BT-Drucksache 18/608

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung - Drucksachen 18/436, 18/602 - Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 2120 (2013) vom 10. Oktober 2013 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

Vom 19. Februar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/608
18. Wahlperiode 19.02.2014

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz,
evi Da delen, Dr. Diether Deh , Annette Groth, eike nsel, nge
Höger, Andrej Hunko, Katrin Kunert, Stefan Liebich, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu, Alexander Ulrich, Katrin Werner und der
Fraktion DIE LINKE.

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 18/436, 18/602 –

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem
Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan
(International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO
auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen,
zuletzt Resolution 2120 (2013) vom 10. Oktober 2013 des Sicherheitsrates
der Vereinten Nationen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Bis Ende 2014 bleiben bis zu 3 300 Soldaten der Bundeswehr im Einsatz in
Afghanistan. Damit zieht die Bundesregierung ein weiteres Mal nicht die
notwendige Konsequenz aus dem Scheitern von zwölf Jahren „Krieg gegen
den Terror“. Es wird weiterhin an einer militärischen Lösung festgehalten.
Afghanistan ist nicht annähernd befriedet.

2. Die Bundesregierung erweckt den Eindruck, dass der Einsatz der Bundes-
wehr in Afghanistan bis Ende 2014 beendet werden soll. Das ist falsch und
eine Täuschung von Parlament und Öffentlichkeit. Auch nach 2014 ist mit
der Planung der Nachfolgemission „Resolute Support“ ein NATO-Einsatz
mit einem personellen Gesamtumfang von 8 000 bis 12 000 Soldatinnen und
Soldaten vorgesehen. Zunächst für zwei Jahre sollen 600 bis 800 deutsche
Soldatinnen und Soldaten in Nordafghanistan und Kabul „Dienst tun.“

3. Ohne einen vollständigen Abzug der ausländischen Truppen wird es in Af-
ghanistan keinen Übergang zu einem Versöhnungsprozess geben. Bereits die
Ankündigung, dass die NATO im Rahmen der Mission Resolute Support in
Afghanistan verbleiben will, gefährdet Verhandlungen über Versöhnung.

4. Die Kriegsführung der westlichen Militärallianz und des Karsai-Regimes
vertieft die internen Konflikte Afghanistans immer mehr. Die Lage im Land
ist katastrophal. Die sich weiter verschlechternde Sicherheitslage zeigt sich
Drucksache 18/608 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

vor allem im dramatischen Anstieg der Opfer, auf 4 600 Gefallene, auf Seiten
der afghanischen Streitkräfte bis November 2013. Ungeachtet der Ablen-
kungsmanöver der Bundesregierung im jüngsten Fortschrittsbericht ist eine
dramatische Zunahme der Kampfhandlungen gerade im Norden zu beobach-
ten (ISAF, 15.1.14). Im vergangenen Jahr wurden allein bis Oktober 2 568
Zivilisten getötet. Seit Beginn der NATO-Intervention ist Afghanistan zum
Exportweltmeister für Opium aufgestiegen. Afghanistan rutschte 2013 im
Human Development Index, der Lebenserwartung, Lebensstandard und Bil-
dung misst, weitere drei Plätze nach hinten, auf Platz 175 von 187 Ländern.
Die Menschenrechtslage ist auch in den von Karsai beherrschten Gebieten
des Landes desaströs.

5. Der politische Prozess in Afghanistan muss zu Verhandlungen mit allen poli-
tischen Akteuren und ohne Vorbedingungen führen. Dafür hat sich die Bun-
desregierung bisher nicht ernsthaft eingesetzt. Unter anderem hat sie nicht
auf faire und transparente Wahlen bestanden. Aus dem offensichtlichen
Wahlbetrug durch den Karsai-Clan in der Wahl 2009 wurden keine Konse-
quenzen für die Wahlen 2014 gezogen.

6. Die deutsche Öffentlichkeit erwartet von der Bundesregierung eine gründli-
che Analyse der Ergebnisse des zwölf Jahre andauernden Krieges in Afgha-
nistan und der deutschen Beteiligung an ihm. Der Öffentlichkeit liegen ver-
schiedenste Analysen zum Afghanistan-Krieg vor. Sowohl der Bericht der
EKD als auch der Bericht des Afghan Analysts Network zum Verhalten der
Bundeswehr im Norden Afghanistans formulieren eine fundamentale Kritik
an der Afghanistan-Strategie der Bundesregierung. Der Fortschrittsbericht
der Bundesregierung verharmlost dagegen die katastrophale Lage in Afgha-
nistan, indem Zusammenhänge verschwiegen werden: Weder die laut
UNAMA „systematisch“ betriebenen Folterungen in afghanischen Gefäng-
nissen noch die Kollaboration der regionalen Machthaber des Karzai-
Regimes mit der Drogenökonomie werden thematisiert.

II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Beteiligung deutscher Streitkräfte am ISAF-Einsatz zu beenden und die
Bundeswehr sofort vollständig und ohne Vorbedingungen aus Afghanistan
abzuziehen, und die Zusammenarbeit aller deutschen Stellen mit US-,
NATO- oder afghanischen Sicherheitsbehörden im Rahmen der Kriegsfüh-
rung zu beenden,

2. im NATO-Rat dafür einzutreten, die Vorbereitungen für die Militär-Mission
„Resolute Support“ einzustellen und keine anderen militärischen Folgemissi-
onen zu unterstützen,

3. die Teilnahme der Bundeswehr an der Militär-Mission „Resolute Support“
oder an einer anderen Militär-Mission in Afghanistan auszuschließen,

4. die zivil-militärische Zusammenarbeit zu beenden und sich stattdessen auf
zivile Krisenbewältigung und Entwicklungszusammenarbeit zu konzentrieren
und

5. dem Bundestag eine umfassende Bilanz von zwölf Jahren Krieg in Afghanis-
tan, und der deutschen Beteiligung daran vorzulegen.

Berlin, den 19. Februar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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