BT-Drucksache 18/6171

Pläne der Verkehrs- und Innenminister der Europäischen Union zur Verschärfung der Kontrollen von Passagieren und Gepäck bei Zugreisen

Vom 25. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6171
18. Wahlperiode 25.09.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Herbert Behrens, Wolfgang Gehrcke,

Eva Bulling-Schröter, Annette Groth, Ulla Jelpke, Kerstin Kassner, Sabine Leidig,

Petra Pau, Harald Petzold, Kersten Steinke und der Fraktion DIE LINKE.

Pläne der Verkehrs- und Innenminister der Europäischen Union zur Verschärfung
der Kontrollen von Passagieren und Gepäck bei Zugreisen

Bei einem Treffen der Verkehrs- und Innenminister der Europäischen Union (EU)
in Paris am 29. August 2015 wurden laut einer Erklärung mehr Kontrollen in Zü-
gen und auf Bahnsteigen sowie mehr Kontrollen von Passagieren und Gepäck
verabredet (Ratsdok. 11594/15). Das Treffen war eine Reaktion auf den mutmaß-
lichen Anschlag auf einen Thalys-Zug zwischen Amsterdam und Paris vom
21. August 2015. Aus Deutschland nahmen der Bundesminister für Verkehr und
digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt, und der Bundesminister des Innern,
Dr. Thomas de Maizière, teil. Weitere Minister kamen aus Belgien, Frankreich,
Großbritannien, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, der Schweiz und Spanien
(www.tagesschau.de vom 29. August 2015). Auch die EU-Kommissare Dimitris
Avramopoulos und Violeta Bulc sowie der EU-Koordinator für Terrorismusbe-
kämpfung, Gilles de Kerchove, waren vertreten.

Laut der Erklärung müssten alle polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeits-
formen in Europa intensiver genutzt werden, insbesondere das Schengener Infor-
mationssystem (SIS II). Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) seien an-
gehalten, Verdächtige verstärkt nach Artikel 36/3 zur verdeckten Fahndung aus-
zuschreiben. „Koordinierte und simultane Kontrolloperationen“ auf bestimmten
Strecken seien ebenfalls vonnöten. Angestrebt sei eine „informationsbasierte“
(„information led“) Sicherheitsherangehensweise. Diese betreffe alle Transport-
wege (Schiene, Luft, Wasserwege und Straßen). Auch müssten existierende,
grenzüberschreitende Polizeinetzwerke genutzt werden. Genannt werden das
Netzwerk der Eisenbahnpolizeien (TISPOL), das Netzwerk polizeilicher Spezi-
alkräfte ATLAS sowie das International Rail Transport Committee. Verabredet
wurde die Verbesserung des Datentausches zwischen allen nationalen und euro-
päischen Sicherheitsbehörden, die für den grenzüberschreitenden Bahnverkehr
zuständig sind. Außerdem sollten Passagier- und Gepäckkontrollen an Bahnhöfen
und in Zügen verstärkt werden („visual inspection and luggage control, both in
stations and onboard trains“). Geplant ist auch der Ausbau gemeinsamer Streifen
im Rahmen der Gemeinsamen Zoll- und Polizeizentren. Auch zielgerichtete Kon-
trollen aufgrund von Lageerkenntnissen seien möglich. In den Zügen solle mehr
Sicherheitspersonal mitfahren, das Zugpersonal solle entsprechend ausgebildet
werden. Geprüft werden solle zudem, inwiefern Bahnfahrkarten für Hochge-
schwindigkeitszüge im europäischen Bahnnetz zukünftig nur noch mit Namen
personalisiert vergeben werden könnten („implementation of nominative tickets
for long-range international trains“). Sämtliche Maßnahmen müssten verhältnis-

