BT-Drucksache 18/6597

Deutschlands Beitrag zur Bekämpfung der illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten Fischerei

Vom 20. Oktober 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6597
18. Wahlperiode 20.10.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Niema Movassat, Caren Lay,

Jan van Aken, Karin Binder, Eva Bulling-Schröter, Jan Korte, Dr. Petra Sitte

und der Fraktion DIE LINKE.

Deutschlands Beitrag zur Bekämpfung der illegalen, nicht gemeldeten und
unregulierten Fischerei

Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Bekämpfung von il-
legaler und unregulierter Fischerei“ der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestags-
drucksache 18/4034 haben ergeben, dass in Bezug auf die Rolle Deutschlands
bei der Bekämpfung illegaler, nicht gemeldeter und unregulierter (IUU) Fischerei
noch immer Lücken bei der effektiven Umsetzung der EU-IUU-Verordnung exis-
tieren.

Die Bundesregierung setzt für die Prüfung von etwa 60 000 Fangbescheinigungen
pro Jahr lediglich fünf Vollzeit-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein (Zweijah-
resbericht Deutschlands an die Europäische Kommission zur Umsetzung der
IUU-Verordnung, 2012 bis 2013). Dies ist auch im Vergleich mit anderen euro-
päischen Staaten äußerst wenig. So beschäftigt Spanien für die Prüfung von deut-
lich weniger Fangbescheinigungen pro Jahr (ca. 47 000) 19 Personen in Vollzeit
(Zweijahresbericht Spaniens an die Europäische Kommission zur Umsetzung der
IUU-Verordnung, 2012 bis 2013).

In Deutschland haben die fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von den rund
60 000 Fangbescheinigungen bisher bei 50 Sendungen die Einfuhr nach Arti-
kel 17 IUU-Verordnung überprüft bzw. im Folgenden verweigert. Des Weiteren
wurden nach offiziellen Angaben insgesamt nur zehn Sendungen nach Artikel 18
der IUU-Verordnung abgelehnt (vgl. Bundestagsdrucksache 18/4034).

Durch die IUU-Fischerei entgehen der globalen, legitimen Fischereiindustrie
Umsätze von schätzungsweise 8 bis 19 Mrd. Euro jährlich. Insbesondere für Ent-
wicklungsländer hat sie zudem verheerende Konsequenzen, weil sie den lokalen
Fischerinnen und Fischern ihren Fang und damit der lokalen Bevölkerung eine
wichtige Nahrungs- und Proteinquelle entzieht. So drohen die Fischbestände vor
der afrikanischen Küste, die nach Angaben des WWF durch die sogenannten
fischerpartnerschaftlichen Abkommen der EU mit afrikanischen Staaten bereits
stark unter Druck stehen, endgültig zu kollabieren (WWF 2011, Mythen und Fak-
ten über die Gemeinsame Fischereipolitik – GFP).

Die wirksame Kontrolle von Importen von Fisch und Fischereiprodukten und die
konsequente Abweisung von Produkten, deren legale Herkunft nicht zweifelsfrei
nachgewiesen werden kann, stellen einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von
IUU-Fischerei weltweit dar. Sie halten Fangnationen zu besseren Kontrollen ihrer
Fangflotte an, helfen ehrlichen Fischerinnen und Fischern, dem Wettbewerb

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standzuhalten, tragen zur Transparenz von Unternehmen und Handel bei, unter-
stützen die Kontrollen der Lieferketten und schützen Verbraucherinnen und Ver-
braucher vor dem Konsum zweifelhafter Fischereiprodukte.

Die sich aus der Bekämpfung der illegalen Fischerei ergebenden Konsequenzen
sind international zunehmend Gegenstand hochrangiger politischer Foren. In ih-
rer „G7 Foreign Ministers’ Declaration on Maritime Security“ haben die Außen-
minister der G7-Staaten im April 2015 erklärt, bei der der maritimen Sicherheit
stärker auf die Aspekte der illegalen Fischerei, des Menschenhandels im mariti-
men Raum und des Schutzes der maritimen Biodiversität einzugehen.

