BT-Drucksache 18/5837

Entwicklung der deutsch-russischen Zusammenarbeit

Vom 19. August 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5837
18. Wahlperiode 19.08.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. André Hahn, Sigrid Hupach, Andrej Hunko, Ulla Jelpke,
Kerstin Kassner, Katrin Kunert, Niema Movassat, Norbert Müller (Potsdam),
Dr. Alexander S. Neu, Harald Petzold (Havelland) und der Fraktion DIE LINKE.

Entwicklung der deutsch-russischen Zusammenarbeit

In einer Resolution vom 7. Juni 2015 heißt es: „Wir, die Teilnehmenden der
Konferenz zur Eröffnung der deutsch-russischen Themenjahre ,70 Jahre Ende
des 2. Weltkriegs: Jugendaustausch – Verständigung – gemeinsame Zukunft‘
haben am heutigen Tag von einer Vertreterin der konsularischen Abteilung der
deutschen Botschaft von der Einführung des Visainformationssystems (VIS) am
14. September 2015 in Russland erfahren. Wir sind von der Einführung des Sys-
tems in höchstem Maße betroffen, weil damit für alle Kinder und Jugendlichen
die Verpflichtung verbunden ist, persönlich in den Konsularabteilungen der
deutschen Botschaft oder Visazentren vorstellig zu werden, um sich dort die Fin-
gerabdrücke abnehmen zu lassen. Das gefährdet die Fortführung und Weiterent-
wicklung der schulischen und außerschulischen Jugendbegegnungen zwischen
Deutschland und Russland …“
Auch die Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch hat die Bundesregie-
rung und den Deutschen Bundestag in Papieren und auf Veranstaltungen sehr
deutlich auf die möglichen Konsequenzen durch die Einführung des VIS hinge-
wiesen.
Problematisch entwickeln sich auch die Arbeitsmöglichkeiten für Nichtregie-
rungsorganisationen (NGO) in Russland. Inzwischen – so Presseberichte – wen-
det Russland das Gesetz zu unerwünschten ausländischen Organisationen an
(„Schwere Zeiten für Amnesty und Co. – Russland will ausländische nicht staat-
liche Organisationen an die Zügel nehmen“ in Neues Deutschland vom 2. Juli
2015).
In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage „Die deutsch-russischen Kreuzjahre
2012/13 und 2014/15“ der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 18/
2177) gab die Bundesregierung im Juli 2014 einen Überblick über Ergebnisse
und Vorhaben auf dem Gebiet der deutsch-russischen Zusammenarbeit.
„Das Jahr der deutschen Sprache und Literatur in Russland 2014/15 und das pa-
rallel laufende Jahr der russischen Sprache und Literatur in Deutschland wurden
kurz vor dem Ende des Deutschland- und Russlandjahres im Juni 2013 ausgeru-
fen, um an die erreichten Erfolge anzuknüpfen. Über die beidseitige Durchfüh-
rung wurde am 24. April 2014 in Berlin eine gemeinsame Absichtserklärung un-
terzeichnet. Darin ist festgeschrieben, dass mit dem deutsch-russischen Sprach-
und Literaturjahr die strategische Partnerschaft, das gegenseitige Verständnis
und die traditionell bestehende Freundschaft zwischen den Völkern Deutsch-
lands und Russlands sowie die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern

Drucksache 18/5837 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
in den Bereichen Bildung und Kultur gestärkt und ausgebaut werden sollen.“
(siehe www.goethe.de).
Die feierliche Eröffnung fand anlässlich Alexander Puschkins 215. Geburtstag
am 6. Juni 2014 in Berlin statt. Zu Ende ging das gemeinsame Jahr genau zwölf
Monate später am 3. Juni 2015 in Moskau zum 140. Geburtstag von Thomas
Mann. Laut eigener Homepage zogen die Projektträger – das Auswärtige Amt
und das Goethe-Institut – und ihre Partner eine positive Bilanz: „Über 510 Ein-
zelveranstaltungen und Wettbewerbe mit mehr als 73 000 Teilnehmern aus rund
300 Orten Russlands und etwa 200 mitwirkenden Wissenschaftlern, Schriftstel-
lern und Künstlern aus Deutschland wurden durchgeführt.“ (siehe auch
www.deutsch2014-2015.ru).
Um die Jugend – so die Projektträger – wird es auch beim nächsten russisch-
deutschen Kreuzjahr gehen. Im Jahr 2016 sind Austausche zwischen russischen
und deutschen Studenten sowie Auszubildenden geplant.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit stimmen die Informationen zur Einführung des Visainformations-

systems (VIS) zum 14. September 2015, und welche Veränderungen in der
Visaerteilung sind mit dem VIS verbunden?

2. Wann, und durch wen wurde das VIS beschlossen, und wie haben sich dazu
die Bundesregierung, insbesondere das Auswärtige Amt und das Bundes-
ministerium des Innern, positioniert?

3. In welcher Weise wurden das Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend und andere oberste Bundesbehörden sowie NGO, die sich
auf dem Gebiet des internationalen Jugendaustausches oder der deutsch-
russischen Zusammenarbeit engagieren, bei der Entscheidungsfindung ein-
bezogen?

4. In welcher Weise hat die Bundesregierung bisher auf die Resolution vom
7. Juni 2015, auf entsprechende Hinweise von der Stiftung Deutsch-Russi-
scher Jugendaustausch und ähnliche Petitionen reagiert?