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mäßig sein, damit Bahnreisende nicht auf Flug- oder Busreisen auswichen. Wei-
tere Maßnahmen könnten auf einem noch einzuberufenden Treffen aller europä-
ischen Behörden und Dienstleister, die für den Schienentransport und die Schie-
nensicherheit verantwortlich sind, verabredet werden. Vor allem die Zusammen-
arbeit mit Zollbehörden könnte derart intensiviert werden. Auch die Kooperation
mit der „Land Transport Security Expert Group“ (LANDSEC) könne verstärkt
werden. Geprüft werden müsse, inwiefern Sicherheitskonzepte für Flugreisen
auch auf Schienentransporte angewendet werden könnten. Hierzu hatte der EU-
Koordinator für Terrorismusbekämpfung vor einiger Zeit gefordert, auch für Zug-
reisen Fluggastdaten zu verarbeiten. Desweiteren rufen die Unterzeichner/-innen
dazu auf, „neue Technologien“ zur Verstärkung der Sicherheit im Schienenver-
kehr zu nutzen. Auch die „Cybersicherheit“ für Schieneninfrastrukturen müsse
gestärkt werden.

Laut dem Bundesinnenminister müssten mehr Verdächtige „eher zur offenen als
zur verdeckten Fahndung ausgeschrieben werden“. Auch könnte ein bereits exis-
tierender Investitionsplan „für die bessere Nutzung von Kameras in deutschen
Bahnhöfen“ genutzt werden. Weil der Thalys-Angreifer zuvor in Flugzeugen un-
terwegs gewesen sei, müsse auch die europäische Fluggastdatenspeicherung eilig
vorangetrieben werden. Zur Prüfung, inwiefern auf einigen deutschen Strecken
Namenstickets eingeführt werden könnten, wolle man ein Gutachten einholen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche eigenen Beiträge haben die Teilnehmenden aus Deutschland auf dem
Treffen in Paris gehalten?

2. Welche Beiträge wurden nach Kenntnis der Bundesregierung von den EU-
Kommissaren Dimitris Avramopoulos und Violeta Bulc sowie dem EU-Ko-
ordinator für Terrorismusbekämpfung, Gilles de Kerchove, gehalten?

3. Welche Vorschläge zur Erhöhung der Sicherheit haben die EU-Kommissare
Dimitris Avramopoulos und Violeta Bulc sowie der EU-Koordinator für Ter-
rorismusbekämpfung, Gilles de Kerchove, vorgetragen?

4. Auf welche Weise könnte aus Sicht der Bundesregierung die polizeiliche und
justizielle Zusammenarbeit hinsichtlich der Sicherheit im Schienentransport
verbessert werden?

5. Inwiefern könnte dabei aus Sicht der Bundesregierung das Schengener In-
formationssystem (SIS II) genutzt werden?

6. Auf welche Weise wäre es organisatorisch, aber auch rechtlich umsetzbar,
„koordinierte und simultane Kontrolloperationen“ auf bestimmten Strecken
durchzuführen?

7. Auf welchen deutschen oder grenzüberschreitenden Strecken wären solche
Operationen aus Sicht der Bundesregierung vonnöten oder wünschenswert?

8. Auf welche Weise wird die Bundesregierung die Forderung nach einer „in-
formationsbasierten“ („information led“) Sicherheitsherangehensweise um-
setzen?

9. Inwiefern würden davon auch die Transportwege Luft, Wasserstraßen und
Straßen erfasst?

10. Auf welche Weise könnte aus Sicht der Bundesregierung die Zusammenar-
beit mit existierenden, grenzüberschreitenden Polizeinetzwerken verbessert
werden?

11. Welche neuen Projekte könnten dabei vom Netzwerk der Eisenbahnpolizeien
(TISPOL), dem Netzwerk polizeilicher Spezialkräfte ATLAS sowie dem In-
ternational Rail Transport Committee initiiert werden?

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12. Auf welche Weise könnte aus Sicht der Bundesregierung die Sicherheit im
deutschen Schienentransport durch die Zusammenarbeit mit Zollbehörden
intensiviert werden?

