BT-Drucksache 18/6475

EU-Datensammlungen über sogenannte ausländische Kämpfer

Vom 21. Oktober 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6475
18. Wahlperiode 21.10.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,

Annette Groth, Inge Höger, Ulla Jelpke, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu,

Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

EU-Datensammlungen über sogenannte ausländische Kämpfer

Die Europäische Union (EU) will mit mehreren Datensammlungen auf das Phä-
nomen „ausländische Kämpfer“ reagieren (Bundestagsdrucksache 18/4035). Die
EU-Polizeiagentur Europol hat eine „Kontaktstelle Travellers“ eingerichtet, in
dem „ausländische Kämpfer“ gespeichert werden. Eine andere „Kontaktstelle“
lautet auf den Namen „islamistischer Terrorismus“. Europol und die EU-Grenza-
gentur Frontex haben eine Vereinbarung über den Austausch personenbezogener
Daten geschlossen. Zu „ausländischen Kämpfern“ wurde im Oktober 2014 eine
Expertengruppe „DUMAS“ eingesetzt, die von Italien geleitet und von Europol
unterstützt wird (Bundestagsdrucksache 18/4658). Europol will zukünftig die
„Ma3tch-Technologie“ zum Echtzeit-Abgleich von Daten verdächtiger Finanz-
transaktionen einführen. Schon jetzt profitiert die Polizeiagentur von der Vorrats-
datenspeicherung europäischer Finanztransaktionen (das sogenannte SWIFT-Ab-
kommen). Mitten in den Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament,
der Europäischen Kommission und dem Europäischen Rat zum geplanten EU-
Passagierdatenregister fordert Europol Zugriff auf die Daten auch von Reisenden
(DER SPIEGEL vom 10. Oktober 2015). Nach dem Willen einiger Mitgliedstaa-
ten der Europäischen Union soll das EU-PNR-System auch innereuropäische
Flüge erfassen. Außer den anlasslos gesammelten Informationen zu Flugreisen
und Finanztransaktionen würden weitere Europol-Datenbanken in das „Zentrum
zur Terrorismusbekämpfung“ integriert.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Mitgliedstaaten oder sonstigen Akteurinnen und Akteure nehmen
nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit an der Expertengruppe „DU-
MAS“ teil?

2. Welche der Unterarbeitsgruppen wurden bereits abgeschlossen, und welche
existieren weiterhin bzw. wurden in andere Arbeitsformen überführt?

3. Inwiefern ist die im Rahmen von „DUMAS“ durchgeführte „Fertigung von
Indikatoren zur Erkennung von Syrienreisenden“ inzwischen fertiggestellt?

a) Welche weiteren Partner wurden seit April 2014 hierfür mit welchen Ka-
pazitäten eingebunden?

b) Wann lagen Ergebnisse oder Zwischenergebnisse vor?

c) Wohin wurden entsprechende Ergebnisse kommuniziert?

Drucksache 18/6475 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

4. Wann und wo haben Bundesbehörden mit systematischen oder nichtsyste-
matischen Personen- und Sachfahndungsabfragen an den deutschen Schen-
gen-Grenzen begonnen, und welche zusätzlich benötigten technischen Ein-
richtungen wurden hierfür beschafft?

5. In welchem Umfang wird das Europäische Strafregisterinformationssystem
(ECRIS) von deutschen Behörden oder nach Kenntnis der Bundesregierung
auch von anderen EU-Mitgliedstaaten für polizeiliche Verfahren der präven-
tiven Bekämpfung „ausländischer Kämpfer“ genutzt?

a) In welcher Hinsicht könnte „nach Auffassung der Bundesregierung das
ECRIS noch ausgebaut werden“?

b) Inwiefern ist der Bundesregierung inzwischen bekannt, was damit ge-
meint ist, wenn auf „europäischer Ebene“ eine mögliche „proaktive“ Vor-
gehensweise des ECRIS-Systems ins Gespräch gebracht worden ist?

