BT-Drucksache 18/703

Abwicklung der Hauptstelle für Befragungswesen

Vom 28. Februar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/703
18. Wahlperiode 28.02.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Sevim Dağdelen, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke,
Petra Pau, Harald Petzold (Havelland), Martina Renner, Dr. Petra Sitte,
Frank Tempel, Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Abwicklung der Hauptstelle für Befragungswesen

Die Hauptstelle für Befragungswesen (HBW) ist eine Dienststelle des Bundes-
nachrichtendienstes (BND) und untersteht direkt dem Bundeskanzleramt. Bis
vor kurzem arbeitete die HBW verdeckt und ihre Zugehörigkeit zum BND
wurde von Seiten der Bundesregierung stets geleugnet bzw. nicht bestätigt. Über
die Struktur der HBW machte die Bundesregierung auch bei Anfragen im Par-
lament keine genauen Angaben. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befragen
offen und verdeckt Flüchtlinge in Deutschland, die politisches Asyl beantragen.
Nach der Antwort der Bundesregierung auf eine Mündliche Frage des Abgeord-
neten Jan Korte (Fraktion DIE LINKE.) vom 28. November 2013 wurde die
HBW vom BND „seit längerem einer Effizienzkontrolle unterzogen […], in
deren Rahmen die personelle Ausstattung der HBW schrittweise reduziert
wurde und wird“. Laut Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs beim
Bundesminister des Innern, Dr. Ole Schröder, werde dabei „die organisatorische
Auflösung der HBW, mit dem Ziel die Befragungen direkt in den Krisenregio-
nen im Ausland zu intensivieren“ (ebd.), angestrebt.
Während der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder am 28. Novem-
ber 2013 für die Bundesregierung erklärte, dass „die Weitergabe von GSM-
Mobilfunkdaten für eine konkrete Zielerfassung nicht hinreichend präzise ist“
und dementsprechend die Bundesregierung auch nicht in den US-Drohnenkrieg
verwickelt sei, kommt die Enthüllungsplattform „The Intercept“ zu anderen Er-
gebnissen: Die Ziele für Drohnenangriffe würden oft auf Grundlage von Daten-
auswertungen und Handyortungen, die auch aus Informationen des Weitergabe-
verbandes der Partnerdienste stammen, bestimmt. Dabei werde die Identität der
Zielperson nicht von Agenten im Einsatzgebiet geprüft. Der Bericht bezieht sich
auf Informationen von Beteiligten, die durch Analysen von Edward Snowdens
Unterlagen bestätigt würden (vgl. https://firstlook.org/theintercept/ vom 10. Fe-
bruar 2014).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie weit ist die angesprochene Effizienzkontrolle fortgeschritten, wer genau

unternimmt sie nach welchen Kriterien, und welche (Zwischen-)Ergebnisse
hat sie erbracht?

2. Wie hat sich der Personalbestand der HBW seit dem Jahr 2000 entwickelt?
3. Gibt es einen Zeitplan für die Auflösung der HBW, und wenn ja, wie sieht

dieser konkret aus?

Drucksache 18/703 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wenn nein, wann ist mit einem konkreten Zeitplan zu rechnen, und welchen
Auflösungstermin strebt die Bundesregierung derzeit an?

4. Wie sehen die Befragungen, die nach Angaben des Bundesministeriums des
Innern „direkt in den Krisenregionen im Ausland“ intensiviert werden sol-
len, aktuell konkret aus, wo werden diese jeweils durchgeführt, welche Ziel-
gruppe ist für die Befragungen vorgesehen, und auf welchen Wegen werden
sie rekrutiert?

5. Seit wann führt der BND solche Befragungen im Ausland durch, und wer
nahm bisher daran teil?

6. Wer wird sie künftig in welcher Form durchführen, und wird zusätzliches
BND-Personal dafür direkt in den Krisenregionen eingesetzt?
Wenn ja, wo, in welchem Umfang, und welche Kosten entstehen dadurch?

7. Welche Motive sieht die Bundesregierung bei den Befragten für ihre Teil-
nahme?

8. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Befragungen durchgeführt
werden, die nicht vollständig auf freiwilliger Basis erfolgen?
Wenn ja, weshalb?

9. Werden den Befragten vor oder nach der Befragung für die Lieferung von
nachrichtendienstlich interessanten oder sicherheitsrelevanten Informatio-
nen Gegenleistungen in Aussicht gestellt bzw. entgegengebracht?
Wenn ja, in welcher Form?

10. Wie viele Befragungen werden in welchen Krisenregionen bislang jeweils
durchgeführt (bitte nach Jahr und Region bzw. Land differenzieren)?

