BT-Drucksache 18/6003

Aufmarsch bewaffneter Soldaten vor dem Reichstagsgebäude am 11. November 2015 aus Anlass eines sogenannten Großen Zapfenstreiches

Vom 8. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6003
18. Wahlperiode 08.09.2015

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,

Sevim Daǧdelen, Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko,
Dr. Alexander S. Neu, Kathrin Vogler, Jörn Wunderlich und der

Fraktion DIE LINKE.

Aufmarsch bewaffneter Soldaten vor dem Reichstagsgebäude am
11. November 2015 aus Anlass eines sogenannten Großen Zapfenstreiches

Am 11. November 2015 will die Bundeswehr einen sogenannten Großen Zapfen-
streich vor dem Reichstagsgebäude durchführen (vgl. Antwort der Bundesregie-
rung auf die Schriftliche Frage 64 der Abgeordneten Ulla Jelpke auf Bundestags-
drucksache 18/5536). Am Tag des Karnevalsbeginns soll so der 60. Jahrestag der
Gründung der Bundeswehr gefeiert werden. Zur abendlichen Zeremonie gehören
die Präsentation von Wehrmachtskarabinern (98k) und Fackeln (vgl. Zentrale
Dienstvorschrift ZDV 10/8 und Bundestagsdrucksache 16/143).

Nach dem Großen Zapfenstreich anlässlich des 50. Jahrestages am 26. Oktober
2005 ist es erst das zweite Mal seit der Befreiung Deutschlands und Europas vom
Faschismus, dass sich bewaffnete deutsche Soldaten mit Wehrmachtskarabinern
und Fackeln vor dem Reichstagsgebäude versammeln. Die Fragesteller gehen da-
von aus, dass der Bundeswehr bewusst ist, welche Assoziationen sie mit ihrer
Veranstaltung weckt.

Die Fragesteller halten den Großen Zapfenstreich für eine vollkommen überflüs-
sige und schädliche Angelegenheit. Bewaffnetes Militär im Inland vor dem Par-
lamentsgebäude aufmarschieren zu lassen, zeugt aus ihrer Sicht weniger vom
Charakter einer Parlamentsarmee, sondern von militaristischem Geist, der der Ge-
sellschaft gerne seinen Stempel aufdrücken möchte. Eine zivile Gesellschaft
braucht so etwas nicht. Andere Berufsstände blockieren auch nicht ganze Stra-
ßenzüge für voraussichtlich mehrere Tage, nur weil sie Geburtstag haben.

Wenn die Bundeswehr aber an ihrem Projekt festhalten will, stellt sich die Frage,
inwiefern sie ihrer eigenen Dienstvorschrift treu bleibt, die ausdrücklich festhält
(Nr. 220 der ZDV 10/8): „Die Bevölkerung ist durch Presse- und Öffentlichkeits-
arbeit auf das militärische Zeremoniell aufmerksam zu machen und zur Teil-
nahme anzuregen.“ Beim letztmaligen Zapfenstreich im Oktober 2005 hingegen
war die Bevölkerung weiträumig ausgesperrt und der Zutritt nur einzeln verlese-
nen Ehrengästen gewährt worden. Damit wurden sowohl Claqueure als auch Kri-
tikerinnen und Kritiker von der Teilnahme ausgeschlossen. Die Bundeswehr
muss sich aber aus Sicht der Fragesteller, wenn sie schon öffentliche Plätze be-
setzt, auch öffentliche Kritik gefallen lassen – und zwar ortsnah.

Drucksache 18/6003 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung

1. Hält es die Bundesregierung für eine zeitgemäße Idee, anlässlich des
60. Gründungstages der Bundeswehr einen Großen Zapfenstreich vor dem
Reichstagsgebäude durchzuführen, und wenn ja, warum?

2. Aus welchen Überlegungen heraus hat sich die Bundeswehr bzw. das Bun-
desministerium der Verteidigung dafür entschieden, ihren Geburtstag in
Form eines Großen Zapfenstreiches zu begehen, und nicht im Rahmen eines
weniger aufwendigen und die Öffentlichkeit weniger beeinträchtigenden
Formates?

3. Welchen Stand haben die Planungen zum Zapfenstreich bislang, und welche
Zeitlinie soll für die weiteren Planungen gelten?

4. Wie viele Soldatinnen und Soldaten jeweils welcher Einheiten werden an der
Zeremonie insgesamt teilnehmen?

Wie viele davon werden

a) am eigentlichen Großen Zapfenstreich,

b) als Fackelträger,

c) als Ehrengeleit,

d) als Feldjäger zur Absicherung oder

e) in anderer Funktion

teilnehmen (bitte benennen)?

5. Wird bei der Durchführung des Großen Zapfenstreiches wieder der Wehr-
machtskarabiner 98 k verwendet (wenn nein, bitte Alternative angeben)?

6. Sind Ansprachen geplant, und wenn ja, wie viele, und von welchen Personen
(falls konkrete Personen noch nicht feststehen, bitte angeben, ob es sich um
Vertreter der Gesellschaft, Angehörige der Bundesregierung oder des Mili-
tärs handeln soll)?

