BT-Drucksache 18/6121

Wirtschaftlichkeit des Flughafenprojektes BER

Vom 24. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6121
18. Wahlperiode 24.11.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Annalena Baerbock, Renate Künast,
Oliver Krischer, Sven-Christian Kindler, Matthias Gastel, Tabea Rößner,
Markus Tressel, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Wirtschaftlichkeit des Flughafenprojektes BER

Der Flughafen Berlin Brandenburg (BER) soll nach Angaben der Bundesregie-
rung im Herbst 2017 für den Flugbetrieb öffnen  über fünf Jahre nach der letzt-
maligen Terminverschiebung. Nach Angaben der Flughafen Berlin Brandenburg
GmbH (FBB) wurde jüngst auf der Baustelle die Sechs-Tage-Woche eingeführt,
um die Rückstände bei der Fertigstellung aufzuholen. Die Baukosten werden nach
bisherigen Angaben der Bundesregierung insgesamt 5,3 Mrd. Euro betragen und
sich damit seit dem Spatenstich vor über zehn Jahren mehr als verdoppelt haben.
Als eine wesentliche strukturelle Ursache der vielfachen Planungs- und Bauaus-
führungsprobleme beim Projekt BER hat ein Prüfbericht des Brandenburger Lan-
desrechnungshofs die Interessenskollisionen zwischen Gesellschafterversamm-
lung und Aufsichtsrat der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) festge-
stellt. Auch wurde bis heute kein von der FBB unabhängiges Controlling einge-
führt. Während die Bundesregierung von einem baldigen Erweiterungsbedarf des
BER aufgrund steigender Passagierzahlen ausgeht, steht die ursprüngliche Dreh-
kreuzfunktion und das damit im Zusammenhang stehende Business-Konzept für
den Flughafen mehr denn je in Frage. Die FBB rechnet derzeit nicht damit, dass
der BER ein „Riesen-Umsteige-Flughafen“ werde (vgl. BILD vom 5. Novem-
ber 2015).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Rechnet die Bundesregierung weiterhin mit einer Eröffnung des Flughafens
BER im Jahr 2017, und welche Auswirkungen haben nach Auffassung der
Bundesregierung die jüngsten Verzögerungen bei der Bauausführung auf den
Rahmenterminplan BER?

2. Haben die Gesellschafter der FBB mit der Geschäftsführung eine Frist ver-
einbart, bis zu der die Sicherheit des anvisierten Eröffnungstermins im
Herbst 2017 bestätigt sein muss, um den angekündigten Eröffnungszeitraum
zu halten, und wenn ja, bis wann erwartet die Bundesregierung eine defini-
tive Zusage des Eröffnungstermins 2017?

3. Wie ist der aktuelle Stand des notwendigen Umbaus der Entrauchungsanlage
(sogenannte Anlage 14), und entspricht dieser Stand nach Kenntnis der Bun-
desregierung dem Rahmenterminplan BER?

4. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand des Genehmigungs-
prozesses für den 5. und 6. Nachtrag durch die zuständige Baubehörde, läuft
der Genehmigungsprozess nach Plan, und wie viel Zeitpuffer besteht noch
für eine rechtzeitige Fertigstellung der Restbauarbeiten, der Betriebserpro-
bung und der Inbetriebnahme des BER?

Drucksache 18/6121 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
5. Haben aus Sicht der Bundesregierung Parlament und Öffentlichkeit ein
Recht zu erfahren, welche Wirtschaftlichkeitsprognosen ein aus weitgehend
öffentlichen Mitteln finanziertes Infrastrukturprojekt wie der Flughafen BER
besitzt?

6. Welche Bedeutung wurde der Drehkreuz- bzw. Hubfunktion des BER bei
den Planungen sowie Umplanungen des BER nach Baubeginn beigemessen?

