BT-Drucksache 18/6254

Medienkompetenz als bundespolitische Aufgabe

Vom 30. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6254
18. Wahlperiode 30.09.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Tabea Rößner, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz,
Ulle Schauws, Katja Dörner, Dr. Franziska Brantner, Kai Gehring,
Elisabeth Scharfenberg, Maria Klein-Schmeink, Kordula Schulz-Asche,
Dr. Harald Terpe, Doris Wagner, Beate Walter-Rosenheimer und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Medienkompetenz als bundespolitische Aufgabe

Medienkompetenz ist eine der Grundvoraussetzungen, um selbstbestimmt an
der digitalen Welt teilnehmen zu können. Die Förderung von Medienkompetenz
ist daher ein gesamtgesellschaftliches Anliegen, mit dem eine Vielzahl wichti-
ger Ziele verfolgt wird, sowohl für Kinder und Jugendliche als auch für Er-
wachsene und Senioren. Von der Wahrnehmung der großen Chancen bis zum
Schutz vor Gefahren, die die aktive, produktive und kreative Nutzung von Me-
dien bedeuten können, ist die Bandbreite der Anwendungsgebiete groß. Sie
erfordern eine umfassende, praktische Auseinandersetzung mit Medien, die in
allen Altersstufen dringend geboten ist, um die sichere, umsichtige und erfolg-
reiche gesellschaftliche Teilhabe aller zu ermöglichen oder zu verbessern. Me-
dienkompetenz erfordert lebenslanges, erlebtes und fortschreitendes Lernen,
Interaktivität, den Einsatz sowie die Nutzung von Medien in verschiedensten
Lebenssituationen und muss immer weiterentwickelt werden. Unerlässlich für
eine zeitgemäße Medienkompetenz sind Kenntnisse über so weitreichende Be-
reiche wie das Urheberrecht und den Datenschutz, insbesondere mit Blick auf
deren praktische Anwendung auf die Nutzung digitaler Medien, geschützter und
freier Software und des Internets. Bereits in ihrem zweiten Zwischenbericht
hatten alle Fraktionen in der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages
„Internet und Digitale Gesellschaft“ der 17. Wahlperiode am 21. Oktober 2011
eine Analyse und Handlungsempfehlungen an den 18. Deutschen Bundestag zur
Medienkompetenz verabschiedet. Deren Umsetzung hat die Bundesregierung,
trotz mehrfacher Aufforderungen („Den digitalen Wandel politisch gestalten –
Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission ,Internet und digitale Ge-
sellschaft‘ umsetzen“, Bundestagsdrucksache 18/2880), bisher kaum vorange-
trieben.

Neuere Studien, wie die „International Computer and Information Literacy Stu-
dy“ (ICILS 2013), „Kinder + Medien, Computer + Internet“ (KiM 2014) des
Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest oder die DIVSI U9-Stu-
die „Kinder in der digitalen Welt“ vom 23. Juni 2015 (DIVSI: Deutsches Insti-
tut für Vertrauen und Sicherheit im Internet), bescheinigen große Unterschiede
in der Medienkompetenz von Kindern abhängig vom formalen Bildungsgrad der
Eltern. Die Ergebnisse zeigen erneut die Dringlichkeit eines umfassenden Enga-
gements für die verstärkte Förderung von Medienkompetenz.

Drucksache 18/6254 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Bundesministerien und nachgeordneten Behörden befassen sich
seit Beginn der 18. Legislaturperiode mit der Medienkompetenz und betrei-
ben Projekte hierzu (bitte nach Bundesministerien, Projekten und Zeitraum
aufschlüsseln)?

2. In Abstimmung mit welchen Referaten in welchen Bundesministerien ha-
ben die drei federführenden Bundesministerien der „Digitalen Agenda“ der
Bundesregierung den Abschnitt zur Medienkompetenz erarbeitet?

3. Wurden auch externe Akteure an der Erarbeitung beteiligt?

Falls ja, welche?

4. Inwieweit sind auch Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission des
Deutschen Bundestages „Internet und digitale Gesellschaft“ der 17. Wahl-
periode eingeflossen?

5. Welche konkreten Schritte sind in welchem Zeitraum geplant, um die im
Koalitionsvertrag vereinbarte Strategie „Digitales Lernen“ zusammen mit
den Ländern und Akteuren aus allen Bildungsbereichen umzusetzen?