Der Bundesrepublik Deutschland kommt bei der Bekämpfung der IUU-Fischerei
eine besondere Rolle zu. In der EU ist Deutschland mit Importen aus Drittländern
von rund 700 000 Tonnen pro Jahr nach Spanien der größte Importmarkt für Fisch
und Fischereiprodukte und auch eine wichtige Drehscheibe des Handels in andere
europäische Länder. Als einer der Hauptimportmärkte muss Deutschland dafür
Sorge tragen, nicht zum Einfallstor für Fisch und Fischereiprodukte aus IUU-Fi-
scherei zu werden. Die EU-IUU-Verordnung stellt für die Einfuhrkontrollen ein
geeignetes Mittel dar, sie muss jedoch in den EU-Mitgliedstaaten effektiv und
einheitlich umgesetzt werden.

Die wichtige Rolle der Bundesrepublik Deutschland zeigt sich ferner beim Pro-
zess der Europäischen Kommission zur Verwarnung nicht-kooperierender Dritt-
staaten. Im Jahr 2015 wurden mit Thailand und Taiwan zwei Staaten verwarnt,
aus denen die Bundesrepublik Deutschland einen nicht unerheblichen Wert an
Fisch und Fischereiprodukten importiert. Im Falle Taiwans stellt die Bundesre-
publik Deutschland sogar den zweitwichtigsten Importmarkt nach Griechenland
nach dem Wert der Fisch- und Fischereiprodukte dar (Eurostat). Hier stellte die
Europäische Kommission fest, dass Taiwan große Defizite bei der Ausstellung
und Validierung von Fangbescheinigungen nachgewiesen werden konnte.
(www.europa.eu/rapid/press-release_IP-15-4806_de.htm und www.europa.de/
rapid/press-release_IP-15-5736_de.htm).

Die EU-IUU-Verordnung schreibt vor, dass die Kontrollen von Fangbescheini-
gungen beim Import nach den Grundsätzen des Risikomanagements zu erfolgen
haben. Auch die Überprüfung von Sendungen nach Artikel 17 hat nach den Kri-
terien zu erfolgen, die im Rahmen des Risikomanagements festgelegt wurden.
Des Weiteren schreibt die EU-IUU-Verordnung vor, dass jeder Mitgliedstaat sei-
nen zuständigen Behörden ausreichende Mittel zur Verfügung stellen muss, um
die in der Verordnung beschriebenen Maßnahmen wahrnehmen zu können.

Bis heute wurden von der Bundesregierung noch keine genauen Informationen
dazu öffentlich bereitgestellt, welche Bestandteile das deutsche Risikomanage-
ment zur Kontrolle der Fangbescheinigungen im Einzelnen beinhaltet. Ferner
geht aus den Berichten der EU-Mitgliedstaaten zur Umsetzung der IUU-Verord-
nung an die Europäische Kommission hervor, dass Deutschland im Vergleich mit
anderen EU-Mitgliedstaaten über sehr geringe Personalressourcen für die Kon-
trolle der Fangbescheinigungen beim Import von Fischereierzeugnissen zu verfü-
gen scheint.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass seit Inkrafttreten der IUU-Ver-
ordnung Sendungen von Fisch und Fischereiprodukten aus IUU-Fischerei
nach Deutschland gelangen konnten?

Wenn ja, wie stellt die Bundesregierung fest, dass keine Sendungen aus IUU
Fischerei importiert wurden?

Wenn nein, welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um
möglichen Vorfällen dieser Art vorzubeugen?

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2. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass zum derzeitigen Stand eine Kon-
trolldichte und -qualität erreicht wird, die dazu geeignet ist, das Ziel der IUU-
Verordnung, keine Fischereiprodukte aus IUU-Fischerei nach Deutschland
zu importieren, sicherstellen zu können?

Wenn nein, warum nicht, und was müsste dazu seitens der Bundesregierung
unternommen werden?

3. Wie evaluiert die Bundesregierung die effektive und innerhalb der EU ein-
heitliche Umsetzung der IUU-Verordnung in der Bundesrepublik Deutsch-
land?

Welche Zielvorgaben existieren hinsichtlich der Qualität und Quantität zur
Prüfung der Fangzertifikate?

