BT-Drucksache 18/6573

a) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Michael Brand, Kerstin Griese, Kathrin Vogler, Dr. Harald Terpe und weiterer Abgeordneter - Drucksache 18/5373 - Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Peter Hintze, Dr. Carola Reimann, Dr. Karl Lauterbach, Burkhard Lischka und weiterer Abgeordneter - Drucksache 18/5374 - Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der ärztlich begleiteten Lebensbeendigung (Suizidhilfegesetz) c) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Renate Künast, Dr. Petra Sitte, Kai Gehring, Luise Amtsberg und weiterer Abgeordneter - Drucksache 18/5375 - Entwurf eines Gesetzes über die Straffreiheit der Hilfe zur Selbsttötung d) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Patrick Sensburg, Thomas Dörflinger, Peter Beyer, Hubert Hüppe und weiterer Abgeordneter - Drucksache 18/5376 - Entwurf eines Gesetzes über die Strafbarkeit der Teilnahme an der Selbsttötung

Vom 4. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6573
18. Wahlperiode 04.11.2015

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Michael Brand, Kerstin Griese,
Kathrin Vogler, Dr. Harald Terpe und weiterer Abgeordneter
– Drucksache 18/5373 –

Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen
Förderung der Selbsttötung

b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Peter Hintze, Dr. Carola Rei-
mann, Dr. Karl Lauterbach, Burkhard Lischka und weiterer Abgeordneter
– Drucksache 18/5374 –

Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der ärztlich begleiteten
Lebensbeendigung (Suizidhilfegesetz)

c) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Renate Künast, Dr. Petra Sitte,
Kai Gehring, Luise Amtsberg und weiterer Abgeordneter
– Drucksache 18/5375 –

Entwurf eines Gesetzes über die Straffreiheit der Hilfe zur Selbsttötung

Drucksache 18/6573 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

d) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Patrick Sensburg, Thomas
Dörflinger, Peter Beyer, Hubert Hüppe und weiterer Abgeordneter
– Drucksache 18/5376 –

Entwurf eines Gesetzes über die Strafbarkeit der Teilnahme
an der Selbsttötung

A. Problem

Das deutsche Rechtssystem verzichtet darauf, die eigenverantwortliche Selbsttö-
tung unter Strafe zu stellen, da sie sich nicht gegen einen anderen Menschen rich-
tet. Dementsprechend sind auch der Suizidversuch oder die Teilnahme an einem
Suizid(-versuch) straffrei. Allerdings untersagt das ärztliche Standesrecht in 10
von 17 Ärztekammerbezirken in Deutschland jede Form der Hilfestellung zur
selbstvollzogenen Lebensbeendigung der Patienten.

Zu Buchstabe a

Das Regelungskonzept des deutschen Rechtssystems hat sich nach Auffassung
der Initianten des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/5373 grundsätzlich bewährt.
Die prinzipielle Straflosigkeit des Suizids und der Teilnahme daran sollte deshalb
nicht infrage gestellt werden. Eine Korrektur sei aber dort erforderlich, wo ge-
schäftsmäßige Angebote die Suizidhilfe als normale Behandlungsoption erschei-
nen lassen und Menschen dazu verleiten können, sich das Leben zu nehmen. In
Deutschland nähmen Fälle zu, in denen Vereine oder auch einschlägig bekannte
Einzelpersonen die Beihilfe zum Suizid regelmäßig anbieten. Dadurch drohten
eine gesellschaftliche „Normalisierung“ und ein „Gewöhnungseffekt“ an solche
organisierten Formen des assistierten Suizids einzutreten. Ziel des Gesetzent-
wurfs ist die Schaffung eines neuen Straftatbestandes im Strafgesetzbuch (StGB),
der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt. Gleichzei-
tig wird durch eine gesonderte Regelung klargestellt, dass Angehörige oder an-
dere dem Suizidwilligen nahestehende Personen sich nicht strafbar machen, wenn
sie lediglich Teilnehmer an der Tat sind und selbst nicht geschäftsmäßig handeln.

