BT-Drucksache 18/7036

Proliferation von chemischen, biologischen, radiologischen oder nuklearen Materialien

Vom 14. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7036
18. Wahlperiode 14.12.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan van Aken, Wolfgang Gehrcke, Frank Tempel,

Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Katrin Kunert,

Niema Movassat, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Proliferation von chemischen, biologischen, radiologischen oder nuklearen
Materialien

Experten für Terrorismusbekämpfung sowie internationale Behörden warnen seit
Jahren vor der Gefahr, der sogenannte Islamische Staat (IS/ISIS/Daesh) oder an-
dere radikalislamische Gruppierungen könnten in den Besitz von chemischen, bi-
ologischen, radiologischen oder nuklearen Materialen (CBRN) gelangen und
diese für Gewalttaten im öffentlichen Raum verwenden.

Der Nationale Sicherheitsrat des Vereinigten Königreichs nannte in seiner „Nati-
onal Security Strategy“ vom Jahr 2010 den „internationalen Terrorismus, darun-
ter durch den Einsatz chemischer, biologischer, radiologischer oder nuklearer
Materialien“ als eines von vier „Risiken mit der höchsten Priorität“ für die
Jahre 2010 bis 2015 (Absatz 0.18, S. 11, www.gov.uk/government/publications
/the-national-security-strategy-a-strong-britain-in-an-age-of-uncertainty).

In der National Security Strategy der US-Regierung vom Februar 2015 heißt es:
„Die potentielle Proliferation von Massenvernichtungswaffen, insbesondere
Atomwaffen, stellt ein erhebliches Risiko dar. Auch wenn wir die innere Führung
von al-Qaida dezimiert haben, stellen zerstreutere Netzwerke von al-Qaida, des
IS und mit ihnen verbundene Gruppen eine Bedrohung für Bürger, Interessen,
Verbündete und Partner der USA dar“ (www.whitehouse.gov/sites/default/files/
docs/2015_national_security_strategy.pdf, S. 11).

Wolfgang Rudischhauser, Direktor des NATO-Zentrums für die Nichtverbrei-
tung von Massenvernichtungswaffen, warnte nach dem Anschlag auf die Pariser
„Charlie Hebdo“-Redaktion vor einem „sehr realen, wenn auch noch nicht voll
identifizierten Risiko, dass ausländische Kämpfer in den Reihen des ‚Islamischen
Staats‘ CBRN-Materialien als Terrorwaffen gegen den Westen verwenden“
(www.nato.int/docu/Review/2015/ISIL/ISIL-Nuclear-Chemical-Threat-Iraq-
Syria/EN/index.htm).

Im Oktober 2015 berichtete die Nachrichtenagentur „AP“ über verdeckte Opera-
tionen in der Republik Moldau, durchgeführt vom FBI und moldauischen Behör-
den. Demnach bot ein Schwarzmarkthändler einem Ermittler, der sich als Vertre-
ter des IS ausgegeben hatte, Material für eine radiologische Waffe („schmutzige
Bombe“) sowie Plutonium an. In einem anderen Fall sei versucht worden, waf-
fenfähiges Uran an einen realen Interessenten aus dem Nahen Osten zu verkaufen.

 

Drucksache 18/7036 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über die Existenz eines
Schwarzmarkts, auf dem CBRN-Materialien gehandelt werden?

In welchen Ländern findet ein solcher Handel schwerpunktmäßig statt?

2. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, ob die Be-
schaffung von CBRN-Materialien zu den Zielen des „Islamischen Staats“,
al-Qaida oder anderen islamistischen Organisationen gehört?

Welche dieser Materialien wollen diese Gruppierungen bevorzugt beschaf-
fen?

3. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung darüber, ob sich islamisti-
sche oder andere terroristische Organisationen bereits CBRN-Materialien
beschafft haben, und um welche Organisationen handelt es sich dabei?

4. Ist der Bundesregierung bekannt, ob der „Islamische Staat“ oder andere is-
lamistische Organisationen Anschläge mit CBRN-Materialien in der Ver-
gangenheit geplant haben, bzw. für wie groß hält sie das Risiko, dass dies in
Zukunft geschehen könnte?

5. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, ob islamisti-
sche Organisationen in der Vergangenheit bereits Anschläge auf Atomkraft-
werke geplant hatten, bzw. ob mit solchen Anschlagsszenarien in der Zu-
kunft gerechnet werden muss?

6. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen sich Personen illegalen
Zutritt zu militärischen oder zivilen Gebäuden bzw. Anlagen mit CBRN-Ma-
terialien im In- oder Ausland verschafft haben?

a) Um welche Fälle handelte es sich im Detail (bitte mit Datums- und Orts-
angaben), und welche Erkenntnisse über die Identität der betreffenden
Personen liegen der Bundesregierung vor?

b) Gab es hierbei Fälle, in denen CBRN-Materialien tatsächlich entwendet
wurden, und falls ja, um welche Materialien und Mengen handelte es
sich?

Konnten die entwendeten Materialien gegebenenfalls wieder sicherge-
stellt werden?

7. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die in dem AP-Artikel
beschriebenen Ermittlungen in Moldau vor?

8. Hält es die Bundesregierung für zutreffend, dass in einem Fall waffenfähiges
− also hochangereichertes − Uran einem realen Kaufinteressenten aus dem
Nahen Osten angeboten worden ist, und falls ja, welche Kenntnisse hat die
Bundesregierung über die Quelle der Uran-Probe und den Verbleib der übri-
gen, dem Bericht zufolge weit größeren Menge?

9. Existieren bei der Bundesregierung oder anderen deutschen Behörden Pläne
für den Fall eines Anschlags mit CBRN-Materialien?

Falls ja, was sehen diese Pläne im Einzelnen vor?

10. Was unternimmt die Bundesregierung, um CBRN-Materialien in ihrem Ein-
flussbereich zu sichern?

11. Was unternimmt die Bundesregierung zur Sicherung von CBRN-Materialien
außerhalb ihres direkten Einflussbereichs, z. B. radiologische Quellen in
Krankenhäusern?

12. Was unternimmt die Bundesregierung, um zur Schaffung eines globalen Sys-
tems zur Kontrolle von waffenfähigen Nuklearmaterialien beizutragen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7036

 

13. Befürwortet die Bundesregierung Mechanismen, nach denen Staaten für die
Sicherheit von in ihrem Besitz befindlichen Nuklearmaterialien und über die
Einhaltung der existierenden internationalen Richtlinien Rechenschaft able-
gen müssen?

Berlin, den 14.Dezember 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.