Plant die Bundesregierung eine umfassende Evaluierung zur Umsetzung der
IUU-Verordnung in Deutschland, z. B. mittels eines unabhängigen Berich-
tes?

4. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass Produkten, deren Legalität nicht
ausreichend nachgewiesen werden kann, die Einfuhr verweigert wird?

5. Wie ist das genaue Vorgehen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Er-
nährung (BLE) bei der Überprüfung von Fangbescheinigungen (bitte den ge-
samten Prüfvorgang exemplarisch beschreiben)?

6. Wie viele der Fangbescheinigungen werden persönlich durch eine Mitarbei-
terin oder einen Mitarbeiter auf Echtheit und Plausibilität pro Jahr geprüft?

7. Existieren Vorgänge, bei denen ein vereinfachtes, automatisiertes Prüfver-
fahren bestimmter Fangbescheinigungen zur Anwendung kommt?

Wenn ja, wie gestaltet sich dieses automatisierte Verfahren, und welche und
wie viele Fangzertifikate werden automatisiert geprüft?

Wie viele Fangbescheinigungen werden überhaupt nicht kontrolliert?

8. Existiert nach Kenntnis der Bundesregierung ein gemeinsamer Kriterienka-
talog der Europäischen Kommission bzw. der EU-Mitgliedstaaten mit Punk-
ten, die in einer risikobasierten Prüfung kontrolliert und bewertet werden
müssen?

Wenn ja, um welche Kriterien handelt es sich dabei?

Sind diese Kriterien in das Risikomanagement der BLE integriert, und wenn
ja, in welcher Form?

9. Welche Kriterien enthält der in Deutschland verwendete Kriterienkatalog für
risikobasierte Prüfungen der Fangbescheinigungen?

Welche der Kriterien sind national, und welche sind Gemeinschaftskriterien,
die nach Kenntnis der Bundesregierung für mehrere EU-Mitgliedstaaten
bzw. EU-weit gelten?

Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung gegebenenfalls Vorschläge oder
Pläne, die Kriterien der risikobasierten Prüfung zwischen den einzelnen EU-
Mitgliedstaaten zu harmonisieren?

10. Wie erfolgt die Auswahl der Fangbescheinigungen, die über die Prüfung der
Vollständigkeit der Unterlagen hinaus auch auf Richtigkeit und Plausibilität
kontrolliert werden?

Wie viele Fangbescheinigungen wurden im Zeitraum der Jahre 2012 und
2013 einer derartigen Prüfung unterzogen?

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11. Wird im Rahmen der Plausibilitätsprüfung der Fangbescheinigungen auch
die Einhaltung der in den jeweiligen Meeresgebieten geltenden Bewirtschaf-
tungs- und Erhaltungsmaßnahmen zum Schutz der Fischbestände und der
Meeresumwelt geprüft bzw. verifiziert? (wenn ja, bitte den Prüfvorgang er-
läutern, und wenn nein, warum nicht)?

12. Wie viele Sendungen von Fisch und Fischereiprodukten wurden in den Jah-
ren 2012 und 2013 aus Ländern importiert, die nach den Kriterien der BLE-
eigenen risikobasierten Prüfung als risikobelastet eingestuft werden?

13. Wie verfährt die BLE mit risikobelasteten Fangbescheinigungen, um die
Herkunft aus legalen Quellen sicherzustellen (bitte den Prüfprozess beschrei-
ben)?

14. Wie verfährt die BLE mit risikobelasteten Fangbescheinigungen, wenn keine
Antwort vom Flaggen-, Vermarktungs- oder Küstenstaat auf eine Rückfrage
der BLE zur Überprüfung der Fangbescheinigung erfolgt oder die Antwort
die Legalität nicht ausreichend nachweist?

15. Werden solche Sendungen gemäß Artikel 18 der IUU-Verordnung abge-
lehnt?

Wenn ja, wie viele Sendungen wurden bisher seit Inkrafttreten der IUU-Ver-
ordnung gemäß Artikel 18 der IUU-Verordnung abgelehnt?

16. Wie wurde mit diesen abgelehnten Lieferungen verfahren (bitte um detail-
lierte Angaben zur Herkunft dieser Lieferungen, Inspektionsprozess und
Handhabung der Waren)?

