BT-Drucksache 18/6853

Leistungsschutzrecht für Presseverleger

Vom 24. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6853
18. Wahlperiode 24.11.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Tabea Rößner, Renate Künast, Dr. Konstantin von Notz,
Ulle Schauws, Katja Dörner, Dr. Franziska Brantner, Kai Gehring,
Elisabeth Scharfenberg, Maria Klein-Schmeink, Kordula Schulz-Asche,
Dr. Harald Terpe, Doris Wagner, Beate Walter-Rosenheimer und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Leistungsschutzrecht für Presseverleger

Die Rechtslage bezüglich des im März 2013 verabschiedeten und stark umstritte-
nen Leistungsschutzrechtes für Presseverleger ist weiterhin unklar. Die von dem
Gesetz betroffenen Parteien, Presseverleger und entsprechenden Diensteanbieter,
allen voran Suchmaschinenbetreiber, streiten um die Anwendbarkeit des Gesetzes
und die Höhe möglicher Zahlungen (vgl. www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/
leistungsschutzrecht-schiedsstelle-google-vg-media-a-1054641.html). Nach Auf-
fassung der Fragesteller ist aber schon heute klar, dass das umstrittene, aber den-
noch umgesetzte Gesetzesvorhaben nicht die erhofften Effekte bringt.

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag angekündigt, das Leistungsschutz-
recht für Presseverleger dahingehend ergebnisoffen evaluieren zu wollen, ob es
die anvisierten Ziele überhaupt erreicht. Auf eine entsprechende Frage der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte die Bundesregierung im Juli 2014 in
der Antwort auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/2172 die bis-
her nicht erfolgte Evaluierung schließlich mit dem Fehlen hinreichender prakti-
scher Erfahrung in Anwendung des Leistungsschutzrechts. Diese Aussage wie-
derholte sie kürzlich erneut (vgl. Antwort auf die Mündliche Frage 30 des Abge-
ordneten Dr. Konstantin von Notz am 11. November 2015, Plenarproto-
koll 18/135-Anlage 20).

Die zur Klärung der Anwendbarkeit des Leistungsschutzrechts bei der Schieds-
stelle des Deutschen Patent- und Markenamtes laufenden Verfahren werden nun-
mehr aufgrund Widerspruchs weiterer gerichtlicher Klärung zugeführt. Daher ist
auch in absehbarer Zeit nicht damit zu rechnen, dass es die nach Ansicht der Bun-
desregierung für die Evaluierung erforderlichen praktischen Erfahrungen zeitnah
geben wird.

Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages vom
30. März 2015 geht davon aus, dass das Leistungsschutzrecht nicht angewendet
werden dürfe, wenn es unter Verstoß gegen die Richtlinie 98/34/EG zustande ge-
kommen wäre. Zu entscheiden sei dies letztlich vom Europäischen Gerichtshof
(vgl. www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/leistungsschutzrecht-beamte-warnten-
bundesregierung-vor-blamage-a-1043053.html).

Drucksache 18/6853 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann gedenkt die Bundesregierung, die wiederholt angekündigte (vgl. bei-
spielsweise die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksa-
che 18/2172 und die Antwort auf die Mündliche Frage 30 des Abgeordneten
Dr. Konstantin von Notz, Plenarprotokoll 18/135) aber bislang nicht erfolgte,
ergebnisoffene Evaluierung, vor dem Hintergrund eines absehbar noch mo-
natelangen Rechtsstreits, konkret vorlegen?

2. Wie definiert die Bundesregierung, was „hinreichende Erfahrungen“ sind,
die für eine in Aussicht gestellte Evaluierung des Leistungsschutzrechts für
Presseverleger vorliegen müssen?

3. Welche Beurteilungen, Evaluationen, Analysen des Leistungsschutzrechts
für Presseverleger liegen der Bundesregierung oder einzelnen Bundesmini-
sterien bereits vor oder von welchen hat sie Kenntnis (bitte nach Verfasser,
Verfasserin, Auftraggeber, Auftraggeberin, Untersuchungsgegenstand, ggf.
Untersuchungszeitraum, Veröffentlichungsort und Ergebnis aufschlüsseln)?

4. Welche – inklusive geplanter oder noch laufender – Beurteilungen, Evalua-
tionen, Analysen haben die Bundesregierung oder einzelne Bundesministe-
rien gefördert, in Auftrag gegeben, finanziert, angestoßen oder in anderer
Weise unterstützt, die das Leistungsschutzrecht für Presseverleger zum Ge-
genstand haben (bitte nach Verfasser, Verfasserin, Auftraggeber, Auftragge-
berin, Untersuchungsstand, ggf. Untersuchungszeitraum und Ergebnis auf-
schlüsseln)?

5. Welche Kosten sind nach Kenntnis der Bundesregierung für die in im Zu-
sammenhang mit einer Evaluierung durchgeführten Untersuchungen entstan-
den, und durch wen wurden diese Kosten jeweils getragen (bitte nach Unter-
suchungen aufschlüsseln)?

6. Hat die Bundesregierung mittlerweile Erkenntnisse darüber, welche Internet-
dienste mit Hinweis auf die durch die Einführung des Leistungsschutzrechts
entstehende Rechtsunsicherheit ihre Dienste eingestellt oder eingeschränkt
haben, und wenn ja, welche sind dies (vgl. Antwort der Bundesregierung zu
Frage 9 auf Bundestagsdrucksache 18/2172)?

7. Wie viele Unternehmen der Verlagsindustrie haben mit wie vielen digitalen
verlegerischen Angeboten ihr Presseleistungsschutzrecht nach Kenntnis der
Bundesregierung derzeit der VG Media GmbH zur Wahrnehmung und
Durchsetzung übertragen?

