BT-Drucksache 18/6216

Schutz von Patientenunterlagen vor unzulässiger Einsichtnahme

Vom 29. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6216
18. Wahlperiode 29.09.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann (Zwickau), Katja Kipping,

Jan Korte, Cornelia Möhring, Dr. Petra Sitte, Harald Weinberg, Birgit Wöllert,

Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Schutz von Patientenunterlagen vor unzulässiger Einsichtnahme

Im Rahmen des sogenannten Umschlagverfahrens versenden Vertragsärztinnen
und Vertragsärzte Patientenunterlagen nicht direkt an den Medizinischen Dienst
der Krankenversicherung (MDK), sondern in einem verschlossenen Umschlag an
die Krankenkassen zur Weiterleitung an den MDK. In der Regel wird der Um-
schlag mit der Aufschrift „Ärztliche Unterlagen nur vom MDK zu öffnen“ verse-
hen. Dennoch können Patientenunterlagen den Krankenkassen auf diesem Wege
in unzulässiger Weise zur Einsicht gelangen, wenn Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter von Krankenkassen die Umschläge öffnen. Doch selbst wenn die sensiblen
Patientendaten den MDK im verschlossenen Umschlag erreichen, gibt er diese
laut „taz.die tageszeitung“ vom 10. September 2015 nicht selten offen an die
Krankenkassen zur Ablage zurück.

Laut dem Artikel kritisierte die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die
Informationsfreiheit (BfDI), Andrea Voßhoff, diese umstrittene Praxis bereits
und erklärte, dass das Umschlagverfahren nicht mehr zulässig sei, eine Weiterlei-
tung über die Krankenkassen eindeutig gegen den Datenschutz verstoße und zu-
künftig jeder Verstoß konsequent geahndet würde. Ärztinnen und Ärzte sowie
Therapeutinnen und Therapeuten müssten darum Patientendaten in Zukunft di-
rekt an den MDK schicken. Die „Ärztezeitung“ vom 21. Juli 2015 berichtete, dass
die BfDI das Verfahren ändern wolle.

Im Tätigkeitsbericht der BfDI zum Datenschutz für die Jahre 2013 und 2014 (im
Folgenden als Datenschutzbericht 2013 und 2014 bezeichnet) steht explizit, dass
die Leistungserbringer zukünftig verpflichtet seien, die erforderlichen Unterlagen
direkt dem MDK zu übersenden. Bei den Krankenkassen nicht vorhandene me-
dizinische Unterlagen (Sozialdaten) seien von den Leistungserbringern unmittel-
bar dem MDK zu übermitteln (§ 276 Absatz 2 des Fünften Buches Sozialgesetz-
buch – SGB V).

Dagegen erklärt der MDK Nord in einer „Information an Ärzte in Schleswig-
Holstein und Hamburg“ mit Datum 18. August 2015 (www.mdk-nord.de/
fileadmin/user_upload/Freie_Dokumente/arztinfo_umschlagverfahren_
20150818.pdf), dass das umstrittene Umschlagverfahren zwar von der BfDI we-
gen ermittelter Datenschutzvergehen kritisiert würde, es jedoch ausdrücklich
noch nicht aufgehoben sei. Darum bittet der Leitende Arzt des MDK Nord,
Dr. Bernhard van Treeck, in diesem Schreiben, dass die Ärztinnen und Ärzte in
beiden Bundesländern das Umschlagverfahren vorerst weiterhin anwenden mö-
gen, bis die BfDI endgültig über das weitere Vorgehen entschieden habe. Es sei
zwar davon auszugehen, dass das Umschlagverfahren eingestellt würde, der Zeit-
punkt dafür noch nicht festgelegt sei.

Drucksache 18/6216 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, in welchem Um-
fang das sogenannte Umschlagverfahren, bei dem Vertragsärztinnen und
Vertragsärzte Patientenunterlagen an den MDK über die Krankenkassen
in einem verschlossenen Umschlag – in der Regel mit der Aufschrift
„Ärztliche Unterlagen nur vom MDK zu öffnen“ – weiterleiten lassen,
praktiziert wurde?

2. Kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, ob dies in allen Bun-
desländern in gleich häufiger Weise erfolgt oder ob es hier regionale
Schwerpunkte gibt?