11. Sind Befragungen in ähnlichem Umfang, wie sie bisher die HBW in
Deutschland durchführte, geplant, und wie viele Befragungen sollen künftig
in welchen Ländern durchgeführt werden?

12. Werden die Erkenntnisse aus den Befragungen im Ausland (z. B. von
Flüchtlingen in Flüchtlingslagern) in den Weitergabeverbund der Partner-
dienste und darüber hinaus auch an andere ausländische Dienste weiterge-
geben?
Wenn ja, in welcher Form und in welchem Umfang geschieht dies auf
jeweils welcher Rechtsgrundlage (bitte für den Zeitraum 2001 bis 2014
nach ausländischem Dienst, Anzahl der Übermittlungsfälle und jeweiliger
Rechtsgrundlage aufschlüsseln)?

13. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, wozu ausländische Partner-
dienste die Informationen aus den Befragungen von Asylbewerbern ver-
wendet haben, und wenn ja, welche sind dies?

14. Kann die Bundesregierung mit Sicherheit ausschließen – auch vor dem Hin-
tergrund der in der Vorbemerkung der Fragesteller dargestellten neuen Er-
kenntnisse der Enthüllungsplattform „The Intercept“ –, dass die im Rahmen
des Weitergabeverbundes der Partnerdienste durch deutsche Nachrichten-
dienste eingespeisten Daten, darunter auch Erkenntnisse aus den Befragun-
gen der HBW, durch Partnerdienste für extralegale Tötungen, Entführun-
gen, in die Zielbestimmung bei Drohnenoperationen oder andere Eingriffe
in die körperliche Unversehrtheit genutzt werden?
Wenn ja, wie?
Wenn nein, welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie daraus?

15. Inwieweit kann die Bundesregierung die in der Vorbemerkung der Frage-
steller dargestellten Erkenntnisse der Enthüllungsplattform „The Intercept“

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/703
bestätigen, welche Auswirkungen hat dies in Bezug auf ihre bisherigen Aus-
künfte, wonach die Handydaten für eine konkrete Zielerfassung für Droh-
nenangriffe nicht ausreichend sein sollen, und welche Konsequenzen zieht
sie hieraus (bitte ausführen)?

16. Werden ausländische Partnerdienste weiterhin die Möglichkeit haben, den
BND um konkrete Fragen an Asylbewerberinnen und Asylbewerber etwa
zur Lagebeurteilung in einer bestimmten Region und die Antworten darauf
zu bitten?

17. Werden Asylbewerberinnen und Asylbewerber auch an andere Dienste zur
Befragung „vermittelt“?
Wenn ja, in welchem Umfang geschah dies in den letzten Jahren (bitte für
den Zeitraum 2001 bis 2014 nach Anzahl, Land und ausländischem Nach-
richtendienst aufschlüsseln)?

18. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Asylbewerberinnen und
Asylbewerber in Verfahren von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der
HBW bzw. von ausländischen Diensten befragt wurden, ohne dass diese zu-
vor erklärt haben, von welcher Behörde sie kommen und zu welchem
Zweck sie befragen (bitte begründen)?

19. Hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium des
Innern, Dr. Ole Schröder, in der Fragestunde am 28. November 2013 in
Beantwortung einer Frage (vgl. Plenarprotokoll 18/3, S. 212 f.) die bisher
geübte Praxis aus Eigeninitiative aufgegeben, die Zugehörigkeit der HBW
zum BND zu leugnen bzw. jedenfalls nicht zu bestätigen, oder wurde der
Bruch mit dieser Praxis amtsintern vereinbart, und welche Gründe waren
dafür ausschlaggebend?

20. Ist die Bundesregierung bereit, sämtliche in dieser Sache bisher gestellten
Anfragen und aus genannten Gründen nicht beantworteten oder nur vertrau-
lich behandelten Antworten jetzt, rückwirkend, vollständig zu beantworten?

21. Warum ist es jetzt nicht mehr erforderlich, bei Befragungen von Asyl-
suchenden die „Legende HBW“ aufrecht zu halten, um diese vor dem unter
Umständen gefährlichen Vorwurf zu schützen, mit dem BND zusammen-
zuarbeiten, bzw. wieso wurde diese Legendenbildung früher für sinnvoll
und effektiv gehalten und jetzt nicht mehr?

22. Inwieweit sind Befragungen von Asylsuchenden überhaupt noch verant-
wortbar, wenn die Legendenbildung einer Befragung durch die HBW durch
die Auskünfte des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Ole Schröder jetzt
nicht mehr möglich ist?

Berlin, den 27. Februar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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