BT-Drucksache 18/6203

Die digitale Welt verstehen und mitgestalten - Lernen und Lehren digitalisieren

Vom 30. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6203
18. Wahlperiode 30.09.2015

Antrag
der Abgeordneten Özcan Mutlu, Tabea Rößner, Kai Gehring, Beate
Walter-Rosenheimer, Luise Amtsberg, Dr. Franziska Brantner, Dr. Konstantin
von Notz, Ulle Schauws, Katja Dörner, Maria Klein-Schmeink, Corinna Rüffer,
Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, Dr. Harald Terpe,
Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die digitale Welt verstehen und mitgestalten – Lernen und Lehren
digitalisieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die digitale Gesellschaft ist technische und soziale Realität. Ob Handy, Smartphone,
Notebook oder Tablet – der Umgang mit digitalen Techniken und Medien ist heute
allgegenwärtig. Die technischen Geräte eröffnen dem Menschen neue Horizonte,
Möglichkeiten und Chancen. Jeder und Jede ist zugleich Empfänger und Sender von
Wissen und Informationen, die sich um den ganzen Globus verbreiten. Das birgt ein
großes emanzipatorisches Potenzial, das Nebeneinander von Information und Des-
information kann mitunter aber auch für Orientierungslosigkeit sorgen. Zudem er-
geben sich durch die Verknüpfung von Daten und Informationen, durch deren Spei-
cherung, Verarbeitung und Verknüpfung zu Profilen Risiken für den Persönlich-
keits- und Grundrechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger.

Einleben und Leben in der digitalen Gesellschaft ist eine große Herausforderung für
die Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Menschen jeden Alters stehen täglich neu
vor den Fragen: Wie schütze ich meine persönlichen Daten? Wann begehe ich eine
Urheberrechtsverletzung? Wie kann ich bei der Suche nach Informationen zwischen
Wahrheit und Unwahrheit unterscheiden?

In der digitalen Gesellschaft ist die Medienkompetenz, also die Fähigkeit, sich eine
durch digitale Technik und Medien geprägte Welt denkend, fühlend und handelnd
selbstbestimmt, sozial verantwortlich und kompetent erschließen zu können, eine
Schlüsselkompetenz. Sie muss von früher Kindheit an lebenslang über formale und
non-formale Bildungsangebote gefördert werden. Gleichzeitig muss Bildung auch
die Digitalisierung (Produktion bis Distribution/ Herstellung bis Verteilung) von Er-
findung bis Mobilität, von Archivierung bis Kommunikation, von Entsorgung bis
Verteidigung aufgreifen und als grundlegende Kulturtechnik einbeziehen. Durch
sehr einheitliche Plattformen, Nutzungsformen und Endgeräte entsteht durch die Di-
gitalisierung eine Verbindung von bisher getrennten Kompetenzbereichen. Diese
Komplexitätssteigerung ist gleichzeitig eine Beschleunigung und Vervielfachung,
die lebenslanges Lernen nötig macht.

Drucksache 18/6203 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Die kürzlich erschienene DIVSI U9-Studie „Kinder in der Digitalen Welt“ zeigt,
dass bereits jüngere Kinder das Internet nutzen: Bei den Dreijährigen ist bereits jedes
zehnte Kind online. Wie früh Kinder mit dem Internet in Berührung kommen und
ob dieses eher als Unterhaltungsmedium oder für Informationssuche und Lernen ge-
nutzt wird, hängt stark von Einstellung und Bildungsgrad der Eltern ab. Je geringer
die elterliche Bildung, desto weniger engagierten sich Väter und Mütter, um ihre
Kinder aktiv in der digitalen Welt zu begleiten. Frühkindliche Bildung außerhalb der
Familie steht deshalb vor der Herausforderung, neben all ihren anderen Aufgaben,
bei allen Kindern den Grundstein für spätere Medienkompetenz zu legen.

