BT-Drucksache 18/6478

Ausstellung von Ausweisdokumenten auf falsche Namen für Tarnidentitäten durch Bundes- oder Landesbehörden

Vom 21. Oktober 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6478
18. Wahlperiode 21.10.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Martina Renner, Wolfgang Gehrcke, Jan Korte,

Christine Buchholz, Annette Groth, Inge Höger, Ulla Jelpke,

Dr. Alexander S. Neu, Harald Petzold (Havelland), Dr. Petra Sitte und

der Fraktion DIE LINKE.

Ausstellung von Ausweisdokumenten auf falsche Namen für Tarnidentitäten
durch Bundes- oder Landesbehörden

Diverse Behörden von Bund und Ländern haben die Möglichkeit, sogenannte
Tarnpapiere an ausgewählte Personen auszustellen, etwa im Bereich des Zeugen-
schutzes oder im Rahmen des Einsatzes verdeckter Ermittler. Offenkundig arbei-
ten auch Mitarbeiter von Verfassungsschutzämtern sowie des Bundesnachrich-
tendienstes mit sogenannten nachrichtendienstlichen Mitteln, wie Tarnpapieren.
Zuletzt machten zwei in der Hamburger linken Szene eingesetzte verdeckte
Ermittlerinnen mit den Tarnnamen „Iris Schneider“ und „Maria Block“ Schlag-
zeilen (www.grundrechte-kampagne.de/content/verdeckte-ermittlungen). Nach
Auffassung der Fraktion DIE LINKE. ist es für einen Rechtsstaat unabkömmlich,
dass die Öffentlichkeit darüber aufgeklärt wird, nach welcher Maßgabe und in
welchem Umfang solche Papiere ausgestellt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Behörden in Deutschland (auch des Bundeskanzleramtes) sind für
die Ausstellung von Ausweisdokumenten auf falsche Namen – etwa im Rah-
men einer Grundabdeckung oder eines Grundschutzes – zuständig und be-
fugt?

2. Auf welcher jeweiligen Gesetzesgrundlage vollzieht sich diese Ausstellung
von Ausweisdokumenten auf falsche Namen für die einzelnen Behörden?

3. Für welche Personenkreise (abgesehen von Zeugen im Rahmen sogenannter
Zeugenschutzprogramme) kommen derartige Maßnahmen in Frage?

4. Ist es Landesbehörden nach Kenntnis der Bundesregierung gestattet, ohne
Absprache mit dem Bund, derartige Dokumente auszustellen?

5. Wo werden die Daten zu Ausweisdokumenten auf falsche Namen gespei-
chert, und welche Behörden greifen darauf zu?

6. Auf welche Weise wird die Ausstellung von Ausweisdokumenten auf falsche
Namen durch Landesbehörden an Bundesbehörden kommuniziert bzw.
hierzu eine womöglich erforderliche Genehmigung eingeholt?

7. Inwiefern existieren hierzu gemeinsame Dateien von Bund und Ländern?

Drucksache 18/6478 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

8. Wie viele deutsche Staatsbürger sind nach Kenntnis der Bundesregierung
derzeit im Besitz von Urkunden oder sonstigen Dokumenten zum Aufbau
oder zur Aufrechterhaltung einer geänderten Identität bzw. Tarnidentität
oder im Besitz von sogenannten Alias-Pässen?

a) Wie viele davon sind auf Grundlage des Zeugenschutz-Harmonisierungs-
gesetzes bzw. eines der Vorgängergesetze ausgestellt worden?

b) Wie viele davon sind auf anderer Rechtsgrundlage ausgestellt worden,
und auf welcher?

9. Wie viele deutsche Staatsbürger sind seit dem Jahr 1970 außerhalb der soge-
nannten Zeugenschutzprogramme mit Urkunden oder sonstigen Dokumen-
ten (Ausweisdokumenten, Tarnpapieren, Alias-Pässen) zum Aufbau oder zur
Aufrechterhaltung einer geänderten Identität bzw. Tarnidentität ausgestattet
worden, und von welchen Behörden (sofern keine genaue Zahl ermittelbar
ist, bitte schätzen)?

