BT-Drucksache 18/6534

Neue Kompetenzen von EU-Agenturen hinsichtlich sogenannter ausländischer Kämpfer

Vom 28. Oktober 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6534
18. Wahlperiode 28.10.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,

Christine Buchholz, Annette Groth, Inge Höger, Dr. Alexander S. Neu,

Harald Petzold (Havelland), Kersten Steinke, Alexander Ulrich und

der Fraktion DIE LINKE.

Neue Kompetenzen von EU-Agenturen hinsichtlich sogenannter
ausländischer Kämpfer

Bei Europol wird ein „Europäisches Zentrum zur Terrorismusbekämpfung“
(ECTC) eingerichtet, dem mehrere, bereits existierende Abteilungen bei Europol
untergeordnet werden. Über die Europol-Kontaktstelle zu „ausländischen Kämp-
fern“ werden US-Behörden ebenfalls Teil des ECTC. Zu den Analysewerkzeugen
des ECTC gehören die Auswertung von Finanzdaten im Rahmen des EU-US-
Programms zur Fahndung nach Finanzquellen des Terrorismus (TFTP) und das
Netzwerk der zentralen Meldestellen zu verdächtigen Finanztransaktionen (FIU)
Auch die neue EU-Meldestelle zum Aufspüren und Entfernen bestimmter Inter-
netinhalte (EU IRU) soll dem Zentrum untergeordnet werden (Bundestagsdruck-
sache 18/6223).

Die neuen Europol-Kompetenzen sind aus Sicht der Fragesteller nur schwerlich
zu kontrollieren. Die Bundesregierung hat beispielsweise nach eigenem Bekun-
den keine Kenntnis von den millionenschweren digitalen Analysewerkzeugen bei
Europol (Bundestagsdrucksache 18/4035). Trotzdem gehört das Bundeskriminal-
amt (BKA) zu den Power-Usern bei Datenlieferungen und Datenabfragen. Mög-
licherweise umgeht das Bundesministerium des Innern (BMI) auf diese Weise die
deutschen Bestimmungen des Datenschutzes, denn die gleichzeitige Suche in
mehreren Datenfeldern ist vom Bundesverfassungsgericht an hohe Auflagen ge-
knüpft. EU-Parlamentarier verfügen über eine nur dürftige parlamentarische
Kontrollfunktion. Antworten auf Schriftliche Fragen an die Europäische Kom-
mission überschreiten die ohnehin lange Frist von drei Monaten oft bei Weitem.
So bleibt immer noch unklar, welche Analysewerkzeuge Europol nutzt und wel-
che Forschungsprojekte „zur Beobachtung offener Quellen und zum Entdecken
von Propaganda im Internet“ Europol betreibt. Mit dem Europäischen Zentrum
zur Terrorismusbekämpfung wäre Europol aus Sicht der Fragesteller auf dem
Weg zur Superbehörde. Das BMI muss sich deshalb in den gegenwärtigen Dis-
kussionen zur Neufassung der Europol-Verordnung für mehr parlamentarische
Kontrolle einsetzen. Richtig wäre, bis zur neuen Europol-Rechtsetzung ein Mo-
ratorium zu beschließen und bis dahin keine neuen Kompetenzen an die Agentur
zu übertragen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwiefern verfügt die Bundesregierung mittlerweile über eine nähere Kennt-
nis der geplanten internen Organisationsstruktur des ECTC?

Drucksache 18/6534 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

2. Aus welchen Erwägungen hat sich die Haltung der Bundesregierung in der
Diskussion um die Frage geändert, ob Europol zu einem „Counter-Terrorism
Centre“ ausgebaut bzw. ein solches Zentrum bei Europol angesiedelt werden
könnte, wozu das Bundesinnenministerium noch im Februar 2015 erklärte
„Die Bundesregierung lehnt dies ab“ (Bundestagsdrucksache 18/4035), und
wozu es nunmehr heißt, aus Sicht der Bundesregierung könne „die geplante
Zusammenführung der bislang in verschiedenen Bereichen angesiedelten
Stellen und Programme in einem Geschäftsbereich unter einheitlicher Lei-
tung die interne Abstimmung und Kommunikation bei Europol erleichtern“
(Bundestagsdrucksache 18/6223)?

3. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, auf welche Weise bzw. in
welchen Zusammenarbeitsformen die EU-Grenzagentur FRONTEX in die
Bekämpfung „ausländischer Kämpfer“ eingebunden ist?

4. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern
FRONTEX die operative Anwendung der „gemeinsamen Risikoindikatoren“
und die damit verbundene koordinierte Durchführung „systematischerer
Kontrollen“ durch die Mitgliedstaaten unterstützen könnte?

5. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern
FRONTEX die „gemeinsamen Risikoindikatoren“ selbst in operative Leitli-
nien umsetzen sollte?

6. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern
FRONTEX zur Bekämpfung „ausländischer Kämpfer“ auch die Praxis der
Befragungen von Geflüchteten mit „Debriefern“ verändern sollte?