Großer Handlungsbedarf bei der Förderung von digitaler Bildung besteht auch bei
der Primar- und Sekundarschulbildung, dies haben nicht zuletzt die Ergebnisse der
IEA-Studie ICILS 2013 gezeigt. So erreichen Schülerinnen und Schüler der Jahr-
gangsstufe Acht in Deutschland einen Leistungsmittelwert von 523 Punkten. Das
Leistungsniveau der Achtklässler in Deutschland liegt somit zwar über dem interna-
tionalen Mittelwert von 500 Punkten, jedoch unter dem Mittelwert der Vergleichs-
gruppe EU (525 Punkte). Dabei werden in keinem anderen der bei ICILS 2013 teil-
nehmenden Länder digitale Techniken und Medien von Lehrerinnen und Lehrern
weniger im Schulalltag eingesetzt, als in Deutschland. Zwar erkennen Lehrerinnen
und Lehrer das Potenzial, das mit der Nutzung von digitalen Techniken und Medien
einhergehen kann, vor allem aber in Bezug auf den organisatorischen Einsatz von
neuen Technologien sind Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland gegenüber ihren
internationalen Kolleginnen und Kollegen deutlich skeptischer eingestellt. Diese
Skepsis rührt auch daher, dass in deutschen Schulen mit jeweils einzelnen PC-Räu-
men eher traditionelle IT-Ausstattungskonzepte überwiegen. So sind auch mehr als
zwei Fünftel der Lehrpersonen unzufrieden mit Qualität und Quantität der schuli-
schen IT-Ausstattung. Kritisiert werden unter anderem sehr langsame oder instabile
Internetverbindungen sowie veraltete oder eine nicht ausreichende Anzahl an Com-
putern und anderer Technik.

ICILS 2013 weist hinsichtlich der Computer- und informationsbezogenen Kompe-
tenzen auch auf starke soziale Disparitäten und Bildungsbenachteiligungen hin. So
erzielen 29,2 Prozent der Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe acht in
Deutschland lediglich Ergebnisse in den beiden unteren Kompetenzstufen. Dabei
machen Jugendliche aus sozioökonomisch wenig privilegierten Lagen im Vergleich
zu Jugendlichen aus sozioökonomisch besser gestellten Familien mit einem Anteil
von 52,8 Prozent den größten Anteil an Jugendlichen auf den unteren beiden Kom-
petenzstufen aus, ihr Anteil an der Gesamtstichprobe beträgt in der Altersgruppe
34,8 Prozent. Auch Jugendliche mit Migrationshintergrund sind auf den beiden un-
teren Kompetenzstufen überrepräsentiert. So liegt ihr Anteil um fast 15 Prozent hö-
her, als sich dies in der Gesamtverteilung ausmachen lässt. All dies führt dazu, dass
an den beruflichen Schulen, die in ihrer Ausstattung überwiegend noch hinter den
allgemeinbildenden Schulen rangieren, und wo sich tendenziell mehr Jugendliche
aus den unteren Kompetenzstufen wiederfinden, die Werte noch verschärfen dürften.
Gleichzeitig verändert die Digitalisierung die beruflichen Anforderungen und auch
den betrieblichen Teil vieler dualer Aus-, Fort- und Weiterbildungen.

Digitale Lernwerkzeuge können insbesondere auch im Hinblick auf die Anforderun-
gen von inklusiver Bildung den Unterricht in heterogenen Lerngruppen erleichtern.
Schülerinnen und Schüler sollten bei unterschiedlichen Lernvoraussetzungen die
gleichen Lernwerkzeuge einsetzen können, damit Barrieren verringert und Stigma-
tisierung reduziert werden kann.

Auch bei der Hochschulbildung und -digitalisierung, der Aus- und Weiterbildung,
bei Open Access und Open Data, Open-Educational-Ressources (OER) sowie den
Potenzialen von Informations- und Kommunikationstechnologien im Wissen-
schaftsbereich müssen in punkto Digitaler Bildung mehr Anstrengungen unternom-
men und zusätzliche Investitionen getätigt werden. Digitale Technologien verändern

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6203
die Art und Weise wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Informationen er-
heben, kooperieren und ihre Forschungsergebnisse publizieren. Das Internet, neue
Medien und Technologien verändern die Arbeitsgewohnheiten der Forschenden. Sie
beeinflussen die heutigen Forschungs- und Publikationsprozesse und erlauben neue
Formen der Wissenschaftskommunikation. Hochschulen und Forschungseinrichtun-
gen brauchen daher ein digitales Upgrade, das der „Wissenschaft 2.0“ Rechnung
trägt.