3. Wenn ja, welche MDK treten hier besonders hervor?

4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Häufigkeit einer
unzulässigen Einsichtnahme durch die Krankenkasse bzw. über die Mög-
lichkeit zu dieser Einsichtnahme bei Anwendung des Umschlagverfah-
rens?

5. Zu welchem Zeitpunkt hat die BfDI das Umschlagverfahren erstmalig kri-
tisiert?

6. Stimmen Berichte aus der „taz.die tageszeitung“ vom 10. September 2015,
dass die BfDI das Umschlagsverfahren als nicht mehr zulässig erklärte und
eine Weiterleitung über die Krankenkassen eindeutig gegen den Daten-
schutz verstoße?

7. Falls ja, wann hat die BfDI das Verfahren erstmals als unzulässig bezeich-
net?

8. Welche Konsequenzen haben Leistungserbringer, Krankenkassen und
MDK aus Äußerungen der BfDI im Datenschutzbericht 2013 und 2014
„Deshalb kommt eine Übermittlung von Sozialdaten zwischen Leistungs-
erbringern und MDK nur auf direktem (Post)Weg und ohne Einschaltung
der Krankenkassen in Betracht. Weiter dürfen die Unterlagen auch zu ei-
nem späteren Zeitpunkt vom MDK nicht den Krankenkassen zugeleitet
bzw. von ihnen zur Kenntnis genommen werden“ zu ziehen?

9. Welche rechtliche Verbindlichkeit für Leistungserbringer, Krankenkassen
und MDK haben diese Äußerungen bzw. Forderungen der BfDI?

10. Welche Sanktionen sind bei Verstößen von Seiten der Krankenkassen und
des MDK zu befürchten?

11. Ab wann sollten bei Verstößen Sanktionen verhängt werden?

12. Sind Sanktionen bereits verhängt worden, und wenn ja, welche, durch wen,
und gegen wen?

13. Trifft die Äußerung im Datenschutzbericht 2013 und 2014 „Die Kranken-
kassen meines Zuständigkeitsbereichs und den MDK habe ich deshalb ge-
beten, künftig § 276 Absatz 2 Satz 1 zweiter Halbsatz SGB V einzuhalten“
zu?

14. Welche Konsequenzen haben Leistungserbringer, Krankenkassen und
MDK zu befürchten, wenn sie einer Bitte der BfDI nicht nachkommen?

15. Welche schärferen Mittel als „Bitten“ hätte die BfDI zur Verfügung?

16. Hat die BfDI schärfere Mittel eingesetzt, und wenn ja, wann, welche, so-
wie gegen wen?

17. Stimmen die Berichte aus der „taz.die tageszeitung“ vom 10. September
2015, dass die BfDI zukünftig jeden Verstoß konsequent ahnden würde?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6216

18. Was ist unter „konsequent ahnden“ in diesem Zusammenhang zu verste-
hen?

19. Was ist unter „zukünftig“ zu verstehen, und wann fällt für die Ankündi-
gung der BfDI somit der Startschuss?

20. Trifft die Meldung in der Ärztezeitung vom 21. Juli 2015 zu, dass die BfDI
das Verfahren ändern wolle?

21. Ist dies so zu verstehen, dass eine Änderung zu diesem Zeitpunkt noch
nicht erfolgt war?

22. Ist die Änderung inzwischen erfolgt, und wenn ja, wann?

23. Ist das Informationsschreiben des MDK Nord vom 18. August 2015 unzu-
treffend, in dem behauptet wird, dass das umstrittene Umschlagverfahren
zwar von der BfDI wegen ermittelter Datenschutzvergehen kritisiert
würde, es jedoch ausdrücklich noch nicht aufgehoben sei?

24. Trifft es zu, dass das Umschlagverfahren ausdrücklich noch nicht aufge-
hoben sei?

25. Wer müsste dieses Verfahren in welcher Form aufheben?

26. Wer wird wann diese Aufhebung des Umschlagverfahrens vornehmen,
falls dies noch nicht erfolgt ist?

27. Welche Rolle kommt dem Bundesversicherungsamt (BVA) als Rechtsauf-
sicht über bundesunmittelbare Krankenkassen zu?

28. Was hat das BVA seinerseits unternommen, um das Umschlagverfahren
zu unterbinden?

29. Welche Möglichkeiten hat das BVA, Krankenkassen und/oder MDK an-
zuweisen?

Berlin, den 28. September 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.