6. Welche Evaluationen der bestehenden Programme zur Förderung von Me-
dienkompetenz an Kitas und Schulen wurden bisher von der Bundesregie-
rung, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, beauftragt oder durchgeführt?

Welche Ergebnisse haben die bisherigen Evaluationen ergeben?

7. Welche konkreten Maßnahmen folgen aus den in der „Digitalen Agenda“
der Bundesregierung skizzierten Vorhaben im Bereich der Medienkompe-
tenz, insbesondere in den drei federführenden Bundesministerien?

8. Worin besteht nach Auffassung der Bundesregierung der Unterschied zwi-
schen Jugendmedienschutz und der Förderung von Medienkompetenz von
Jugendlichen?

9. Welche bundesweiten Modellprojekte hat die Bundesregierung bislang seit
Beginn der 18. Legislaturperiode in Bezug auf die Förderung der Medien-
kompetenz von Bürgerinnen und Bürgern jedweden Alters und Beschäfti-
gungsgrades initiiert?

10. Welche modellhaften schulischen und außerschulischen Maßnahmen hat
die Bundesregierung in Reaktion auf den umfangreichen Aktionskatalog
des vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
(BMFSFJ) herausgegebenen Berichts zur „Medienkompetenz bei Jugendli-
chen“ bereits ergriffen, und welche modellhaften Maßnahmen werden in
der laufenden 18. Wahlperiode noch angestoßen?

11. Auf welche Summe in Euro belaufen sich alle vom Bund geförderten Me-
dienkompetenzprojekte seit Beginn der 18. Wahlperiode, bitte nach den
Zielgruppen Kinder bzw. Jugendliche, Erwachsene (erwerbsfähig bzw.
nicht erwerbsfähig), Senioren aufschlüsseln?

12. Wie stimmt sich die Bundesregierung mit den Bundesländern über die vom
Bund geförderten Projekte zur Förderung der Medienkompetenz ab, und
wie stimmt sich die Bundesregierung allgemein abseits der „Bund-Länder-
Kommission zur Medienkonvergenz“ zum Thema Medienkompetenz mit
den Ländern ab?

13. Welche Strategien und Aktivitäten plant die Bundesregierung in Bezug auf
die Medienkompetenz von Bürgerinnen und Bürgern im erwerbsfähigen
Alter, und welche Projekte sind bereits initiiert worden, bitte nach Projek-
ten für erwerbstätige und nicht erwerbstätige Bürgerinnen und Bürger auf-
schlüsseln?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6254

14. Inwiefern unterstützt oder fördert die Bundesregierung die Aus-, Fort- und
Weiterbildung von Lehrkräften im Bereich Medienkompetenz?

15. Welche Strategie entwickelt die Bundesregierung mit den Ländern, um eine
Grundbildung im Bereich Medien entlang der gesamten Bildungskette um-
zusetzen?

16. Unternimmt die Bundesregierung Anstrengungen, die eigenen Aktivitäten
zur Förderung der Medienkompetenz gemeinsam mit den Länderinitiativen
zu koordinieren, und wenn ja, in welcher Form?

17. Unterstützt die Bundesregierung Länderinitiativen, z. B. durch eine koordi-
nierende Tätigkeit, und wenn ja, in welcher Form?

18. Welche Planungen gibt es auf Seiten der Bundesregierung, bestehende Me-
dienkompetenz-Projekte und Initiativen zu verstetigen und ihre Existenz
langfristig zu sichern?

19. Inwiefern hat die Bundesregierung die Absicht, bundesweite Träger von
Medienpädagogik, Medienbildung und Medienkompetenzförderung, wie
die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur, zukünf-
tig langfristig und fortwährend so zu fördern, dass sie ihre Rolle als gesell-
schaftliche Akteure auch angemessen wahrnehmen können, und wenn sie
diese Absicht nicht hat, weshalb nicht?

20. Inwiefern erachtet die Bundesregierung das Projekt „Schulen ans Netz“,
das einen kostenlosen Zugang aller Schulen ans Netz gefördert hat und am
31. Dezember 2012 aufgelöst wurde, als endgültig abgeschlossen, was sind
die Ergebnisse des Projekts, und welches Nachfolgeprojekt sieht die Bun-
desregierung dafür vor?

