BT-Drucksache 18/6790

Aktuelle Menschenrechtslage von Indigenen im Süden der Philippinen

Vom 12. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6790
18. Wahlperiode 12.11.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Annette Groth, Wolfgang Gehrcke, Inge Höger, Andrej Hunko,

Katrin Kunert, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Aktuelle Menschenrechtslage von Indigenen im Süden der Philippinen

Weiterhin kommt es in den Philippinen regelmäßig zu politisch motivierten Mor-
den (www.jungewelt.de/2015/10-29/029.php; www.vernetzte-er.de/dev/index.php?
option=com_content&view=article&id=37&Itemid=47). Betroffen sind Lokal-
politikerinnen und Lokalpolitiker, Journalistinnen und Journalisten und politische
Aktivistinnen und Aktivisten aus den Bereichen Landreform, Umwelt, Anti-
Bergbau und Menschenrechte. Viele der schwersten Menschenrechtsverletzun-
gen ereignen sich im Rahmen der Aufstandsbekämpfung im Konflikt mit der
kommunistischen New People’s Army (NPA). Zwar erkennt der im Jahr 2011
in Kraft getretene interne Sicherheitsplan der philippinischen Armee
„Oplan Bayanihan“ zum ersten Mal das Primat der Menschenrechte in der Auf-
standsbekämpfung an, trotzdem wurde das Militär seitdem weiterhin mit Hunder-
ten Fällen extralegaler Hinrichtungen in Verbindung gebracht (ruestungsexport.
info/uploads/pdf/countries/2014_Philippinen.pdf;www2.amnesty.de/internet/
deall.nsf/74306e77ccabf47cc12565cb003dc377/b39110fb14358515c12574e1002
d3d50?OpenDocument; www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sp&dig=
2014%2F09%2F13%2Fa0023&cHash=a1cea4c7a1cdde69becd090b222dd302).
Ein besonderer Aspekt der Aufstandsbekämpfung ist, dass Teile der Armee sys-
tematisch zivilgesellschaftliche Organisationen zu ihrem Ziel machen. Sie be-
trachten jegliche Form von Kritik am Staat und seinen Institutionen als staats-
feindlich. In dieser Logik werden Organisationen und Individuen, die gegen Ar-
mut, Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen aufbegehren zum Teil
des bewaffneten Aufstands und werden deswegen auch mit militärischen Mitteln
bekämpft. Über die Jahre hat das Militär zahlreiche zivilgesellschaftliche Grup-
pen, Gewerkschaften und Parteilisten öffentlich und in den meisten Fällen zu Un-
recht zu NPA-Tarnorganisationen erklärt; deren Mitglieder werden öffentlich als
Aufständische, Terroristen und Staatsfeinde denunziert. Diese Strategie schafft
ein klares Feindbild und verwischt gleichzeitig die Grenze zwischen bewaffnetem
Widerstand und friedlicher, ziviler Opposition (Bericht des UN-Sonderberichter-
statters zu extralegalen, summarischen und willkürlichen Hinrichtungen,
Philip Alston, aus dem Jahr 2008, A/HRC/8/3/Add.2; www.menschenrechte-
philippinen.de/tl_files/aktionsbuendnis/dokumente/eigene%20Publikationen/AMP_
2014_Menschenrechte_in_den_Philippinen_Anspruch_und_Wirklichkeit.pdf).

Zuletzt häuften sich Berichte, dass indigenen Gemeinschaften der Lumads auf der
Insel Mindanao, die vom Militär unter den Generalverdacht gestellt werden, die
kommunistischen Rebellen zu unterstützen, besonders von schweren Menschen-
rechtsverletzungen betroffen sind. Berichtet wird von der militärischen Beset-
zung indigener Dörfer, Tötungen von Zivilisten u. a. durch Luftangriffe und
von Tausenden Binnenvertriebenen (Statement des UN Sonderberichterstatters
für Binnenvertriebene vom 31. Juli. 2015, www.ohchr.org/en/NewsEvents/

Drucksache 18/6790 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=16280&LangID=E). Besonders betroffen
sind dabei unabhängige indigene Schulen, von denen das Militär behauptet, dass
sie der Indoktrination von Kindern mit kommunistischer Ideologie dienen wür-
den. Nach Angaben des philippinischen Netzwerks Save Our Schools wurden
im Jahr 2014 95 solcher Schulen Ziele von Angriffen durch das Militär
(bulatlat.com/main/2015/10/10/attacks-on-schools-put-lumad-children-at-risk/).

In vielen Fällen werden paramilitärische Verbände, sogenannte CAFGUs (Citi-
zen Armed Force Geographical Units), die dem Militär unterstehen, für schwere
Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht. Besonders in Mindanao
werden gezielt Indigene dafür rekrutiert. Von diesen begangenen Menschen-
rechtsverletzungen werden von der Armee oft als Stammesfehden verharmlost
(www.hrw.org/news/2015/09/23/philippines-paramilitaries-attack-tribal-villages
-schools).