7. Welche Bedeutung hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Drehkreuz-
funktion des BER, um den Prozentsatz der Umsteiger-Passagiere von 8 Pro-
zent (Stand: Mai 2015) gemäß dem Businessplan zu steigern (vgl. Antwort
der Bundesregierung zu Frage 23 auf Bundestagsdrucksache 18/4919)?

8. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Feststellung
der FBB, dass der Flughafen BER kein internationales Drehkreuz sein wird
(vgl. Statement von Geschäftsführer Dr. Karsten Mühlenfeld vom 4. Novem-
ber 2015), und mit welchen finanziellen Folgen für die Wirtschaftlichkeit
und weitergehende Finanzierbarkeit des BER rechnet die Bundesregierung
bei einem Ausbleiben der Drehkreuzfunktion?

9. War das Statement des Geschäftsführers Dr. Karsten Mühlenfeld mit den
Anteilseignern des BER zuvor abgesprochen worden, bzw. war die Feststel-
lung der FBB hinsichtlich der ausbleibenden Drehkreuzfunktion des BER
der Bundesregierung bekannt?

10. Hat die Geschäftsführung der FBB den gesellschaftsrechtlich zuständigen
Gremien inzwischen den Sachverhalt einschließlich der wirtschaftlichen Fol-
gen erläutert (vgl. Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bun-
desministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Norbert Barthle auf die
Mündliche Frage 8 des Abgeordneten Matthias Gastel in der Fragestunde
vom 11. November 2015, Plenarprotokoll 18/135), und warum legt die Bun-
desregierung auf eine solche Erläuterung wert?

11. Welche Erläuterungen zum Sachverhalt „Drehkreuzfunktion des BER“ und
den damit im Zusammenhang stehenden Folgen hat die Bundesregierung sei-
tens der FBB seit dem 4. November 2015 erhalten?

12. Welchen Stand hat das Notifizierungsverfahren der Europäischen Kommis-
sion zur Genehmigung der benötigten Finanzmittel zur Fertigstellung des
BER, und welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Businessplan
und das bisherige Ziel der Gesellschafter, mit dem Bau des BER ein interna-
tionales Drehkreuz zu errichten?

13. Geht die Bundesregierung davon aus, dass es notwendig sein wird, in EU-
Notifizierungsverfahren einen überarbeiteten Businessplan vorzulegen,
wenn die Drehkreuzfunktion für den BER entfällt?

14. Haben Fragen der Wirtschaftlichkeit des BER im ersten und zweiten Frage-
paket der Europäischen Kommission ein Rolle gespielt, und wenn ja, welche
grundsätzliche Einschätzung hat die Bundesregierung zur künftigen Wirt-
schaftlichkeit des BER gegenüber der Europäischen Kommission gegeben
(vgl. Sachstandsbericht BER, Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruk-
tur, Ausschussdrucksache 18(15)272, S. 10)?

15. Hat die Bundesregierung daran festgehalten, im Zuge des Notifizierungsver-
fahrens die Genehmigung eines Kostenrahmens in Höhe von 6,4 Mrd. Euro
zu erwirken?

16. Sollen die weiteren 1,1 Mrd. Euro beantragten Finanzmittel vorrangig mög-
liche zusätzliche Kosten bis zu einer Eröffnung im Jahr 2017 abdecken (vgl.
Manager Magazin, 16. Dezember 2014) oder vorrangig zur Umsetzung ers-
ter Erweiterungsmaßnahmen dienen (vgl. Tagesspiegel vom 7. Au-
gust 2015)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6121
17. Welche Bedeutung hat die Drehkreuzfunktion des BER für die Bereitstellung
von durch eine Gesellschafterbürgschaft besichertem Fremdkapital, das den
verbleibenden Finanzmittelbedarf in Höhe von 1,1 Mrd. Euro garantieren
soll und zu dem die FBB umfangreiche Bankgespräche geführt hat (vgl.
Sachstandsbericht BER, Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur,
Ausschussdrucksache 18(15)272, S. 9)?

