BT-Drucksache 18/7002

Maßnahmen zur verstärkten Überwachung der EU-Außen- und Binnengrenzen

Vom 7. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7002
18. Wahlperiode 07.12.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Jan Korte,
Niema Movassat, Petra Pau, Martina Renner, Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke,
Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich
und der Fraktion DIE LINKE.

Maßnahmen zur verstärkten Überwachung der EU-Außen- und Binnengrenzen

Infolge der anhaltenden Migrationsbewegungen nach Europa werden seit einigen
Monaten Stimmen laut, Zuwanderung zu begrenzen, vor allem aber die Kontrolle
an den EU-Außengrenzen, teilweise auch den EU-Binnengrenzen, zu verstärken.
Auch in der Debatte um Terrorabwehr geht es unter anderem um die verstärkte
Kontrolle von Reisenden.

Aus den regelmäßigen Kleinen Anfragen der Fraktion DIE LINKE. zu Polizei-
einsätzen im Ausland ergibt sich, dass in diesem Jahr die Zahl der polizeilichen
Ausbildungsmissionen zugunsten von Grenzpolizeien der Westbalkanländer er-
heblich zugenommen hat. So waren allein im dritten Quartal 2015 28 solcher
Maßnahmen vorgesehen, bei denen es in der Regel um Schulungen im Urkunden-
und Dokumentenbereich, Personalmanagement, Bedarfsfeststellungen in den Be-
reichen Personal, Organisation, Logistik und Budget oder um Schulungen zur
Grenzüberwachung an der „Grünen Grenze“ usw. geht (Bundestagsdrucksa-
che 18/6532). Im zweiten Quartal waren noch zwölf solcher Maßnahmen zuguns-
ten von Westbalkan-Grenzpolizeien vorgesehen, im ersten Quartal nur vier. Die-
ser Anstieg könnte das Interesse der Bundesregierung verdeutlichen, die Migra-
tionsbewegungen aus den Westbalkanstaaten zu reduzieren, aber auch Ausdruck
des Anliegens sein, die Westbalkanstaaten dazu in die Lage zu versetzen, solche
Migrationsbewegungen, die die Westbalkanstaaten nur als Transitländer in Rich-
tung EU nutzen, stärker zu kontrollieren.

Der Europäische Rat hat am 20. November 2015 beschlossen, „unverzüglich“
systematische und koordinierte Kontrollen an den Außengrenzen durchzuführen,
und vorgeschlagen, den Schengener Grenzkodex (SGK) dahingehend zu ändern,
dass dort auch Unionsbürger systematisch kontrolliert und ihre Daten mit „den
einschlägigen Datenbanken“ abgeglichen werden (Ratsdok. 14406/15). Die Eu-
ropäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der
Mitgliedstaaten der Europäischen Union FRONTEX wird gestärkt, unter ande-
rem mit dem Ziel, die Außengrenzen zu sichern, aber auch, um in Griechenland
und Italien an sogenannten hotspots tätig zu werden. Zudem soll die Rolle in der
Terrorismusbekämpfung gestärkt werden.

Die Schlussfolgerungen des Rates deuten darauf hin, dass es bislang erhebliche
Defizite bei der Übermittlung von Informationen über sogenannte ausländische
Kämpfer gab, genauer gesagt: zu solchen Personen, die als Unionsbürger oder
jedenfalls in der Union Ansässige in Richtung Syrien oder Irak aufbrechen, um

Drucksache 18/7002 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

sich dort temporär dem sogenannten Islamischen Staat oder einer anderen Terror-
gruppe anzuschließen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Worauf führt die Bundesregierung den deutlichen Anstieg von Ausbildungs-
maßnahmen zurück, den die Bundespolizei zugunsten von Grenzpolizeien
der Westbalkanstaaten leistet, und welchen Zusammenhang gibt es dabei zur
aktuellen Dynamik bei den Flüchtlingsbewegungen?

a) Welche spezifischen Interessen werden hierbei von den Westbalkanstaa-
ten formuliert?

b) Welche spezifischen Interessen hat die Bundesregierung, den Anfragen
aus dem Westbalkan entgegenzukommen?

2. Was sind aus Sicht der Bundesregierung die größten Defizite der Grenzpoli-
zeien des Westbalkans, und was will sie unternehmen, um zum Abbau dieser
Defizite beizutragen?

3. Wie viele Ausbildungsmaßnahmen für Polizeien des Westbalkans, die in Zu-
sammenhang mit Grenzschutz stehen, haben in diesem Jahr tatsächlich statt-
gefunden, und wie viele Polizistinnen und Polizisten aus den Westbalkan-
staaten haben an diesen Maßnahmen jeweils teilgenommen?

4. Inwiefern führt die Bundesregierung den Rückgang von Asylantragstellern
aus den Westbalkanstaaten auch auf die Ausbildungsmaßnahmen zurück?

5. Inwiefern wurden bei den bisherigen Maßnahmen die Asylanträge von Be-
wohnern des Westbalkans thematisiert?

Welche Maßnahmen und Strategien wurden den dortigen Polizisten in die-
sem Zusammenhang empfohlen?

