BT-Drucksache 18/6352

Genehmigungen zur Ausfuhr von Kleinwaffen und das Prinzip "Neu für Alt" bei Rüstungsexporten

Vom 9. Oktober 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6352
18. Wahlperiode 09.10.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Heike Hänsel,

Andrej Hunko, Katrin Kunert, Niema Movassat, Kathrin Vogler und der

Fraktion DIE LINKE.

Genehmigungen zur Ausfuhr von Kleinwaffen und das Prinzip „Neu für Alt“
bei Rüstungsexporten

Kleinwaffen sind die modernen Massenvernichtungswaffen. Nach Schätzungen
der Nichtregierungsorganisation small arms survey sind weltweit rund 875 Milli-
onen Kleinwaffen im Umlauf. Allein der legale Handel mit Kleinwaffen hat pro
Jahr ein Volumen von rund 8,5 Mrd. US-Dollar (www.smallarmssurvey.org/ we-
apons-and-markets.html). Auch in Deutschland werden Kleinwaffen produziert
und exportiert. Im Rüstungsexportbericht der Bundesregierung ist zu lesen, dass
im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für die Ausfuhr von Kleinwaffen der
Grundsatz „Alt für Neu“ angewendet wird. Danach sollen Lieferverträge so aus-
gestaltet werden, dass der Empfänger Waffen, die er aufgrund der Neulieferung
aussondert, nicht weiter verkauft, sondern vernichtet. Außerdem soll der Expor-
teur in neuen Lieferverträgen den Abnehmer in einem Drittland nach Möglichkeit
darauf verpflichten, im Fall einer späteren Außerdienststellung die gelieferten
Waffen zu vernichten. Bislang hat die Bundesregierung keine Informationen über
die Umsetzung dieses selbst geschaffenen Grundsatzes in der Praxis veröffent-
licht, weder im Hinblick darauf, wie oft dieser Grundsatz Anwendung findet noch
im Hinblick auf die konkrete Anzahl der vernichteten Waffen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Bei welchen Genehmigungsentscheidungen für welche Kleinwaffenexporte
in Drittländern wurde das Prinzip „Neu für Alt“ im Jahr 2006 angewendet
(bitte nach Empfängerland und unter Angabe der genauen Bezeichnung der
Waffe, der Stückzahl, des Datums der Genehmigung, des genauen Empfän-
gers der Lieferung, der behördlichen Instanz, die die Genehmigung erteilt
hat, aufschlüsseln; falls keine aufbereiteten Zahlen vorliegen, wird um hän-
dische Auswertung gebeten)?

2. Für welche Kleinwaffenexporte nach Saudi-Arabien wurde das Prinzip „Neu
für Alt“ angewendet (bitte nach Jahr und unter Angabe der genauen Bezeich-
nung der Waffe, der Stückzahl der neu genehmigten Waffen, der festgelegten
Stückzahl der zu vernichtenden Kleinwaffen, des Datums der Genehmigung,
der genauen Empfänger der Lieferung, der behördlichen Instanz, die die Ge-
nehmigung erteilt hat, aufschlüsseln; falls keine aufbereiteten Zahlen vorlie-
gen, wird um händische Auswertung gebeten)?

Drucksache 18/6352 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

3. Wann wurde die Regelung „Neu für Alt“ das erste Mal angewendet, und bei
welcher Genehmigung (bitte unter Angabe des Empfängerlands, der Be-
zeichnung der Waffe, der Stückzahl und gegebenenfalls weiterer besonderer
Auflagen)?

4. In welcher Form wurde bisher das Prinzip „Neu für Alt“ mit dem Empfänger
der Kleinwaffenlieferung vereinbart? Welche Änderungen sind vorgesehen?

5. Ist die Zusage zur Vernichtung von Altwaffen

a) schriftlich durch den Empfängerstaat abzugeben,

b) schriftlich durch den Exporteur zuzusichern,

c) so verbindlich, dass bei Nichteinhaltung die Zuverlässigkeit des Expor-
teurs bzw. Empfängers in Frage gestellt und überprüft wird?

6. Gibt es bei der Abfassung einer Vereinbarung „Neu für Alt“ einen Stan-
dardtext, und wenn ja, wie ist die genaue Formulierung (gegebenenfalls unter
Angabe sämtlicher Versionen, falls es Änderungen gab)?

7. Ist eine Zusage zur Vernichtung von Altwaffen bis zum Jahr 2014 eine zwin-
gend notwendige Voraussetzung für die Genehmigung eines Kriegswaffen-
exportes in Drittstaaten gewesen?

8. Ist eine Zusage zur Vernichtung von Altwaffen künftig bzw. aktuell eine
zwingend notwendige Voraussetzung für die Genehmigung eines Kriegswaf-
fenexportes in Drittstaaten?

9. Hatte das Auswärtige Amt im Zusammenhang mit der Genehmigung für
Kleinwaffenexporte nach Mexiko in den Jahren 2004 bis 2008 vorgeschla-
gen, dies mit der Vernichtung alter Waffen in Mexiko zu verknüpfen (Neu
für Alt), und mit welcher Begründung ist dies gegebenenfalls erfolgt?

Wenn ja, hatte das Auswärtige Amt dies als Vorbedingung für eine Geneh-
migung formuliert oder nur als unverbindliche Anregung?

10. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob Mexiko im Zusam-
menhang mit der Lieferung von Sturmgewehren aus Deutschland tatsächlich
ältere Sturmgewehre vernichtet hat?

11. War eine Vertreterin bzw. ein Vertreter der Bundesregierung bei der/den
Waffenvernichtung/en in Mexiko in den Jahren 2004 bis 2008 anwesend?