17. Wurden die nach Artikel 18 der IUU-Verordnung abgelehnten Lieferungen
gemäß Absatz 3 konfisziert, vernichtet, entsorgt oder verkauft?

18. Ist der Bundesregierung bekannt, ob in der Vergangenheit Sendungen mit
gefälschten Fangbescheinigungen nach Deutschland importiert werden
konnten?

Wenn ja, wie viele, und welche Konsequenzen hatten diese Vorfälle?

Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um weiteren Vorfällen dieser Art vor-
zubeugen?

19. Wie kann die Bundesregierung mit fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
eine ausreichende Prüftiefe und Bearbeitungsdichte der etwa 60 000 jährli-
chen Fangbescheinigungen gewährleisten, die die Echtheit der Unterlagen
und Legalität des Fisches und der Fischereiprodukte sicherstellt, wenn Spa-
nien für eine niedrigere Zahl an Fangbescheinigungen (etwa 47 000 pro Jahr)
19 Vollzeit-Mitarbeiterinnen bzw. -Mitarbeiter beschäftigt?

20. Welche Schlussfolgerung und Konsequenz zieht die Bundesregierung aus
dieser Diskrepanz zwischen Spanien und Deutschland?

21. Plant die Bundesregierung eine Aufstockung der personellen Ressourcen für
die Kontrolle von Fangbescheinigungen für die Haushaltsjahre 2016 oder
2017?

22. Werden alle Fangbescheinigungen, die außerhalb der regulären Büroarbeits-
zeiten, also werktags zwischen 17 und 9 Uhr des Folgetages, eingehen, von
einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter überprüft?

Wie viele Fangbescheinigungen gehen außerhalb der Bürozeiten ein?

Wie erfolgt die Prüfung von Sendungen und deren Fangbescheinigungen, die
außerhalb der Bürozeiten der BLE eingehen?

Wie viele der Fangbescheinigungen werden persönlich außerhalb der Büro-
zeiten geprüft?

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23. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um Artikel 39 der
IUU-Verordnung umzusetzen und deutsche Staatsbürger zu identifizieren
und zu verfolgen, die an IUU-Fischerei beteiligt sind oder diese unterstützen?

Welche Konsequenzen haben deutsche Staatsbürgerinnen und -bürger zu er-
warten, die nachweislich an IUU-Fischereioperationen beteiligt sind oder
diese unterstützen?

24. Hat die Bundesregierung Regelungen erlassen, die vergleichbar mit denen
Spaniens sind (www.mercopress.com „IUU Fishing: Spain announces
11 Million Penalties against Galica Syndicate“ vom 22. Juni 2015), um deut-
sche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die an IUU-Fischerei beteiligt sind
oder diese unterstützen, zu identifizieren und zu verurteilen?

25. Auf welcher Gesetzesgrundlage wendet die Bundesregierung Artikel 39 der
IUU-Verordnung in Deutschland an?

Wenn keine Gesetzesgrundlage dafür geschaffen wurde, wie begründet die
Bunderegierung das?

26. Wie viele Fangbescheinigungen wurden seit Inkrafttreten der IUU-Verord-
nung aus Taiwan von der Bundesregierung registriert?

Wie viele Fangbescheinigungen aus Taiwan wurden vor Ankunft der Sen-
dungen validiert?

Befindet sich Taiwan unter den Staaten, die die Bundesregierung als Risiko-
herkunftsländer in ihrer risikobasierten Prüfung führt?

27. Welcher Schaden entsteht Entwicklungsländern nach Kenntnis der Bundes-
regierung durch die IUU-Fischerei?

28. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass in den Ländern, mit denen die
EU fischereipartnerschaftliche Abkommen abgeschlossen hat, die IUU-Fi-
scherei die Fischbestände zusätzlich unter Druck setzt und zu einer Überfi-
schung führen könnte (bitte begründen)?

Wenn ja, wie gedenkt die Bundesregierung, bei der Revision bestehender
und dem Abschluss neuer fischereipartnerschaftlicher Abkommen mit dieser
Gefahr umzugehen?

Berlin, den 20. Oktober 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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