Hochschulen müssen dabei so ausgestattet sein, dass sie modernes Lehren und Ler-
nen mit neuen digitalen Medien ermöglichen. Dazu gehört eine moderne digitale
Infrastruktur und Lernräume, die den Einsatz neuer Lehrmethoden ermöglichen.
Lehrende müssen geschult werden, um neue Methoden beim Einsatz neuer Medien
in der Lehre einzusetzen. Immer mehr Forschungseinrichtungen und Hochschulen
erproben neue Wege zur Verbreitung von wissenschaftlichen Publikationen durch
Open Access. Diese Entwicklung gilt es zu unterstützen und zu stärken und damit
die Nutzung der digitalen Potenziale für Bildung und Forschung in der Breite zu
ermöglichen. In der neuen Publikationswelt ist es aber auch viel einfacher gewor-
dene, die Ideen anderer zu kopieren. Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wis-
senschaftler müssen daher für einen neuen verantwortungsvollen Umgang mit neuen
Informations- und Kommunikationstechnologien in der wissenschaftlichen Arbeit
stärker sensibilisiert werden. Wir brauchen ein neues Urheberrecht, das mit einer
allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke Rechtssicherheit bei der Ver-
wendung digitaler Daten in Lehre und Forschung schafft. Nur so können wir die
Potenziale von Informations- und Kommunikationstechnologien im Wissenschafts-
bereich ausschöpfen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

die Umsetzung nachfolgender Empfehlungen in Kooperation mit den Ländern un-
verzüglich anzugehen und gleichzeitig, um dies umfassend zu ermöglichen, den Ent-
wurf für einen neuen Artikel 91b Absatz 2 des Grundgesetzes vorzulegen, der es
Bund und Ländern ermöglicht, auf der Basis von Vereinbarungen zur Sicherstellung
der Leistungsfähigkeit und der Weiterentwicklung des Bildungssystems zusammen-
zuarbeiten (Drucksache 18/3163).

Bis diese Verfassungsänderung in Kraft getreten ist, fordert der Deutsche Bundestag
die Bundesregierung auf, die Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission
„Internet und digitale Gesellschaft“ im Hinblick auf Bildung und Forschung endlich
ohne Abstriche umzusetzen.

Die Bundesregierung muss in Zusammenarbeit mit den Ländern und Akteuren aus
allen Bildungsbereichen deshalb dafür Sorge tragen, dass

1. die Zugangsmöglichkeiten für Digitale Bildung erweitert werden. Diesbezüglich
muss der flächendeckende Breitbandausbau, von dem auch Kitas, Schulen und
Hochschulen profitieren können, endlich vorangetrieben werden. Hinsichtlich der
schulischen Bildung gilt es schulische Ganztagsangebote auszubauen, um insbeson-
dere die bei ICILS festgestellte „Digitale Spaltung“ der Gesellschaft zu überwinden,
ferner muss sichergestellt werden, dass der personelle Support für die Ausstattung
von Schulen mit digitalen Techniken über professionalisierte und zentralisierte Pro-
jektmanagementstrukturen durch die Schulträger gewährleistet wird. . Öffentliche,
insbesondere wissenschaftliche und schulische Bibliotheken müssen durch ausrei-
chende Grundfinanzierung darin unterstützt werden, stärker als bislang digitale Me-
dien zur Nutzung bereitzustellen;

Drucksache 18/6203 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

2. sich Medienbildung – angefangen bei der frühkindlichen Bildung – als roter Faden
durch alle Bildungsangebote zieht. Daher sollte Medienpädagogik als verpflichten-
der Teil bereits in die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern sowie in anderen
pädagogischen Berufen integriert und entsprechende Weiterbildungen für pädagogi-
sches Fachpersonal angeboten werden. Derzeit ist Medienkompetenz als Lernziel
auf verschiedenste Weise in der Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen in
Deutschland verankert. Die Aktivitäten der Bundesländer sind zudem sehr unter-
schiedlich. Es sollten daher gesetzliche Regelungen erarbeitet werden, mit denen die
Förderung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen, Eltern und päda-
gogischen Fachkräften verbindlicher geregelt wird. Da sich das Mediennutzungsver-
halten bereits sehr früh auch durch die Familie ausprägt, sollten die Eltern durch
Beratungsangebote, aber auch aktiv in die Medienbildung ihrer Kinder in den Kitas
einbezogen werden. Hierfür gilt es Projekte weiterzuentwickeln und zu fördern, in
denen Eltern zu Multiplikatoren von Medienkompetenz ausgebildete werden, um
sich und ihrem Umfeld Hilfestellungen geben zu können;