5. Inwieweit gibt es Ausnahmeregelungen beim VIS, und inwieweit sind diese
auch für den Jugendaustausch denkbar?

6. Was unternimmt die Bundesregierung, um durch Visaerleichterungen und
mit anderen Maßnahmen den Kinder- und Jugendaustausch, den Austausch
zwischen Organisationen der Zivilgesellschaft (Städtepartnerschaften, Sport-
organisationen, Behindertenverbände, Kulturinstitutionen und andere), den
Tourismus und den Geschäftstourismus zwischen beiden Staaten zu beför-
dern?

7. Welche auf Bundesebene tätigen Stiftungen, Vereine und weiteren NGO aus
Deutschland sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in Russland ak-
tiv?
Welche dieser NGO müssen befürchten, dass ihre Tätigkeit als Bedrohung
für die nationale Sicherheit eingestuft und ihre Tätigkeit in Russland unter-
sagt wird?

8. Welche in Russland tätigen NGO aus Deutschland haben in den Jahren 2014
und 2015 Mittel für Projekte und andere Aktivitäten vom Bund erhalten (bitte
die jeweilige NGO, die Maßnahme, die Höhe der Förderung und die zustän-
dige Bundesbehörde nennen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5837
9. Welche Stiftungen, Vereine und weiteren NGO aus Russland sind nach
Kenntnis der Bundesregierung derzeit in Deutschland aktiv?
Bei welchen dieser NGO hat die Bundesregierung Bedenken hinsichtlich
der Ziele und Aktivitäten dieser Organisationen oder musste sogar mit
rechtlichen Mitteln gegen deren Wirken vorgehen?

10. Wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse der 13. Deutsch-Russi-
schen Städtepartnerschaftskonferenz vom 27. bis 30. Juni 2015 in Baden-
Baden und Karlsruhe, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus für
ihr Regierungshandeln?

11. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Russisch als
Fremdsprache lernenden Schülerinnen und Schüler in Deutschland in den
vergangenen zehn Jahren entwickelt?

12. Wie viele Veranstaltungen und andere Aktivitäten erfolgten durch bzw. un-
ter Mitwirkung der Bundesregierung im „Jahr der Deutschen Sprache und
Literatur in Russland“ in den Jahren 2014 und 2015 (bitte die Anzahl und
die dafür vom Bund bereitgestellte Mittel nennen, aufgeschlüsselt nach der
jeweils zuständigen Bundesbehörde)?

13. An welchen dieser Veranstaltungen haben Mitglieder der Bundesregierung
persönlich teilgenommen (bitte namentlich nennen), und an welchen dieser
Veranstaltungen nahmen nach Kenntnis der Bundesregierung der Bundes-
präsident, Mitglieder des Deutschen Bundestages, der Präsident der Russi-
schen Föderation, Mitglieder der Duma sowie Mitglieder der Regierung der
Russischen Föderation teil?

14. Wie viele Veranstaltungen und andere Aktivitäten gab es nach Kenntnis der
Bundesregierung im „Jahr der Russischen Sprache und Literatur in
Deutschland“ in den Jahren 2014 und 2015, und an welchen war der Bund
aktiv beteiligt (bitte Aktivität, Datum, Ort und dafür vom Bund bereitge-
stellte Mittel nennen)?

15. An welchen dieser Veranstaltungen haben Mitglieder der Bundesregierung
persönlich teilgenommen (bitte namentlich nennen), und an welchen dieser
Veranstaltungen nahmen nach Kenntnis der Bundesregierung der Bundes-
präsident, Mitglieder des Deutschen Bundestages, der Präsident der Russi-
schen Föderation, Mitglieder der Duma sowie Mitglieder der Regierung der
Russischen Föderation teil?

16. In welcher Weise waren nach Kenntnis der Bundesregierung Menschen mit
Behinderungen und ihre Organisationen aus beiden Staaten in die Planung
und Durchführung des Kreuzjahres 2014/2015 einbezogen, und welche Ak-
tivitäten gab es im Rahmen des Kreuzjahres, um einen gemeinsamen Bei-
trag zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu leisten?

17. Wie ist aus Sicht der Bundesregierung die Bilanz des Kreuzjahres 2014/
2015, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus für ihr Regierungs-
handeln?

18. Wer hat auf deutscher sowie auf russischer Seite entschieden, im Jahr 2016
ein weiteres Kreuzjahr zwischen beiden Staaten durchzuführen, und welche
Planungen gibt es diesbezüglich seitens der Bundesregierung?

19. Welche Maßnahmen und Aktivitäten zur Zusammenarbeit zwischen
Deutschland und Russland sind im Entwurf des Bundeshaushaltes 2016 ent-
halten (bitte jeweiliges Bundesministerium, Maßnahme, Titel und geplante
Summe nennen)?

Drucksache 18/5837 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
20. Inwieweit gibt es aus Sicht der Bundesregierung infolge der aktuellen Situ-
ation in der Ukraine und damit verbundenen Sanktionsmaßnahmen Verän-
derungen in den Beziehungen zu Russland auf den Gebieten Kultur, Sport,
Jugendaustausch und Zusammenarbeit in der Behindertenpolitik?
Gab bzw. gibt es bereits Veranstaltungen und andere Vorhaben, die in die-
sem Zusammenhang auf dem Prüfstand stehen bzw. abgesagt wurden?
Wenn ja, welche?

Berlin, den 19. August 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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