BT-Drucksache 18/6008

Einrichtung eines sogenannten Anti-Terror-Zentrums bei der EU-Polizeiagentur Europol

Vom 14. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6008
18. Wahlperiode 14.09.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan Korte, Annette Groth,

Inge Höger, Ulla Jelpke, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Petra Pau,

Dr. Petra Sitte, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Einrichtung eines sogenannten Anti-Terror-Zentrums bei der EU-Polizeiagentur
Europol

Die Europäische Kommission schlug in der „Europäischen Agenda für Sicher-
heit“ vom 28. April 2015 die Einrichtung eines „EU-Anti-Terror-Zentrums“ (Eu-
ropean Counter Terrorism Centre – ECTC) vor (Bundestagsdrucksache 18/5048).
Bis dahin war ein solches Zentrum lediglich vom Anti-Terrorismus-Beauftragten
der Europäischen Union (EU) befürwortet worden. Kurz darauf hatte schließlich
Europol selbst für ein ECTC geworben. Die Polizeiagentur wollte auf diese Weise
auch geheimdienstliche Informationen (intelligence data) speichern und verarbei-
ten. Derzeit darf Europol keine als „Geheim“ oder „Vertraulich“ eingestuften Da-
ten verarbeiten. Das könnte sich laut dem Europol-Papier ändern.

Die Bundesregierung teilt nach eigener Auskunft die Sicht der Europäischen
Kommission, wonach ein solches „Europäisches Terrorismusabwehrzentrum“
„die Unterstützung für die Mitgliedstaaten im Bereich der Strafverfolgung bei der
Bekämpfung des Terrorismus und der Radikalisierung verstärkt und die Koordi-
nierung und Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitglied-
staaten erleichtert werden könnte“. Allerdings dürfe das Zentrum keine Aufgaben
übernehmen, die den europäischen Geheimdiensten vorbehalten seien. Die Bun-
desregierung habe sich „im Rat im Beisein des EU-Koordinators für die Terroris-
musbekämpfung und Europols und gegenüber der Europäischen Kommission“
dahingehend positioniert, „dass die vorhandenen Strukturen und Instrumente von
Europol im Bereich der Strafverfolgung zur Bekämpfung des Terrorismus zusam-
mengeführt und voll ausgeschöpft werden sollten“. Die Bundesregierung habe
sich in diesem Zusammenhang auch „gegen neue Strukturen und Informations-
wege ausgesprochen“. Europol sei keine Agentur für die Unterstützung der Nach-
richtendienste.

Allerdings konnte die Bundesregierung noch im Juni 2015 nicht mitteilen, auf
welche Weise Europol die Einrichtung eines „Europäischen Zentrum zur Terro-
rismusbekämpfung“ vorantreibt. Im Bundesministerium des Innern sei unbe-
kannt, „welche Plattformen und Dienstleistungen in einem solchen Zentrum zu-
sammengeführt werden könnten, welche interne Organisationsstruktur vorgese-
hen werden könnte und welche Ressourcen hierfür gegebenenfalls benötigt wür-
den“. Auch die Frage nach entsprechenden Forschungen, Studien oder Gutachten
konnte die Bundesregierung nach eigener Auskunft nicht beantworten.

Am 29. August 2015 hat die Europäische Kommission nunmehr mitgeteilt, das
„Europäische Zentrum zur Terrorismusbekämpfung“ werde „schnellstens“ bei
Europol eingerichtet.

Drucksache 18/6008 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche neueren Details sind der Bundesregierung zur Einrichtung eines „Eu-
ropäischen Zentrums zur Terrorismusbekämpfung“ bei Europol bekannt?

2. Wann und wo wurde die Einrichtung des Zentrums auf Ebene der EU be-
schlossen?

3. Welche Vertreter der Bundesregierung und bundesdeutscher Sicherheitsbe-
hörden haben bisher wann an den Verhandlungen über die Einrichtung des
„Europäischen Zentrums zur Terrorismusbekämpfung“ teilgenommen (bitte
nach Datum, Bundesministerium bzw. Bundeskanzleramt, nach Sicherheits-
behörde, Ort der Verhandlungen auflisten)?

4. Inwiefern wurde die Einrichtung des Zentrums nach Kenntnis der Bundesre-
gierung auch im Rahmen der „Gruppe der Neun“ besprochen oder behan-
delt?

