (www.trt.net.tr/deutsch/t%C3%BCrkei/2015/11/13/eu-
extragipfel-mit-der-t%C3%BCrkei-388052).

Anfang November 2015 kündigte der pakistanische Innenminister Chaudhry
Nisar Khan an, das zwischen der EU und Pakistan bestehende Rückführungsab-
kommen auszusetzen (www.dw.com/de/pakistan-will-abgeschobene-landsleute-
nicht-wieder-aufnehmen/a-18833858).

Drucksache 18/7056 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Mit welchen Staaten bestehen derzeit Verhandlungen oder Gespräche über
zukünftige Abkommen zur Rückführung, Durchbeförderung oder Durch-
reise

a) bezüglich bi- oder multilateraler Abkommen zwischen Deutschland und
anderen Staaten (bitte nach Möglichkeit Art des Abkommens, angestrebte
Inhalte und Stand der Verhandlungen benennen),

b) bezüglich Abkommen zwischen der EU und anderen Staaten (bitte nach
Möglichkeit Art des Abkommens, angestrebte Inhalte und Stand der Ver-
handlungen benennen)?

2. In welchen konkreten Fällen werden derzeit bereits bestehende Rückführab-
kommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland oder der EU und ande-
ren Staaten neu verhandelt oder zwischen den Vertragspartnern besprochen
(bitte ausführen, welche Veränderungen dabei angestrebt sind), und inwie-
weit gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell Bestrebungen oder
Hinweise darauf, dass sich in solche Abkommen involvierte Staaten aus die-
sen lösen wollen (bitte Staaten angeben)?

3. Mit wie vielen Staaten bestehen derzeit Abkommen über Möglichkeiten der
legalen Migration nach Deutschland oder in die EU (bitte ausführen und
zentrale Inhalte der Abkommen benennen)?

4. Gibt es reguläre Überprüfungs- oder Evaluierungszeiträume im Hinblick auf
die bestehenden Abkommen zur Rückführung, Durchbeförderung oder
Durchreise (z. B. im Hinblick auf Aktualität, Notwendigkeit und Angemes-
senheit)?

Wenn ja, welche?

Falls nicht, warum nicht?

a) Im Hinblick auf welche Abkommen sind welche Kontrollen bzw. Evalu-
ierungen vorgesehen und in welchen Zeitabständen und unter welchen ge-
nauen Modalitäten (bitte soweit möglich für Abkommen Deutschlands,
der EU sowie für Durchbeförderungs- und Durchreiseabkommen diffe-
renziert ausführen)?

b) Wer ist für die Kontrolle und Evaluierung solcher Abkommen zuständig
(bitte soweit möglich für Abkommen Deutschlands, der EU sowie für
Durchbeförderungs- und Durchreiseabkommen differenziert ausführen)?

c) Welche Abkommen wurden bislang wann von wem in wessen Auftrag
evaluiert bzw. überprüft und mit welchem Ergebnis?

d) Wer sanktioniert Verstöße gegen die Abkommen, welche Sanktionen sind
üblich, und in wie vielen Fällen und auf welche Weise wurden Verstöße
bislang konkret sanktioniert (bitte soweit möglich für Abkommen
Deutschlands, der EU sowie für Durchbeförderungs- und Durchreiseab-
kommen differenziert ausführen)?

5. Inwieweit wurden im Zeitraum von 2010 bis einschließlich 2015 bestehende
Rückführabkommen angepasst oder überarbeitet?

6. Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgen inner- und außereuropäische
Abschiebungen von Staatsbürgern, Staatenlosen und Drittstaatenangehöri-
gen in Bezug auf den aufnehmenden Staat, wenn kein entsprechendes Ab-
kommen besteht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7056

 

7. Welche praktische Bedeutung hat nach den bisherigen Erfahrungen ein
Rückübernahmeabkommen, wenn Abschiebungen generell auch ohne ein
solches Abkommen möglich sind?

Inwiefern können Abschiebungen schneller und in größerem Umfang durch-
geführt werden, wenn es ein solches Abkommen gibt?

8. Wie ist die Rangfolge der verschiedenen Abkommen bzw. gesetzlichen
Grundlagen zur Umsetzung von inner- und außereuropäischen Abschiebun-
gen bzw. welche Subsidiaritätsregelungen bestehen insofern?