3. der Aspekt Digitale Bildung bei der Bildungsforschung und Bildungsberichter-
stattung eine stärkere Berücksichtigung findet. So muss Medienbildung im Umfeld
von Kindertageseinrichtungen und Schulen als Gegenstand von Bildungsforschung
gestärkt und die institutionalisierten Bemühungen der Medienbildung durch syste-
matische Evaluationen und (Begleit-)Forschungsarbeiten flankiert und in einem na-
tionalen Bildungsmonitoring untersucht werden. Insbesondere der Einsatz von E-
Learning, offenen und freien Bildungsmaterialien sowie die Nutzung von Informa-
tions- und Kommunikationstechnologien in Lernarrangements sollen im Rahmen
der Bildungsberichterstattung dokumentiert werden. Darüber hinaus muss die Teil-
nahme Deutschlands an internationalen Vergleichsstudien in den Bereichen Media
Literacy beziehungsweise Media Education sichergestellt werden. Notwendig ist
ferner die Durchführung von Bund-Länder-Studien, die die Verankerung von medi-
enpädagogischen Inhalten in pädagogischen Studiengängen und Ausbildungsberei-
chen sowie die Vor- und Nachteile der Integration von Bring-Your-Own-Device
(BYOD) Endgeräten in den schulischen Unterricht untersuchen; die der Frage nach-
gehen, welche good practice Beispiele es hinsichtlich der Digitalen Bildung in der
außerschulischen Bildung gibt und inwiefern diese good practice Beispiele in die
schulische Bildung integriert werden können; die der Fragestellung nachgehen, wie
die Integration von digitalen Technologien in die jeweiligen Fachdidaktiken gewähr-
leistet, wie digitaler Unterricht gelingen kann und welche Rahmenbedingungen da-
für gegeben sein müssen; und die untersuchen, wie digitale Technologien und Me-
dien auch in die berufliche Bildung integriert werden können. Bildungsforschung
muss sich auch der Frage widmen, wie eine Digitalisierung unseres Alltags unser
Lernen verändert und wie Lehrmethoden entsprechend angepasst werden müssten.
Auch die Nutzungsarten und -möglichkeiten von Social Media und Online-Plattfor-
men für Kommunikation, Kooperation und neue Beteiligungsformen in der Wissen-
schaft müssen noch stärker erforscht werden. Auch in der digitalen Bildung müssen
Genderaspekte, kultursensible Pädagogik etc. umfassend berücksichtigt werden. Ins-
besondere die Belange von Menschen mit Behinderung müssen bei der Förderung
von Digitaler Bildung Berücksichtigung finden. Hierzu müssen entsprechende
Schwerpunkte in der Bildungsforschung auf den Weg gebracht werden, deren Er-
kenntnisse sich dann auch in der Aus- und Fortbildung von pädagogischem Personal
sowie bei der Weiterentwicklung der schulischen Standards und Curricula wieder-
finden;

4. dem Aspekt Digitale Bildung in punkto Aus- und Weiterbildung von pädagogi-
schem Personal verstärkt genüge getan wird. Deshalb muss die Bundesregierung da-
rauf hinwirken, dass die Aus- und Weiterbildung pädagogischer Fachkräfte durch
die Verbesserung von Studienmaterialien, medialer Ausstattung und personeller

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/6203
Ressourcen in den entsprechenden Einrichtungen flankiert werden. Insbesondere an
jenen Hochschulen, an denen pädagogisches Personal ausgebildet wird, müssen die
medienpädagogischen Professuren und Programme stärker unterstützt und darüber
hinaus gut ausgestattete Medienzentren und hochschuldidaktische Fortbildungen zur
Förderung der Medienkompetenz aller Lehrenden eingerichtet werden. In Zusam-
menarbeit zwischen akademischen Fachgesellschaften, der Hochschulrektorenkon-
ferenz und der Kultusministerkonferenz müssen die für die verschiedenen Ausbil-
dungswege akkreditierungsrelevanten Standards zu Medienbildung und medienpä-
dagogischer Kompetenz zügig formuliert werden. Darüber hinaus müssen medien-
pädagogische Kompetenzen in die Lehreraus- und Weiterbildung aufgenommen und
weiterentwickelt werden, ferner muss die Kultusministerkonferenz (KMK) akkredi-
tierungsrelevante Bildungsstandards in das System der Lehreraus-, -fort- und wei-
terbildung formulieren und aufnehmen und somit in allen pädagogischen Studien-
gängen und Ausbildungsbereichen eine medienpädagogische Grundbildung als ver-
bindlichen und prüfungsrelevanten Bestandteil der pädagogischen Ausbildung in
Form eines Moduls verankern;

