BT-Drucksache 18/6349

Geplanter Asset-Tausch zwischen BASF bzw. Wintershall mit Gazprom

Vom 30. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6349
18. Wahlperiode 30.09.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Annalena Baerbock,
Marieluise Beck (Bremen), Manuel Sarrazin, Dr. Julia Verlinden, Jürgen Trittin,
Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke,
Peter Meiwald und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Geplanter Asset-Tausch zwischen BASF bzw. Wintershall und Gazprom

Der Konzern BASF mit seiner Tochter Wintershall Holding GmbH und der rus-
sische Konzern Gazprom, woran der russische Staat 50 Prozent plus einer Aktie
innehat, haben sich Anfang September 2015 darauf geeinigt, den Tausch von
wertgleichen Vermögensgegenständen durchzuführen, welcher eigentlich bereits
für das Jahr 2014 geplant war, dann aber vor wenigen Monaten vor dem Hinter-
grund der Spannungen zwischen der Europäischen Union (EU) und Russland ab-
gesagt wurde. Der Vollzug des Tausches soll noch Ende des Jahres 2015 vollen-
det werden. Wintershall erhält Lizenzen zur Erdgas-Förderung im Urengoi-Feld
in Westsibirien. Im Gegenzug erhält der Gazprom-Konzern Zugang zu Erdgas-
speichern in Deutschland und Österreich (Haidach). Gazprom wird sich zudem
mit 50 Prozent an der Wintershall Noordzee B.V. beteiligen, die in der Erdöl- und
Erdgassuche sowie -förderung in der südlichen Nordsee tätig ist.

Schon heute ist der Einfluss von Gazprom auf den deutschen Gasmarkt enorm.
So wird der Großteil des Gasimports aus Russland über die Nord-Stream-Pipeline
durch die Ostsee direkt aus Russland nach Deutschland geleitet. An dieser Pipe-
line sind neben Gazprom vier große europäische Gaskonzerne beteiligt, darunter
E.ON und BASF/Wintershall Holding GmbH. Im Juni 2015 beschloss Gazprom
die Erweiterung dieser Pipeline um eine dritte und vierte Röhre. Dieses Vorhaben
wird u. a. von EU-Kommissar Maroš Šefčovič kritisiert, da sie „die gesamte Gas-
balance“ in Europa stören würde (www.politico.eu/article/sefcovic-warns-
energy-firms-over-nord-stream-ii-participation/). Außerdem hat Gazprom mit
dem jetzt abgeschlossenen Tausch Zugriff auf ein Viertel der deutschen Erd-
gasspeicherkapzitäten. Die im deutschen Außenwirtschaftsrecht vorhandenen
Möglichkeiten, bestimmte Unternehmenserwerbe zu prüfen, einzuschränken oder
zu untersagen, können nur in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen und auch nur
als eine kurzfristige Übergangslösung genutzt werden. Mittel- bis langfristig kann
Energiesicherheit nur über mehr Energieeffizienz, mehr erneuerbare Energien
und eine leistungsfähige und intelligente Energieinfrastruktur gesichert werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über Inhalt und Zeitplan
des Asset-Tauschs zwischen der BASF-Tochter Wintershall Holding GmbH
und Gazprom zum Verkauf von Gasspeicherkapazitäten vor?

Drucksache 18/6349 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

2. Welche Position vertritt die Bundesregierung bezüglich der Übernahme
durch Gazprom?

Fällt der geplante Asset-Tausch oder damit verbundene Übertragung von Öl-
und Gasfördertechnik unter die von der EU verhängten Sanktionen (bitte be-
gründen)?

3. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über den Ende des Jah-
res 2014 von den beiden Unternehmen verkündeten Stopp des Asset-Tauschs
zwischen Wintershall und Gazprom aufgrund des „schwierigen politischen
Umfelds“ vor (www.manager-magazin.de vom 19. Dezember 2014 „BASF
und Gazprom lassen Milliarden-Deal platzen“), und inwiefern hat sich dieses
politische Umfeld nach Ansicht der Bundesregierung mittlerweile verändert?

4. Hat die Bundesregierung nach der Ankündigung von Wintershall und Gaz-
prom zum zuvor auf Eis gelegten Asset-Tausch eine erneute Prüfung vorge-
nommen?

Falls ja, mit welchem Ergebnis, bzw. falls nein, warum nicht?

5. Liegt der Bundesregierung der Kaufvertrag über den Erwerb der Wintershall
Holding GmbH durch Gazprom vor, und falls ja, ist dieser öffentlich bzw. in
der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt?

Falls nein, warum nicht?

6. Falls der Kaufvertrag nicht vorliegt, aus welchen anderen Quellen (bitte ein-
zeln benennen, wo diese abrufbar sind) hat die Bundesregierung die für die
Investitionsprüfung erforderlichen Informationen zusammengetragen?