13. Welche Bundesbehörden haben in welchen Projekten bereits in der „Land
Transport Security Expert Group“ (LANDSEC) mitgearbeitet?

14. Inwiefern könnten Ergebnisse der LANDSEC-Sicherheitsforschungen aus
Sicht der Bundesregierung für die Sicherheit im deutschen Schienentransport
genutzt werden?

15. Welche Sicherheitskonzepte für Flugreisen könnten aus Sicht der Bundesre-
gierung auch auf Schienentransporte angewendet werden?

16. Auf welche Weise könnte aus Sicht der Bundesregierung die Sicherheit im
deutschen Schienentransport durch eine Erweiterung des Datentausches zwi-
schen nationalen und europäischen Sicherheitsbehörden verbessert werden?

17. Was hat der Bundesinnenminister konkret damit gemeint, mehr Verdächtige
„eher zur offenen als zur verdeckten Fahndung“ auszuschreiben?

18. Inwiefern und auf welcher gesetzlichen Grundlage wäre es aus Sicht der
Bundesregierung rechtlich möglich, wie in der gemeinsamen Erklärung ver-
abredet, Passagier- und Gepäckkontrollen an deutschen Bahnhöfen und in
Zügen zu verstärken?

19. Auf welche Weise würde dabei zwischen Sichtkontrollen und Durchsuchun-
gen unterschieden?

20. Inwiefern werden auch bei der Bundesregierung Überlegungen angestellt,
die gemeinsamen Streifen im Rahmen der Gemeinsamen Zoll- und Polizei-
zentren weiter auszubauen?

21. In welchen Zügen bzw. auf welchen Strecken sieht die Bundesregierung hier
Defizite bereits vorhandener Kontrollen?

22. Inwiefern ist auch die Bundesregierung der Ansicht, zur Erhöhung der Si-
cherheit im Schienentransport müsse in den Zügen mehr Sicherheitspersonal
mitfahren?

23. Auf welche Weise könnte aus Sicht der Bundesregierung das Zugpersonal
entsprechend ausgebildet werden, und inwiefern würde dies die Zusammen-
arbeit mit der Bundespolizei betreffen?

24. Inwiefern wird auch bei der Bundesregierung geprüft, ob Bahnfahrkarten für
Hochgeschwindigkeitszüge im deutschen oder europäischen Bahnnetz zu-
künftig nur noch mit Namen personalisiert vergeben werden sollten?

25. Welche Behörden oder sonstigen Einrichtungen wurden hierzu mit der Er-
stellung eines Gutachtens beauftragt, bzw. welche Planungen existieren
hierzu?

26. Wie genau lautet der Auftrag des Gutachtens, und wann soll es vorliegen?

27. Welche weiteren, ähnlichen Gutachten zu Möglichkeiten der Verstärkung
der Sicherheit im deutschen Schienenverkehr wurden nach dem Treffen in
Paris beauftragt?

28. Welche „neue Technologien“ zur Verstärkung der Sicherheit im deutschen
Schienenverkehr könnten aus Sicht der Bundesregierung genutzt oder ausge-
baut werden?

29. Was hat der Bundesinnenminister konkret damit gemeint, ein bereits existie-
render Investitionsplan „für die bessere Nutzung von Kameras in deutschen
Bahnhöfen“ könnte ebenfalls zur Verstärkung der Sicherheit im deutschen
Schienenverkehr herangezogen werden?

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30. Auf welche Weise könnte aus Sicht der Bundesregierung die „Cybersicher-
heit“ für deutsche Schieneninfrastrukturen gestärkt werden?

31. Was ist der Bundesregierung über Pläne bekannt, ein Treffen aller europäi-
schen Behörden und Dienstleister, die für Schienentransport und Schienen-
sicherheit verantwortlich sind, einzuberufen?

Berlin, den 24. September 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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