Zu Buchstabe b

Unterschiedliche ärztliche standesrechtliche Regelungen sowie eine in Bezug auf
Grenzfälle komplizierte Rechtslage führen nach Auffassung der Initianten des Ge-
setzentwurfs auf Drucksache 18/5374 zu Rechtsunsicherheit bei Ärzten und Pati-
enten. Ziel des Gesetzentwurfs ist die Herstellung von Rechtssicherheit durch Er-
gänzung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) um eine Regelung, die es Ärzten
ausdrücklich ermöglicht, dem Wunsch des Patienten nach Hilfe bei der selbstvoll-
zogenen Lebensbeendigung entsprechen zu können. Eine solche Regelung solle
zivilrechtlich ausgestaltet werden, da sie eine von einer Vielzahl physischer und
psychischer Faktoren abhängige Entscheidung betreffe, die den Kern der perso-
nalen Autonomie berühre.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6573
Zu Buchstabe c
Staat und Gesellschaft dürfen nach Auffassung der Initianten des Gesetzentwurfs
auf Drucksache 18/5375 einem kranken Menschen nicht abverlangen, einen qual-
vollen Weg bis zum bitteren Ende zu gehen und zu durchleiden. Deswegen müsse
es möglich sein, Menschen zu helfen, wenn diese sich selbstbestimmt und aus
objektiv verständlichen Gründen das Leben nehmen möchten. Dass seit einigen
Jahren in Deutschland Einzelpersonen und Vereine anbieten, fremden Menschen
beim Suizid zu assistieren, stelle eine Herausforderung für den Gesetzgeber dar
und berge die Gefahr, dass für den Suizid geworben werden könnte oder Men-
schen gar dazu verleitet würden. Ziel des Gesetzentwurfs ist die gesetzliche Nor-
mierung, dass Hilfe zur Selbsttötung nicht strafbar ist. Das beschreibe die derzei-
tige Rechtslage und beseitige Rechtsunsicherheit in der Bevölkerung und bei Ärz-
ten. Zudem soll die gewerbsmäßige Hilfe zur Selbsttötung strafrechtlich verboten
und Kriterien für die Beratung sterbewilliger Menschen sollen aufgestellt werden.
Zu Buchstabe d

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 18/5376 sieht vor, mittels eines neuen
§ 217 StGB Anstiftung zur und Beihilfe an einer Selbsttötung zu verbieten. Die
Beendigung einer Behandlung, die medizinisch nicht mehr angezeigt oder vom
Patienten nicht mehr gewünscht ist, solle strafrechtlich erlaubt und zivilrechtlich
zulässig bleiben. Es sei nach Auffassung der Initianten strafrechtlich anerkannt,
dass eine Anstiftungs- oder Beihilfehandlung, auch ohne dass die Haupttat be-
straft wird, selbst strafbar sein könne. In extremen Einzelsituationen, bei denen
z. B. keine Schmerztherapie hilft und großes Leiden besteht, biete das Strafrecht
auch heute schon Möglichkeiten, mangels Schuld ganz von Strafe abzusehen. Die
passive Sterbehilfe bleibe von dem Gesetz unberührt und werde nicht angetastet.

B. Lösung

Zu den Buchstaben a bis d

Einvernehmliche Empfehlung, einen Beschluss herbeizuführen.

C. Alternativen

Keine.

D. Weitere Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 18/6573 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

über die nachfolgend aufgeführten Vorlagen einen Beschluss herbeizuführen,

a) zu dem Gesetzentwurf auf Drucksache 18/5373,

b) zu dem Gesetzentwurf auf Drucksache 18/5374,

c) zu dem Gesetzentwurf auf Drucksache 18/5375,

d) zu dem Gesetzentwurf auf Drucksache 18/5376.

Berlin, den 4. November 2015

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

Renate Künast
Vorsitzende und Berichterstatterin

Reinhard Grindel
Berichterstatter

Dr. Katarina Barley
Berichterstatterin

Halina Wawzyniak
Berichterstatterin

Katja Keul

Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/6573
Bericht der Abgeordneten Reinhard Grindel, Dr. Katarina Barley, Halina Wawzyniak,
Katja Keul und Renate Künast

I. Überweisung

Zu den Buchstaben a bis d

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlagen auf Drucksachen 18/5373, 18/5374, 18/5375 und 18/5376 in seiner
115. Sitzung am 2. Juli 2015 beraten und an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zur federführenden
Beratung sowie an den Innenausschuss, den Ausschuss für Arbeit und Soziales, den Ausschuss für Familie, Seni-
oren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für Gesundheit, den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe und den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Zu den Buchstaben a bis d

Der Innenausschuss hat die Vorlagen auf Drucksachen 18/5373, 18/5374, 18/5375 und 18/5376 in seiner 59. Sit-
zung am 4. November 2015 beraten und empfiehlt, die Entscheidung über die Gesetzentwürfe dem Plenum vor-
zubehalten.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Vorlagen auf Drucksachen 18/5373, 18/5374, 18/5375 und
18/5376 in seiner 54. Sitzung am 4. November 2015 beraten und empfiehlt, die Entscheidung über die Gesetzent-
würfe dem Plenum vorzubehalten.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat die Vorlagen auf Drucksachen 18/5373, 18/5374,
18/5375 und 18/5376 in seiner 46. Sitzung am 4. November 2015 beraten und empfiehlt einstimmig, über den
Gesetzentwurf einen Beschluss im Plenum des Deutschen Bundestages herbeizuführen.