7. Mit wie vielen geladenen Gästen rechnet die Bundesregierung derzeit?

Wie viele Gäste haben am Großen Zapfenstreich am 26. Oktober 2005 teil-
genommen?

8. Sieht der Ablaufplan das Angebot eines Shuttle-Services für die geladenen
Gäste zum Reichstagsgebäude vor, und wenn ja, von welchen Orten aus?
Aus welchen Orten bzw. militärischen Liegenschaften werden die an der Ze-
remonie teilnehmenden Soldaten zum Reichstagsgebäude gebracht?

9. Mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung im Zusammenhang mit
dem Großen Zapfenstreich? Welche Kosten waren im Jahr 2005 angefallen?

10. An welchen Personenkreis werden Einladungen versandt? Wie viele hiervon
sind Angehörige der Zapfenstreich-Teilnehmer? Rechnet die Bundesregie-
rung mit der Teilnahme ausländischer Staatsgäste (bitte gegebenenfalls an-
geben, aus welchen Ländern welche Teilnehmer erwartet werden)?

11. Inwiefern soll nicht persönlich eingeladenen Bürgerinnen und Bürger die
Teilnahme am Großen Zapfenstreich ermöglicht werden? Welche Maßnah-
men will die Bundeswehr ergreifen, um die Bürgerinnen und Bürger dem-
entsprechend zur Teilnahme „anzuregen“? Inwiefern will sie dabei gewähr-
leisten, dass auch kritische Bürger teilnehmen können?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6003

12. Inwiefern sind Vereinbarungen mit den zuständigen Behörden (etwa mit dem
Deutschen Bundestag und dem Bezirksamt Mitte, gegebenenfalls weitere)
bereits getroffen bzw. noch in Arbeit?

a) Wann ist die Bundeswehr erstmals mit diesen Behörden in Kontakt getreten,
und wann hat sie welche Vorschläge bzw. Anträge eingereicht?

b) Wann und wie wurden diese Anträge bzw. Vorschläge beschieden, und wel-
chen Inhalt haben die Bescheide (bitte angeben, wenn Rechtsmittel eingelegt
worden sind) bzw. sonstigen Abmachungen bzw. Vereinbarungen?

13. Welche Straßen, Wege und Plätze will die Bundeswehr anlässlich des Gro-
ßen Zapfenstreiches konkret nutzen und der Nutzung durch die Öffentlich-
keit entziehen (bitte Straßennamen angeben, Örtlichkeiten genau bezeichnen
und auch den betreffenden Zeitraum angeben)?

Wird es sich mehr oder weniger um den gleichen Absperrungsradius handeln
wie im Jahr 2005?

14. Welche Konsequenzen zieht die Bundeswehr aus dem Urteil des Verwal-
tungsgerichts Berlin vom 3. Mai 2006 (VG 1 A 145.05), in dem festgestellt
wurde, dass die Einrichtung eines Sondernutzungsbereichs durch das Land
Berlin (beantragt durch die Bundeswehr) rechtswidrig war, weil der Zweck
dieser Sondernutzung nicht darin bestand, „eine bestimmte positive Nutzung
des öffentlichen Straßenlandes“ zu gewährleisten, sondern es „lediglich ne-
gativ darum [ging], den Gemeingebrauch auszuschließen oder zu kontrollie-
ren“?

Was folgert die Bundeswehr hieraus hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen
der Durchführungs- und Sicherungsmodalitäten zum Großen Zapfenstreich?

15. Wird ein militärischer Sicherheitsbereich beantragt (oder ist bereits beantragt
worden), und wenn ja, inwiefern wird die Bundeswehr dem ausdrücklichen
Hinweis des Berliner Verwaltungsgerichts folgen, „dass auch die Bundes-
wehr der Bindung durch die Grundrechte unterliegt“, und die Einrichtung
eines militärischen Sicherheitsbereichs nicht ausschließe, „dass dieser von
Versammlungsteilnehmern zur Durchführung einer Versammlung betreten
werden darf, solange keine Gefahr für die militärische Sicherheit besteht“?

16. Falls ein militärischer Sicherheitsbereich eingerichtet wird, soll dieser von
Feldjägern oder im Wege der Amtshilfe von Angehörigen der Berliner Poli-
zei kontrolliert werden?

17. Ging von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der „Zapfnix“-Demonstra-
tion am 26. Oktober 2005 nach Einschätzung der Bundesregierung eine Ge-
fahr für die militärische Sicherheit aus, und wenn ja, inwiefern?

a) Erwartet die Bundesregierung durch allfällig zu erwartende antimilitaristi-
sche Proteste Gefahren für die militärische Sicherheit, und wenn ja, inwie-
fern?

b) Welche Kriterien werden für eine solche Einschätzung generell sowie kon-
kret im Hinblick auf den bevorstehenden Großen Zapfenstreich angelegt?

Drucksache 18/6003 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

18. Welche weiteren Veranstaltungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung
im Zusammenhang mit dem 60. Gründungstag der Bundeswehr geplant?

Welche davon sollen außerhalb militärischer Liegenschaften stattfinden
(bitte vollständig mit Ort und Datum angeben)?

Berlin, den 8. September 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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