7. Steht der Asset-Tausch nach Einschätzung der Bundesregierung im Einklang
mit dem vereinbarten Ziel der EU zur Schaffung einer Energieunion, die die
Versorgungssicherheit der EU und die Diversifizierung der Bezugsquellen
von Energieimporten stärken soll, und wenn ja, wie begründet sie dies?

8. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über weitere Verkäufe
bzw. Joint-Ventures von Energierohstoffunternehmen oder Infrastrukturen
zwischen deutschen und russischen Unternehmen bzw. von russischen In-
vestoren dominierten Unternehmen vor?

9. Wird die Bundesregierung den Beschluss des Bundesrates (Bundesrats-
drucksache 243/14, Beschluss vom 11. Juli 2014) – initiiert von der bayeri-
schen Landesregierung – folgen, und eine nationale Erdgasreserve – analog
zur nationalen Erdölreserve – einführen?

Falls ja, wann und in welcher Größenordnung, und falls nein, warum nicht?

10. Welche konkreten Maßnahmen (bitte einzeln benennen) will die Bundesre-
gierung im Laufe der aktuellen Wahlperiode unternehmen, um die Rohstoff-
abhängigkeit von Russland zu verringern?

11. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über den Gesellschafter-
vertrag zwischen den Konzernen Gazprom, BASF, E.ON, ENGIE, OMV und
Shell für das Nord Stream II-Projekt vor, und inwieweit unterstützt sie die
Zusammenarbeit?

12. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
vor diesem Hintergrund aus der Kritik von EU-Kommissar Maroš Šefčovič,
dass mit der Erweiterung von Nord-Stream „die Gasbalance […] in Zentral-
und Osteuropa verändert würde“ und dass zweifelhaft sei, dass das Vorhaben
„mit der Diversifizierungsstrategie (der EU) übereinstimmt“ (www.politico.
eu/ article/sefcovic-warns-energy-firms-over-nord-stream-ii-participation/)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6349
 

13. Warum kommt die Bundesregierung in dieser Frage zu einer anderen Ein-
schätzung („Neue Pipelinestränge sind prinzipiell zu begrüßen, da sie als
Diversifizierung der Transportwege zur Versorgungssicherheit beitragen“,
Antwort auf die Schriftliche Frage 5 auf Bundestagsdrucksache 18/5977,
August 2015) als noch im März 2014, als Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel eine „Neubetrachtung der gesamten Energiepolitik“ im Hinblick auf
die Energieabhängigkeit von Russland ankündigte (www.derwesten.de/
wirtschaft/krim-krise-treibt-merkel-zu-einer-weiteren-energiewende-id9172
100.html)?

14. Waren diese oder andere Bedenken Gegenstand des Treffens vom Bundes-
minister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, und Gazprom-Chef
Alexej Miller beim Treffen am 7. Juli 2015 (www.russische-botschaft.de/
de/2015/07/10/nord-stream-2-gazprom-chef-miller-und-vizekanzler-gabriel
-trafen-sich-in-berlin/)?

15. War der Asset-Tausch Thema beim Gespräch zwischen dem Bundesminister
für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel und dem Gazprom-Chef Alexej
Miller beim Treffen am 7. Juli 2015?

Welche konkreten Fragen wurden diesbezüglich erörtert?

16. Ist der Bundesregierung bekannt, wohin das in Zukunft von Wintershall im
Urengoj – Gasfeld explorierte Erdgas geliefert werden soll?

Welche Pipelines sollen dabei in Zukunft genutzt werden (bitte ausführen,
auch im Hinblick auf noch in Planung oder Bau befindliche Pipelines, so
diese genutzt werden sollen)?

17. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang das
von Gazprom geplante Projekt „Turkish Stream“?

18. Ist der Bundesregierung bekannt, ob Wintershall sich an diesem Projekt in
Zukunft noch beteiligen möchte?

19. Ist der Bundesregierung bekannt, warum Gazprom die Anteile am eingestell-
ten Projekt „South Stream“ von Wintershall im Dezember 2014 zurückge-
kauft hat (www.handelsblatt.com vom 29. Dezember 2014 „Wintershall-An-
teile an der Pipeline gehen zurück an Gazprom“), und gibt es nach Kenntnis
der Bundesregierung einen Zusammenhang zum jetzt realisierten Asset-
Tausch zwischen Gazprom und Wintershall?

20. Sieht die Bundesregierung bezüglich der Sanktionen der EU Konflikte bei
dem Gesellschafter-Vertrag für die Erweiterung der Nord Stream Pipeline?

Falls ja, welche, und falls nein, warum nicht?

Berlin, den 30. September 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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