8. Von welchen – sowohl laufenden wie abgeschlossenen – rechtlichen Ausei-
nandersetzungen im Zusammenhang mit dem Leistungsschutzrecht für Pres-
severleger hat die Bundesregierung Kenntnis?

9. Welchen Gegenstand und aktuellen Stand haben nach Kenntnis der Bundes-
regierung die rechtlichen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem
Leistungsschutzrecht für Presseverleger nach Frage 8?

10. Ist die Bundesregierung, auch angesichts dieser Verfahren zum heutigen
Stand, der Meinung, dass das Gesetzesvorhaben dem erklärten Ziel der Bun-
desregierung, ein Gesetz zu schaffen, das Fairness im Netz schafft, tatsäch-
lich gerecht wird?

11. Teilt die Bundesregierung zum heutigen Stand die wiederholt vorgebrachte
Befürchtung der Fragesteller, dass durch die im Zuge der Schaffung des Leis-
tungsschutzrechtes entstandene Rechtsunsicherheit Innovationen und Grün-
dungen neuer Dienste im Internet negativ beeinträchtigt werden könnten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6853
12. Inwieweit ist die Bundesregierung zum heutigen Stand der Meinung, dass
das Gesetzesvorhaben dem erklärten Ziel der Bundesregierung, den Quali-
tätsjournalismus zu befördern, tatsächlich gerecht wird?

13. Sieht die Bundesregierung nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes
(EuGH C-466/12 „Svensson“-Urteil vom 13. Februar 2014) einen gesetzge-
berischen Klärungs- oder sonstigen Änderungsbedarf dahingehend, dass
keine Handlung der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Urheberrechts
vorliegt, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu urheberrechtli-
chen Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Internetseite frei
zugänglich sind?

14. Sieht die Bundesregierung den Bedarf eines weiterreichenden Schutzes der
Inhaber eines Urheberrechts vorzusehen, als dies in Artikel 3 Absatz 1 der
Richtlinie 2001/29 vorgesehen ist?

15. Wie schätzt die Bundesregierung die Verwendung des Leistungsschutzrechts
für Presseverleger als Abwehrstrategie gegen urheberrechtliche Abmahnun-
gen ein, wie sie im Januar 2015 erfolgreich angewandt wurde (Urteil vom
6. Januar 2015, LG Berlin Az 15 O 412/14)?

16. Ist der Bundesregierung bekannt, ob es auf Seiten der Europäischen Kom-
mission konkrete Überlegungen gibt, ein mit dem deutschen Leistungs-
schutzrecht für Presseverleger vergleichbares Vorhaben auf europäischer
Ebene umzusetzen, und wie, sollte dies der Fall sein, positioniert sich die
Bundesregierung diesbezüglich?

17. Ist der Bundesregierung bekannt, ob es auf Seiten der Europäischen Kom-
mission konkrete Überlegungen gibt, Änderungen auf europäischer Ebene
bezüglich der Ausgestaltung des Zitatrechts umzusetzen, und wie, sollte dies
der Fall sein, positioniert sich die Bundesregierung diesbezüglich?

18. An welchen Treffen waren Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregie-
rung, der Bundesministerien oder Bundesbehörden beteiligt, in denen es um
ein vergleichbares Schutzrecht auf europäischer Ebene ging, und wie hat man
sich gegenüber derartigen Plänen verhalten (bitte nach Datum, Art des Tref-
fens und ggf. anwesenden Vertretern von Verlegern oder der Europäischen
Kommission aufschlüsseln)?

19. Welche laufenden und abgeschlossenen Anträge auf Akteneinsicht oder Ak-
tenauskunft nach dem Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen
des Bundes bzw. dem Gesetz zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen
Verbraucherinformation bzw. dem Umweltinformationsgesetz sind an Bun-
desministerien und Bundesbehörden im Zusammenhang mit dem Leistungs-
schutzrecht für Presseverleger gestellt worden (bitte nach Behörde, Gegen-
stand des Antrages, Ausgang des Verfahrens und auferlegte Kosten an den
Antragssteller aufschlüsseln)?

20. Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung bezüglich dem
Marktanteil von Google News und seine Entwicklung seit der Einführung
des Leistungsschutzrechts für Presseverleger?

21. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen der von der VG Me-
dia GmbH erteilten Gratislizenz an Google News auf andere Suchmaschinen,
etwa auf deren Marktanteil oder Marktstellung?

22. Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Deutschen Patent- und Marken-
amts aus dem (noch nicht rechtskräftigen) Bescheid vom 4. April 2015 an
die VG Media GmbH, dass die VG Media GmbH mit der unentgeltlichen
Lizenzierung lediglich an Google eine Vorrangstellung gegenüber anderen
Nutzern im Sinne des Leistungsschutzrechts einräume, denen sie in diesem
Fall weiterhin ein Entgelt abverlangt?

Drucksache 18/6853 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
23. Hätte das Leistungsschutzrecht vor seiner Verabschiedung nach Auffassung
der Bundesregierung nach der Richtlinie 98/34/EG bei der Europäischen
Kommission notifiziert werden müssen?

24. Ist das Leistungsschutzrecht nach Auffassung der Bundesregierung derzeit
trotz der nicht erfolgten Notifizierung anwendbar?

25. Welche rechtlichen und finanziellen Folgen können sich nach Auffassung
der Bundesregierung aus der nicht erfolgten Notifizierung und der damit
möglicherweise verbundenen Unanwendbarkeit für die Bundesrepublik
Deutschland ergeben (insbesondere Staatshaftungsansprüche)?

Berlin, den 24. November 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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