9. Zu welchen Zugeständnissen bzw. Maßnahmen verpflichten sich Deutsch-
land bzw. die EU üblicherweise gegenüber den Vertragspartnern der Abkom-
men (z. B. Erleichterungen im Visaverfahren)?

a) In welchen konkreten Fällen welchen Staaten gegenüber werden finanzi-
elle Zuwendungen als Ausgleich für die Rücknahme von Ausreisepflich-
tigen gezahlt?

Wenn solche gezahlt werden, in welcher Höhe, in welcher Form und an
wen mit welchem Verwendungszweck?

b) Inwieweit und durch wen wird kontrolliert, wohin diese Zuwendungen
fließen, und für wofür sie verwendet werden?

c) Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen solche Gelder nicht
zweckgemäß verwendet wurden, und wenn ja, welche?

10. Welche Abkommen enthalten Regelungen zu der Abschiebung bzw. Rück-
nahme von Staatenlosen oder Drittstaatenangehörigen, die keine Staatsbür-
ger der am Abkommen beteiligten Vertragspartner sind, und was sind dies
konkret für Regelungen?

11. In welchen Abkommen gibt es welche Maßnahmen oder Schutzmechanis-
men gegen eine Weiterabschiebung von abgeschobenen und Schutz suchen-
den Personen durch den zur Rücknahme verpflichteten Drittstaat in einen
Viertstaat, und wie werden diese Schutzmechanismen durchgesetzt?

12. Wie weit sind die Verhandlungen mit Afghanistan zu einem Rückführungs-
abkommen fortgeschritten, und was sind nach Kenntnis der Bundesregierung
die maßgeblichen Inhalte dieses Abkommens, insbesondere die im Raum ste-
henden Zusagen und aus dem Abkommen resultierenden Verpflichtungen
Deutschlands gegenüber Afghanistan?

Was ist Zweck des Abkommens, und inwiefern hält die Bundesregierung ein
solches Abkommen angesichts der verschärften Sicherheitslage in Afghanis-
tan für angemessen?

13. Welche Absprachen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung mit der
Türkei über eine vorgezogene Umsetzung des zwischen der EU und der
Türkei getroffenen Rückführungsabkommens in Bezug auf die Rücküber-
nahme Drittstaatsangehöriger bzw. Staatenloser getroffen, bzw. wie ist der
aktuelle Stand der diesbezüglichen Verhandlungen?

a) Welche Forderungen der Türkei bestehen in diesem Zusammenhang,
bzw. welche Zugeständnisse der EU gegenüber der Türkei dienen als Ver-
handlungsgrundlage?

b) Welche Vorkehrungen und Strategien sind in diesem Zusammenhang
zum Schutz der in die Türkei abzuschiebenden Personen und zur Wah-
rung ihrer Menschenrechte vorgesehen?

Drucksache 18/7056 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

c) Inwieweit ist sichergestellt, dass flüchtlings- und menschenrechtliche
Schutzklauseln in der Praxis von der Türkei auch beachtet werden, nach-
dem die Europäische Kommission in ihrem letzten im November 2015
veröffentlichten Fortschrittsbericht der Türkei Rückschritte unter ande-
rem im Bereich des Justizwesens, der Meinungsfreiheit und der Garantie
von Minderheitenrechten monierte?

14. Ist das Rückführungsabkommen der EU mit Pakistan derzeit ausgesetzt oder
weiterhin von Bestand und in Umsetzung?

Wie wurde nach Kenntnis der Bundesregierung den Vorwürfen des pakista-
nischen Innenministers Chaudhry Nisar begegnet, die EU würde auf Grund-
lage des Abkommens einen „offenkundigen Missbrauch“ betreiben und pa-
kistanische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger oft ohne genauere Prüfung
als Terroristen kategorisieren und zurückschicken (siehe Vorbemerkung der
Fragesteller)?

Trifft es zu, dass im Rahmen solcher Rückführungen Personen als Terroris-
ten kategorisiert werden, und wenn ja,

a) wie oft war dies in den vergangenen fünf Jahren der Fall?

b) Handelt es sich bei allen Personen um rechtskräftig wegen der Mitglied-
schaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilte Personen, und wenn
nicht, was ist dann Voraussetzung, um eine Person als Terrorist zu kate-
gorisieren?

c) Welchen Zweck erfüllt die Kategorisierung als Terrorist?

15. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit und nach aktuellem
Planungsstand zukünftig mit dem zwischen Deutschland und Syrien ge-
schlossenen bilateralen Rückübernahmeabkommen verfahren?

Berlin, den 4. Dezember 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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