6. Wie viele Personen, Sachen und Vorgänge sind nach Kenntnis der Bundes-
regierung derzeit im Europol-Projekt „Check the Web“ gespeichert?

a) Wie viele dieser Datensätze stammen vom Bundeskriminalamt (BKA),
und aus welcher dortigen Abteilung wurden diese angeliefert?

b) Inwiefern sind an der Befüllung des Europol-Projekts „Check the Web“
deutsche „Internetauswertegruppen“ beteiligt?

c) Wie viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind nach Kenntnis der Bun-
desregierung für Europol im Projekt „Check the Web“ mit der „dortigen
Internetbeobachtung“ befasst?

7. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, ob Europol zukünf-
tig auch Fluggastdaten (PNR oder API) verarbeiten sollte, und wie könnte
ein Zugriff darauf aus Sicht der Bundesregierung geregelt werden?

8. Welche Behörden aus Deutschland waren an der Abfassung des Berichts
„Quick Scan Insight into Terrorist Travel“ beteiligt?

9. Durch welche Maßnahmen sieht es die Bundesregierung inzwischen als er-
folgreich umgesetzt an, dass die bestehenden Informationssysteme SIS II,
EIS und die Kontaktstelle „Travellers“ verstärkt genutzt werden, und welche
Defizite existieren aus Sicht der Bundesregierung hierzu immer noch?

10. Inwiefern ist hinsichtlich der bestehenden Informationssysteme aus Sicht der
Bundesregierung nun doch die „Übernahme weiterer Aufgaben für Europol“
verbunden?

11. Wie viele Personen bzw. Einträge sind nach Kenntnis der Bundesregierung
derzeit auf Verdacht bei der Kontaktstelle „Travellers“ gespeichert?

a) Wie viele davon wurden von den Mitgliedstaaten der EU bzw. Interpol
angeliefert, und wie viele hat Europol selbst erhoben?

b) Wie viele der auf Verdacht Eingetragenen wurden mittlerweile als „aus-
ländische Kämpfer“ bestätigt?

c) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, mit welchen Verfahren Eu-
ropol eine solche „Bestätigung“ vornimmt?

d) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, in welchem Umfang die
Kontaktstelle „Travellers“ auch Telefonnummern in- und ausländischer
Provider erhebt und speichert?

12. Wie viele Personen bzw. Einträge sind nach Kenntnis der Bundesregierung
zu „ausländischen Kämpfern“ derzeit im Europol-Informationssystem ge-
speichert?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6475

 

13. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, worin sich die Einträge zu
„ausländischen Kämpfern“ in den Datenbanken EIS und „Travellers“ unter-
scheiden?

14. Was ist der Bundesregierung über den Stand der beabsichtigten Mitarbeit
von Australien, Norwegen und der Schweiz als assoziierte Drittstaaten am
Focal Point „Travellers“ bekannt?

a) Auf welche Weise sollen Serbien, Mazedonien, Eurojust, INTERPOL so-
wie die US-Behörde „Customs and Border Protection“ (CBP) am Focal
Point „Traveller“ teilnehmen, und wann soll dies jeweils beginnen?

b) Welche Einschränkungen existieren hinsichtlich einer „Assoziierung“ mit
einem Focal Point bei Europol im Vergleich zu direkt teilnehmenden Mit-
gliedern?

c) Welche weiteren Länder nehmen am Focal Point „Travellers“ teil bzw.
führen entsprechende Gespräche zu einer Teilnahme?

15. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche Art von Daten die US-
Behörden ICE, Secret Service, Customs and Border Protection regelmäßig
mit Europol austauschen?

16. Was ist der Bundesregierung über Beweggründe der von der Bundesregie-
rung unterstützten Teilnahme der CBP am Europol-Projekt zum „Phänomen-
bereich illegale Immigration“ bekannt, und wozu werden entsprechende In-
formationen ausgetauscht?