5. Standards und Curricula den Erfordernissen der Digitalen Bildung angepasst wer-
den. Die Bundesregierung muss deshalb darauf hinwirken, dass für die schulische
Medienbildung bundesweit einheitliche Mindeststandards zur Medienkompetenz in
den verschiedenen Altersstufen entwickelt werden, im besten Fall analog zum Kom-
petenzstufenmodell von ICILS 2013. Ferner muss Medienbildung in den Prüfungen
und Lehrplänen für alle Fächer und im länderspezifischen Qualitätsrahmen zur
Schulentwicklung verankert sowie Lehrerinnen und Lehrern angemessene (didakti-
sche) Hilfestellungen und Materialien zur Verfügung gestellt werden. Digitale Bil-
dung muss als ganzheitliche Aufgabe verstanden werden, die auch den außerschuli-
schen Bereich umfasst. Zielgerichtete Angebote und Hilfestellungen für die Erlan-
gung und Vertiefung von Medienkompetenz durch die verschiedenen Adressaten
müssen gefördert werden. Zu den wichtigsten Adressaten gehören neben Schülerin-
nen und Schülern, Studierenden, Auszubildenden und Lehrenden auch Eltern, Seni-
orinnen und Senioren und Erwerbslose. Es gilt, neben Chancen auch Risiken sowie
Kompetenzen in Daten- und Verbraucherschutz zu vermitteln. Medienkompetenz ist
daher als Ergänzung zum (Jugend-)Medienschutz zu verstehen. Generationengräben
sollen überbrückt und Erwerbslose digital nicht abgehängt werden. Zum Stichpunkt
„Peer-to-Peer-Learning“ sollen Orte und Strukturen, die es Gleichaltrigen ermögli-
chen, voneinander lernen zu können, geschaffen und gefördert werden. Digitale Bil-
dung muss insgesamt als konkrete Aufgabe der außerschulischen Bildungsarbeit
etabliert werden, beispielsweise in Kindertageseinrichtungen, Jugendhäusern, öf-
fentlichen Bibliotheken, Volkshochschulen, Senioren- oder Freizeitzentren. Dafür
ist auch eine zeitgemäße technische Ausrüstung dieser Institutionen notwendig. Dar-
über hinaus soll eine Koordinierungsstelle zwischen den Akteuren der außerschuli-
schen Medienbildung eingerichtet werden, um als Netzwerk die Verstetigung und
Verbreitung von erfolgreichen Medienkompetenzprojekten voranzutreiben;

6. im Urheberrecht eine allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke verankert
wird, die die bestehenden Schrankenprivilegien für Wissenschaft und Forschung zu-
sammenfasst, um die Nutzung und Verbreitung von wissenschaftlichen Erkenntnis-
sen in der Breite umfangreicher zu ermöglichen. Durch ein kohärentes Regelwerk
sollen Urheberinnen und Urheber und Nutzerinnen und Nutzer von digitalen Inhal-
ten in Bildung und Wissenschaft sowie öffentliche Institutionen und Bibliotheken
Rechtssicherheit erlangen. Auch beim neuen § 38 Absatz 4 UrhG, dem Zweitveröf-
fentlichungsrecht für öffentlich finanzierte, wissenschaftliche Publikationen, muss
nachgebessert und die bestehenden Rechtsunsicherheiten für Autorinnen und Auto-
ren beseitigt werden. Darüber hinaus soll dafür Sorge getragen werden, dass Ver-

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träge, die die Einräumung und Vergütung von Schrankenprivilegien regeln, so aus-
gestaltet werden, dass Datenschutzrechte umfassend gewahrt werden und die
Rechtsdurchsetzung in den Händen einer ordentlichen Gerichtsbarkeit bleibt;

