BT-Drucksache 18/7028

Verbot des Sturm 18 e. V.

Vom 10. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7028
18. Wahlperiode 10.12.2015

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Petra Pau, Frank Tempel, Wolfgang Gehrcke,

Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, Ulla Jelpke, Harald Petzold (Havelland),
Martina Renner, Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Verbot des Sturm 18 e. V.

Am 29. Oktober 2015 wurde der Verein Sturm 18 e. V. durch den hessischen
Innenminister Peter Beuth mit der Begründung, er richte „sich gegen die
verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung“
verboten (www.tagesspiegel.de/politik/nach-razzien-im-august-hessen-verbietet-
rechtsextremistischen-verein-sturm-18/12513592.html, 26. November 2015
9:58 Uhr). Dem Vereinsumfeld werden „fast 300 Straftaten“ (ebd.) zur Last ge-
legt und bei Haussuchungen wurden Waffen sichergestellt (www.gruene-
hessen.de/landtag/pressemitteilungen/sturm-18-verbot-rechtsextremisten-keinen/,
26. November 2015 10:37 Uhr).

Die Vereinigung Sturm 18 Holzwickede verweist in ihrer Netzpräsenz auf
verschiedene „Ortsgruppen“ (logr.org/s18holzwickede/verweise/ortsgruppen/,
26. November 2015 10:40 Uhr), die über das gesamte Bundesgebiet verteilt sind.
Der niedersächsische Verfassungsschutz äußert sich dazu im Verfassungsschutz-
bericht von 2014 wie folgt:

„Der niedersächsische Verfassungsschutzbericht bescheinigt der südniedersäch-
sischen Neonazi-Szene ‚gewachsene Verbindungen‘ zu den Neonaziszenen in
Nordhessen und im westlichen Thüringen. Gemeinsam mit Neonazis aus diesen
Bereichen hätten sich Szeneangehörige aus Südniedersachsen etwa im Ordner-
dienst, wie bei den jährlichen Gedenkmärschen in Bad Nenndorf, betätigt. ‚Die
gelegentliche Verwendung der Bezeichnung Kameradschaft Dreiländereck unter-
streicht die länderübergreifende Zusammenarbeit‘, heißt es in dem Bericht.
Darüber hinaus sei die Neonaziszene Südniedersachsen eng mit der ‚subkulturel-
len Szene‘ und der NPD verzahnt. Die gemeinsame Teilnahme an Zeitzeugen-
vorträgen, Sonnenwendfeiern oder Balladenabenden und die gemeinsame Orga-
nisation von Veranstaltungen sind Ausdruck dieses Zusammenspiels“ (www.
goettinger-tageblatt.de/Region/Kassel/Sturm-18-Nur-vereinzelte-Kontakte-nach-
Suedniedersachsen, 30. November 2015 12:56 Uhr).

Nach Informationen der „taz. die tageszeitung“ war der Vereinsvorstand R. S. als
Wachmann in einer Unterkunft für Geflüchtete beschäftigt, bevor öffentli-
cher Druck zu seiner Entlassung führte (www.taz.de/Fluechtlingsunterkunft-
Heidelberg/!5230020/). Ob der Sturm 18 e. V. darüber hinausgehende Verbin-
dungen zu Sicherheitsunternehmen hat und welche strategische Bedeutung diese
haben, ist unklar.

Nach Informationen antifaschistischer Initiativen soll R. S. auch über Verbindun-
gen zur Oldschool Society verfügen.

Drucksache 18/7028 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Es gibt zudem verschiedene Hinweise darauf, dass der Vereinsvorsitzende B. T.
sogar Kontakte in den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) gehabt haben
könnte. B. T. sagte bereits zweimal in dem Strafprozess vor dem Münchener Ober-
landesgericht (OLG) aus, nachdem er beim Bundeskriminalamt (BKA) ausgesagt
hatte, er habe Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im März 2006 in Kassel getroffen.
Diese Aussage revidierte er vor dem OLG München. Dennoch nahm B. T. laut
„ZDF“ und „DER TAGESSPIEGEL“ wohl Kontakt zu Ralf Wohlleben auf
(www.tagesspiegel.de/politik/rechtsextremes-netzwerk-in-gefaengnis-aufgedeckt-
neonazis-versuchten-beate-zschaepe-zu-kontaktieren/8047634.html, 26. Novem-
ber 2015 13:12 Uhr; www.zdf.de/ZDF/zdfportal/blob/40818042/1/data.pdf,
26. November 2015 13:12 Uhr).

