BT-Drucksache 18/694

Soziale Proteste in Bosnien Herzegowina

Vom 28. Februar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/694
18. Wahlperiode 28.02.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger,
Andrej Hunko, Michael Leutert, Dr. Alexander S. Neu, Kathrin Vogler
und der Fraktion DIE LINKE.

Soziale Proteste in Bosnien und Herzegowina

Im bosnisch-herzegowinischen Tuzla begannen am 4. Februar 2014 Sozial-
proteste von ehemaligen bzw. noch aktiven aber nicht bezahlten Arbeiterinnen
und Arbeitern einer lokalen Fabrik, die in gewaltsamen Ausschreitungen gegen
Regierungsgebäude endeten. Die Demonstrationen griffen schnell auch auf
weitere Städte des Landes wie Sarajewo, Bihac, Mostar und Bijeljina über. Die
Lage in Bosnien und Herzegowina ist sozial problematisch; „fast jeder Zweite
in Bosnien und Herzegowina hat […] gar keinen Job“ (www.tagesschau.de/
ausland/bosnien140.html), ein Viertel der Bevölkerung lebt in Armut und viele
leiden Hunger (www.dw.de/regierungsparteien-in-bosnien-treten-flucht-nach-
vorne-an/a-17420600). Bereits Anfang des Monats hatte Milorad Dodik, der
sozialdemokratische Präsident des bosnisch-herzegowinischen Teilstaates Re-
publika Srpska, Bosnien und Herzegowina als einen „failed state der interna-
tionalen Schutzherren“ bezeichnet (http://derstandard.at/1389858869510/Wir-
Serben-wollten-Bosnien-von-Beginn-an-nicht). Das Balkanland „steht vor dem
Bankrott“ äußern Experten (www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/proteste-
in-bosnien-niemandsland-ist-abgebrannt-12793277.html).
In einem Fünf-Punkte-Programm forderten Demonstranten, dass „kriminelle
Privatisierungen“ rückgängig zu machen sind (http://kurier.at/politik/ausland/
valentin-inzko-eu-truppen-wenn-die-lage-eskaliert/50.439.268). Außerdem
warfen Demonstranten der Polizei des Landes vor, Gefangene zu misshandeln
(www.theprovince.com/news/Bosnian+antigovernment+protesters+accuse+
police+brutality/9487186/story.html).
Valentin Inzko, der österreichische Hohe Repräsentant der Europäischen Union
(EU) in Bosnien, äußerte am 8. Februar 2014 in der österreichischen Presse, dass
wenn „die Lage eskaliert, […] wir eventuell an EU-Truppen denken [werden]
müssen.“ (http://kurier.at/politik/ausland/valentin-inzko-eu-truppen-wenn-die-
lage-eskaliert/50.439.268). Eine Aufstockung des österreichischen Truppenkon-
tingents war bereits vor den Protesten beschlossene Sache (www.salzburg.com/
nachrichten/welt/politik/sn/artikel/oesterreich-schickt-mehr-soldaten-nach-
bosnien-92327/).

Drucksache 18/694 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie schätzt die Bundesregierung die Situation in Bosnien und Herzegowina

ein?
a) Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung bezüglich einer mög-

lichen bzw. einer Neufassung der Friedensregelung von Dayton, wie sie
vom kroatischen Ex-Präsidenten Stjepan Mesic gefordert wurde (http://
orf.at/stories/2217566/)?

b) Inwieweit teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass sich die Föde-
ration Bosnien und Herzegowina und die Republika Srpska „immer mehr
zu ‚Para-Staaten‘ entwickeln würden“ (http://orf.at/stories/2217566/)?

2. Besteht eine sicherheitspolitische Strategie der Bundesregierung (namentlich
des Auswärtigen Amts), falls es zu einer weiteren möglicherweise auch poli-
zeilichen und militärischen Eskalation des Konfliktes in Bosnien und Herze-
gowina kommen sollte?
a) Welche Position hat die Bundesregierung auf der Sitzung des Lenkungs-

ausschusses des Friedensimplementierungsrats am 11. Februar 2014 zur
Frage der Entsendung von EU-Militärtruppen eingenommen, vor dem
Hintergrund der Ankündigung des Hohen Repräsentanten Valentin Inzko,
darüber in dieser Sitzung reden zu wollen (http://kurier.at/politik/ausland/
valentin-inzko-eu-truppen-wenn-die-lage-eskaliert/50.439.268)?

b) Inwieweit hat die Bundesregierung über eine Beteiligung an einer mög-
lichen EU-Operation im Falle der Eskalation der bosnisch-herzegowini-
schen Sozialproteste nachgedacht (http://kurier.at/politik/ausland/valentin-
inzko-eu-truppen-wenn-die-lage-eskaliert/50.439.268)?

c) Inwieweit gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Überlegungen bzw.
Planungen eines möglichen Einsatzes von EU-Battlegroups in Bosnien
und Herzegowina?