6. Welche Bedeutung für das Management jener Flüchtlingsbewegungen, die
den Westbalkan lediglich als Transitregion auf dem Weg in die EU nutzen,
haben die durchgeführten bzw. noch geplanten Ausbildungsmaßnahmen
(bitte ggf. ausdifferenzieren)?

7. Bis wann werden nach Kenntnis der Bundesregierung die sogenannten hot-
spots zur Registrierung von Flüchtlingen eingerichtet und betriebsbereit sein
(bitte jeweilige Orte angeben)?

a) Welche Kapazitäten sollen diese jeweils haben?

b) Welche Datenbanken sollen im Zuge der Registrierung an den hotspots
abgefragt werden?

c) Ist nach Kenntnis der Bundesregierung sichergestellt, dass an den hot-
spots die technischen Voraussetzungen bereitstehen, um diese Datenab-
gleiche durchzuführen?

Wenn nicht, bis wann soll dies gewährleistet sein, und inwiefern will die
Bundesregierung dazu beitragen?

d) Welche Daten sollen dort von den Flüchtlingen erhoben werden?

e) Inwiefern wird in den hotspots eine Datenbank zur Speicherung der dort
erhobenen Daten aufgebaut, wer verwaltet diese, und wie sind die
Schreib- und Lesebefugnisse ausgestaltet?

f) Ist eine Vernetzung der in den hotspots erhobenen Daten mit der Bundes-
polizei bzw. dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) be-
absichtigt, um eine erneute Registrierung der nach Deutschland geleiteten
Flüchtlinge zu vermeiden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7002
 

g) Wie viele Beamte der Bundespolizei bzw. anderer deutscher Behörden
(bitte benennen) werden in den hotspots nach Kenntnis der Bundesregie-
rung voraussichtlich eingesetzt werden und für welchen Zeitraum?

8. Inwiefern ist der von FRONTEX am 2. Oktober 2015 gemeldete zusätzliche
Bedarf von 775 Grenzschützern (Border Guards) mittlerweile gedeckt?

a) Wie viele Polizisten werden von der Bundespolizei bzw. den Landespoli-
zeien gestellt bzw. haben sich bislang gemeldet (bitte aufgliedern)?

b) Für welchen Zeitraum gilt diese Abkommandierung?

c) Welche konkreten Tätigkeiten an welchen Orten und Behörden sollen
diese Beamten verrichten?

9. Inwiefern hat Deutschland sogenannte Rückführungsexperten entsandt und
wohin?

Wie gestaltet sich deren Arbeit?

10. In welchen Mitgliedstaaten sowie Drittstaaten sind nach Kenntnis der Bun-
desregierung im Kontext der gegenwärtigen Flüchtlingsbewegung physische
Grenzsicherungsanlagen errichtet worden (erbetene Angaben: Art und Be-
schaffenheit der Anlage, Länge, Zweck) bzw. derzeit im Bau oder angekün-
digt?

Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung hieraus hinsichtlich
des Grundsatzes der Freizügigkeit?

11. Welche Maßnahmen zur verstärkten Kontrolle sogenannter Grüner Grenzen
sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den Mitglied- oder Transitstaaten
derzeit ergriffen worden?

Inwiefern leistet Deutschland einen Beitrag hierzu?

12. Welche technischen Neuerungen zur verstärkten Kontrolle sogenannter Grü-
ner Grenzen befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in
Forschung oder Entwicklung, und inwiefern werden diese Projekte vom
Bund bzw. der EU unterstützt?

13. Welche weiteren Maßnahmen zur verstärkten Sicherung der Außengrenzen
werden derzeit in der Union diskutiert, sind bereits in der Ausführung oder
sollen aus Sicht der Bundesregierung wann eingeleitet werden?

14. Inwiefern ist die Bundespolizei bzw. sind andere Bundesbehörden tangiert
vom EU-Beschluss, an den Außengrenzen systematische Kontrollen sowohl
von Drittstaatsangehörigen als auch von Unionsbürgern einzuführen?

a) In welchem Umfang bzw. bei welchen Personengruppen wurden bisher
an deutschen Flug- und Seehäfen solche systematischen Kontrollen
durchgeführt?

b) Welche Rolle spielten dabei Risikoindikatoren, und welcher Risikoindi-
katoren bedient sich die Bundespolizei generell?

c) Ist jetzt vorgesehen, systematische Kontrollen an den Außengrenzen voll-
ständig vorzunehmen, bzw. inwiefern sollen weiterhin nicht alle Reisen-
den kontrolliert werden, sondern nur solche, die unter Risikoindikatoren
fallen?

d) Werden diese Risikoindikatoren erweitert, und wenn ja, in welcher Hin-
sicht?

e) Sollen die verstärkten Kontrollen gleichermaßen bei Ein- und Ausreisen
in die bzw. aus der EU durchgeführt werden, bzw. welche Schwerpunkt-
setzung ist hierbei beabsichtigt?