7. eine Open-Access-, Open-Science- und Open-Data-Strategie konsequent geför-
dert wird. Der für Bildung und Wissenschaft notwendige Zugang zu veröffentlichten
Ergebnissen und Daten öffentlich geförderter Forschung muss unter angemessenen
und für alle Seiten fairen Bedingungen gewährleistet werden. Um das Open-Access-
Prinzip in der deutschen Förderpolitik und Hochschullandschaft voranzutreiben,
müssen Forschungseinrichtungen und Hochschulen bei der Erarbeitung von Open-
Access-/Open-Science-Strategien aufgefordert und unterstützt werden. Bundesweit
sollte der Bund gemeinsam mit den Ländern eine Open-Access-/Open-Science-Stra-
tegie für die Veröffentlichung von Publikationen aus öffentlich finanzierter For-
schung entwickeln. Darüber hinaus soll der Bund Anreize schaffen, um Selbstver-
pflichtungen zu fördern, die geeignet sind, um Open-Access-Publikationen im Rah-
men von privat finanzierter Forschung voranzubringen. Wissenschaftliche Publika-
tionen des Bundestages sowie der Bundesbehörden sollten ebenfalls, ggf. nach einer
gewissen kurzen Frist, unter den Bedingungen von Open-Access veröffentlicht wer-
den;

8. Wissenschaft 2.0 verantwortungsvoll gestaltet wird. Studierende, Wissenschaftle-
rinnen und Wissenschaftler müssen einen verantwortungsvollen Umgang mit den
Möglichkeiten von Internet, neue Medien und Technologien üben und im Rahmen
wissenschaftlicher Qualifikationsarbeiten anbringen. Sie müssen in ihrem Streben
nach Redlichkeit unterstützt werden und die Bedingungen dafür flächendeckend si-
chergestellt werden. Nötig sind klare und bundesweit einheitliche Mindeststandards
zur Qualitätssicherung an jeder Hochschule, um wissenschaftliche Redlichkeit zu
beurteilen und überprüfen zu können;

9. Schulen und Hochschulen in ihrer Ausstattung den Erfordernissen der Digitalen
Bildung angepasst werden. Digitale Infrastrukturen an Hochschulen müssen so aus-
gebaut werden, dass sie die Nutzung von neuen Medien und Lernformen in der
Lehre, Hochschullehre und im gesamten Forschungsprozess dauerhaft ermöglichen.
Dafür brauchen wir eine möglichst länderübergreifende technische Ausstattung an
Hochschulen sowie deren Ausstattung mit zeitgemäßer Software. Die Lernräume der
Zukunft müssen dem digitalen Wandel und den Bedürfnissen modernes Lehren und
Lernen entsprechen. Das bedeutet, an Schulen und Hochschulen sowohl die digitale
Infrastruktur bereitzustellen, als auch, die ideale Umgebung für die Nutzung neuer,
partizipativer Technologien und ein Studium mit virtuellen Selbststudienphasen zu
schaffen.

Im Hinblick auf die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention ist sicherzustellen,
dass die institutionelle Infrastruktur wie auch die Ausstattung Lernender mit Endge-
räten die Anforderungen von Menschen mit Behinderung berücksichtigt und dem-
entsprechend barrierefrei zu gestalten beziehungsweise mit entsprechenden Bedie-
nungshilfen zu gestalten sind;

10. die berufliche Aus- und Weiterbildung in Theorie und Praxis modernisiert wer-
den, um auch im Jahr 2030 wettbewerbsfähige Fachkräfte zu haben. Dabei müssen
die beruflichen Schulen in allen Bereichen, von der Gesundheit und Pflege über die
Pädagogik bis zu den technischen Berufen zum einen technisch gut ausgestattet wer-
den. Zum anderen müssen die dort Lehrenden in ihrer Aus-, Fort- und Weiterbildung
die notwendigen fachspezifischen digitalen Kompetenzen und die Kompetenz für
das reflektierte Einsetzen digitaler Medien erwerben. Die Digitalisierung der Berufs-
welten wird absehbar die Weiterentwicklung von Anforderungen beschleunigen.
Deswegen müssen Sozialpartner, Fachgemeinschaften und Exekutiven die Curricula
kontinuierlich weiterentwickeln und dynamisieren;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/6203
11. den Austausch mit in den Bereichen Urheberrecht, Open Access, Open Science
und Open Data agierenden zivilgesellschaftlichen Akteuren zu intensivieren, zivil-
gesellschaftliche Programme stärker zu unterstützen und die entsprechenden Ak-
teure sehr viel stärker in die Erarbeitung von Reform-Vorschlägen zu beteiligen, wie
dies, beispielsweise im Zuge der Vorlage ihrer „Digitalen Agenda“ von der Bundes-
regierung wiederholt zugesagt wurde.

Berlin, den 29. September 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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