Ein besonders schwerer Vorfall ereignete sich am 1. September 2015 als Emerito
Samarca, der Leiter des Alternative Learning Center for Agricultural and Liveli-
hood Development (ALCADEV) in Lianga, Surigao del Sur ermordet wurde. Das
ALCADEV ist eine unabhängige Schule, die Sekundärbildung für Indigene an-
bietet. Diese war bereits seit dem Jahr 2005 Repressionen des Militärs ausgesetzt.
Zwei Tage vor dem Mord wird die Schule von Mitgliedern des 36. Infanterieba-
taillons und Paramilitärs besetzt. Die Paramilitärs drohen daraufhin Lehrern,
Schülern und deren Eltern damit, dass sie die ganze indigene Gemeinschaft mas-
sakrieren würden, wenn sie die Schule nicht innerhalb von zwei Tagen räumen
würden. Daraufhin fliehen 3 000 Indigene aus dem Ort. Vor den Augen von Hun-
derten Vertriebenen ermorden die Paramilitärs Dionel Campos, den Vorsitzenden
der Organisation MAPASU, die sich gegen Bergbauprojekte in Surigao del Sur
einsetzt und dessen Cousin Bello Sinzo. Emerito Samarca, der in der Schule zu-
rückblieb, wird später gefesselt und erstochen in einem Klassenraum gefunden
(www.frontlinedefenders.org/node/29504).

Während die philippinische Regierung den Friedensprozess mit der muslimischen
MILF (Moro Islamic Liberation Front), trotz eines schweren bewaffneten Zusam-
menstoßes im Januar 2015 weiterführt, scheinen derzeit keine Verhandlungen mit
der National Democratic Front, deren bewaffneter Arm die New People’s Army
ist, stattzufinden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie schätzt die Bundesregierung aktuell die allgemeine Lage der Menschen-
rechte in den Philippinen ein?

2. Hat sich nach Ansicht der Bundesregierung seit Amtsantritt des Präsidenten
Aquinos die Lage der Menschenrechte verbessert?

Wenn ja, in welchen Bereichen?

3. Auf welche Weise und bei welchen konkreten Gelegenheiten hat die Bun-
desregierung sich in den vergangenen Jahren für eine Verbesserung der Men-
schenrechtslage in den Philippinen eingesetzt?

4. Welche Ergebnisse hatte die Reise des Menschenrechtsbeauftragten der Bun-
desregierung Christoph Strässer in die Philippinen im September 2015?

5. Welche Vertreter der philippinischen Regierung wurden dabei von ihm ge-
troffen?

Welche Themen wurden in diesen Gesprächen angesprochen?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die menschenrechtlichen Auswirkungen
des Aufstandsbekämpfungsprogrammes „Oplan Bayanihan“ der philippini-
schen Armee?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6790

 

7. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die philippinische Armee
Teile der philippinischen Zivilgesellschaft als Ziel der Aufstandsbekämp-
fung ansieht?

8. Wie schätzt die Bundesregierung den Friedensprozess zwischen der philip-
pinischen Regierung und der National Democratic Front ein?

9. Wie engagiert sich die Bundesregierung in diesem Friedensprozess?

Wenn sie sich nicht engagiert, warum nicht?

10. Wie schätzt die Bundesregierung die Menschenrechtssituation der indigenen
Lumads in Mindanao ein?

11. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass sich die Situation der
Lumads im letzten Jahr verschlechtert hat, und wenn ja, welche Gründe lie-
gen nach Einschätzung der Bundesregierung dafür vor?

12. Welche Position vertritt die Bundesregierung gegenüber der philippinischen
Regierung in Bezug auf den Einsatz von paramilitärischen Gruppen, die für
viele Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden?

13. Welche Position vertritt die Bundesregierung gegenüber der philippinischen
Regierung in Bezug auf die Besetzung indigener Gemeinschaften in Minda-
nao durch die philippinische Armee?

14. Welche Position vertritt die Bundesregierung gegenüber der philippinischen
Regierung in Bezug auf das Vorgehen der philippinischen Armee gegen un-
abhängige indigene Schulen?

15. Hat die Bundesregierung den Fall der Ermordung von Emerito Samarca am
1. September 2015 gegenüber der philippinischen Regierung angesprochen,
und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die Lage der ca. 700 Indigenen aus Ta-
laingod, die seit Anfang des Jahres 2015 auf dem Gelände der United Church
of Christ in the Philippines (UCCP) in Davao City campieren, nachdem sie
wegen der Besetzung ihrer Dörfer durch Armee und Paramilitärs fliehen
mussten (www.ohchr.org/en/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID
=16280&LangID=E)?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung die Anschuldigungen der philippinischen
Armee gegen Vertreter der UCCP und von Menschenrechtsorganisationen,
dass diese die Indigenen dort gegen ihren Willen festhalten würden
(www.karapatan.org/AFP+files+trumped-up+criminal+case+vs.+Karapatan
-SMR+Sec.Gen%2C+leaders+of+people%E2%80%99s+orgs)?

18. Ist die Ratifizierung der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorgani-
sation (ILO) über eingeborene und in Stämmen lebende Völker durch die
Philippinen Gegenstand der Gespräche zwischen der Bundesregierung und
der philippinischen Regierung?

Wenn ja, was ist der aktuelle Stand der Gespräche, und wenn nein, warum
thematisiert die Bundesregierung dies nicht?

19. Setzt sich die Bundesregierung gegenüber der philippinischen Regierung da-
für ein, dass diese den themenbezogenen Sonderberichterstattern und Ar-
beitsgruppen des UN-Menschenrechtsrats, insbesondere dem Sonderbericht-
erstatter zur Lage von Menschenrechtsverteidigern, eine Einladung aus-
spricht?

Berlin, den 11. November 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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