Auch M. F., Gründungsmitglied des Sturm 18, gibt zu, Uwe Mundlos und
Uwe Böhnhardt bei diesem Konzert gesehen zu haben (www.hna.de/kassel/
waffendeal-unter-neonazis-staatsanwaltschaft-kassel-ermittelt-5301962.html).
M. F. gilt außerdem als Teil des „Combat 18“ Netzwerkes.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wurde im Gemeinsamen Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus (GAR)
bzw. im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum
(GETZ) über den militanten rechtsextremen Verein Sturm 18 oder führende
und/oder auffällige Mitglieder und deren Aktivitäten beraten und wurden In-
formationen ausgetauscht, und wenn ja, wie oft und zu welchen konkreten
Anlässen geschah dies?

2. Was waren nach Kenntnis der Bundesregierung die ausschlaggebenden Fak-
toren zum Verbot des Vereins Sturm 18 e. V.?

3. Was waren nach Kenntnis der Bundesregierung die Hauptbetätigungsfelder
des Sturm 18 e. V.?

4. Bei wie vielen Beschuldigten wurden Durchsuchungsmaßnahmen voll-
streckt, und in welchen Orten fanden diese statt?

5. Wurden neben den Wohnräumen auch Geschäftsräume durchsucht?

6. Über wie viele Ortsgruppen verfügte die Vereinigung Sturm 18 e. V. nach
Kenntnis der Bundesregierung im Bundesgebiet?

Wie heißen sie, und wie viele Mitglieder hatten sie jeweils?

7. Wie viele Mitglieder hatte der Verein Sturm 18 e. V. nach Kenntnis der Bun-
desregierung, gegen wie viele von ihnen gab es Ermittlungsverfahren, und
wie viele wurden rechtskräftig verurteilt?

8. Wie vielen Mitgliedern wurde die Verbotsverfügung zugestellt?

9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Kontakte der Vereini-
gung Sturm 18 e. V.

a) nach Niedersachsen,

b) nach Thüringen,

c) in andere Bundesländer,

und wie sind diese geartet?

10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Kameradschaft Drei-
ländereck?

11. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über mögliche Kontakte des
Sturm 18 e. V. oder eines seiner (Vorstands-)Mitglieder wie z. B. B. T. zum
NSU, zu den im NSU-Prozess Angeklagten und dem Unterstützerkreis?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7028

12. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über mögliche Kontakte des
Sturm 18 e. V. oder eines seiner (Vorstands-)Mitglieder zu den den NSU
umgebenden V-Leuten?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Glaubwürdigkeit der Aussagen von
B. T. beim BKA bzw. beim OLG München?

14. Welche Waffen wurden bei Haussuchungen im Umfeld des Sturm 18 e. V.
gefunden?

15. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Herkunft der Waffen?

16. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Verbindung von
(Vorstands-)Mitgliedern der Vereinigung Sturm 18 e. V. in Gefängnisse und
zu Strukturen zwischen Gefangenen?

17. Wie viele (Vorstands-)Mitglieder bzw. Aktivisten des Vereins Sturm 18
e. V. werden bzw. wurden als V-Leute des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz geführt?

18. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Verbindungen zwischen
(Vorstands-)Mitgliedern und Sympathisanten des Sturm 18 e. V. zur NPD
oder zu anderen Parteien der extremen Rechten?

19. Besitzt die Bundesregierung Kenntnis über Verbindungen zwischen der Old-
school Society und dem Sturm 18 e.V.?

20. Besteht eine Verbindung zwischen dem Sturm 18 e. V. und Combat 18 und
wenn ja, welche?

21. Welche Verbindungen existieren in den Bereich von Sicherheitsunterneh-
men?

Kann ausgeschlossen werden, dass weitere Mitglieder und Sympathisanten
des Sturm 18 e.V. in Unterkünften von Geflüchteten als Sicherheitskräfte
eingesetzt werden?

Berlin, den 10. Dezember 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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