21. Inwiefern beteiligt sich die Bundesregierung an der Ausstattung von Schu-
len und/oder Hochschulen mit digitaler Technik und Netzanschlüssen, und
inwiefern beabsichtigt sie konkret, sich daran in welcher Form zukünftig zu
beteiligen?

22. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bislang ergriffen, um die im
Jahr 2014 beendeten Medienkompetenzprojekte „youth part“, angesiedelt
bei der Fachstelle für internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik
Deutschland e. V. (IJAB), und „peer³“, angesiedelt bei dem JFF – Institut
für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, fortzuführen, und welche
Maßnahmen hat die Bundesregierung bislang ergriffen, um die Ergebnisse
dieser Projekte nutzbar zu machen?

23. Gibt es nach Meinung der Bundesregierung angesichts der Medienkonver-
genz einen gesetzlichen Regelungsbedarf, und wenn ja, welche Gesetzes-
vorhaben sind hier für welchen Zeitraum konkret geplant?

24. Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, die Kultusministerkonfe-
renz (KMK) bei der Verbesserung der Lehrerausbildung im Bereich der
Medienkompetenz zu unterstützen, und in welcher Form hat die Bundesre-
gierung gegebenenfalls bislang Gebrauch von diesen Möglichkeiten ge-
macht?

25. Gibt es eine Koordination zwischen der Bundesregierung und den Ländern
zur Förderung der schulischen und außerschulischen Medienkompetenz?

26. Welche Medienkompetenzschulungen wurden in der 18. Wahlperiode in
welchen Bundesministerien angeboten, und wie viele Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter haben diese jeweils wahrgenommen (bitte nach Bundesministe-
rien, Zeitraum, Art der Schulung, Anzahl der Teilnehmerinnen und Teil-
nehmer und Abteilungen bzw. Referaten aufschlüsseln)?

Drucksache 18/6254 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

27. Welche Gründe hat die nach Information der Fragesteller erfolgte Ver-
schiebung des Computerspielepreises, in welchem die Stärkung der Medi-
enkompetenz vor allem bei den Kinder- und Jugendspielen ein Kriterium
ist, aus dem Verantwortungsbereich der Beauftragten für Kultur und Medi-
en in das des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur?

28. Welche Forschungsvorhaben unterstützt die Bundesregierung gegenwärtig
bezüglich der Auswirkungen der Digitalisierung auf Erwachsene, Kinder,
Jugendliche aber auch Senioren?

29. Zu welchem Zeitpunkt erwartet die Bundesregierung, dass das in der „Digi-
talen Agenda“ der Bundesregierung erwähnte, mit öffentlichen Mitteln fi-
nanzierte „Internet-Institut“ spätestens mit der Arbeit beginnt, und inwie-
fern sieht die Bundesregierung es auch als einen Beitrag zur Förderung von
Medienkompetenz an?

30. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der von der Bundesminis-
terin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Manuela Schwesig, vorge-
stellten Studie DIVSI U9-Studie „Kinder in der digitalen Welt“?

31. Inwiefern will die Bundesregierung dafür sorgen, dass Kinder ihre Medien-
kompetenz unabhängiger von den formalen Bildungsgraden ihrer Eltern
entwickeln, als sie es laut der DIVSI U9-Studie bislang tun?

32. Inwiefern verfolgt die Bundesregierung das politische Ziel den Bürgerinnen
und Bürgern zu vermitteln, dass für junge Kinder die mit der Internetnut-
zung verbundenen Chancen die Risiken überwiegen, und nicht umgekehrt,
wie Eltern laut DIVSI U9-Studie das Internet für junge Kinder bisher größ-
tenteils wahrnehmen?

33. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem am 15. Septem-
ber 2015 veröffentlichten OECD-Bericht „Students, Computers and Learn-
ing: Making the Connection“, und wie will sie dafür sorgen, dass Deutsch-
land im OECD-Vergleich künftig besser abschneidet?

34. Für wie sinnvoll erachtet die Bundesregierung die Forderung, dass in
Deutschland an allen Schulen und in allen Schul- und Altersstufen ein ver-
pflichtender Informatikunterricht eingeführt und die Länder vom Bund da-
bei unterstützt werden sollen, und inwiefern unterstützt sie diese Forde-
rung?

35. Inwiefern betrachtet die Bundesregierung die mögliche Einführung eines
Schulfachs Informatikunterricht als einen Beitrag zur verbesserten Medien-
kompetenzvermittlung?

Berlin, den 30. September 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.