Drucksache 18/7002 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

15. Welchen Beitrag will die Bundesregierung zur Änderung des SGK leisten,
um der Forderung des EU-Rates nachzukommen, an den Außengrenzen des
Schengen-Raums systematische Kontrollen von Unionsbürgern durchzufüh-
ren?

a) Ist es aus Sicht der Bundesregierung erstrebenswert, dass sämtliche Per-
sonen, die in den Schengen-Raum einreisen oder aus ihm ausreisen, sys-
tematisch kontrolliert werden, inklusive Datenbankabfragen, oder ist aus
ihrer Sicht eine Gewichtung nach bestimmten Risikoindikatoren zu be-
vorzugen?

b) Kann nach Ansicht der Bundesregierung eine solche umfängliche syste-
matische Kontrolle an den Außengrenzen gewährleistet sein, ohne sich
negativ auf den Verkehrsfluss an den Grenzübergängen auszuwirken, und
wenn ja, wie, und wenn nein, mit welchen Auswirkungen ist nach ihrer
Einschätzung zu rechnen?

c) Ab wann sollten aus Sicht der Bundesregierung solche Kontrollen einge-
führt werden (bitte ausführen, ob unmittelbar nach Inkrafttreten einer Än-
derung des SGK oder erst bei Vorliegen welcher zusätzlichen Vorausset-
zungen)?

16. In welchem Umfang fehlen derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung
elektronische Verbindungen und technische Voraussetzungen zum Abgleich
mit den einschlägigen Datenbaken an den Außengrenzen von Schengen-Mit-
gliedstaaten?

17. Welche Defizite hat es bislang nach Auffassung der Bundesregierung im
Umgang der Mitgliedstaaten (sowie der deutschen Behörden selbst) mit dem
Schengener Informationssystem (SIS) unter dem Gesichtspunkt der Terro-
rismusbekämpfung gegeben?

18. Inwiefern gab bzw. gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung mangelnde
Bereitschaft seitens der Mitgliedstaaten, Informationen über sogenannte aus-
ländische Kämpfer in das SIS einzuspeisen?

a) Wie viele dieser „foreign fighters“ gibt es schätzungsweise derzeit in der
EU?

b) Wie viele von ihnen sind im SIS ausgeschrieben (möglichst angeben, wel-
che Behörde welchen Landes sie eingetragen hat)?

c) Inwiefern trifft es zu, dass weniger als die Hälfte der „foreign fighters“
bei Europol bekannt ist (Berliner Zeitung vom 26. November 2015)?

d) Inwiefern trifft es (auch) für die Einträge im SIS zu, dass dort weniger als
die Hälfte der foreign fighters ausgeschrieben ist?

e) Wie viele Personen sind derzeit in Deutschland als foreign fighters be-
kannt, und wie viele von ihnen sind im SIS ausgeschrieben?

f) In welchen weiteren Dateien bzw. Datenbanken werden Angaben zu for-
eign fighters gespeichert bzw. sollen künftig gespeichert werden?

19. Ist es aus Sicht der Bundesregierung gewährleistet, dass jede deutsche Grenz-
behörde, die eine Personenkontrolle durchführt, auch auf den SIS-Eintrag
stößt und die jeweilige ausländische Polizeibehörde über das Reiseziel der
ausgeschriebenen Person informiert?

Inwiefern und in welchem Umfang gibt es hier Defizite, und was will die
Bundesregierung zu ihrer Beseitigung unternehmen?

20. Welche Datenbanken werden derzeit bei einer Personenkontrolle an deut-
schen Grenzübergängen in der Regel abgefragt oder abgeglichen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7002
 

In welchem Umfang werden dabei auch Datenbanken von Europol und IN-
TERPOL, beispielsweise die Datenbank zu gestohlenen bzw. verloren ge-
gangenen Reisedokumenten, abgefragt, und welchen Veränderungsbedarf
sieht die Bundesregierung hier (bitte begründen)?

21. Inwiefern ist es aus Sicht der Bundesregierung sinnvoll, im SIS neue Infor-
mationskategorien einzuführen (bitte ggf. angeben, welche und warum)?

22. Inwiefern sieht die Bundesregierung Bedarf, den Informationsfluss zwischen
Grenzbehörden und anderen Datenbanken, insbesondere von Europol, IN-
TERPOL und europäischen Polizei- und Grenzbehörden auszuweiten (bitte
begründen)?

23. Welche finanziellen Auswirkungen hat die Einführung systematischer Kon-
trollen an den Außengrenzen der Union nach Einschätzung der Bundesregie-
rung

a) für Deutschland,

b) für andere Mitgliedstaaten?

24. Inwiefern ist beabsichtigt, jene Länder, die aufgrund ihrer Außenlage ein hö-
heres Reiseaufkommen insbesondere an See- und Landgrenzübergängen ha-
ben, finanziell bzw. personell durch eine diesbezügliche Aufstockung des
Personals von Frontex bei der Ertüchtigung ihrer Kontrollmöglichkeiten zu
unterstützen?

Berlin, den 4. Dezember 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.