Welche Qualifikation hatte die Vertreterin bzw. der Vertreter der Bundesre-
gierung, um die jeweils zu vernichtenden Waffen eigenständig zu klassifi-
zieren?

12. Auf welchen anderen Wegen wurden jeweils diese Vernichtungen der Waf-
fen verifiziert?

13. Wann und wo und durch wen wurden diese Waffenvernichtungen nach
Kenntnis der Bundesregierung durchgeführt?

14. Wie viele Waffen welcher Bauart wurden im Rahmen von „Neu für Alt“ in
Mexiko in den Jahren 2004 bis 2008 vernichtet?

Woher bezieht die Bundesregierung hierbei ihre Informationen?

15. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung, aus welchen Quellen die ver-
nichteten Waffen stammten?

16. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass es sich dabei zum Beispiel um
konfiszierte Waffen handelte, und kann die Bundesregierung sicher bestäti-
gen, dass alle vernichteten Waffen aus genutzten und regulär beschafften Be-
ständen der mexikanischen Sicherheitskräfte stammten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6352

17. Ist der Bundesregierung das Schreiben eines Heckler & Koch-Mitarbeiters
vom 15. April 2009 bekannt, in dem dieser die Vernichtung von Altwaffen
in Mexiko beschreibt (siehe Kopie des Schreibens im Buch „Netzwerk des
Todes“, S. 169)?

18. Ist der Bundesregierung bekannt, ob bei der beschriebenen Waffenvernich-
tung in Mexiko auch „illegale“ oder „konfiszierte“ Waffen eingeschmolzen
wurden?

19. Bei welchen Genehmigungen für Kleinwaffenexporte (hier ausschließlich
ganze Waffen, nicht Teile dafür oder Munition) nach Brasilien, Chile, Indo-
nesien, Jordanien, Montenegro, Oman, Uruguay und in die Vereinigten Ara-
bischen Emiraten im Jahre 2014 sowie für Kleinwaffenexporte nach Jorda-
nien und in die Vereinigten Arabischen Emiraten im Jahr 2015

a) liegt eine schriftliche Bestätigung des Empfängerlandes vor, im Gegen-
zug für die Lieferung von neuen Kleinwaffen alte Kleinwaffen zu ver-
nichten (bitte nach Empfängerland und unter Angabe des Genehmigungs-
zeitpunkts, der Stückzahl der genehmigten Kleinwaffen, des Wertes, der
genauen Bezeichnung der Kleinwaffe und des Datums der Zusage des
Empfängerlandes aufschlüsseln)

b) hat es die Bundesregierung zur Bedingung für eine Genehmigung ge-
macht, dass im Gegenzug für die Lieferung von neuen Kleinwaffen alte
Kleinwaffen im Land vernichtet werden (bitte nach Empfängerland und
unter Angabe des Genehmigungszeitpunktes, der Stückzahl der geneh-
migten Kleinwaffen, des Wertes und der genauen Bezeichnung der Klein-
waffe sowie der festgelegten Stückzahl der zu vernichtenden Kleinwaffen
aufschlüsseln)

c) kann die Bundesregierung bestätigen, dass tatsächlich im Gegenzug für
die Lieferung von neuen Kleinwaffen alte Kleinwaffen vernichtet wurden
(bitte nach Empfängerland und unter Angabe des Genehmigungszeit-
punktes, der Stückzahl der genehmigten Kleinwaffen, des Wertes und ge-
nauen Bezeichnung der Kleinwaffen und der Art und ungefähren Zahl der
vernichteten Kleinwaffen sowie der Art der Information, die die Bundes-
regierung über die jeweilige Waffenvernichtung hat aufschlüsseln)

d) war eine Vertreterin bzw. ein Vertreter der Bundesregierung bei der Ver-
nichtung der alten Kleinwaffen anwesend (bitte nach Empfängerland auf-
schlüsseln und unter Angabe des Genehmigungszeitpunktes, der Stück-
zahl der Waffen, des Wertes und der genauen Bezeichnung der genehmig-
ten Kleinwaffen, der Art und der ungefähren Zahl der vernichteten Klein-
waffen, des Zeitpunkts der Vernichtung und der Funktion der von Seiten
der Bundesregierung teilnehmenden Personen; falls keine Statistik zu die-
sen Fragen geführt wird, wird um eine händische Auswertung der vorlie-
genden Genehmigungen gebeten)?

20. Bei wieviel Prozent der Kleinwaffenexportgenehmigungen in den Jah-
ren 2014 und 2015 wurde jeweils eine Regelung „Neu für Alt“ zur Bedin-
gung für die Exportgenehmigung gemacht?

21. Bei welchen der insgesamt in den Jahren 2013 und 2014 und bislang im
Jahr 2015 erteilten Exportgenehmigungen für Kleinwaffen hat die Bundes-
regierung gesicherte Erkenntnisse, dass tatsächlich im Empfängerland alte
Waffen im direkten Gegenzug für die Lieferung der Neuwaffen vernichtet
wurden?

a) In welchen dieser Fälle wurden nachweislich im Empfängerland alte Waf-
fen in mindestens der gleichen Anzahl wie neu genehmigte vernichtet?

Drucksache 18/6352 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

b) In welchen dieser Fälle wurden die Waffen, die vernichtet wurden, nach-
weislich und eindeutig bei den Sicherheitskräften des Empfängerlandes
ausgemustert, nicht also illegale, konfiszierte, fehlgebaute oder andere
Waffen vernichtet?

Berlin, den 9. Oktober 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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