5. Welche Behörden welcher Länder können oder wollen nach Kenntnis der
Bundesregierung an dem Zentrum teilnehmen?

6. Welche weiteren Arbeitsbereiche oder Zentren von Europol werden nach
Kenntnis der Bundesregierung in das neue Zentrum integriert?

7. Welche konkreten Aufgaben soll das Zentrum nach Kenntnis der Bundesre-
gierung übernehmen?

8. Welchen Abteilungen bei Europol soll das Zentrum nach Kenntnis der Bun-
desregierung untergeordnet werden?

9. Auf welche Weise soll der Anti-Terrorismus-Beauftragte der EU nach
Kenntnis der Bundesregierung in das Zentrum eingebunden werden?

10. Mit welchem Personal aus welchen Abteilungen ist das Bundeskriminalamt
bei dem Zentrum beteiligt?

11. Inwiefern soll das Zentrum nach Kenntnis der Bundesregierung auch ge-
heimdienstliche Informationen (intelligence data) speichern und verarbeiten?

12. Inwiefern hält es die Bundesregierung inzwischen doch für sinnvoll, dass
Europol auch intelligence data speichern und analysieren darf?

13. Auf welche Weise könnte durch das „Europäische Zentrum zur Terrorismus-
bekämpfung“ aus Sicht der Bundesregierung eine „Unterstützung für die
Mitgliedstaaten im Bereich der Strafverfolgung bei der Bekämpfung des Ter-
rorismus und der Radikalisierung verstärkt und die Koordinierung und Zu-
sammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten er-
leichtert“ werden?

14. Welche „vorhandenen Strukturen und Instrumente von Europol im Bereich
der Strafverfolgung zur Bekämpfung des Terrorismus“ könnten aus Sicht der
Bundesregierung in dem Zentrum „zusammengeführt und voll ausgeschöpft
werden“ (bitte ausführlich darstellen)?

15. Welche Plattformen und Dienstleistungen werden in dem Zentrum nach
Kenntnis der Bundesregierung zusammengeführt?

16. Welche interne Organisationsstruktur ist nach Kenntnis der Bundesregierung
in dem Zentrum vorgesehen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6008

17. Welche Ressourcen werden hierfür benötigt?

18. Welche Forschungen, Studien oder Gutachten wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung für die Einrichtung des Zentrums beauftragt, bzw. auf wel-
che bereits erstellten Forschungen, Studien oder Gutachten stützt sich Euro-
pol dabei?

19. Welche genauen Maßnahmen sind bisher nach Kenntnis der Bundesregie-
rung ergriffen worden, um die parlamentarische Kontrolle des „Europäi-
schen Zentrums zur Terrorismusbekämpfung“ bei Europol durch das Euro-
päische Parlament (EP) zu regeln, und welche Gremien und Ausschüsse des
EP sollen diese Kontrollrechte in welcher Form ausüben können?

20. In welcher Form und in welchem Umfang soll nach Vorstellung der Bundes-
regierung der Deutsche Bundestag seine parlamentarischen Kontrollfunktio-
nen durch welche parlamentarischen Gremien über das „Europäische Zen-
trum zur Terrorismusbekämpfung“ ausüben können, welche gesetzlichen
Regelungen hält die Bundesregierung für nötig, und welche Schritte hat die
Bundesregierung bisher zur Entwicklung von Regelungen zur parlamentari-
schen Kontrolle des „Europäischen Zentrums für Terrorismusbekämpfung“
unternommen?

21. Welche weiteren datenschutzrechtlichen Regelungen sind nach Kenntnis der
Bundesregierung zur Kontrolle des „Europäischen Zentrums für Terroris-
musbekämpfung“ vorgesehen?

22. Wofür erhalten die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt Finanzmittel
aus den im Jahr 2014 von der Europäischen Kommission im Rahmen der
„Strategie für die innere Sicherheit“ aufgelegten „Fonds für die innere Si-
cherheit“ und „Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds“ (bitte auch die
Höhe der jeweiligen Posten benennen)?

23. Mithilfe welcher technischen Verfahren soll die von der Europäischen Kom-
mission finanzierte „Entwicklung von auswerte-/ ermittlungsunterstützenden
Techniken und Modernisierung zentraler IT-Infrastruktur“ bei der „Aufde-
ckung, Zerschlagung, Vorbeugung krimineller Netzwerke“ helfen
(www.bka.de/nn_247942/Innerersicherheitsfonds/DE/Dokumente/
praesentationFinanzierungsinstrumenteDerEU.pdf)?

24. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die Zusammenar-
beit der Gemeinsamen Zentren für die Zoll- und Polizeizusammenarbeit in-
zwischen stärker mit den EU-Agenturen Europol und FRONTEX zusam-
menarbeiten (Ratsdokument 16249/13)?

a) Welche Möglichkeiten der Kooperation und des Austausches wurden seit
dem Jahr 2010 hierzu eingerichtet?

b) Worum handelt es sich bei dem von Deutschland geführten Polizeiprojekt
„Strengthening the PCCC Cooperation in the European Union” unter ande-
rem mit Westbalkan-Ländern (www.pccseesecretariat.si/index.php?page=
news&item=7&id=728)?

c) Welche Polizeibehörden (auch deutsche) nehmen nach Kenntnis der Bun-
desregierung an dem Projekt teil?

d) Worin besteht der Beitrag von FRONTEX für das Projekt?

e) Worum handelt es sich nach Kenntnis der Bundesregierung bei dem von
deutschen Polizeien vorgestellten „VoDoS case management system“?

Drucksache 18/6008 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

f) Wann und wo soll nach Kenntnis der Bundesregierung die nächste jährliche
PCCC-Konferenz stattfinden?

25. Wann und wo soll nach Kenntnis der Bundesregierung die nächste „As-
sembly of Regional Groups on Surveillance (ARGOS)“-Konferenz stattfin-
den, wer lädt dazu ein, und welche Rolle spielt Europol bei der Konferenz?

26. Welche konkreten Punkte stehen auf der Tagesordnung?

27. Welche weiteren Treffen haben im Zusammenhang mit dem vom Bundes-
kriminalamt bei Europol geleiteten Projekt „Konsolidierung einer Internet-
auswertungskoordinierungsgruppe“ stattgefunden, und welche „Internetaus-
wertegruppen“ welcher Behörden nahmen daran teil?

28. Wann und wo haben weitere Treffen des Projekts „Konsolidierung einer In-
ternetauswertungskoordinierungsgruppe“ stattgefunden, und was wurde dort
besprochen?

29. Wann und wo haben nach Kenntnis der Bundesregierung weitere Treffen des
Projekts „Maßnahmen gegen inkriminierte Kommunikationsplattformen“
stattgefunden, und was wurde dort besprochen?

30. Aus welchem Grund hat die Bundesregierung hinsichtlich des mutmaßlichen
Attentäters Mehdi Nemmouche trotz laufender Ermittlungen sehr wohl
beauskunftet, ob dieser in polizeilichen Informationssystemen ausgeschrie-
ben war (zur verdeckten Kontrolle im SIS II sowie zur Festnahme zwecks
Auslieferung), und wieso heißt es nun zum mutmaßlichen Attentäter Ayoub
El K., dass die Bundesregierung zu einer Speicherung im SIS II „aus Grün-
den des Schutzes der Persönlichkeitsrechte Betroffener“ grundsätzlich nicht
zu Einträgen in nationalen und internationalen Fahndungsdatenbanken Stel-
lung nehmen würde (vgl. Bundestagsdrucksache 18/2070 und die Schriftli-
che Frage 11 des Abgeordneten Andrej Hunko vom 27. August 2015, Bun-
destagsdrucksache 18/5913)?

31. Seit wann war Ayoub El K. nach Kenntnis der Bundesregierung zur verdeck-
ten Kontrolle im SIS II ausgeschrieben?

32. Inwiefern trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu oder nicht zu, dass
die Länder Frankreich, Schweiz, Belgien, Deutschland, Spanien und Italien
zugesagt hätten, „wo notwendig“ die Überprüfung von Identitäten bei Zug-
reisen vorzunehmen und auch Gepäck zu kontrollieren (The Parliament vom
1. September 2015)?

a) In welchem Rahmen hat die Bundesregierung dies zugesagt, und wie soll
dies umgesetzt werden?

b) Wo hält die Bundesregierung solche Überprüfungen derzeit für notwendig?

c) Welche weiteren Länder haben nach Kenntnis der Bundesregierung solche
Überprüfungen zugesagt?

Berlin, den 11. September 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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