7. Inwiefern hat das Bundesinnenministerium seine eigenen, zu FRONTEX
entsandten „Debriefer“ hierzu instruiert?

8. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, ob und ggf. wann der Aus-
tausch personenbezogener Daten zwischen FRONTEX und Europol tech-
nisch und organisatorisch umgesetzt werden soll und wann etwaige Testbe-
triebe geplant sind?

9. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, ob und ggf. in welchem Um-
fang Europol zur Terrorismusbekämpfung auch solche Daten von
FRONTEX verarbeitet, die von der Grenzagentur im Rahmen von Erstbefra-
gungen Geflüchteter erlangt wurden?

10. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, ob und ggf. in welchem Um-
fang Europol auch Dienste der Satellitenaufklärung bei FRONTEX anfragt?

11. Über wie viele Angehörige verfügt das Europol-Lagenzentrum JOT MARE
nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit, und aus welchen Mitgliedstaa-
ten kommen diese?

12. Auf welche Weise arbeitet das JOT MARE nach Kenntnis der Bundesregie-
rung operativ mit FRONTEX zusammen?

13. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern das ge-
plante EU-System „Intelligente Grenzen“ („Smart Borders“) auf Staatsange-
hörige der EU ausgeweitet werden sollte oder könnte?

14. Was ist der Bundesregierung über die weitere Behandlung eines entsprechen-
den Vorschlags der französischen Delegation bekannt, der mit einem „un-
vorgesehenen Migrationsdruck“ und „erhöhter Bedrohung durch Terroris-
mus“ begründet wird (www.statewatch.org/news/2015/oct/eu-council-
smart-borders-FR-12272-15.pdf)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6534

 

15. Was ist der Bundesregierung inzwischen darüber bekannt, inwiefern es in
den Jahren 2014 oder 2015 Treffen der EU-Agenturen FRONTEX und Eu-
ropol mit dem geheimdienstlichen Lagezentrum INTCEN zu „ausländischen
Kämpfern“ gab oder gibt, wo diese ggf. stattfanden, wer diese vorbereitete,
und wer daran teilnahm?

16. In welchem Umfang wird nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen
der „Police Working Group on Terrorism“ eine polizeiliche Zusammenarbeit
hinsichtlich „ausländischer Kämpfer“ vorgenommen?

17. Welche Treffen der „Counter-DAESH/ISIL Working Group on Foreign Ter-
rorist Fighters“ haben nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2015
stattgefunden, und wo wurden diese ausgerichtet (Bundestagsdrucksa-
che 18/5599)?

18. Welche Beiträge wurden nach Kenntnis der Bundesregierung von der inter-
nationalen Polizeiorganisation Interpol sowie den EU-Agenturen Europol
und FRONTEX gehalten?

19. An welchen „Operational Meetings“ zu „ausländischen Kämpfern“ nahm das
BKA im Jahr 2015 teil?

20. Was ist der Bundesregierung inzwischen über in EU-Ratsarbeitsgruppen
oder andernorts vorgetragene Behauptungen, Erkenntnisse oder Belege für
die u. a. von Italien vorgebrachte Behauptung bekannt, wonach der „Islami-
sche Staat“ in Abfahrten von Flüchtlingsbooten involviert sei oder hiervon
profitiere (Corriere della Sera vom 24. Januar 2015)?

21. An welchen in diesem Jahr fertiggestellten Berichten zu terroristischen Ge-
fahren im Internet haben sich Bundesbehörden bei Europol beteiligt, was war
deren Inhalt, und wer nahm daran teil?

22. Auf welche Weise adressierten diese Maßnahmen auch Anonymisierungs-
techniken oder Verschlüsselungen?

23. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, in welcher Häufigkeit bzw.
Regelmäßigkeit sich europäische Polizeichefs weiterhin im Rahmen von Eu-
ropol treffen, obschon die „European Police Chiefs Task Force“ (EPCTF)
nach Information der Fragesteller im Jahr 2010 aufgelöst worden war und
deren Verantwortungsbereich nunmehr dem „Ständigen Ausschuss für die
operative Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit“ (COSI) über-
tragen wurde?

a) Wann haben sich die europäischen Polizeichefs nach Kenntnis der Bun-
desregierung zuletzt im Format der EPCTF getroffen?

b) Welche Themen wurden bei dem Treffen behandelt, und welche Verab-
redungen wurden getroffen?

24. Auf welche Weise ist die Bundesregierung im Verwaltungsrat von Europol
vertreten?

25. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, ob die parlamenta-
rische Aufsicht Europols durch die Teilnahme von Abgeordneten des Euro-
päischen Parlaments oder nationaler Parlamente an Sitzungen des Verwal-
tungsrates verbessert werden könnte?

Drucksache 18/6534 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

26. Welche fünf Empfehlungen des EU-Koordinators für Terrorismusbekämp-
fung hat die Bundesregierung, wie von diesem gefordert, priorisiert (Schrift-
liche Frage des Abgeordneten Dr. Alexander S. Neu vom 30. Septem-
ber 2015 auf Bundestagsdrucksache 18/6403), und welche Beweggründe
kann sie hierfür jeweils mitteilen?

Berlin, den 28. Oktober 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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