10. Werden deutsche Steuerbehörden über derartige geänderte Identitäten infor-
miert, um dies bei der Steuererhebung entsprechend zu berücksichtigen?

Falls nicht, wie wird verhindert, dass Inhaber mehrerer Identitäten diese nicht
zur Steuerhinterziehung nutzen?

11. Sollte die Ausstellung von Tarnpapieren mit der Arbeit für deutsche Behör-
den im Zusammenhang stehen, wie lange nach Ende dieser Tätigkeit werden
derartige Papiere weiterhin ausgestellt?

a) Welche Gründe sind hierfür beispielsweise maßgeblich?

b) Inwiefern und in welchem Umfang werden auch nach Ende einer Tätig-
keit für deutsche Behörden derartige falsche Papiere weiterhin ausgestellt,
um den Schutz der Person zu gewährleisten?

c) Inwiefern und in welchem Umfang werden auch nach Ende einer Tätig-
keit für deutsche Behörden derartige falsche Papiere weiterhin ausgestellt,
um mit legendierten Personalien gehaltene Vermögenswerte weiterhin
nutzen zu können?

12. Wie wird eine Strafverfolgung bei Begehung unter Tarnidentität grundsätz-
lich gewährleistet und umgesetzt?

13. Inwieweit sind der Bundesregierung Fälle bekannt, bei denen inländische,
von Bundes- oder Landesregierungen legendierte Personen unter falscher
Identität Straftaten begangen haben?

a) Bis zu welchem Jahr ist dies zurückzuverfolgen?

b) Sofern Personen unter falscher Identität Straftaten begangen haben, wel-
che Angaben kann die Bundesregierung zum Tatvorwurf, Tatort, Tatzeit-
punkt und Ausgang des Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens machen?

14. Inwieweit sind der Bundesregierung Fälle bekannt, bei denen ausländische,
von anderen Regierungen legendierte Personen unter falscher Identität Straf-
taten begangen haben?

a) Bis zu welchem Jahr ist dies zurückzuverfolgen?

b) Sofern Personen unter falscher Identität Straftaten begangen haben, wel-
che Angaben kann die Bundesregierung zum Tatvorwurf, Tatort, Tatzeit-
punkt und Ausgang des Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens machen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6478

 

15. Inwieweit werden beteiligte Behörden, Stellen und Institutionen, die auf der
Grundlage falscher Identitäten verbindliche Verwaltungsakte erlassen oder
Verträge abschließen, vor unberechtigten bzw. nicht bindenden Verwal-
tungsakten bzw. Verträgen geschützt (Kfz-Zulassungsstelle, Führerschein-
stelle, Banken und Kreditinstitute, Vermieterinnen und Vermieter, Arbeitge-
berinnen und Arbeitgeber, etc.)?

16. Was kann die Bundesregierung dazu mitteilen, welche Urkunden oder sons-
tigen Dokumente generell nicht zum Aufbau oder zur Aufrechterhaltung ei-
ner geänderten Identität bzw. Tarnidentität ausgestellt werden?

17. Was kann die Bundesregierung dazu mitteilen, unter welchen Umständen
und in welchem Umfang auch Wahlbenachrichtigungen für Bundes- oder
Landtagswahlen zum Aufbau oder zur Aufrechterhaltung einer geänderten
Identität bzw. Tarnidentität ausgestellt werden?

18. Wie viele ausländische Staatsbürger sind derzeit im Besitz von durch deut-
sche Behörden ausgestellten Urkunden oder sonstigen Dokumenten zum
Aufbau oder zur Aufrechterhaltung einer geänderten Identität bzw. Tarn-
identität?

19. Wie viele ausländische Staatsbürger sind seit dem Jahr 1970 durch deutsche
Behörden mit Urkunden oder sonstigen Dokumenten zum Aufbau oder zur
Aufrechterhaltung einer geänderten Identität bzw. Tarnidentität mit Aus-
weisdokumenten bzw. Tarnpapieren versorgt worden, und von welchen Be-
hörden (sofern keine genaue Zahl ermittelbar ist, bitte schätzen)?

Berlin, den 21. Oktober 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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