Der Ausschuss für Gesundheit hat die Vorlagen auf Drucksachen 18/5373, 18/5374, 18/5375 und 18/5376 in
seiner 57. Sitzung am 4. November 2015 beraten und empfiehlt dem Plenum, einen Beschluss über die vorliegen-
den Gesetzentwürfe herbeizuführen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat die Vorlagen auf Drucksachen 18/5373,
18/5374, 18/5375 und 18/5376 in seiner 44. Sitzung am 4. November 2015 beraten und empfiehlt einvernehmlich,
die Entscheidung über die Gesetzentwürfe dem Plenum vorzubehalten.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat die Vorlagen auf Drucksachen
18/5373, 18/5374, 18/5375 und 18/5376 in seiner 46. Sitzung am 4. November 2015 beraten und empfiehlt dem
federführenden Rechtsausschuss, die Abstimmung der Gesetzentwürfe im Plenum herbeizuführen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat die Vorlagen in seiner 60. Sitzung am 1. Juli 2015 anberaten
und beschlossen, eine öffentliche Anhörung durchzuführen, die er in seiner 66. Sitzung am 23. September 2015
durchgeführt hat. An dieser Anhörung haben folgende Sachverständige teilgenommen:

Prof. Dr. Steffen Augsberg Justus-Liebig-Universität Gießen,
Professur für Öffentliches Recht

Prof. Dr. Dr. h.c. Matthias Herdegen Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn,
Fachbereich Rechtswissenschaft
Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und des
Instituts für Völkerrecht

Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf Julius-Maximilians-Universität Würzburg,
Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechts-
theorie, Informationsrecht und Rechtsinformatik

Drucksache 18/6573 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Prof. Dr. Christian Hillgruber Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn,
Fachbereich Rechtswissenschaft,
Lehrstuhl für Öffentliches Recht

Prof. Dr. theol. Dr. h.c. Wolfgang Huber Professor für Systematische Theologie
Bischof a. D., Berlin

Prof. Dr. Reinhard Merkel Universität Hamburg, Juristische Fakultät,
Lehrstuhl für Strafrecht und Rechtsphilosophie

Prof. Dr. Ruth Rissing-van Saan Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof a. D.,
Bochum

Priv. Doz. Dr. med. Stephan Sahm Palliativmediziner, Onkologe
Chefarzt der Medizinischen Klinik I des Ketteler
Krankenhauses Offenbach

Prof. Dr. theol. Eberhard Schockenhoff Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Theologische
Fakultät,
Lehrstuhl für Moraltheologie
Mitglied des Deutschen Ethikrates

Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert Westfälische Wilhelms-Universität Münster,
Lehrstuhl für Medizinethik
Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Ethik,
Geschichte und Theorie der Medizin

Thomas Sitte Vorstandsvorsitzender Deutsche Palliativ Stiftung,
Palliativmediziner, Kinderhospiz “Sternenbrücke“,
Hamburg

Dr. Matthias Thöns Facharzt für Anästhesiologie,
Notfall-, Palliativmedizin spez. Schmerztherapie,
Witten.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der 66. Sitzung am 23. September 2015 mit
den anliegenden Stellungnahmen der Sachverständigen verwiesen.

Zu den Gesetzentwürfen lagen dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz mehrere Petitionen vor.

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat die Vorlagen auf Drucksachen 18/5373, 18/5374,
18/5375 und 18/5376 in seiner 73. Sitzung am 4. November 2015 abschließend beraten und empfiehlt dem Ple-
num einvernehmlich, über die Vorlagen einen Beschluss herbeizuführen.

Berlin, den 4. November 2015

Reinhard Grindel

Berichterstatter
Dr. Katarina Barley

Berichterstatterin
Halina Wawzyniak

Berichterstatterin

Katja Keul
Berichterstatterin

Renate Künast
Berichterstatterin
Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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