18. Von welchen Gesamtkosten geht die Bundesregierung bis zur Eröffnung des
BER aus, wenn dieser im Herbst 2017 eröffnet wird?

19. Auf Grundlage welcher Prämissen kam die FBB im Jahr 2014 zu der Über-
zeugung, dass das Passagiervolumen bis zum Jahr 2027 auf 43 Millionen an-
steigen wird, und welche Bedeutung hatte bei dieser Prognose die Dreh-
kreuzfunktion des BER (vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 1 auf
Bundestagsdrucksache 18/5073)?

20. Welche Bedeutung hat die Drehkreuzfunktion im Entwicklungskonzept für
den BER (vgl. Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 2 bis 6 auf Bun-
destagsdrucksache 18/5073)?

21. Haben sich die Erwartungen der Bundesregierung und der weiteren Anteils-
eigner der FBB, ab wann der Flughafen BER Gewinne erwirtschaftet, verän-
dert, und welche Auswirkung hat dies auf den im Kontext des Beihilfever-
fahrens erforderlichen Businessplan der FBB (vgl. Antwort der Bundesregie-
rung zu Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 18/4919)?

22. Rechnet die Bundesregierung damit, dass sich die durch den Aufsichtsrat der
FBB beschlossenen Investitionen in den Ausbau des BER, etwa in Form ei-
nes weiteren Terminals an der Nordbahn, betriebswirtschaftlich eher positiv
oder eher negativ für die FBB auswirken werden (vgl. www.rbb-online.de/
politik/Flughafen-BER/BER-Aktuelles/akteure_aktuell/Aufischtsrat-
beschliesst-Flughafen-BER-Erweiterung.html)?

23. Von welcher Umsatz- und Gewinnsteigerung im sogenannten Non-Avia-
tion-Bereich gehen die Bundesregierung bzw. die Gesellschafter der FBB
aus, und welche Bedeutung hatte in diesem Zusammenhang die Drehkreuz-
funktion des BER?

24. Hat die Aussicht, dass die Drehkreuzfunktion des BER ausfallen oder beein-
trächtigt sein wird, Auswirkungen auf eine mögliche Hereinnahme von pri-
vatem Investitions- und Privatkapital zur Umsetzung erforderlicher, kosten-
intensiver Erweiterungsmaßnahmen, und welche Ziele verfolgt in diesem
Zusammenhang der Anteilseigner Bund (vgl. Antwort der Bundesregierung
zu den Fragen 19 und 20 auf Bundestagsdrucksache 18/4919)?

25. Welche Relevanz hat die Aussage der Bundesregierung, dass die FBB pri-
vatwirtschaftlich organisiert sei und dem Wirtschaftlichkeitsprinzip folge,
für mögliche Erweiterungsmaßnahmen des BER nach dem Jahr 2017 (vgl.
Antwort der Bundesregierung zu Frage 16 auf Bundestagsdrucksache
18/5073)?

26. Wie bewertet die Bundesregierung den volkswirtschaftlichen Nutzen einer
Intensivierung des Flugverkehrs am Standort Schönefeld, und worauf grün-
det sie diesbezüglich ihre Annahmen?

27. Wird die Bundesregierung einen Weiterbetrieb des Flughafens Berlin Tegel
fordern, sollte sich erhärten, dass aufgrund fehlender Wirtschaftlichkeit Er-
weiterungsmaßnahmen des BER absehbar ausgeschlossen sein werden?

Drucksache 18/6121 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
28. Mit welchen Baukosten rechnet die Bundesregierung aktuell für den Proto-
kollbereich der Bundesregierung am Flughafen BER (Regierungsterminal),
und welche Ergebnisse hat die Prüfung der finanziellen Auswirkungen des
durch die Verschiebung der BER-Eröffnung verzögerten Baubeginns (vgl.
Antwort der Bundesregierung zu Frage 35 auf Bundestagsdrucksa-
che 18/4919)?

Berlin, den 24. November 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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