3. Welche Bilanz zieht die Bundesregierung über die Teilnahme deutscher
Polizistinnen und Polizisten bei der EU-Polizeiausbildungsmission EUPM
angesichts der Gewalt der bosnisch-herzegowinischen Polizei gegen Demon-
strantinnen und Demonstranten, und welche Konsequenzen zieht die Bundes-
regierung daraus für laufende und etwaige künftige Polizeiausbildungsmis-
sionen, an denen deutsche Polizistinnen und Polizisten beteiligt sind?

4. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus für laufende etwa-
ige künftige Polizeiausbildungsmissionen, an denen deutsche Polizistinnen
und Polizisten beteiligt sind?

5. Welche Ausrüstung, die auch militärisch relevant sein könnte und somit in
Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste – Anhang zur Außenwirtschaftsverord-
nung – oder in Anhang I der EG-Dual-Use-Verordnung – EG Nr. 428/2009 –
genannt wird, sowie Ausrüstung, die auch zur Folter verwendet werden
könnte, wie zum Beispiel bestimmte Hand- und Fußfesseln, und somit in An-
hang III der Anti-Folter-Verordnung – EG Nr. 1236/2005 – aufgeführt wird,
ist seit dem Jahr 2005 nach Bosnien und Herzegowina exportiert worden
(bitte entsprechend nach Jahren sowie nach Umfang und Warenwert der Aus-
rüstungsgegenstände auflisten)?
a) Welche Polizeiausrüstung (Helme und andere Schutzkleidung, Schilder,

Handschellen, Funkgeräte, Fahrzeuge, Waffen), so genannte weniger le-
tale Waffen, insbesondere Wasserwerfer, deren Komponenten und chemi-
sche Reizstoffe (Tränengas etc.) sowie IT-Technologie, die sich für die
Überwachung des Internets und der Telekommunikation und deren Zensur
eignet, haben deutsche Polizeibehörden ihren bosnisch-herzegowinischen
Partnern nach Kenntnis der Bundesregierung überlassen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/694
b) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über von anderen Ländern
gelieferte Polizeiausrüstung (Helme und andere Schutzkleidung, Schil-
der, Handschellen, Funkgeräte, Fahrzeuge, Waffen), so genannte weni-
ger letale Waffen, insbesondere Wasserwerfer, deren Komponenten und
chemische Reizstoffe (Tränengas etc.) und IT-Technologie, die sich für
die Überwachung des Internets und der Telekommunikation und deren
Zensur eignet?

6. Waren oder sind bosnisch-herzegowinische Militärs – beispielsweise im
Rahmen des Lehrgangs internationaler Generalstabs- und Admiralstabs-
dienst – an Ausbildungsprogrammen der Bundeswehr seit dem Jahr 2000
beteiligt?
Wenn ja, welche und wie viele Angehörige der bosnisch-herzegowinischen
Streitkräfte waren an welchen Ausbildungsprogrammen beteiligt (bitte nach
Jahren auflisten)?

7. Wie viele Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr hielten sich seit dem
Jahr 1995 ohne ein Mandat des Deutschen Bundestages in Bosnien und Her-
zegowina im Rahmen ihrer Bundeswehrtätigkeit auf?

8. Wann und wo haben Ausbilder der Bundeswehr Angehörige der bosnisch-
herzegowinischen Streitkräfte in den Jahren von 1995 bis Ende 2013 ausge-
bildet (bitte entsprechend nach Jahren, Anzahl der ausgebildeten Soldaten
und Offiziere sowie Orten auflisten)?
Inwiefern waren Techniken zur „Crowd Control“ Teil dieser Ausbildung?

9. Halten sich dauerhaft Berater der Bundeswehr in Bosnien und Herzegowina
auf?
Wenn ja, wie viele, seit und bis wann sowie zu welchem Zweck?

10. In welchen Umfang hat die Bundeswehr der bosnisch-herzegowinischen
Armee militärisches Gerät in den letzten zehn Jahren zur eigenen Nutzung
überlassen (bitte entsprechend den Jahren nach Geräten auflisten)?

11. Inwieweit ist es der Bundesregierung bekannt, dass im Falle eines Ausein-
anderbrechens Bosnien und Herzegowinas – angesichts des Beschlusses des
Parlaments der Republika Srpska – der Teilstaat seine Unabhängigkeit
erklären will, sollte die Mehrheit der EU- und UN-Staaten den Kosovo als
unabhängig anerkennen (www.b92.net/info/vesti/index.php?yyyy=2008
&mm=02&dd=22&nav_id=285932)?

Berlin, den 28. Februar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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