17. Inwiefern sollte aus Sicht der Bundesregierung die Trennung der Europol-
Focal Point „Hydra“ für den „Phänomenbereich des islamistischen Terroris-
mus“ und „Travellers“ für „Individuen, die im Verdacht stehen, über inter-
nationale Grenzen hinweg zu reisen, um an terroristischen Aktivitäten teil-
zunehmen“, weiter aufrechterhalten werden?

18. Welche Arten von Informationen werden in welchen Datenfeldern im Focal
Point „Hydra“ für den „Phänomenbereich des islamistischen Terrorismus“
gesammelt?

19. Welche (Unter-)Abteilungen, Projekte oder sonstigen Einrichtungen des
BKA oder des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) werden im Bun-
desministerium des Innern als „Internetauswertegruppe“ betrachtet?

20. Welche (Unter-)Abteilungen, Projekte oder sonstigen Einrichtungen des
BKA oder des BfV sind derzeit mit der Entwicklung oder Durchführung von
„Maßnahmen gegen inkriminierte Kommunikationsplattformen“ beauftragt?

21. Welche weiteren Treffen haben seit Beantwortung der Kleinen Anfrage auf
Bundestagsdrucksache 18/6223 in dem Projekt „Konsolidierung einer Inter-
netauswertungskoordinierungsgruppe“ bei Europol stattgefunden, und wel-
che „Internetauswertegruppen“ welcher Behörden nahmen daran teil?

a) Welche Zusammenarbeitsformen mit Anbietern von Kommunikations-
plattformen im Internet wurden vereinbart oder anvisiert?

b) Welche Beiträge haben deutsche Behörden bei den bisherigen Treffen ge-
halten?

c) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus entsprechen-
den Diskussionen, hinsichtlich welcher Zusammenarbeitsformen mit An-
bietern von Kommunikationsplattformen im Internet Defizite existieren
und welche ausgebaut werden könnten?

22. Wann und wo haben nach Kenntnis der Bundesregierung mittlerweile Tref-
fen des Europol-Projekts „Maßnahmen gegen inkriminierte Kommunikati-
onsplattformen“ stattgefunden, und was wurde dort besprochen?

Drucksache 18/6475 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

23. Mit welchen „als relevant eingeschätzten Bedrohungslagen und Sachverhal-
ten aus dem Bereich der Cybercrime“ hat sich die „Joint Cybercrime Action
Taskforce“ (J-CAT) nach Kenntnis der Bundesregierung seit Beantwortung
der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/4193 „bedarfs- und an-
lassbezogen“ befasst?

24. Im Rahmen welcher Arbeitsgruppen, Operationen oder sonstigen Zusam-
menarbeitsformen wurden welche Bundesbehörden im Jahr 2015 durch Eu-
ropol unaufgefordert über IP-Adressen informiert, deren Inhaber und Inha-
berinnen mutmaßlich strafbare Handlungen vornehmen?

25. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, ob die gleichzeitige
Suche in mehreren Datenfeldern oder Projekten Europols, die Suche nach
„Kreuztreffern“ („cross matching“) sowie die geplante Möglichkeit einer
„Ein-Klick-Aktion“ zur übergreifenden Suche („cross check data in the Eu-
ropol databases through one single action“, siehe Europol-Arbeitspro-
gramm 2015) bereits jetzt auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage beruht,
oder ob diese in der neuen Europol-Verordnung klarer geregelt werden
sollte?

26. Da die Bundesregierung nach eigener Aussage „keine Erkenntnisse darüber
vor[liegen], welche Anwendungen seitens Europol beschafft und welche
Ziele damit verfolgt werden sollen“ (Bundestagsdrucksache 18/4193), wie
will sie sich hinsichtlich der Neufassung der Europol-Verordnung dazu po-
sitionieren, ob die Werkzeuge zum Data Mining, zur Suche nach „Kreuztref-
fern“ oder zur Suche in mehreren Datenfeldern oder Projekten Europols von
der Agentur ohne Weiteres eingesetzt werden dürfen, oder ob deren Nutzung
regelungsbedürftig ist?

Berlin, den 21. Oktober 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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